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Der Einhof Säuerling aus Einach an der Mur im Österreichischen Freilichtmuseum

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Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark Jahrgang 93 (2002)

Der Einhof Säuerling aus Einach an der Mur im Österreichischen Freilichtmuseum

zu Stübing bei Graz

Von V i k t o r H e r b e r t frottier

Am 17. Oktober 1963 war ich erstmals in Einach, um den Säuerling zu besichtigen, erste fotografische Aufnahmen einzuholen und Gespräche mit der Besitzerin des Hofes zu führen. Frau Bibiana Reichsthaler, die Letzte in der langen Besitzerreihe des Säuer- ling, hatte den Hof von ihrem Vater Anton Drescher, der das Anwesen erst im Jahre 1926 erworben hatte, geerbt. Sie lebte selbst nie auf dem Hof und konnte mir daher auch kei- ne Auskunft über historische Zusammenhänge des Besitzes geben. Meine Gesprächs- partnerin war jedoch grundsätzlich bereit, das alte Gebäude zu einem zumutbaren Preis abzugeben. Ich konnte daher einen entsprechenden Kaufvertrag1 abschließen und die Übertragung des Einhofes verbindlich in meinen Arbeitsplan für das Jahr 1964 eintragen (Abb. 1). In der Zeit vom 11. Mai bis Ende Juni wurde der Einhof abgetragen, in das Österreichische Freilichtmuseum überführt, und noch im Sommer 1964 konnte mit dem Wiederaufbau begonnen werden.

Abb. 1:

Der Säuerling an seinem ursprünglichen Standort in Einach an der Mur.

Kaufvertrag vom 7. 11. 1963, Archiv des Österreichischen Freilichtmuseums.

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Der Einhoftyp im steirisch-salzburgisch-kärntnerischen Grenzgebiet Eine bisher unerkannte Gehöftform?

Der Säuerling ist einem Einhoftypus zuzuordnen, der in seiner Herkunftslandschaft keineswegs eine Ausnahme darstellt und, wie einschlägige hauskundliche Publikationen beweisen, auch in der salzburgischen und kärntnerischen Nachbarschaft zu finden ist.2

Er tritt jedoch in seinem Verbreitungsgebiet gemeinsam mit den dort mehrheitlich die Hauslandschaft prägenden Gruppen- und Paarhöfen auf. Das hat möglicherweise dazu geführt, dass dieser Einhoftypus in der Fachliteratur bisher nur wenig Beachtung gefun- den hat bzw. nicht als eigenständiger Typus dargestellt wurde. Es bedarf daher im Zusam- menhang mit dem Einhof Säuerling einiger grundsätzlicher Ausführungen über Beschaf- fenheit, Entwicklung und Verbreitung dieser Form des Einhofes. Die Einhöfe des hier angesprochenen Grenzgebietes sind insgesamt einer frühneuzeitlichen Bauschicht zuzu- ordnen. die Oskar MOSER für die Zeit zwischen 1550 und 1770 angibt.' Die zentralen Wohnräume dieser Bauten waren Rauchstuben, die entweder dem Millstätter Typ4 oder

Abb. 2:

Der Säuerling nach seiner Über- tragung in das Österreichische Freilichtmuseum.

Oskar MOSER, Die Einhöfe des Liesertales. Eine bisher unerkannte Gehöftform Oberkärntens1

on ^ u"S W l r k l l c h k e i t- Ausgewählte Schriften zur Volkskunde (1949-1993), Festgahe zum »0. Geburtstag = Archiv für vaterländische Geschichte und Topographie. 75. Bd., 1994.

Kurt CONRAD. Zur Typologie und Terminologie der Salzburger Gehöftformen. In: Die Land- schalt als Spiegelbild der Volkskultur. Ausgewählte Aufsätze und Vorträge. = Mitteilungen der Gesellschaft für Sal/burger Landeskunde, 13. Erg.-Bd 1990 56-63

Oskar MOSER, Einhöfe Liesertal, 170.

Viktor v. GERAMB, Die Kulturgeschichte der Rauchstuben. Ein Beitrag zur Hausforschung. In:

Worter und Sachen IX, 1924, Sonderdruck, 10f, Abb. 12 u. 13.

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dem St. Lambrechter Typ5 zugehörig sind. Die Wohnteile sind mit Oberlauben über die ganze Giebelseite und bisweilen auch an einer Traufseite ausgestattet. Sie verfügen ent- weder über ein für wirtschaftliche Zwecke genutztes Dachgeschoss oder, wie unser Säu- erling, über ein für Wohnräume voll ausgebautes Obergeschoss, wobei im Dachgeschoss ein Hochspeicher untergebracht sein kann. Das Dachgerüst ist im Gefüge eines Pfetten- stuhldaches ohne Firstpfette errichtet (Abb. 2).6

Da im rezenten Bestand der historischen Bauernhöfe in den genannten Gebieten kei- ne Einhöfe des hier beschriebenen Typs im ursprünglichen Bauzustand erhalten geblie- ben sind, sollen einige Objekte aus der Literatur als Belegexemplare kurz genannt bzw.

auf deren Publikationen hingewiesen werden.

Namhafte Hausforscher wie Gustav BANCALARI, Anton DACHLER, Karl RHAMM, Vik- tor v. GERAMB, Johann Reinhard BUNKER, Oskar MOSER, Kurt CONRAD haben in den Gebieten des oberen steirischen Murtales, des Lungaues und des Liesergebietes Einhö- fe beschrieben, die mit unserem Säuerling in Anlage und Form völlig übereinstimmen.

Als Ergebnis dieser Forschungen ist für die hier genannten Landschaften ein Verbrei- tungsgebiet unseres Einhofes festzustellen, das sich, wie schon betont, innerhalb der durch Gruppen- und Paarhöfe geprägten Hauslandschaften abzeichnet. Auf diese Zusammen- hänge ist jedoch bisher in der Literatur kaum hingewiesen worden.7

Oskar MOSER schließt aus der Verbindung des Einhofes mit der Rauchstube, wie die- se für den Lungau, das Murtal und das Liesergebiet nachzuweisen ist. auf Zusammen- hänge, die zumindest mit Auswirkungen der bairischen Landnahme in der Zeit des Hoch- mittelalters erklärbar sind.8 Dabei ist festzuhalten, dass der hier besprochene Einhoftyp als sekundärer Einhof zu bezeichnen ist, der im addierenden System durch die Aneinan- derreihung von Wohnhaus und Wirtschaftsteil unter einen gemeinsamen First entstanden ist. Dementsprechend ist er entwicklungsgeschichtlich anders zu beurteilen als primäre Wohnstallhäuser, wie etwa das niederdeutsche Hallenhaus oder das Gulfhaus.1'

Bauweise und Baugefüge des Säuerling

Das zweigeschossige Breitgiebelhaus, dessen Fassade mit rd. 12 m Breite und 12 m Höhe gewissermaßen in ein Quadrat eingeschrieben ist. verfügt über eine nicht alltägli- che Proportion, die zur optischen Besonderheit unseres Säuerling beiträgt. Durch die sehr urtümlich gestaltete Haustüre, die in ihrer Höhenlage gestaffelten kleinen Blockbau- fenster im Erd- und Obergeschoss, die nur teilweise durch spätere Kasten- oder Rah- menstockfenster ergänzt wurden, durch den im Oberstock umlaufenden Laubengang, durch die an der Giebelwand ins Freie mündenden Rauchschlote sowie durch den Hoch- speicher im Dachgeschoss mit der beidseitig angebrachten Bretterschalung und dem

5 Viktor v. GERAMB., Kärntner Rauchstuben. In: Carinthia I 144, 1954, 668-689, 691, Abb. 24.

6 Oskar MOSER, Das Pfettenstuhldach. Eine Bauweise im östlichen alpinen Übergangsgebiet

= Veröffentlichungen des Österreichischen Museums für Volkskunde. Bd.XVII. 1976. 28ff.

Abb. 16-20.

7 Viktor Herbert POTTEER, Der Säuerling aus Einach an der Mur im Österreichischen Freilicht- museum zu Stübing bei Graz = Schriften und Führer des Österreichischen Freilichtmuseums Stübing bei Graz. Nr. 24. 2001. 10-20.

8 Oskar MOSER, Einhöfe Liesertal. 172.

9 Vgl. Konrad BEDAL, Historische Haust'orschung. Eine Einführung in Arbeitsweise, Begriffe und Literatur = Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, H. 8. 1978, 1 lOff, 106f.;

Josef SCHEPERS, Haus und Hof Westfälischer Bauern, i9602, 38ff;

Helmut OTTENJANN, Museumsführer. Niedersächsisches Freilichtmuseum, 1988, 118ff.

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Plan 1:

Giebelfassade des Einhofes Säuerling.

Schopfdach wurde eine sehr vielgestaltige, harmonische Fassadengliederung erreicht (Plan 1). Der Einhof ist auf einer Grundfläche von 12,40 m x 22,70 m über einem Bruch- steinsockel errichtet, der im Eingangsbereich 0.60 m bis 0,80 m hoch ist und bis zum stallseitigen Giebel des Einhofes auf 0.00 m abfällt, wodurch der benötigte Geländeaus- gleich erreicht wurde. Von der Gesamtgrundfläche des Säuerling entfallen rd. 100 m; auf das Wohnhaus und der Rest von rd. 190 m: auf den Wirtschaftsteil. Das Wohnhaus ist ein Rauchstubenhaus, das noch im Detail darzustellen sein wird.10

Der gesamte Bau ist in einer sehr urtümlichen überkämmten Blockbauweise mit Kopfschrot gezimmert, w obei für den Wohnteil kantig behauene Wandhölzer mit Maßen von bis zu 0,25 m x 0,30 m eng verfugt verarbeitet wurden, während der Wirtschaftsteil mit waldsäumig belassenen Hölzern aufgezimmert wurde, die zum Teil Maße bis über 0,30 m aufweisen. Die Zwischenräume der Wandhölzer sind im Wohnhaus mit Moos abgedichtet und in der üblichen Weise verdübelt." Die Zimmerung des Wirtschaftsteiles erfolgte ohne exakte Abdichtung, so dass bisweilen luft- und lichtdurchlässige Zwi- schenräume im Wandgefüge verblieben. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang.

dass an der Südfassade eine völlig getrennte Zimmerung von Wohn- und Wirtschaftsteil sichtbar ist. Die Wandhölzer beider Hofelemente stoßen hier ohne Verbindung stumpf so aneinander, dass von der Grundschwelle bis zur Fußpfette, welche die Mauerbank bildet.

Zu Rauchstube vgl. Viktor.v. GERAMB. Kulturgeschichte der Rauchstuben, wie Anm. 4:

Viktor v. GERAMB. Die geographische Verbreitung und Dichte der ostalpinen Rauchstuben. In:

Wiener Zeitschrift f. Volkskunde. 30. Jg.. H. 3-6. 1925.

Athur HABEREANDT. Die Kulturgeschichte der Rauchstuben. Eine kritische Betrachtung. In:

Wiener Zeitschrift f. Volkskunde. 29. Jg.. 1924. 81-87:

Oskar MOSER. Die Hausangaben in St. Pauler Ehrungsbüchern und die Rauchstubenhäuser L nterkärntens. In: Carinthia I 167. 1977. 151-420:

Viktor Herbert PÖTTEER, Der Großschwtter. ein weststeirisches Bauernhaus im Österreichi- schen Freilichtmuseum in Stübing bei Graz. In: Museum und Kulturgeschichte. Festschrift für Wilhelm HANSEN = Schriften der Volkskundlichen Kommission für Westfalen. Bd 25. 1978.

91-116.

Viktor Herbert PÖTTLER. Alte Volksarchitektur. 1982. 45.

ein bis zu 0.10 m breiter, sichtbarer und greifbarer Zwischenraum entstand. Erst die Fußp- fette verbindet in diesem Bereich Wohn- und Wirtschaftstrakt zu einem Einhof. was als augenfälliges Beispiel einer sekundären Einhofbildung in Erinnerung gebracht sei.'- Hin- gegen ist die nördliche Traufseite des Einhofes nur im Erdgeschoss mit einer Trennfuge gezimmert, was möglicherweise mit dem Um- und Ausbau des Hofes im Jahre 1751 zusammenhängt, ohne urkundliche Datierungshilfe allerdings ein Rätsel bleiben wird.

Auch das Oberschoss des Wohnteiles ist in überkämmtem Blockbau mit Kopfschrot gezimmert, wozu kantig behauene Wandhölzer mit einer durchschnittlichen Stärke von 0,19 m x 0,14 m verwendet wurden. Bei unbewohnten Räumen wie etwa dem Abstell- raum im Obergeschoss, der auch den Zugang zum Abort bildet, blieb das Wandgefüge wie im Wirtschaftsteil unverfugt. Der im Dachgeschoss eingebaute Hochspeicher ist indessen sorgfältig aus behauenen Kanthölzern mit den Maßen 0.19 m x 0.14 m in über- kämmtem Blockbau mit Kopfschrot gezimmert, was auf den jüngeren Ausbau des Jah- re 1751 und die Bedeutung des Kastens als Vorratsraum für Lebensmittel hinweist."

Die Türgefüge in Wohnhaus und Stadel bestehen aus stumpf in die Blockwände ein- gesetzten Türsäulen, wobei Türschwellen und -stürze von den durchgehenden Wandhöl- zern gebildet werden.14 Die Türen selbst bestehen aus senkrechten, bis zu 0,50 m breiten und 0.05 m starken Brettern, die mit Einschubleisten zusammengehalten werden und mit eisernen Türbändern versehen auf eisernen Türangeln laufen. Im Franziszeischcn Katas- ter wird der Säuerling in Stadl als Wohn- und Wirtschaftsgebäude mit der Hausnummer 25 genannt, das hölzern ausgeführt und 1 Stock hoch ist. Damit ist unser Säuerling als zweigeschossiger Einhof urkundlich festgeschrieben. Die Zweigeschossigkeit wurde

Plan 2:

Fassadenwand - Innenansicht:

rechts = Rauchstube.

darüber = Kachelstube.

links = Stuhl, darüber = Kammer:

im Dachgeschoss = Kasten.

12 Vgl. Viktor Herbert PÖTTLER. Der Säuerling. Fb. 7.

13 Ebd.. 71-78.

14 Zu Türen vgl. Hermann PHLEPS. Holzbaukunst. Der Blockbau. 1942. 158ff.

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(4)

sicher durch den Ausbau von 1751 erreicht; wann allerdings die Vereinigung von Wohn- und Wirtschaftsteil zum Einhof erfolgte, ist urkundlich nicht festgehalten, erfolgte aber wahrscheinlich schon im 16./17. Jahrhundert. Durch den Ausbau des Obergeschosses im Wohnhaus verfügte man im Säuerling insgesamt über fünf Wohn- und Schlafräume. Da um 1782 die Kinder des damaligen Besitzers Stölzl als Dienstleute am Hof arbeiteten, waren die Räumlichkeiten gut belegt (Plan 2).

Der Blockbau, der im Bereich des Holzbaues als massive Bauweise anzusprechen ist, wurde beim Säuerling in sehr unterschiedlicher, vor allem aber in sehr urtümlicher Form überliefert, weshalb hier einige diesbezügliche Hinweise angezeigt sind.n Während beim entwicklungsgeschichtlich älteren Pfosten- und Ständerbaul6. die beide dem Gerüst- bau zuzuordnen sind, senkrechte und waagrechte Hölzer ein Gerüst bilden und die Wän- de aus lehmverputzten Geflechten. Ziegeln oder Steinen gebildet werden, entsteht der Blockbau durch waagrecht übereinandergelagerte. möglichst geradwüchsige Langhöl- zer. die eine massive Holzwand bilden. An den Ecken eines Blockbaues müssen die im rechten Winkel aufeinander stoßenden Wandhölzer durch so genannte Eckverbindungen zusammengehalten werden. Die Bezeichnung Holz- oder Eckverbindung erinnert an die Zeit, da man die Hölzer eines Pfostenbaues oder eines Dachgerüstes mangels entspre- chender Werkzeuge und Bauerfahrung mit naturhaftem Material gebunden hat. In Primär- kulturen sind Holzverbindungen mit Lianen. Stricken u.a. noch heute zu beobachten.17

Bei der massiven Blockbauweise werden indessen die Wandhülzer an den Ecken eines Bauwerkes durch verschiedene Formen der Eckverbindungen, die von der einfachen Überkämmung mit vorstehenden Schrotköpfen bis zu komplizierten Formen der Ver- zinkung. vom Schwalbenschwanz- bis zum Glocken- oder Kugelschrot reichen, verbun- den.IX Selbstverständlich wurden bei der Entwicklung des Ständer- und Fachwerkbaues auch im Gerüstbau beachtenswerte und kunstvolle Formen der Holzverbindungen her- vorgebracht. " Für die Einbindung der Zwischenwände wurde beim Blockbau der so genannte Figuren- oder Malschrot verwendet.20 Um die Stabilität einer Blockbauwand zu gewährleisten, werden die Wandhölzer in mehr oder minder regelmäßigen Abständen von ca. 1.50 m durch so genannte Dübel miteinander verbunden. Diese etwa 3 cm star- ken und 15 bis 20 cm langen beidseitig angespitzten Holznägel werden in vorgebohrte Löcher zweier übereinanderliegender Wandhölzer eingeschlagen. Beim engverfugten Blockbau bleiben diese Dübel nach Fertigstellung des Baues unsichtbar, während sie beim Rundholzblockbau mitunter zu sehen sind.21

Schließlich müssen beim Blockbau, namentlich beim Wohnhaus oder bei Speicher- bauten, die Zwischenräume der Wandhölzer abgedichtet werden. Hiefür verwendet man zumeist Moos; in verschiedenen Landschaften auch Lehm oder Mörtel, wodurch die weiß verfugten Blockbauten entstehen, wie etwa beim Weingartenhaus aus Tieschen. In die- sem Kontext ist an eine Stelle bei TACITUS ZU erinnern, der in seiner Germania. Kap. 16,

15 Zu Blockbau vgl. Hermann PHLEPS. Blockbau.

"' Zu Ständer- und Fachwerkbau vgl. Hermann PHLEPS. Alemannische Holzbaukunst. Hrsg. E.

Mix, 1967;

Konrad BEDAL. Historische Hausforschung. 44ff.:

Josef SCHF.PERS. Haus und Hof. 38ff.

17 Hugo Adolf BERNATZIK. Neue große Völkerkunde. Völker und Kulturen der Erde in Wort und Bild. 1974. Abb. 82. 103. 107. 290.

18 Hermann PHLEPS. Blockbau. 56ff., Abb. 75-79.

" Hermann PHLEPS. Alemannische Holzbaukunst. 162ff.

20 Hermann PHLEPS. Blockbau. 64f. Abb. 65.

21 Viktor Herbert POTTI ER. Alte Volksarchitektur. 45.

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für die Zeit um 98 n. Chr. berichtet, dass die Germanen ihre Häuser aus unbehauenem Holz errichten und sie an gewissen Stellen ziemlich sorgfältig mit einer so blendend weißen Erdart (bestreichen), dass es wie Bemalung und Verzierung aussieht. Der stolze Römer hat die Probleme einer Blockbauzimmerung mit Eichenholz nicht erkannt und daher die Verfugung der Zwischenräume von Wandholz zu Wandholz, die durch die Beschaffenheit der nicht geradwüchsigen Eichenstämme notwendig wird und in der Regel mit Lehm (Erde) erfolgt, als Bemalung interpretiert.22

Erstmals hat Rudolf MERINGER auf diesen Tacitusbericht hingewiesen und zitiert wörtlich: Sie (die Germanen) verwenden nur grobe Baumstämme zum Bau ohne Rück- sicht auf Schönheit - quaedam loca diligentius illinunt terra ita pura ac splendente. ut picturam ac liniamenta colorum imitetur = Einzelne Stellen überstreichen sie recht sorg- fältig mit so reiner und glänzender Erde, daß es der Malerei und Farbenzeichnung nahe kommt. Dazu bemerkt MERINGER: Diese Stelle trotzt allen Erklärungsversuchen, und auch das Studium des volkstümlichen Hauses hat nichts gelehrt, was diesem Wortlaute völlig entsprechen würde. Umsoweniger ist sie geeignet, zu weitergehenden Schlüssen ver- wendet zu werden. Rudolf MERINGER, Professor für Indogermanistik an der Universität Graz und Lehrer von Viktor Geramb. hat zahlreiche Publikationen zum Thema Haus und Hof vorgelegt, daher sollte sein Hinweis auf den Tacitusbericht. der uns heute kein Rät- sel mehr aufgibt, hier besonders gewürdigt werden.23

Das Tieschener Weingartenhaus mit seinen lehmverstrichenen Zimmerungsfugen ist heute ein Unikat und eine hauskundliche Rarität. Der seinerzeitige Landesarchäologe Dr.

Walter MODRIJAN hat mich im Herbst 1963 nach Tieschen geführt, so dass es im Feber 1964 zur Übertragung des Weingartenhauses in das Österreichische Freilichtmuseum kommen konnte. MODRIJAN war der Meinung, dass schon in der römischen Kaiserzeit am Königsberg, der ältestes Siedlungsgebiet darstellt. Blockbauten aus Eichenholz stan- den.24 Tacitus hätte daher in der zur Provinz Norikum gehörigen Siedlung wahrschein- lich einige Exemplare dieses archaischen Blockbaues mit Lehmfuge gefunden. Block- bauten aus Eichenholz, deren Zimmerungsfugen mit Lehm abgedichtet wurden, fand man bis vor wenigen Jahren noch im benachbarten pannonischen Gebiet. Die gekalkte Mör- telfuge bei Blockbauten aus Fichtenholz ist u.a. aus Kärnten und aus schlesischen Gebie- ten bekannt.25

:; Ebd.. Abb. 16.

2' Rudolf MERINGER. Das deutsche Haus und sein Hausrat = Aus Natur und Geisteswelt. Bd. 116.

1906.731'.:

Viktor Herbert POTTEER. Alte Volksarchitektur. 30f:

Viktor Herbert PÖTTLER. Das Weingartenhaus aus Tieschen bei Bad Radkersburg. In: Mit Tra- dition und Innovation. Ausgewählte Schriften. Aufsätze und Vorträge = Schriften und Führer des Österreichischen Freilichtmuseums Nr. 22, 1999, 58, Abb. 1. 62. Abb. 3:

Bruno SCHIER. Hauslandschaften und Kulturbewegungen im östlichen Mitteleuropa. 1966'. 99.

Abb. 16-19:

Ludwig LOEWE. Schlesische Holzbauten. 1969. 92. I I9ff:

Oskar MOSER. Das Bauernhaus und seine landschaftliche und historische Entwicklung in Kärn- ten = Kärntner Museumsschriften 56. 1974. 177. Abb. 62. 184. Abb. 66:

Oskar MOSER. Hausangaben. 175. Abb. 10. 182. Abb. 13. 206. Abb. 27.

:4 Vgl. Diether KRAMER. Erforschte Vergangenheit. Ein Streifzug durch die Ur- und Frühge- schichte des Königsberges. In: Ortsgeschichte Tieschen. Von der Höhensiedlung zum Markt- platz 1998. 14-42.

2? Erika HUBATSCHEK, Bauernhöfe im südöstlichen Kärnten = Archiv für vaterländische Geschich- te und Topographie. 64. Bd.. 1970. 29, Abb. 22. 23:

Ludwig LOEWE. Schlesische Holzbauten 65. 71. 85. 87. 92. 199ff.

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Die beim iiberkämmten Blockbau vorstehenden Kopfenden werden, wie etwa bei unserem Säuerling. Kopfschrot. Schrotköpfe oder einfach Schrot genannt. In anderen Landschaften verwendet man die Ausdrücke Wettköpfe. Fürköpfe, und der B lockbau wird in der Sprache der Zimmerleute dementsprechend Schrotbau, Kopfstrick oder gewette- ter Bau genannt.2''An den Blockbau des Wirtschaftsteiles unseres Säuerling schließt ein über die ganze Giebelseite reichender 4.70 m breiter, nachträglich errichteter gemauer- ter Zubau an. Dieser Zubau wird auch im Dachgefüge durch zwei neue Stuhlsäulen des Pfettenstuhldaches und eine Verlängerung der Pfetten deutlich erkennbar. Die Hofge- schichte gibt über die Datierung dieses Zubaues leider keine Auskunft. Wahrscheinlich erfolgte der Zubau um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Anlässlich dieser Erwei- terung des Wirtschaftsteiles wurden die derzeitige rückwärtige Giebelfassade und die jet- zige Tennbrücke mit der in das Obergeschoss des Gebäudes führenden Auffahrt errich- tet. Vor diesem Zubau diente die Stalldecke als befahrbare Dreschtenne. Die neue 2,50 m breite, aus mächtigen Bohlen bestehende Auffahrt führt in einer Höhe bis zu 1.56 m über die einstige Tenne in das Obergeschoss des Wohnteiles, so dass der an der vorderen Giebelseite des Wohnteiles eingebaute Hochspeicher erreicht werden kann.

Der Wohnteil des Einhofes

Das zweigeschossige, giebelseitig erschlossene Breitgiebelhaus entspricht mit sei- nem firstparallelen Hausgang und den beidseitig von dieser Labn gelegenen Räumen einem Mittelflurhaus. Man betritt das Haus über einige insgesamt rd. 0.80 m erhöhte

1.40 m breite Holzstufen und eine sehr urtümlich erhaltene Haustür. Zwei 0.28 m breite und 0,19 m starke Holzsäulen bilden die seitliche Begrenzung der Tür; Schwelle und Sturz werden von den durchgehenden Wandhölzern gebildet. Drei breite. 0.05 m starke Bretter bilden das 1.73m hohe und 1.00 m breite Türblatt, das durch zwei Einschubleisten zusammenhalten wird. Ein Handgriff und ein hölzerner beweglicher Riegel dienen zum Verschluss der Tür: ein versperrbares Schloss gab es ursprünglich nicht (Plan 3).

Das Wohnhaus des Säuerling ist ein Rauchstubenhaus, dessen zentraler Raum die Rauchstube ist. Wie die Bezeichnung Stube deutlich macht, ist die Rauchstube ein Wohn-

des Erdgeschosses.

Viktor Herbert PÖTTLER, Alte Volksarchilektur. 48

räum, zum Unterschied zur Rauchküche, die nur als Kochraum diente. Während die Rauchstube uns nur im Bauernhaus begegnet, war die Rauchküche vor der Erfindung des Sparherdes allen Wohnungen in Stadt und Land gemeinsam.27 Die Kriterien der Rauch- stube sind die aus Herd und Ofen bestehende Doppelfeuerstätte, der ihr meist diagonal gegenüberstehende Esstisch, ein Bett, ein Vorrats- und Geschirrschrank und mitunter eine Hühnersteige.:s

In den Rauchstuben, die trotz plantechnischer Nachteile bisweilen bis ins 20. Jahr- hundert beibehalten wurden, blieb eine archaische Wohnkultur bewahrt, die eine spät- mittelalterliche bäuerliche Wohnweise im Ostalpenraum überliefert hat.29 Da die Rauch- stube ursprünglich der einzige beheizbare Raum eines Rauchstubenhauses war. verein- te sie als allgemeiner Wohnraum, in dem gekocht, gebacken, gegessen, gewohnt und geschlafen wurde, die gesamte bäuerliche Familie. Hier stand ein Bett für den kranken Hausgenossen oder für ein Kleinkind, die der Obsorge durch die Mutter und Bäuerin bedurften. Hier stand einst die Wiege des Neugeborenen ebenso wie die letzte Ruhestät- te des Verstorbenen, ehe er das Haus verließ. In einer Rauchstube wurden einst auch Schwitzbäder im Sinne einer Badstube genommen/" Vielfach fand sich in der erwähn- ten Hühnersteige auch das Federvieh zur Nachtruhe ein und dankte für das Nachtquar- tier mit Frischeiern. ",l Die Rauchstube war demnach nicht nur ein Bau- oder Raumtypus, sondern eine durchlebte bäuerliche Daseinsform mit starker Prägekraft (Plan 4).-12

Aufgrund der Beschaffenheit der Doppelfeuerstätte wurden in der einschlägigen Literatur verschiedene Rauchstubentypen definiert. So sind die einander sehr ähnlichen bis gleichen Rauchstuben der West- und Oststeiermark dadurch gekennzeichnet, dass der Ofen von der Herdstelle aus beheizt wird und der Funken- und Feuerhut aus einem Holz- gerüst besteht, das aus strohumwickelten Stangen gebildet ist, die mit Lehm verschmiert

27 Viktor v. Geramb. Die Feuerstätten des volkstümlichen Hauses in Österreich-Ungarn. In: Wör- ter und Sachen 111. 1911. 1-23:

Burkhard PÖTTEER. Feuer in Haus. Hof und Gewerbe. In: Feuerwehr gestern und heute. Kata- log der Burgenländischen Landessonderausstellung 1998 = Burgenländische Forschungen.

Sonderband XX. 1998. 46-65:

Gertrud BENKER. In alten Küchen. Einrichtung - Gerät - Kochkunst. 1987;

Viktor Herbert PÖTTLER. Der Wegleithof aus St. Walburg im Südtiroler Ultental im Öster- reichischen Freilichtmuseum. In: Der Schiern 73/ 1999. H. 4. 201. Abb. 12.

28 Viktor Herbert PörrLER, Führer durch das Österreichische Freilichtmuseum = Schriften und Führer des Österreichischen Freilichtmuseums. Nr. 12. 1985. 106. Huhnersteigen gab es ehe- dem auch in den Kachelstuben verschiedener Landschaften.

Vgl. Konrad BEDAL. Ofen und Herd im Bauernhaus Nordostbayerns = Beiträge zur Volks- tumsforschung. Bd. XX. 1970. 193. Abb. 99. 196f. Abb. 101.

29 Oskar MOSER. Hausangaben. 238.

-"'" Viktor v. GERAMB. Kulturgeschichte. 13. lit. 3. 29ff:

Bruno SCHIER. Hauslandschaften. 238ff:

Georg ZAPPERT. Über das Badewesen mittelalterlicher und späterer Zeit. In: Archiv für Kunde österreichischer Geschichtsquellen. Bd. 21. 1859:

Anton DACHLER. Baden und Badstuben. In: Zeitschrift f. österreichische Volkskunde. Jg. 15.

1909.6-18:

Joachim HÄHNEL. Stube. Wort- und sachgeschichlliche Beiträge zur historischen Hauslorschung

= Schriften der Volkskundlichen Kommission des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Bd.

21. 1975. 30ff:

Konrad BEDAL. Ofen und Herd. 198.

11 WieAnm. 28.

32 Oskar MOSER. Hausangaben. 183.

301

(6)

Plan 4:

Südseite:

rechts Rauchstube, Vorratskammer, darüber Kachel- stube und Schlaf- kammer;

anschließend Stallungen und Scheune.

sind." Hingegen ist der St. Ixunbrechter Typ durch einen gemauerten Feuerhut. den so genannten Kogel gekennzeichnet, und der Ofen wird unabhängig von der Heizfläche des Herdes von der Seite her beheizt (Abb. 3). Zu diesem Typ zählen sowohl die Rauchstu- be im Säuerling als auch jene im Rauchstubenhaus Laarer aus St. Nikolai im Sölktal.2"4

In weiten Teilen Kärntens, namentlich im Millstätter Gebiet, finden wir eine Rauchstu- be, in welcher der Herd der Doppelfeuerstätte im Winkel von 45 Grad in den Raum weist und der hinter dem Herd liegende Ofen unabhängig von der Herdfeuerung durch eine seitlich angebrachte Öffnung beheizt wird. Geramb hat diesen Typ als Millstätter Form in die Literatur eingeführt.35

Für die Größe der Rauchstube ist der Umstand entscheidend, ob das Rauchstuben- haus ein Schmalgiebelhaus mit traufseitiger Erschließung ist oder ob es als Breitgiebel- haus mit giebelseitigem Zugang errichtet wurde. In den Schmalgiebelhäusern der Ost- und Weststeiermark, aber auch in den traufseitig erschlossenen zweistübigen Breitgie-

Ahb. 3:

St. Lambrechter Typ der Rauchstube.

Der Ofen wird von der Seite her beheizt.

Man beachte die Leiter, die auf den Schlafofen führt.

Viktor Herbert PÖTTLER, Der Sallegger Moar im Österreichischen Freilichtmuseum. In: ZHVSt 58, 1967, 64f.

Viktor Herbert PÖTTLER, Das Rauchstubenhaus Laarer aus St. Nikolai im Sölktal im Öster- reichischen Freilichtmuseum. In: Volkskundliches aus dem steirischen Ennsbereich - Fest- schrift für Karl Haiding = Schriftenreihe des Landschaftsmuseums Schloss Trautenfels am Stei- ermärkischen Landesmuseum Joanneum. Bd. 1, 1981. 55f. Abb. 8.

Viktor v. GERAMB, Kulturgeschichte, 11. Abb. 13:

Vgl. Viktor Herbert PÖTTLER. Führer, 145.

302

belhäusern Oberkärntens boten die Rauchstuben mit einer Grundfläche bis über 50 m2

reichlichen Raum für die bäuerliche Großfamilie. Hingegen waren die Rauchstuben in den Mittelflurhäusern auf eine Hälfte des Breitgiebels beschränkt und dementsprechend kleiner als jene in den Schmalgiebelhäusern. Wahrscheinlich wurden deshalb in den gie- belseitig erschlossenen Rauchstubenhäusern schon im 18. Jahrhundert Kachelstuben ein- gebaut, womit eine wesentlich höhere Wohnqualität als in den Rauchstuben erreicht wur- de. Der Einbau von Kachelstuben blieb allerdings nicht den Breitgiebelhäusern bzw. den Häusern mit kleinen Rauchstuben vorbehalten, was an folgenden Beispielen gezeigt wer- den kann. Das oststeirische Rauchstubenhaus Sallegger Moar, das über eine sehr große Rauchstube verfügt, erhielt im Jahre 1775 ein Kachelstübl}h Das weststeirische Rauch- stubenhaus Großschrotter, dessen Rauchstube ein Ausmaß von über 54 n r aufweist, erhielt im Jahre 1728 einen Zubau, in dem eine Kachelstube eingebaut wurde." Im Rauch- stubenhaus Laarer aus dem steirischen Sölktal gibt es seit dem Jahre 1721 zwei Kachel- stuben, wovon eine im Obergeschoss liegt.18 Auch das ins Österreichische Freilichtmu- seum übertragene Rauchstubenhaus Paule aus Saureggen-Ebene Reichenau ist im Erd- geschoss mit einem neben der Rauchstube liegenden Kachlstübl ausgestattet.2,9 Es wur- de schon darauf hingewiesen, dass nahezu alle Rauchstubenhäuser in dem hier darge- stellten Einhofgebiet über Kachelstuben verfügen, und wir werden ihr auch im Säuer- ling begegnen.

Die meist erst im 18. Jahrhundert in das Rauchstubenhaus aufgenommene Kachel- stube hatte zur Folge, dass die Rauchstube zumindest teilweise die Funktion des Woh- nens an die rauchfreie Stube verlor. In vielen, wenn nicht den meisten Fällen wurde die Kachelstube aber auch zum Schlafraum für die Eltern der bäuerlichen Familie. In der Rauchstube wurde natürlich weiterhin gekocht und gebacken, meist auch gegessen, und man nannte sie nun, wie etwa im Ennstal. Raachkuchl. Sie hatte somit weitgehend die Funktion einer Wohnküche und wurde in der Folge durch den Einbau eines Sparherdes entraucht. Das Leben in den Rauchstubenhäusern war ein Leben mit dem Rauch, das die Bewohner von Rauchstuben mit jenen der Rauchhäuser im salzburgisch-oberöster- reichischen Grenzgebiet, aber auch mit den Menschen, die in niederdeutschen Hallen- häusern lebten, teilten.40 Seit der Mensch mit dem Feuer umzugehen verstand, lebte er mit dem Rauch. Beide waren die Voraussetzung für die Entwicklung des menschlichen Hausens, denn erst durch das Feuer wird das Dach über dem Kopf zur Wohnung (Plan 5).41

Die Atmosphäre einer Rauchstube wird vor allem durch den Rauch von Herd und Ofen, durch die rußgeschwärzte Decke, durch die kleinen Blockbaufenster und die da- raus resultierende Dunkelheit im Raum sowie durch die sehr bescheidene Einrichtung bestimmt. Die aus Herd und Ofen bestehende Doppelfeuerstätte ist in allen Rauchstuben die den Raum beherrschende und für den Rauch verantwortliche Einrichtung. Das ältere

Viktor Herbert POTTLER, Der Sallegger Moar, 61, 66.

Viktor Herbert PÖTTLER, Der Großschrotter, 112. Abb. 6, Abb. 7-13, Abb. 16.

Viktor Herbert POTTLER, Das Rauchstubenhaus Ixiarer, 62, Abb. 11.

Viktor Herbert PÖTTLER, Führer. 146f.

Burkhard PÖTTLER, Feuer in Haus und Hof, Hof und Gewerbe. 47ff;

Josef SCHEPERS, Das Bauernhaus in Nordwcstdeutschland. Neudruck der Dissertation des Ver- fassers. 1943, 36f;

Viktor Herbert POTTLER. Das Leben mit dem Rauch. Das Rauchhaus aus Siezenheim bei Salz- burg im Österreichischen Freilichtmuseum zu Stübing bei Graz. In: Berichte aus dem Schles- wig-Holsteinischen Freilichtmuseum. Festschrift für Carl Ingwer Johannsen, 37. 2000. 9ff.

Richard WEIB, Häuser und Landschaften der Schweiz, 1959, 101.

(7)

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Plan 5:

Nordseite:

links Stübl. darüber Schlafkammer:

Abstellraum im Erdgeschoss und im Obergeschoss, Schweinestall, Schafstall.

gemauerter Zubau, im Obergeschoss Scheune.

Element ist der Herd, der als offenes Feuer seinen Platz zunächst am Erdboden hatte, wie dies im niederdeutschen Hallenhaus bis ins 20. Jahrhundert erhalten blieb.42 In der Rauch- stube. aber auch in unseren Rauchküchen wurde das Feuer auf eine tischartige Einrich- tung verlagert, wodurch das Kochen wesentlich erleichtert werden konnte. Herd kommt etymologisch von ahd. herd - Feuerherd, Erdboden, mhd. hert(d) - Boden als Feuer- stätte.43

Die Ummantelung des offenen Feuers führte zum Ofen. Sprachgeschichtlich kommt Ofen von ahd. ovan, mhd. oven. urgerm. uhwna. ags. ofnet - kleines Gefäß, verweist, der altertümlichen Form des Ofens gemäß, auf die Grundbedeutung Topf44 Der Ofen hatte einst verschiedene Funktionen als Wärme-. Koch-, Back-, Bade- und Schlaföfen. Der aus Steinen oder Lehm errichtete Ofen war ein Rauchofen, der wie in den skandinavischen oder ostalpinen Rauchstuben seinen Rauch in die Stube entließ.45 Die Entwicklung führ- te vom einfachen Stein- und Lehmofen, der als Hinterlader auch rauchfreie Wärme lie- fern konnte, zum Kachel- und Eisenofen. Als Hinterlader wurde der Ofen aus einem benachbarten Raum, meist von der Rauchküche oder dem Hausgang, beheizt und entließ den Rauch auch dorthin. Schließlich erfolgte der Rauchabzug direkt durch einen Kamin.

wodurch das Haus rauchfrei wurde.46

Der Kachelofen entstand wahrscheinlich im germanisch-römischen Berührungsge- biet der Alpenländer und wurde von comacinischen Bauleuten um 735 n. Chr. entwickelt.47

Während er in Burgen. Schlössern und Klöstern schon ab dem 12. Jahrhundert Eingang findet, begegnet uns die warme Kachelstube im Bauernhaus nur vereinzelt schon im

16. Jahrhundert und führt zur bedeutendsten Innovation im Wohnwesen.4*

Wahrscheinlich zählt die Stube im Urhof von Furnes über St. Ulrich im Grödental mit einem gemauerten Ofen aus dem 16. Jahrhundert zu den ältesten Beispielen.4"

42 Josef SCHEPERS. Haus und Hof. 71 ff. Abb. 43. 44.

43 Friedrich KLUGE. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache 1975 304

44 Ebd.. 520.

45 Viktor v. GERAMB. Kulturgeschichte. 15ff;

Bruno SCHIER. Hauslandschaflen. 163ff.

46 Konrad BEDAL. Ofen und Herd. 98ff.

47 Bruno SCHIER. Hauslandschaften. 16:

Arthur HABERLANDT. Taschenwörterbuch der Volkskunde Österreichs I.. 1963. 80ff.:

Konrad BEDAL, Ofen und Herd. 103ff.. Tafel 1-29.

48 Joachim HÄHNEL. Stube. 334.

" Martin RUDOLPH-GRF.IFENSTEEN. Alpine Baukultur in Südtirol. 1982. 32ff.

304

Bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts, in manchen Gebieten bis ins späte 19. Jahr- hundert. war der Rauchofen der einzige Wärmespender im Haus und qualifizierte die Rauchstube zum zentralen Wohnraum. Die mehrfache Funktion dieses Ofens wurde schon angesprochen. Einige Geräte weisen auf das Backen und Kochen im Ofen hin. Beim Brot- backen wurde das Backgut mittels einer Ofenschüssel50 in den Ofen eingebracht, einge- schossen. nachdem die heiße Glut mit der Ofenkrücke, einer langen Stange, die mit dem vorderen Ende in die Fläche eines etwa 0.30 m langen Brettes mittig eingezapft wurde.

von der Heizfläche des Ofens entfernt worden war. Zwei Geräte, nämlich die Ofengabel und der Ofenwagen, beweisen, dass im Ofen der Rauchstube einst auch gekocht wurde.

Die Ofengabel ist eine zweizinkige Gabel, die an einer ca. 1.60 m langen Stange befestigt ist. Mit ihrer Hilfe kann man Kochtöpfe in den Ofen schieben und wieder herausnehmen.

Konrad BEDAL zeigt verschiedene Formen der Ofengabel und deren Handhabung.''1 In diesem Zusammenhang soll auf die Verwendung einer Ofengabel verwiesen werden, wie sie Boris PASTERNAK in seinem Roman Doktor Schiwago für einen Moskauer Haushalt im Jahre 1929 erwähnt: vor dem Ofen hantierte Markeis Frau ... mit einer langen Ofen- gabel. so dass sie leicht an alle Töpfe heranreichte ...52

Der Ofenwagen ist im Wesentlichen eine Ofengabel, deren Stange unmittelbar nach der Gabel mit einem kurzen Querbalken versehen ist. an deren Enden je ein hölzernes Rad angebracht wurde. Die gerundete Gabel hat einen Durchmesser bis zu 0,25 m, der Durchmesser der beiden Räder beträgt um die 0,20 m. Mit dem Ofenwagen kann ein Kochtopf in den Ofen eingefahren werden.53

In der älteren Forschung wurde das Kochen im Ofen einem osteuropäischen Koch- ofenkulturkreis ostgermanisch-slawischer Prägung zugeordnet.M Arthur HABEREANDT hatte dagegen bereits im Jahre 1924 gewisse Bedenken vorgebracht." Aus dem Jahre

1929 sind Kochofennachweise aus Württemberg bekannt.56 Franz LIPP hat auf den Guckofen oberösterreichischer Landschaften aufmerksam gemacht.5" Schließlich hat Konrad BEDAL in seiner grundlegenden Arbeit über Ofen und Herd nachgewiesen, dass das Kochen im Ofen und somit der Kochofen von Sachsen. Thüringen über Nordost- bayern bis Südwestbayern. Mittelfranken und Schwaben reicht, und damit die Theorie des osteuropäischen Kochofenkulturkreises widerlegt.5" Für die Beschaffenheit des

50 Konrad BEDAL. Ofen und Herd. 226:

Anni GAMERITH. Speise und Trank im südoststeirischen Bauernland = Grazer Beiträge zur europäischen Ethnologie. Bd. 1, 1988. 363f, Abb. 1 u. 2.

51 Rudolf MERINGER. Das deutsche Haus. 30:

Arthur HABERLANDT. Taschenwörterbuch. 106f;

Bruno SCHIER. Hauslandschaften. 209f:

Anni GAMERIIH. Speise und Trank. 144ff. 332:

Konrad BFD\E. Ofen und Herd. 167ff. Abb. 74ff, 289. Abb. 164.

s: Boris PASTERNAK. Doktor Schiwago = Fischer Taschenbuch Nr. 587. 1964. 542.

53 Johann Reinhard BINKER. Das Bauernhaus in der Heanzerei (Westungarn). In: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien 25. 1895. 89ff:

Anni GAMERITH. Speise und Trank. 135. I44ff.. 332. 373. Abb. 16;

Konrad BEDAL. Ofen und Herd. 177.

Bei meinem Besuch im Schleswig-Holsteinischen Freilichtmuseum habe ich neben der Feuer- stätte bzw. neben der Heizöffnung für den Ofen in einem niederdeutschen Hallenhaus an der Wand einen Ofenwagen gesehen. Das ist ein Beleg dafür, dass auch im deutschen Norden im Ofen gekocht wurde.

',4 Bruno SCHIER. Hauslandschaften. 164ff.

55 Arthur HABERLANDI. Die Kulturgeschichte der Rauchstuben. 81 ff.

50 Max Loiiss. Ofen und Herd in Württemberg. In: Wörter und Sachen XII. 1929. 362-386.

57 Franz LIPP. Oberösterreichische Stuben. 1966. 116ff. Abb. 28.

* Konrad BEDAL. Ofen und Herd. 165ff. 320.

(8)

Ofens, in dem gekocht wird, gibt BEDAL Merkmale an, die sich mit jenen eines Rauch- ofens in einer Rauchstube weitgehend decken. Das Kochen im Ofen ist vor allem für die Zeit, in welcher der Stubenofen als Wärmespender beheizt werden musste, eine sinnvolle Nutzung von Wärmeenergie, wofür vor allem der schon genannte Guckofen ein über- zeugendes Beispiel bietet. In diesem Zusammenhang sind auch die Untersuchungen von Anni GAMERITH über das Kochen im Ofen aus dem steirischen Rauchstubengebiet zu erwähnen.5C) Mit Konrad BEDALS Arbeit wurden auch in die Rauchstubenforschung neue Gesichtspunkte eingebracht, und die Gegensätzlichkeit zwischen einem osteuropäischen Kochofenkulturkreis und einer germanischen Herdkultur bedarf neuer Überlegungen und Untersuchungen.

Der von Herd und Ofen produzierte Rauch hat nicht nur die Atmosphäre einer Rauch- stube weitgehend bestimmt, er hat auch, wie schon betont, den Bewohnern eines Rauch- stubenhauses das Leben mit dem Rauch auferlegt. Dass dieses erträglich wurde, dafür sorgte das thermozirkulare System, welches die Luft und damit den Rauch in einer beheiz- ten Rauchstube in eine zirkuläre Bewegung versetzte und damit den Rauchabzug bewirk- te. Beim Einheizen wird auf dem offenen Herd ein Feuer entfacht, dessen Hitze die Luft über der Feuerstätte rasch erwärmt, so dass diese mit dem durch den Feuer- oder Fun- kenhut von den Funken befreiten Rauch über die Ränder des Feuerhutes hervorquillt und sich zunächst an der Decke der Rauchstube absetzt, etwa das obere Viertel des Raumes erfüllt und dabei den so genannten Rauchhimmel bildet. Durch die Tür der Rauchstube drängt am Boden kalte Luft nach, die durch das Herdfeuer erwärmt wird, aus dem Fun- kenhut zur Decke aufsteigt und dort den bereits vorhandenen Rauch in Richtung zur Rauchstubentür abdrängt. Durch eine über der Tür liegende Luke oder bei starker Behei- zung und entsprechendem Rauchandrang durch die obere Türhälfte gelangt der Rauch durch einen im Vorhaus über der Rauchstubentür angebrachten hölzernen Trichter in den hölzernen Rauchschlot und somit ins Freie. Der große Querschnitt des Rauchschlotes gewährleistet in der Regel das einwandfreie Abziehen des Rauches und damit das Funk- tionieren des thermozirkularen Prinzips. Die Fenster der Rauchstube dürfen während des Heizens nicht geöffnet werden, da die dort einfließende kalte Luft den Rauch nieder- drückt und das gefürchtete Walgen des Rauches bewirkt. Schwierigkeiten beim Heizen in der Rauchstube können vor allem im Sommer auftreten, wenn die Sonne bereits hoch steht und auf den Rauchschlot scheint, so dass die Luft dort erwärmt wird und zumin- dest am Beginn des Heizens den freien Abzug des Rauches erschwert. Das kam im Bau- ernhaus allerdings kaum vor, da der bäuerliche Alltag am frühen Morgen, meist vor Son- nenaufgang, begann.

Wir betreten nun durch die 1,00 m x 1,65 m große, rußgeschwärzte, dreigeteilte Tür die Rauchstube des Säuerling. Geteilte Türen wurden auch bei Rauchküchen verwendet, da auch dort der Rauch durch die Tür in den Rauchschlot abziehen musste.60 In unserer Rauchstube wurde die obere Türhälfte nochmals geteilt, so dass der Rauch durch das obere Viertel der Tür abziehen konnte, ohne die am Herd stehende Bäuerin, namentlich im Winter, gänzlich dem kalten Luftzug auszusetzen. Der Typus dieser geteilten Tür ist Jung und Alt aus dem Märchen Der Wolf und die sieben Geißlein bekannt. Trotz der müt- terlichen Warnung haben die allein daheim gebliebenen Geißlein dem mit kreideweicher

Anni GAMERITH, Feuerstättenbedingte Kochtechniken und Speisen. In: Ethnologia Scandina- vica, 1971.84;

Anni GAMERITH. Speise und Trank, I32ff.

Viktor Herbert PÖTTLER, Der Hanslerhof aus Alpbach in Tirol im Österreichischen Freilicht- museum. In: Tiroler Heimat, Jahrbuch für Geschichte und Volkskunde, Bd. 56, 1992, 100.

Abb. 4:

Drei Stufen führen zwischen dem Herd und

der Stubenwand auf den Schlaföfen.

Stimme sprechenden Wolf den oberen Flügel der geteilten Tür geöffnet, und das Unglück nahm seinen Lauf.

Wenngleich unsere Rauchstube den größeren linken Teil des Mittelflurhauses ein- nimmt, ist sie mit einer Grundfläche von 5,90 m x 6.62 m, verglichen mit den oben erwähnten Rauchstuben der Schmalgiebelhäuser, wo die Rauchstube über die gesamte Giebelbreite des Hauses reicht, verhältnismäßig klein. In der rechten Innenecke derSä«- er/ing-Rauchstube steht auf einer Fläche von 2,60 m x 2,70 m die Doppelfeuerstätte. Der 2,10 m x 1,05 m x 0,76 m große Herd wird von einem gemauerten Funken- oder Feuer- hut überdacht, der Kogel genannt wird. Er ist 2,00 m breit und 2,10 m hoch, das Stich- maß der Wölbung liegt bei 1,77 m. Den gemauerten Kogel finden wir, wie oben gezeigt, auch im benachbarten kärntnerischen und salzburgischen Rauchstubengebiet.61 Links vom Herd führen neben der Wand zur Vorratskammer drei gemauerte Stufen auf den hin- ter dem Herd liegenden 2,53 m x 1,60 m x 1,67 m großen Ofen. Sie sind ein überzeu- gender Beweis dafür, dass man einst in der Rauchstube auf dem Ofen geschlafen hat (Abb. 4, vgl. Abb. 3).62

61 Johann Reinhard BUNKER, Das Bauernhaus am Millstätter See in Kärnten. In: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien 32. 1902, 36 u. 51;

Viktor v. GERAMB. Kärntner Rauchstuben. 663ff:

Arthur HABERLANDT. Taschenwörterbuch. 92.

62 Viktor v. GERAMB, Kulturgeschichte. 10, Abb. 12. In der von Geramb publizierten Zeichnung einer Rauchstube aus der Gegend von St. Lambrecht ist am Ofen eine Holzleiter angelehnt, um den Zugang zur Schlafstelle zu erleichtern.

Über Schlafen auf dem Ofen vgl. K. BEDAL. Ofen und Herd, 188.

307

(9)

In unserer Einacher Rauchstube wird der Ofen nicht von der Heizfläche des Herdes aus beheizt. Die 0,75 m hoch liegende Heizöffnung des quer zum Herd liegenden Ofens liegt unmittelbar neben dem Stubeneingang. Unsere Rauchstube entspricht mit Kogel und seitlicher Ofenöffnung daher dem schon genannten St. Lambrechter Typus, wie ihn GERAMB und BUNKER aus dem Murtal publizierten und wie er uns auch im Ennstal begeg- net.63

Der Fußboden vor dem offenen Herd ist mit Steinplatten ausgelegt, um zu verhin- dern, dass die Glut des Herdfeuers oder brennende Holzscheite auf dem Boden einen Brand auslösen. Rechts neben dem Herd, in der Richtung zur Heizöffnung des Ofens.

steht der 0,70 m x 0,85 m große Sechtelofen, der zum Auskochen der Wäsche diente.64

Auf der Herdfläche stehen die für das Kochen am offenen Feuer benötigten Geräte und das entsprechende Geschirr. Dazu gehören u.a. ein Feuerhund65, ein Dreifuß66, eiserne und irdene Töpfe sowie Dreifußpfannen u.a. Rechts neben dem Herd steht die Kessel- reidn,67 eine vom Fußboden bis zur Decke reichende schwenkbare Holzsäule mit einem eisernen Auslegearm, auf dem der Wasserkessel hängt, der bei Bedarf über das Herdfeuer geschwenkt werden kann (Abb. 3).

Abb. 5:

Die Doppelfeuer- stätte der Rauch- stube im Säuerling nach dem Abbau des Wohnhauses.

Links: Herd mit Kogel,

rechts der Ofen, in der Mitte der Sechtlofen.

Viktor Herbert PÖTTEER, Das Rauchstubenhaus Laarer, 55, Abb. B.

Vgl. Johann Andreas SCHMELLER, Bayerisches Wörterbuch. Sonderausgabe 1985, Bd. 2/1.218:

sechteln, sechtnen = heiße Lauge über die Wäsche gießen. Sechtlkeßel;

Theodor UNGER - Ferdinand KHULL, Steirischer Wortschatz. 1903, 588;

Oskar MOSER, Handbuch für das Kärntner Freilichtmuseum, 1985, 190.

Rudolf MERINGER, Das deutsche Haus, 35. Fig. 39^4-1;

Arthur HABEREANDT, Taschenwörterbuch, 46f.;

Dietrich DROST. Zur Gliederung und Herkunft der metallenen Feuerböcke Mitteleuropas. In:

Ethnograph.-Archäolog. Forschungen 2. 1954, 100-158;

Hermann KAISER, Herdfeuer und Herdgeräte im Rauchhaus. In: Materialien zur Volkskultur, Nordwestl. Niedersachsen 2. 1980, 55-65.

Rudolf MERINGER, Das deutsche Haus, 37f, Abb. 47f:

Konrad BEDAL. Ofen und Herd Herd. 204;

Arthur HABERLANDT, Taschenwörterbuch, 37;

Hermann KAISER, Herdfeuer und Herdgerät, 107ff.

Arthur HABERLANDT, Taschenwörterbuch. 88;

Hermann KAISER. Herdfeuer und Herdgerät, 43f;

Viktor Herbert PÖTTLER, Mit Tradition und Innovation, Bildteil I, Abb. 35.

Abb. 6:

Die Rauchstube im Säuerling gemahnt an eine spätmittelalterliche

Wohnatmosphäre.

Eine bemerkenswerte Besonderheit unserer Rauchstube stellt ein weitgehend natur- belassener, an seinem oberen Ende in eine Zwiesel auslaufender Baumstamm dar, der unmittelbar neben der rechts vom Herd aufgerichteten Kesselreidn steht und vom Fuß- boden bis zum Trambaum reicht. Da ich eine solche Vorrichtung zuvor noch nie in einer Rauchstube gefunden hatte, war ich von diesem äußerst ansprechenden Formenspiel, das sich aus der Paarung von Baumzwiesel und Kesselreidn ergibt, sehr überrascht, ohne hie- für zunächst eine Erklärung zu finden. Obgleich ich aus langjähriger Erfahrung im Umgang mit bäuerlichen Menschen wusste, dass Ästhetik im Bauernhaus alter Art zumin- dest kein bewusstes Gestaltungskriterium war, sondern das Schöne meist die Folge des Richtigen darstellte, verleitete mich die formschöne Kombination der beiden Holzele- mente vorerst zu falschen Überlegungen und bestärkten mein Interesse an der Rauch- stube des Säuerling. Die Praxis führte mich allerdings bald auf den Boden der Realität zurück. Beim Abbau der Rauchstube konnte ich nämlich feststellen, dass der Trambaum der Rauchstube gebrochen war und man deshalb den mit zwei Stützflächen ausgestatte- ten Zwieselbaum so unter die Bruchstelle gestellt hatte, dass er beiden Teilen des gebro- chenen Trambaumes die benötigte Stütze bot. Damit war jegliche Gefahr des Einsturzes der Decke gebannt, ohne dass der Tram ausgewechselt werden musste. Diese Lösung

309

(10)

hatte sich offenbar über eine lange Zeit bewährt, denn alles deutete darauf hin, dass das ungleiche Paar seit langem in der Rauchstubc stand. Die funktions- und materialgerech- te Lösung eines bautechnischen Probleins führte zu einer formalen Konsequenz, die als harmonisch und schön empfunden wird, und ist einmal mehr ein Beweis für das zweck- hafte Denken der Bauern, das einst stets richtige und damit formal ansprechende Lösun- gen zeitigte (Abb. 6).

Um in der Rauchstube stets trockenes Brennholz zur Verfügung zu haben, errichte- te man die so genannten Asen.6S Hiefür wurden zwei parallel verlaufende Holzstangen mittels Eisenringen und Eisenstangen von der Decke in der benötigten Höhe und Länge abgehängt. Je nachdem, ob man Holzspäne zum Anheizen. Brennholzscheiter oder aber Fleisch zum Selchen auf die Äsen legte oder hängte, sprach man von Spanasen. Holz- asen oder Fleischasen. In unserer Rauchstube gibt es vor dem Herd in einer Höhe von 2,18 m eine zur Außenwand verlaufende Spanasen, die allerdings so groß ist, dass sie Späne und Holz aufnehmen kann. Eine zweite gleichartige Holzasen verläuft in der Höhe von 2,10 m vor der Eingangstür von der Ofenwand bis zur Ostwand der Stube. Dort liegen die für das Ofenfeuer benötigten schweren Holzscheite. Natürlich können beide Holz- asen zur gegebenen Zeit auch als Fleischasen verwendet werden, indem man einfach Fleisch, Speck und Würste an den Asenhölzern aufhängte und sie so genau in den von Herd und Ofen abziehenden Rauch brachte.

Wurde die Rauchstube geheizt, so gelangten Rauch und Funken vorerst in den als Funkenhut wirkenden gemauerten Kogel. Hier wurden die aufsteigenden Funken fest- gehalten. kamen zum Erlöschen und bildeten allmählich den langfädigen Ruß. Der Rauch quoll indessen über die Ränder des Kogels zur Stubendecke, zog allmählich im Sinne des vorhin beschriebenen thermozirkularen Systems zur Stubentür und gelangte dort durch die Luke über der Tür oder durch die ganz oder teilweise geöffnete Stubentür in den Rauchabzug. Dieser Rauchabzug ist jedoch im Säuerling völlig anders als in üblichen Rauchstubenhäusern gestaltet. Der Rauch wird zwar zunächst durch einen im Vorhaus über der Rauchstubentür angebrachten hölzernen Trichter aufgenommen. Er wird aber nun nicht wie üblich durch einen senkrechten über Dach führenden Rauchschlot ins Freie geleitet, sondern er zieht von dem trichterförmigen Rauchhut in einem Rauchgang schräg über die linke Wand des Hausganges bis zum oberen Ende der im Obergeschoss auf den Laubengang führenden Tür und gelangt ganz nahe der äußeren Hauswand ins Freie. Der schräg verlaufende Rauchgang hat einen Querschnitt von 0.37 m x 0.37 m und eine Län- ge von 3.40 m: davon kragen 0,40 m vor die äußere Hauswand. Eine zweite Öffnung für den Rauchabzug befindet sich im Hausgang. Hier wurde ohne schrägen Rauchabzug rechts neben der Haustür, knapp unter der Decke zum Obergeschoss, ein im Querschnitt 0,40 m x 0,35 m großer und 0,55 m über die Hauswand vorkragender Rauchabzug ange- bracht. Er diente vor allem für den Abzug des im Hausgang anfallenden Rauches, der sowohl aus der Rauchstube als auch vom Kachelofen des der Rauchstube gegenüberlie- genden Kachclstübels kommen kann.

Die Art des Rauchabzuges im Säuerling stellt offensichtlich eine Besonderheit, mög- licherweise eine Einmaligkeit dar. die ich in dieser Form weder in der einschlägigen Lite- ratur noch im rezenten Baubestand gefunden habe. Bei beheizter Rauchstube bietet der Rauchabzug durch die unmittelbar an der Hauswand austretenden Rauchschwaden ein

Viktor v. GERAMB, Kulturgeschichte. 3. Abb. 1. 4. Abb. 3. 5:

Johann Reinhold BUNKER. Bauernhaus Millstätter See, 36, 40, 45 Arthur HABERLANDT. Taschenwörterbuch. 8;

Konrad BEDAL. Ofen und Herd. 193. Abb. 98;

Viktor Herbert PÖTTLER. Führer. 106 u. 126.

310

ungewohntes Bild, das einen fremden Besucher beim ersten Anblick vielleicht erschrecken lässt.69 Johann Reinhard BUNKER hat allerdings bei steirischen Rauchstu- benhäusern einige Rauchabzüge festgestellt, die von der üblichen Anlage abweichen. So berichtet er vom Stampfer-Haus aus St. Lorenzen bei Murau. dass in der Rauchstube ca.

3 m vor dem offenen Herd in die Decke ein quadratisches Loch von ca. 0,50 m x 0,50 m eingeschnitten ist. auf dem der hölzerne Rauchschlot aufsitzt. Das Loch kann durch eine Klappe aus Brettern geschlossen werden.™ In der Gegend von Vorau hat BUNKER zwei Rauchabzüge festgestellt, die als Ausnahmen anzusprechen sind. In einer Rauchstube wird der Rauch durch einen kleinen hölzernen Rauchschlot, der direkt an der Giebel- wand des Hauses verläuft, ins Freie abgeleitet. In einer anderen Rauchstube bei Vorau wurde, ähnlich wie in St. Lorenzen/Murau, ein zweiter hölzerner Rauchschlot direkt von der Rauchstube über das Dach geführt.71

Ob diese ungewöhnlichen Rauchabzüge sekundäre Maßnahmen darstellen, die das thermozirkulare System verbessern sollten, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Jeden- falls wird bei allen hier genannten nicht üblichen Anlagen der Rauch zunächst im Fun- kenhut des Herdes von Funken befreit und gelangt erst danach in die hölzernen Rauch- schlote. Der direkte Rauchabzug aus dem Funkenhut über dem Herd ins Freie, wie er öfters von Museumsbesuchern als Innovation angeboten wird, ist in keiner Rauchstube zu finden, da der mit Funken vermischte Rauch im Holzschlot oder am Stroh- oder Schin- deldach sehr bald ein Feuer verursachen würde. Lediglich bei gemauerten Kaminen mit entsprechenden Schutzvorrichtungen ist der direkte Weg des Rauches vom Herd ins Freie möglich.72 Einen zusätzlichen Rauchabzug durch die Rauchstubendecke gibt es im west- steirischen Rauchstubenhaus Großschrotter. Dort befindet sich nahe der rauchproduzie- renden Doppelfeuerstätte in der Stubendecke eine Öffnung in den Rauchstubenboden, die mit einem aufklappbaren Bretterverschluss abgedichtet ist. Diese Vorrichtung dient allerdings nicht für den üblichen Rauchabzug, sondern entlässt den Rauch nur zur gege- benen Zeit in den Rauchstubenboden, um die dort auf Stangengerüsten aufgehängten frisch geernteten Maiskolben zu trocknen und zu räuchern.73 Dies entspricht etwa der Nutzung des Rauches im Rauchhaus, wo das im Rauchboden gelagerte Getreide durch den über das Dachgeschoss ins Freie entweichenden Rauch die seinerzeit sehr geschätz- te Rauchbeize erhielt.74

Die Einrichtung der Rauchstube im Säuerling ist sehr einfach und bescheiden. In der Außenecke der Stube stand dem Diagonalprinzip75 entsprechend der Esstisch mit der an der Wand umlaufenden Sitzbank und zwei frei stehenden einfachen Sitzbänken. Schön gestaltete Herrgottswinkel gab es in den Rauchstuben nicht, da man sie offenbar nicht dem Rauch aussetzen wollte.76 Man begnügte sich bisweilen mit einem einfachen Holz- kreuz und schmückte die Tischecke in der Kachelstube mit einem Herrgottswinkel. In den Rauchstuben der Weststeiermark hingen über dem Esstisch mitunter sehr kunstvoll geschnitzte Tischkreuze oder Heiligengeisttauben, wie sie heute vereinzelt auch Eingang

69 Vgl. Viktor Herbert PÖTTLER. Der Säuerling. Farbbild 8.

70 Johann Reinhard BUNKER. Dorffluren und Bauernhäuser der Gegend von Murau. In: Mittei- lungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien. Jg. 43, 1913. 61 f.. Abb. 35.

71 Johann Reinhard BUNKER.. Das Bauernhaus in der östlichen Mittelsteiermark und in benach- barten Gebieten. In: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien 27. 1897. 175.

72 Viktor Herbert PÖITLER. Vorarlberg im Österreichischen Freilichtmuseum. In: Jahrbuch des Vorarlberger I.andesmuseumsvereins. 1983/1984, 179.

71 Viktor Herbert PÖTTLER. Der Großschrotter. 110.

74 Viktor Herbert PÖTTLER. Das Leben mit dem Rauch. 17.

75 Joachim HÄHNEL. Stube. 335.

Viktor Herbert PÖTTLER, Der Säuerling. Farbbilder 9 u. 10.

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in städtische Wohnungen gefunden haben.77 An der Wand zur benachbarten Vorratskam- mer steht ein Schrank, in dem Geschirr verwahrt wird. Dort hängen auch ein Schüssel- korb. eine Schottwiege und einige Haushaltsgeräte. Wie nahezu in allen Rauchstuben steht auch hier ein Bett. Für Kleinkinder gibt es zunächst eine Wiege und dann ein Kin- derbett. Zwischen Tisch und Vorratskasten steht an der Wand eine Einbaumtruhe, die in geschlossenem Zustand als Sitzbank verwendet werden kann. Die Rauchstube wird durch die kleinen, in der Fassadenbeschreibung schon erwähnten Blockbaufenster nur mäßig erhellt. In den beiden Außenwänden sind je fünf 0,30 m x 0.28 m große Blockbaufenster angebracht (Plan 1. 4). Die Fenster sind in der Höhe gestaffelt. In der ostseitigen Stu- benwand liegen die drei unteren Fenster in einer Höhe von 0,95 m über dem Boden, während die beiden oberen zum Fußboden einen Abstand von 1,84 m aufweisen. In der Südwand variieren die Höhen mit 0,91 m und 1.70 m. Wie schon oben dargelegt, sind die Fenster nur mit einfachen Schubern verschließbar. In unserer Rauchstube sind es pro Fenster zwei Schuber. Einer ist verglast und wird am Tag geschlossen, ein zweiter, höl- zerner Schuber dient in der Nacht zum Verschluss des Fensters. Beide Schuber sind links und rechts von der Fensteröffnung auf Holzleisten gelagert und können daher wechsel- weise geschlossen werden. Auf die bautechnischen und funktionellen Details der Block- baufenster wird noch näher einzugchen sein. In der einschlägigen Literatur wurden die- se kleinen Fenster stets mit dem Rauchabzug in Verbindung gebracht, was jedoch nicht der Realität entspricht. So finden wir die kleinen, durch die Blockbauweise bedingten Fenster auch in Blockbauhäusern, in denen es nie Rauchstuben und daher nie Probleme mit dem Rauchabzug gegeben hat. Überdies sind die kleinen Blockbaufenster vor allem

Abb. 7:

Die Entwicklung des Fensters im Blockbau.

11 Johann Reinhard BUNKER, Tischkreuze. In: Zeitschrift f. österreichische Volkskunde XIII.

Jg. 1907. 12-18;

Viktor THEISS. Deutsche Volkskunst. Bd. Steiermark. 1941. Abb. 213-16:

Oskar MOSER. Deckengehänge aus Kärnten. In: Carinthia I 131. 1941. 198-207:

Marie ANDREE-Eysn. Volkskundliches. Aus dem bayrisch-österreichischen Alpengebiet, 1910.

78ff.;

Viktor Herbert PÖITLER. Führer. 88:

Richard BEITL, Wörterbuch der deutschen Volkskunde. 1955, 312;

Erika HUBATSCHEK, Bauernwerk in den Bergen, 1992\ 204f.

in Wirtschaftsbauten bis in die Gegenwart erhalten geblieben. Auch ihre unterschiedli- che Höhenlage in einer Blockbauwand ist keinesfalls auf Rauchstuben beschränkt, wie im Folgenden zu zeigen sein wird.

Beschaffenheit und namentlich die Größe dieser Fenster sind aus dem Wandgefüge des Blockbaues verständlich. Um die Tragfähigkeit der Wände zu gewährleisten, sollen die Balken einer Wand möglichst ohne Unterbrechung von einer Eckverbindu ng zur ande- ren reichen. Man hackte daher von zwei übereinanderliegenden Wandhölzern jedes nur bis zur Hälfte ihres Höhenmaßes aus und erhielt dadurch annähernd quadratische Fens- ter. Ursprünglich wurde das Wandholz mit dem Reifmesser oder einem ähnlichen Gerät in ovaler Form ausgenommen, so dass etwa die Form eines Auges entstand. In der Spra- che ist dieser Vorgang erhalten geblieben. So hieß das Fenster got. augadauro, ahd. auga- tora, anord. vindauga, und im Englischen heißt es noch heute window. Auch dem slawi- schen okno für Fenster liegt oko - Auge zugrunde78 (Abb. 7). Wahrscheinlich darf man die folgenden Worte WALTHERS VON DER VOGF.EWEIDE aus der Zeit um 1200 mit diesen kleinen Fenstern im Bauernhaus in Verbindung bringen: Die Welt ist außen süße, weiß und grün und rot, doch innen von schwarzer Farbe und finster wie der Tod. Die Über- nahme des lateinischen fenestra als deutsches Lehnwort ist vermutlich mit der Entwick- lung des viereckigen Fensters im Mauerbau zu sehen. Bisweilen wurden, wie beim Säu- erling, die im Erdgeschoss liegenden Blockbaufenster mit einem so genannten Wolfs- zahn versehen. Das ist ein spitzer, ca. 0.10 m langer Eisendorn, der in den unteren Bal- ken des Fensters eingeschlagen wurde, nicht ganz bis zur Mitte der Fensteröffnung reich- te und unerwünschten vierbeinigen Gästen, namentlich dem Wolf, den Zugang in die Stu- be verwehren sollte.79 Um trotz der kleinen Fenster möglichst viel Licht in den Raum zu bekommen, wurden in eine Außenwand bis zu fünf Fenster eingeschnitten. Da, wie oben schon betont, aus konstruktiven Gründen in einer Reihe nicht fünf Fenster eingeschnit- ten werden konnten, ohne die Stabilität der Wand zu gefährden, versetzte man zwei der fünf Fenster in der Höhe. Damit wurde zugleich auch der Vorteil unterschiedlicher Licht- und Sichthorizonte erreicht. Überdies ermöglichen die in einer Höhe von 0.95 m liegen- den Fenster den auf der Umlaufbank sitzenden Hausbewohnern den Blick ins Freie.

während die höher gelegenen Fenster für die stehenden Personen den Blick nach außen öffnen. Die für heutige urbane Menschen befremdende Kleinheit der Fenster und die damit verbundene düstere Atmosphäre des Raumes, die offenbar, wie oben zitiert, schon WALTHER VON DER VOGELWEIDE mit Unbehagen erfüllt hat. ist durch folgende Gegeben- heiten zu erklären. Die konstruktiven Zusammenhänge wurden schon erwähnt. Dazu kommt der im Bauernhaus bis ins 18. Jahrhundert reichende kostenbedingte völlige Man- gel an Fensterglas. Die kleinen Fensteröffnungen konnten daher nur mit transparenten Tierhäuten, mit Schweinsblasen u.a. verschlossen werden. Ein zusätzlicher Grund für den langen Bestand der kleinen Blockbaufenster war das Fehlen von Rahmenstock- fenstern. Sobald im ausgehenden 18. Jahrhundert die Rahmenstock- oder Kastenfenster vermehrt Eingang ins Bauernhaus fanden und Fensterglas zu erschwinglichen Preisen zu bekommen war. wurden die kleinen Blockbaufenster zunächst im Wohnbereich durch verglaste Rahmenstockfenster ersetzt, deren Größe anfänglich immer noch gering bzw.

gut proportioniert war. Die Spuren dieser Entwicklung sind an jedem alten, in Blockbau errichteten Wohnhaus ablesbar. Schließlich muss noch erwähnt werden, dass die Bewoh- ner von Bauernhäusern bis ins ausgehende 18. Jahrhundert zum größten Teil des Lesens

Friedrich KLUGE. Etymologisches Wörterbuch. 192f.

Viktor Herbert PÖTTLER, Der Säuerling. Farbbild 11.

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und Schreibens unkundig waren*" und daher der Lichtbedarf im Wohnraum nicht sehr groß war, zumal die bäuerlichen Menschen den Großteil des Tages im Freien verbrach- ten. Wo das Tageslicht für die Arbeit im Hause benötigt wurde, wie etwa für die Hand- arbeit der Frauen im Bregenzerwälderhaus. fanden die großen, verglasten Rahmen- stockfenster auch im Blockbau entsprechend früher Eingang ins Bauernhaus."1

Im Kontext mit der Beheizung einer Rauchstube und dem bereits erläuterten ther- mozirkularen System des Rauchabzuges muss eine in der Rauchstubenforschung bis in die jüngste Zeit vertretene Auffassung über die Funktion der hochgestellten kleinen Blockbaufenster in Frage gestellt werden.

Ich habe auf dieses Problem bereits in meinen Arbeiten über die Rauchstubenhäu- ser Großschrotter*2 und Laarer*^ sowie über den Hanslerhof4 hingewiesen, möchte jedoch aufgrund zusätzlicher Erkenntnisse und Erfahrungen die Funktion der hochge-

stellten Blockbaufenster, der so genannten Rauchfenster, die keine Rauchfenster im Sin- ne des Wortes sind, abklären. Nahezu in der gesamten Rauchstubenforschung werden die hochgestellten Fenster, über deren bautechnische Beschaffenheit und Entwicklung schon berichtet wurde, als Rauchfenster bezeichnet, wobei allerdings auf ihre Funktion, außer bei Johann Reinhard BUNKER, nicht näher eingegangen wird. Nach zahlreichen Unter- suchungen sow ie aufgrund praktischer Erfahrungen bei der Übertragung von fünf Rauch- stubenhäusern und deren Wiederinbetriebnahme kann ich feststellen, dass diese Bezeich- nung aus der Funktion der hochgestellten Fenster nicht ableitbar ist. Zunächst seien hier einige Beispiele aus der älteren Literatur zitiert, wo Rauchfenster zwar genannt, in ihrer Funktion jedoch nicht näher beschrieben werden. Karl RHAMM berichtet u.a. vom Haus Moritz aus St. Lorenzen im obersten kärntnerischen Gurktal, nahe der Ortschaft Ebene Reichenau, von einem kleinen hochgestellten Rauchfenster, das nur einen hölzernen Schuber hat.85 Für die Gegend von Voitsberg weist er auf zwei Fensterreihen übereinan- der zur besseren Rauchableitung hin. RHAMM schreibt in diesem Zusammenhang u.a.:

Zur Abführung des Rauches ... sind eine Reihe von Vorkehrungen von gleich zweifelhaf- ter Wirksamkeit getroffen,86 Bei RHAMM fehlt eine nähere Angabe über die Funktion der Fenster. Dem bedeutenden Hausforscher erschienen diese Details möglicherweise nebensächlich, so dass er sie keiner genaueren Hinweise würdigte, im Kontext mit den kleinen Fenstern allerdings von zweifelhafter Wirksamkeit spricht. Der Nestor der Rauch- stubenforschung Viktor v. GERAMB verwendet für die hochgestellten Blockbaufenster Bezeichnungen wie Dampflöcher, Rauchbalken und Hoachfenster. Auch bei GERAMB sind keine genauen Angaben über das thermozirkulare Prinzip und die Funktion der hoch- gestellten Fenster zu finden. Die Bezeichnung Dampflöcher könnte noch in die Zeit zurückreichen, in der man in der Rauchstube Dampfbäder nahm und den Dampf'nach erfolgter Prozedur durch die Dampflöcher ins Freie entweichen ließ.87 Die Bezeichnung Hoachfenster weist nur auf die Hochlage der Fenster hin und sagt nichts über deren Funk-

80 Viktor Herbert PÖTTLER. Die alte Schule aus Prätis im Österreichischen Freilichtmuseum. In:

Volkskultur. Mensch und Sachwelt. Festschrift für Franz C. Lipp = Sonderschriften des Verei- nes für Volkskunde in Wien. Bd. 3. 1978. 262f.

11 Viktor Herbert PÖTTLER. Vorarlberg im Österreichischen Freilichtmuseum, 181.

82 Viktor Herbert PÖTTLER, Der Groß-Schrotter, lOOff.

83 Viktor Herbert PÖTILER. Das Rauchstubenhaus Laarer. 58ff.

84 Viktor Herbert PÖTTLER. Der Hanslerhof, 102ff. 114. Plan 4.

is Karl RHAMM. Ethnographische Beiträge zur germanisch-slawischen Altertumskunde. Abt. II.

Urzeitliche Bauernhöfe in germanisch-slawischem Waldgebiet. 1908. 832.

8" Ebd., 832.

87 Viktor v. GERAMB. Kulturgeschichte. 5.

tion aus. Georg GRABER berichtet aus Kärnten von Hoachfenster oder Rachschiberle, die keine Glasscheibe, sondern nur einen hölzernen Schieber haben und die geöffnet wur- den, wenn jemand im Hause verstarb, um der scheidenden Seele als Durchgang zu die- nen.u Solche hochgestellte Fenster, die nicht in den Rhythmus der übrigen Fensterfas- sade eingegliedert sind, gibt es u.a. auch in den weststeirischen Kachelstuben, wo sie vor allem die Lüftung des Raumes verbessern.89 Arthur HABERLANDT verwendet in seinem Taschenwörterbuch die Bezeichnung Rauchfenster und bezieht sich dabei vor allem auf Johann Reinhard BUNKER und Viktor v. GERAMB.90 Die Bezeichnung Fünffensterbauern oder Dreifaltigkeitsfenster erwähnt Arthur HABERLANDT im Zusammenhang mit ehema- ligen Rauchstuben, aber auch für gemauerte Häuser und verweist auf Anton DÄCHER, auf Hermann WOPFNER und Georg BAUMEISTER, der die Fenstergliederung für rauchfreie Wohnräume des Walgaues dokumentiert, wo es nie Rauchstuben gegeben hat.'"

Bruno SCHIER berichtet über die in der Höhe gestaffelten Fenster unter Berufung auf RHAMM, BLINKER und GERAMB und bezeichnet die ungleiche Höhenlage der Fenster als Merkmal der ostalpinen Rauchstube, ohne andere Belege heranzuziehen. SCHIER schreibt u.a.: Für das Ötztal (!) können wir in dieser Baugewohnheit ein Reststück der einst auch hier verbreiteten Rauchstube erkennen ...n In keiner hauskundlichen Literatur wurde bisher für das Ötztal eine Rauchstube bestätigt. Offenbar sind die hier erwähnten hoch- gestellten Blockbaufenster einer rauchfreien Kachelstube zuzuordnen.

Die genaue Beobachtung des Heizvorganges und der daraus resultierenden Rauch- bewegung, also des Weges des Rauches von der Feuerstätte bis ins Freie, der in einem Freilichtmuseum auch den Museumsbesuchern gezeigt werden muss, erweist den schon mehrfach beschriebenen thermozirkularen Weg des Rauches als physikalisches Grund- prinzip für einen funktionierenden Rauchabzug. Die hochgestellten Fenster haben in einer beheizten Rauchstube weder die Funktion, den Rauch ins Freie zu entlassen, noch kön- nen sie frische, sprich kalte Luft, in die beheizte Rauchstube bringen. Öffnet man näm- lich in einer beheizten Rauchstube die oberen Fenster, so dringt kalte Luft in den Raum und fällt zu Boden. Sie verhindert dadurch das Aufsteigen des Rauches sowie der durch das Herdfeuer erwärmten Luft, wodurch der Kreislauf von Luft und Rauch gestört wird, der Rauch zu walken9' beginnt und die Rauchstube ungemütlich wird. Dieses Walken des Rauches tritt auch dann ein, wenn der Rauchabzug durch zuviel Bewegung im Raum beeinträchtigt wird oder wenn, wie schon betont, beim Einheizen die Sonne auf den Rauchschlot scheint. Ist die Rauchstube aufgeheizt, so dass sich der Rauch im Rauch- himmel versammelt, um in Richtung Rauchstubentür abzuziehen, hält sich auch das Wal- ken des Rauches in erträglichen Grenzen. Selbstverständlich können die hochgestellten Fenster geöffnet werden, wenn die Rauchstube nicht beheizt wird und frische Luft in den Raum kommen soll. Wie noch zu zeigen sein wird, wurde von dieser Möglichkeit kaum Gebrauch gemacht.

88 Georg GRABER. Volksleben in Kärnten. 1934. 98.

8<i Viktor Herbert PÖTTLER. Führer. 81.

911 Arthur HABERLANDT. Taschenwörterbuch. 112.

91 Arthur HABERLANDT, Taschenwörterbuch. 54;

Ernst HAMZA, Der Bauernhof des oberdonauischen Innviertels. In: Zeitschrift f. Volkskunde.

N.F. 2. 1940. 280f:

Hermann WOPFNER. Eine siedlungs- und volkskundlichc Wanderung durch Villgraten. In: Zeit- schrift d. DÖAV. Jg. 62/63. 1930/31. 287:

Georg BAUMEISTER. Das Bauernhaus des Walgaues und der walserischen Bergtäler Vorarlbergs

^ einschließlich Montafon. 1913. I14ff. 153. 162.

92 Bruno SCHIER. Hauslandschaften. 127.

93 Zu walken vgl. Friedrich KLUGE. Wörterbuch. 834.

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