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Alexandra Meier

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Academic year: 2023

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Alexandra Meier Richterin

Verwaltungsgerichtliche Praxis

Veranstaltungsreihe des Verwaltungsgerichts Freiburg 3. Besprechungsfall

13.03.2019

„Die Wassernotversorgung“

(Kosten der unmittelbaren Ausführung, wasserrechtliche Gefahrenabwehr, Störer, Kostenhöhe)

Sachverhalt:

Die Eheleute E (im Folgenden: Kläger) wohnen im Verwaltungsgerichtsbezirk Freiburg und sind Eigentümer eines unbebauten Grundstücks. Über dieses Grundstück verläuft eine öffentliche Hauptwasserversorgungsleitung, die im Eigentum des Eigenbetriebs

„Stadtwerke“ der Stadt S steht.

Die Satzung für die öffentliche Wasserversorgung (Wasserversorgungssatzung: im Folgenden: WVS) enthält u.a. folgende Regelungen:

§ 1

(1) Die Stadt S betreibt die Wasserversorgung als eine öffentliche Einrichtung als Zweig des Eigenbetriebs zu dem Zweck, das Stadtgebiet mit Trinkwasser zu versorgen. Art und Umfang der Wasserversorgungsanlagen bestimmen die Versorgungsbetriebe.

§ 6

(1) Das Wasser muss den jeweils geltenden Rechtsvorschriften und den anerkannten Regeln der Technik für Trinkwasser entsprechen.

§ 7

(1) Die Versorgungsbetriebe sind verpflichtet, das Wasser jederzeit am Ende der Anschlussleitung zur Verfügung zu stellen.

Für den Neubau eines Einfamilienhauses auf dem bisher unbebauten Grundstück erteilte die Stadt S den Klägern eine Baugenehmigung. Zunächst verlief aber noch die Wasserleitung im Bereich des genehmigten Bauvorhabens. Zur Ermöglichung des Neubaus verlegte die Stadt S die Wasserleitung, sodass sie nicht mehr vom Bauvorhaben berührt werden sollte. Der Plan des neuen Leitungsverlaufs wurde den Klägern per E-Mail übermittelt.

Die Kläger begannen im Frühjahr 2013 mit den Bauarbeiten. Währenddessen fragten sie bei der Stadt S an, ob es möglich wäre, die Wasserleitung freizulegen. Dies lehnte die Stadt S ausdrücklich ab.

Mit Schreiben vom 09.04.2013, gab der Bürgermeister der Stadt S folgende Erklärung ab:

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„Bezugnehmend auf mein Telefonat mit Herrn E vom 08.04.2013 bestätige ich, dass die Stadt S für sämtliche Schäden im Zusammenhang mit der geplanten Freilegung der Frischwasserleitung auf ihrem o.g. Grundstück haftet. Die Haftung betrifft Schäden an der Trinkwasserleitung und Folgeschäden, die auf dem Baugrundstück entstehen.

Selbstverständlich haftet die Beklagte auch für Schäden auf Grund der Betreibung der Trinkwasserleitung auf ihrem Grundstück.

Sollten Schäden durch Dritteinwirkung entstehen, haftet der Verursacher.“

Während der Bauarbeiten erreichte die Aushebung der Baugrube zwischenzeitlich eine Höhe von ca. 4 m. Dabei wurde die Wasserleitung derart freigelegt, dass sie keine gesamte Auflagefläche mehr hatte. Die Beklagte nahm deshalb am 10.04.2013 eine Wassernotversorgung vor. Diese Notversorgung erfolgte über eine sog. Ringleitung.

Diese Ringleitung bestand aus auf der Oberfläche liegende Feuerwehrschläuche, die um die jeweiligen Grundstücke verlegt wurden.

Mit Bescheid vom 04.10.2013 zog die Stadt S - Eigenbetrieb Stadtwerke - die Kläger für die Kosten des Auf- und Abbaus einer Notversorgung i.H.v. insgesamt 8.000 EUR heran. Der Gesamtbetrag wurde in „Fremdleistungen“ i.H.v. 4.000 EUR und

„Eigenleistungen“ i.H.v. 4.000 EUR EUR gegliedert.

Der Bescheid wurde damit begründet, dass Rechtgrundlage für den Kostenersatz

§ 8 Abs. 2 PolG i.V.m. § 1 und § 3 PolG sei. Die Voraussetzungen einer unmittelbaren Ausführung lägen vor. Der Leitungsverlauf sei nicht mehr stabil gewesen. Durch den Druck der Leitung habe sie zu brechen gedroht und nicht nur die Baugrube, sondern auch weitere Grundstücke (private Grundstücke und die Kreisstraße) wären überflutet worden. Ein Großteil der öffentlichen Wasserversorgung wäre ausgefallen. Den Klägern hätte somit nach der polizeilichen Generalklausel gemäß § 1 und § 3 PolG die Pflicht auferlegt werden müssen, selbst Sorge dafür zu tragen, dass die erforderliche Notversorgung hergestellt werde. Die „Fremdleistungen“ bestünden aus den Kosten für ein Unternehmen, das die Feuerwehrschläuche zur Verfügung gestellt habe. In den

„Eigenleistungen“ seien Kosten für Arbeitsleistungen der Gemeindemitarbeiter und Transportkosten durch die Nutzung der Gemeindefahrzeuge für den Aufbau, die Kontrolle und den Abbau der Notversorgung enthalten.

Gegen diesen Bescheid legten die Kläger fristgerecht Widerspruch ein. Sie begründeten ihren Widerspruch mit der materiell rechtswidrigen Notversorgung. Die Kläger seien für den Auf- und Abbau der Notversorgung nicht verantwortlich. Sie seien weder Zustands- noch Handlungsstörer. Die Entscheidung für die Notversorgung sei ohne Rücksprache mit den Klägern erfolgt. Die Stadt S habe durch die Erklärung vom 09.04.2013 die Haftung übernommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.03.2016, zugestellt am 07.04.2016, wies das Landratsamt L den Widerspruch der Kläger zurück.

Die Kläger haben am 09.05.2016, einem Montag, beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben. Zur Begründung führen sie aus: Eine für § 8 Abs. 1 PolG erforderliche hypothetische Grundverfügung sei rechtswidrig. Für eine Entlastung der Frischwasserleitung hätten sie selbst in Form einer Notversorgung sorgen können.

Erst recht hätten die Kläger die Baugrube auch wieder derart schließen können, dass die Leitung wieder „zugedeckt“ worden wäre. Des Weiteren seien die Kläger nicht im

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Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 2 PolG unverzüglich unterrichtet worden, sondern die Stadt S habe nach deren Ausführung keinen Kontakt mit den Klägern aufgenommen.

Die Stadt S erwidert auf die Klage: Die Rechtmäßigkeit der dem Kostenbescheid zugrundeliegenden unmittelbaren Ausführung sei nicht mehr Gegenstand der rechtlichen Überprüfung. Aufgrund eingetretener Bestandskraft finde bei der Überprüfung einer Gebührenfestsetzung eine Überprüfung der zugrundeliegenden Amtshandlung nicht mehr statt. Die unmittelbare Ausführung selbst, jedenfalls die Benachrichtigung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 PolG, sei ein der Bestandskraft fähiger Verwaltungsakt. Dieser sei innerhalb der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG nicht angefochten worden. Eine verwaltungsrechtliche Überprüfung könne sich allenfalls auf die Höhe der Kosten erstrecken. Rein vorsorglich trägt die Stadt S vor:

Rechtsgrundlage für das Tätigwerden der Stadt S sei § 44 Abs. 6 Satz 2 WG. Nach

§ 7 Abs. 1 der WVS seien die Stadtwerke verpflichtet, das Wasser jederzeit am Ende der Anschlussleitung zur Verfügung zu stellen. Der Aufbau der Notversorgung sei nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich gewesen, um die Erfüllung dieser Pflicht bei drohendem Leitungsabriss sicherzustellen. Die Stadt S habe keine Maßnahmen gegen die Kläger anordnen können. Auch bei einem anwesenden Störer könne

§ 8 Abs. 1 Satz 1 PolG zur Anwendung gelangen, wenn dieser zur Gefahrenabwehr schlechthin ungeeignet sei oder bei akuter Gefahr selbst ein unverzügliches Befolgen der Polizeiverfügung durch den Störer zu spät käme. Zum einen sei die Notversorgung höchst eilbedürftig gewesen und zum anderen sei es der Stadt S und der Bevölkerung nicht zuzumuten gewesen, dass ein anderer als die Stadtwerke Reparaturarbeiten an einer öffentlichen Trinkwasserversorgung treffe. Die Trinkwasserversorgung sei eine Gewährleistungsaufgabe der Stadt S. Sie habe daher sicherzustellen, dass nur befähigtes Personal an den Versorgungsleitungen tätig sei. Nicht jeder könne an einer öffentlichen Einrichtung (Wasserversorgung) „herumbasteln“. Es seien besondere Anforderungen im Hinblick auf Hygiene einzuhalten.

Aufgabe: Erstatten Sie ein Gutachten zu den Erfolgsaussichten der Klage.

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Lösung:

Vorbemerkung: Der Fall ist einem Verfahren des Verwaltungsgerichts Freiburg nachgebildet, das schließlich durch einen Vergleich ohne Urteil beendet wurde.

Die Klage der Eheleute E hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.

A. Zulässigkeit der Klage

Die Klage ist zulässig.

I. Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art, da streitentscheidende Norm § 8 Abs. 2 PolG als öffentlich-rechtliche Vorschrift ist. Auch wenn sich der Kostenanspruch auch auf eine zivilrechtliche Rechtsnorm stützen könnte (Deliktsrecht: Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Stadtwerke), ist der Verwaltungsrechtsweg insgesamt gegeben. Denn ist sowohl der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten als auch - aufgrund desselben Sachverhalts, aber im Hinblick auf andere Rechtsnormen - ein anderer Rechtsweg gegeben, so ist, wenn die Klage zu einem Verwaltungsgericht erhoben wird, der Verwaltungsrechtsweg zu bejahen (vgl. § 17 Abs. 2 GVG, § 173 VwGO).

II. Die statthafte Klageart bestimmt sich nach dem Rechtsschutzbegehren, § 88 VwGO. Die Kläger wollen sich gegen den Kostenbescheid zur Wehr setzen. Sie streben seine Aufhebung an. Die statthafte Klageart ist deshalb die Anfechtungsklage,

§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO.

III. Die Kläger sind klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO. Als Adressaten eines belastenden Verwaltungsaktes liegt es auf der Hand, dass die Möglichkeit besteht, dass sie in ihren Rechten (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt sind.

IV. Die Klagefrist des § 74 Satz 1 VwGO ist eingehalten. Danach muss die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Die Klagefrist lief mit Ablauf des 09.05.2016

In der Zulässigkeit der Klage stecken keine schwerpunktmäßigen Probleme und sollte deshalb im Urteilsstil abgehandelt werden.

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gem. § 74, § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO und § 188 Abs. 2 BGB ab. Der Widerspruchsbescheid wurde am 07.04.2016 zugestellt, sodass das Ende der Frist auf den Samstag, den 07.05.2016 fiel. Fällt nach § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO das Ende einer Frist auf einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktags. Der nächste Werktag war der Montag (09.05.2016), sodass die Klage am letzten Tag der Frist erhoben wurde.

V. Die Kläger haben erfolglos ein ordnungsgemäßes Widerspruchsverfahren durchgeführt.

VI. Die Stadt S ist auch Beklagte gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Auch wenn der angefochtene Bescheid vom Eigenbetrieb Stadtwerke der Stadt S erlassen wurde, ist die Stadt S Beklagte, denn sie ist der Rechtsträger des Eigenbetriebs. Der Eigenbetrieb besitzt keine eigene Rechtspersönlichkeit.1

B. Begründetheit der Klage

Die Anfechtungsklage ist begründet, wenn der Kostenbescheid rechtswidrig ist und die Kläger dadurch in ihren Rechten verletzt sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kostenbescheid ist rechtswidrig, wenn er sich nicht auf eine wirksame Rechtsgrundlage stützen lässt und / oder er an einem formellen oder materiellen Fehler leidet.

I. Ermächtigungsgrundlage

1. Ein Kostenanspruch könnte sich aus § 55 Abs. 1 Satz 1 PolG ergeben.

§ 55 Abs. 1 Satz 1 PolG verpflichtet die Polizei zum Kostenersatz in den Fällen des

§ 9 Abs. 1 PolG. § 9 Abs. 1 PolG regelt Maßnahmen gegenüber nichtverantwortlichen Personen, d.h. solche, die weder Störer nach § 6 PolG noch nach § 7 PolG sind. Durch die Freilegung der Wasserleitung sind die Kläger allerdings für die daraus resultierende Gefahr verantwortlich und somit Handlungsstörer gemäß § 6 PolG. Eine Nicht-Störer-Eigenschaft liegt somit nicht vor. Im Übrigen verlangt hier die Behörde

1 Katz, in: Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, Loseblattslg., Stand: Sept. 2016, § 102 Rn. 83 und Rn. 90.

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von den Eheleuten E Kostenersatz. § 55 Abs. 1 Satz 1 PolG regelt aber die Entschädigungspflicht der Polizei. § 55 Abs.1 Satz 1 PolG scheidet somit aus.

2. Weiter könnte sich ein Anspruch aus § 31 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 6 LVwVG i.V.m.

einer vollstreckungsrechtlichen Ersatzvornahme gemäß § 49 Abs. 1 PolG i.V.m.

§ 25 LVwVG ergeben. Allerdings fehlt es hierfür offensichtlich an einem für Vollstreckungsmaßnahmen erforderlichen Grundverwaltungsakt. Überdies dürfte ein solcher weder nach § 2 Nr. 1 LVwVG (Unanfechtbarkeit) noch nach § 2 Nr. 2 LVwVG (Sofortvollzug) vollstreckbar sein.

3. Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Kläger zu den Kosten der Wassernotversorgung ist somit § 8 Abs. 2 Satz 1 PolG. Die Installation der Wassernotversorgung stellt eine unmittelbare Ausführung einer wasserrechtlichen Gefahrenabwehrmaßnahme nach § 44 Abs. 6 WG dar.

4. Ein Rückgriff auf andere Kostenerstattungsansprüche ist durch § 8 Abs. 2 PolG gesperrt. Ein Anspruch könnte sich somit auch nicht aus einem Eingriff in den Eigenbetrieb der Stadtwerke als eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb gemäß § 823 Abs. 1 BGB ergeben. Die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand ist zwar durch das Recht am eingerichteten Gewerbebetrieb geschützt.2

§ 8 Abs. 2 PolG ist - hinsichtlich der Rechtsgrundlage für den Kostenersatz - im Regelungsbereich des § 8 PolG eine spezielle und abschließende Regelung, die andere Ersatzansprüche (z.B. entsprechend §§ 677 ff. BGB oder §§ 812 ff. BGB oder nach § 4 Abs. 4 LGebG) ausschließt.3

II. Formelle Rechtmäßigkeit 1. Zuständigkeit

Die Zuständigkeit für den Kostenbescheid folgt der Zuständigkeit für die unmittelbare Ausführung.4

2 BGH, Urteil vom 07.02.1984 - 6 ZR 193/82 - juris.

3 Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 8. Aufl., 2015, Rn. 911; Sander, in:

Belz/Mussmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 8. Aufl. 2015, § 8 Rn. 16; zur Geschäftsführung ohne Auftrag: BGH, Urteil vom 13.11.2003 - 3 ZR 70/03 - juris;

Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., 2005, Rn. 918.

4 Sander, in: Belz/Mussmann/Kahlert/Sander, a.a.O., § 8 Rn. 20.

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a. Sachliche Zuständigkeit

Der Eigenbetrieb Stadtwerke, der den Kostenbescheid erlassen hat, war als Ortspolizeibehörde sachlich nach § 44 Abs. 1 und 6 WG, § 1 und § 7 Abs. 1 der WVS i.V.m. § 61 Abs. 1 Nr. 4, § 62 Abs. 4 Satz 1 und § 66 Abs. 2 PolG zuständig. Nach

§ 1 WVS betreibt die Stadt S die Wasserversorgung als eine öffentliche Einrichtung als Zweig des Eigenbetriebes Stadtwerke zu dem Zweck, das Stadtgebiet mit Trinkwasser zu versorgen. Art und Umfang der Wasserversorgungsanlagen bestimmen die Stadtwerke. Der Eigenbetrieb Stadtwerke war somit zuständig für die Wassernotversorgung als unmittelbare Ausführung.

b. Örtliche Zuständigkeit

Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 68 Abs. 1 Satz 1 PolG.

2. Verfahren

Es ist von einer fehlenden Anhörung vor Erlass des Kostenbescheids auszugehen.

Eine solche wurde aber durch die Durchführung des Widerspruchsverfahrens gemäß

§ 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG geheilt.

3. Form

Die Vorschriften über die Form eines Verwaltungsaktes dürften eingehalten worden sein.

4. Ergebnis: Der Bescheid ist formell rechtmäßig.

III. Materielle Rechtmäßigkeit

Der Kostenbescheid ist materiell rechtswidrig, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Satz 1 PolG nicht eingehalten sind. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 PolG sind die in den § 6 und § 7 PolG bezeichneten Personen zum Ersatz der der Polizei durch die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme entstandenen Kosten verpflichtet.

Für die Rechtmäßigkeit des Kostenerstattungsanspruchs bedarf es einer Rechtmäßigkeit der unmittelbaren Ausführung auf Primärebene (1.), einer pflichtgemäßen Ermessensausübung auf Kostenebene (2.) und hinsichtlich der

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Kostenhöhe eine Entsprechung der Kosten, die durch die unmittelbare Ausführung entstanden sind (3.).

1. Voraussetzung des Kostenerstattungsanspruchs ist aufgrund des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der unmittelbar ausgeführten Maßnahme.5

Die Auffassung der Stadt S, dass die Rechtmäßigkeit der unmittelbaren Ausführung für die Frage der Rechtmäßigkeit des Kostenbescheids nicht mehr Gegenstand sein soll, ist verfehlt. Denn das auf Erstattung der Kosten einer unmittelbaren Ausführung gerichtete Leistungsbegehren der Polizeibehörde ist gerade davon abhängig, dass die zugrundeliegende polizeiliche Maßnahme (§ 8 Abs. 1 PolG) ihrerseits rechtmäßig ist.6 Die unmittelbare Ausführung ist nach herrschender Meinung kein Verwaltungsakt, sondern ein Realakt.7 Die Ansicht der Stadt S, dass die unmittelbare Ausführung als solche und jedenfalls die Benachrichtigung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 PolG ein der Bestandskraft fähiger Verwaltungsakt sei, den die Kläger nicht angefochten hätten, geht somit ins Leere. Eine inzidente Prüfung - unabhängig von der Frage nach einer Bestandskraft - ist somit möglich und erforderlich.

Die unmittelbare Ausführung in Form des Auf- und Abbaus einer Wassernotversorgung als Ringleitung müsste deshalb rechtmäßig sein.

a. Deren Rechtsgrundlage findet sich aufgrund der Qualifizierung als unmittelbare Ausführung einer wasserrechtlichen Maßnahme in § 8 Abs. 1 Satz 1 PolG i.V.m. § 44 Abs. 6 WG und § 1, § 3 PolG.

b. Die Stadt S war als Ortspolizeibehörde sachlich nach § 44 Abs. 6 WG, § 1,

§ 6 Abs. 1 und § 7 Abs. 1 WVS i.V.m. § 61 Abs. 1 Nr. 4, § 62 Abs. 4 Satz 1,

§ 66 Abs. 2 PolG und örtlich nach § 68 Abs. 1 Satz 1 PolG zuständig.

5Deger, in: Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., 2014, § 8 Rn. 32;

Ruder/Schmitt, a.a.O., Rn. 344 und 914; Sander, in: Belz/Mussmann/Kahlert/Sander,

a.a.O., § 8 Rn. 16; Würtenberger/Heckmann, a.a.O. Rn. 917; Zeitler/Trurnit, Polizeirecht für Baden- Württemberg, 3. Aufl., 2014, Rn. 1019.

6VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 08.03.1993 - 1 S 1606/92- juris Rn. 14 m.w.N. und Urteil vom 17.06.2003 - 1 S 2025/01 - juris Rn. 19.

7 Deger, in: Stephan/Deger, a.a.O., § 8 Rn. 2; Ruder/Schmitt, a.a.O., Rn. 345; Sander, in:

Belz/Mussmann/Kahlert/Sander, a.a.O., § 8 Rn. 2.

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Zunächst erweist diese sich als formell rechtmäßig. Die unmittelbare Ausführung erweist sich somit als formell rechtmäßig.

c. Die unmittelbare Ausführung müsste auch materiell rechtmäßig sein. Nach

§ 8 Abs. 1 Satz 1 PolG ist die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme durch die Polizei nur zulässig, wenn der polizeiliche Zweck durch Maßnahmen gegen die in den

§ 6 und § 7 bezeichneten Personen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann.

Der von der Maßnahme Betroffene ist unverzüglich zu unterrichten (§ 8 Abs. 1 Satz 2 PolG). Dabei müssen als - ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal - die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen, die bei einer Verfügung gegen den Störer - wäre er erreichbar - vorliegen.8

aa. Vorliegend stellt die hypothetische Grundverfügung der Auf- und Abbau der Wassernotversorgung dar.

aaa. Für die Gefahr des Leitungsabbruchs und der daraus resultierenden Unterbrechung der öffentlichen Wasserversorgung findet sich die Ermächtigungsgrundlage in § 44 Abs. 6 Satz 1 und Satz 2 WG, die als spezielle Befugnisnorm der polizeilichen Generalklausel vorgeht.

Für die Gefahr der Überflutung anderer Grundstücke und der angrenzenden Kreisstraße findet sich die Ermächtigungsgrundlage wohl § 1 und § 3 PolG.

Problematisch könnte sein, dass die Stadt S den Bescheid ausschließlich mit der polizeilichen Generalklausel gemäß § 1 und § 3 PolG begründet hat, sodass der Bescheid auf einer falschen Rechtsgrundlage beruhen könnte. Das Heranziehen der falschen Ermächtigungsgrundlage ist aber letztlich irrelevant, wenn die Voraussetzungen einer anderen Rechtsgrundlage für den Erlass des Verwaltungsaktes gegeben sind. Das Auswechseln der Rechtsgrundlage kann zulässig und geboten sein, solange der Regelungsgegenstand des angefochtenen Verwaltungsaktes identisch bleibt, d.h. der auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis bezogene „Spruch“ nicht verändert wird. Es geht in diesem Fall um die Subsumtion des Verwaltungsaktes unter eine andere als die von der Behörde herangezogene Norm.9

8 Sander, in: Belz/Mussmann/Kahlert/Sander, a.a.O., § 8 Rn. 6.

9 Schemmer, in: BeckOK VwVfG, 42. Edition, 01.10.2018, § 47 Rn. 19.

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bbb. Die fiktive Grundverfügung ist formell rechtmäßig. Wie bereits dargelegt war die Stadt S als Ortspolizeibehörde sachlich nach § 44 Abs. 6 WG, § 1 und § 7 Abs. 1 WVS i.V.m. § 61 Abs. 1 Nr. 4, § 62 Abs. 4 Satz 1, § 66 Abs. 2 PolG und örtlich nach § 68 Abs. 1 Satz 1 PolG zuständig.

ccc. Weiter müssten die materiellen Voraussetzungen des § 44 Abs. 6 Satz 1 und Satz 2 WG und § 1, § 3 PolG erfüllt sein (fiktive Grundverfügung).

(1.) Nach § 44 Abs. 6 Satz 1 WG haben die Gemeinden darüber zu wachen, dass die Vorschriften der Wasserversorgungssatzung eingehalten und die auferlegten Verpflichtungen erfüllt werden. Nach § 44 Abs. 6 Satz 2 WG treffen die Gemeinden zur Wahrnehmung dieser Aufgaben diejenigen Anordnungen, die ihnen nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen. Diese Voraussetzungen dürften hier erfüllt sein. Die Stadt S nahm die wasserrechtlichen Maßnahmen vor, nachdem die Kläger durch die Aushebung der Baugrube die Frischwasserleitung teilweise freigelegt haben. Es bestand die konkrete Gefahr des Ausfalls der Frischwasserversorgung durch Stillstand der Wasserleitung (Erläuterung siehe im Folgenden). Um eine effektive Gefahrenabwehr für die an das Wasserversorgungsnetz angeschlossenen Wasserabnehmer zu gewährleisten, war die Wassernotversorgung notwendig. Die Tatbestandsvoraussetzungen liegen somit vor.

Fraglich ist, ob das Gleiche auch für § 1 und § 2 PolG gilt. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG hat die Polizei die Aufgabe, von dem einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird und Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Die Polizei hat nach § 3 PolG diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen. Die für § 1 und § 3 PolG notwendige konkrete Gefahr wird mit einer im konkret im Einzelfall zu beurteilenden Sachlage definiert, die bei ungehindertem Geschehensablauf in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden führen wird.10 Dabei ist maßgebliches Kriterium die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Die Anforderungen an das Maß der Wahrscheinlichkeit beurteilen sich nach der Je-Desto-Formel. Geht es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von Menschen,

10 Ruder/Schmitt, a.a.O., Rn. 216.

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so kann auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen.11 Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit wird als Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung, der subjektiven Echte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates oder der sonstigen Hoheitsträger definiert.12 Gemessen an den genannten Voraussetzungen lag eine konkrete Gefahr für die anliegenden Grundstücke und der Kreisstraße vor. Wäre die Wassernotversorgung nicht vorgenommen worden, so bestand eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Flutung der anliegenden Grundstücke und der Kreisstraße.

Eine Verletzung des Eigentums (Art. 14 GG) stand somit unmittelbar bevor. Eine polizeirechtliche Gefahr ist deshalb zu bejahen.

Im Übrigen gilt für die Einhaltung der Wasserversorgung ein herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab, da es sich hierbei um ein Rechtsgut von bedeutendem Wert handelt.

(2.) Der Stadt S dürften keine Ermessensfehler unterlaufen sein. Sowohl § 44 Abs. 6 Satz 2 WG als auch § 1 und § 3 PolG räumen der Stadt S ein Ermessen ein.

Für einen Ermessensfehler könnte sprechen, dass es den Klägern möglich gewesen wäre, die Baugrube wieder derart zu schließen, dass die Wasserleitung verdeckt worden wäre. Eine solche Aufgabe hätten die Kläger ohne Weiteres erfüllen können.

Ein Fehler bei Ausübung des Auswahlermessens der Beklagten lässt sich darin jedoch nicht sehen. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit sind die mildesten, aber zugleich auch die effektivsten Mittel zur Gefahrenabwehr zu wählen. Freilich hätte das Zuschütten der Baugrube eine einfachere, schnellere und billigere Möglichkeit dargestellt, die Freilegung der Wasserleitung wieder rückgängig zu machen.

Gleichwohl durfte die Stadt S nicht davon ausgehen, dass dies auch die effektivste Gefahrenabwehrmaßnahme darstellt. Denn die Kläger haben zuvor bei der Stadt S angefragt, ob die Wasserleitung freigelegt werden könne, was die Stadt S ausdrücklich ablehnte. Die Kläger haben die Leitung trotzdem freigelegt. Die Stadt S durfte deshalb davon ausgehen, dass die Kläger die Baugrube offenhalten würden, zumal sie selbst als Handlungsstörer gemäß § 6 Abs. 1 PolG die Freilegung der Wasserleitung verursacht haben.

11 Ruder/Schmitt, a.a.O., Rn. 216.

12 Ruder/Schmitt, a.a.O., Rn. 230.

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ddd. Zwischenergebnis: Die hypothetische Grundverfügung ist rechtmäßig.

bb. Gegen die Anwendung der unmittelbaren Ausführung könnte die Anwesenheit der Kläger sprechen. Denn § 8 Abs. 1 Satz 1 PolG geht vom Leitbild des nicht oder nicht rechtzeitig erreichbaren Störers aus. Allerdings kann auch bei einem anwesenden Störer § 8 Abs. 1 Satz 1 PolG zur Anwendung gelangen, wenn dieser zur Gefahrenabwehr schlechthin ungeeignet ist oder bei akuter Gefahr selbst ein unverzügliches Befolgen der Polizeiverfügung durch den Störer zu spät käme.13 Auch ist die unmittelbare Ausführung zulässig, wenn gegen einen bekannten Störer wegen rechtlicher oder tatsächlicher (auch wirtschaftlicher) Unmöglichkeit eine Verfügung nicht ergehen kann oder wenn erkennbar ist, dass er mit seinen Mitteln nicht in der Lage ist, die Störung zu beseitigen.14 Denn vom Adressaten einer Polizeiverfügung darf kein rechtswidriges Handeln verlangt werden. Er darf nicht zu einem Handeln verpflichtet werden, zu dem er öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich nicht befugt ist.15 Von den Klägern durfte aus öffentlich-rechtlichen Gründen eine Gefahrenbeseitigung in Form der Wassernotversorgung als Ringleitung nicht verlangt werden. Denn nach

§ 44 Abs. 1 Satz 1 WG obliegt der Gemeinde die öffentliche Wasserversorgung als Aufgabe der Daseinsvorsorge. Nach § 44 Abs. 4 Satz 1 WG sind Wasserversorgungsanlagen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu errichten, zu unterhalten und zu betreiben. Dabei sind gewiss auch Hygienevorschriften einzuhalten. Die Beklagte durfte den Klägern deshalb nicht auferlegen, die Wasserversorgung selbst umzulegen. Es ist davon auszugehen, dass nur die Beklagte und die von ihr beauftragen Unternehmen die notwendige Kenntnis über die sorgfältige Ausführung der Wasserversorgung hat. Die Anwesenheit der Kläger steht der Rechtmäßigkeit der unmittelbaren Ausführung somit nicht entgegen.

cc. Wie ausgeführt war auch ein sofortiges Einschreiten zur Beseitigung der Gefahr unerlässlich, da ein Leitungsbruch mit verheerenden Folgen drohte.

dd. Auch wenn der Behörde über § 8 Abs. 1 Satz 1 PolG nicht ausdrücklich ein Ermessen eingeräumt wird, bedarf es wegen § 5 PolG einer verhältnismäßigen Maßnahme. Wie im Rahmen der Ermessensausübung des § 44 Abs. 6 WG und § 1 und § 3 PolG schon ausgeführt, unterlagen der Stadt S keine Ermessensfehler.

13 Deger, in: Stephan/Deger, a.a.O., § 8 Rn. 13.

14 Deger, in: Stephan/Deger, a.a.O., § 8 Rn. 13.

15 Würtenberger/Heckmann, a.a.O, Rn. 524.

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ee. Die Stadt S könnte aber gegen die Pflicht des unverzüglichen Unterrichtens nach

§ 8 Abs. 1 Satz 2 PolG verstoßen haben, da sie die Eheleute E nicht über den Aufbau der Notversorgung informiert hat. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 PolG ist der Betroffene unverzüglich von der Maßnahme nach Satz 1 des § 8 Abs. 1 PolG zu unterrichten.

Unterbleibt die Unterrichtung ganz oder erfolgt sie nicht unverzüglich, so hat dies in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der unmittelbaren Ausführung aber keine Folgen.16 Die Benachrichtigung ist auch kein Verwaltungsakt.17

ff. Zwischenergebnis: Die Voraussetzungen der unmittelbaren Ausführung liegen vor.

2. Die Stadt S müsste auch ohne Ermessensfehler die Kläger zur Erstattung der Kosten herangezogen haben. Die Entscheidung, ob ein Erstattungspflichtiger nach § 6 und § 7 PolG zum Ersatz der Kosten der unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme herangezogen wird, steht nach herrschender Meinung im pflichtgemäßen Ermessen der Polizei.18 Dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 PolG lässt sich dies zwar nicht entnehmen, wie hiernach nur eine Verpflichtung des Störers im Fall seiner Heranziehung begründet wird, ergibt sich aber aus dem allgemeinen Kostenrecht, das grundsätzlich von einer Kostenerhebungspflicht ausgeht.19

Die Kläger müssten zunächst Störer im Sinne des § 6 oder § 7 PolG gewesen sein.

Da sie die Aushebung der Baugrube in Auftrag gegeben und die Freilegung der Wasserleitung dadurch zu verantworten haben, sind sie Handlungsstörer nach

§ 6 PolG. Grundsätzlich sind sie somit auch zur Kostentragung verpflichtet.

Eine Abweichung von dieser grundsätzlichen Kostenerstattungspflicht könnte allerdings durch die Haftungserklärung der Stadt S vom 09.04.2013 in Betracht kommen. Eine Ausnahme der grundsätzlichen Kostentragungspflicht ist allerdings nur in atypischen Fällen anzunehmen, wie z.B. bei einer nicht vorhersehbaren Störung, die nicht im Risikobereich des Störers liegt oder wenn die Störung nicht schuldhaft verursacht worden ist.20

16Sander, in: Belz/Mussmann/Kahlert/Sander, a.a.O., § 8 Rn. 14.

17 Deger, in: Stephan/Deger, a.a.O., § 8 Rn. 25.

18 Sander, in: Belz/Mussmann/Kahlert/Sander, a.a.O., § 8 Rn. 18; zu § 8 Abs. 2 PolG a.F.: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.09.1990 - 1 S 2805/89 - juris.

19 Sander, in: Belz/Mussmann/Kahlert/Sander, a.a.O., 8. Aufl. 2015, § 8 Rn. 18.

20 Hessischer VGH, Urteil vom 30.05.1994 - 11 UE 1684/92 - juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.09.1990 - 1 S 2805/89 - juris.

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Ob in der Erklärung vom 09.04.2013 unzumutbare Kostenbelastung der Kläger zu sehen ist, ist fraglich. In dieser Erklärung wurde geregelt, dass die Stadt S für Schäden im Zusammenhang mit der geplanten Freilegung der Frischwasserleitung hafte. Die Haftung betreffe Schäden an der Trinkwasserleitung und Folgeschäden, die auf dem Baugrundstück entstünden. Die Beklagte hafte auch für Schaden auf Grund der Betreibung der Trinkwasserleitung. Ein Haftungsausschluss wurde nur hinsichtlich einer Dritteinwirkung geregelt. Entsprechend § 133 und § 157 BGB ist die Haftungserklärung auszulegen. Die Auslegung richtet sich nach dem objektiven Empfängerhorizont, d.h. wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssite verstehen musste. Dabei dürfen nur solche Umstände berücksichtigt werden, die bei Zugang der Erklärung dem Empfänger bekannt oder für ihn erkennbar waren. Auf seinen „Horizont“ und seine Verständnismöglichkeit ist die Auslegung abzustellen. Der Empfänger darf der Erklärung aber nicht einfach den für ihn günstigen Sinn beilegen.21 Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass die Beteiligten keine Regelung über die Notwasserversorgung getroffen haben. Denn es wurde ausdrücklich nicht die Frage der Haftung hinsichtlich einer Notwasserversorgung geregelt. Die Rede war nur von „Schäden“. Ein Schaden ist eine unfreiwillige Vermögenseinbuße. Die Vornahme der Wassernotversorgung mit Folge der Kostenentstehung stellt wohl keine unfreiwillige Vermögenseinbuße dar, sondern ist eine bewusste Handlung, die eine Kostenfolge auslöst. Offen ist allerdings, ob sich die Beteiligten im Zeitpunkt der Abgabe der Haftungserklärung am 09.04.2013 bzw. beim Telefonat am 08.04.2013 über eine Wassernotversorgung bewusst waren. Aus den Umständen ergibt sich aber insgesamt, dass schon zum Zeitpunkt der Haftungserklärung eine Notwasserversorgung im Raum stand. Denn schon am 08.04.2013 sollte eine Lösung bei Freilegung der Wasserleitung gefunden werden.

Sonst hätten die Beteiligten keine solche Haftungserklärung abgegeben. Gemeint dürften wohl beispielsweise nur solche Sachlagen gewesen sein, falls es zu einem Austritt von Wasser und / oder eines Stillstands der Wasserversorgung durch die

21 Ellenberger, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 74. Aufl., 2015, § 133 Rn. 9.

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Freilegung gekommen wäre. Im Ergebnis ist somit nicht von einer Kostenübernahme durch die Stadt S auszugehen.

3. Die Höhe der Kosten müsste rechtmäßig sein. Kosten i.S.d. § 8 Abs. 2 PolG sind die Mehrausgaben, die durch die unmittelbare Ausführung entstanden sind, also nicht die ohnehin entstehenden allgemeinen Personal- und Sachkosten der Verwaltung.

Mehrausgaben sind vor allem die Aufwendungen für den Einsatz von Dritten (z.B.

Kosten eines Abschleppunternehmers, Bergungsunternehmens oder Handwerkers) und besondere Sachkosten der Polizei im Falle der Selbstvornahme. Die Verpflichtung zum Kostenersatz umfasst alle Ausgaben, die anlässlich der unmittelbaren Ausführung notwendig und erforderlich waren.22 Maßgeblich sind die ortsüblichen Kosten, begrenzt durch das Wirtschaftlichkeitsgebot.23

a. Die Kosten für die Tätigkeiten des externen Unternehmens („Fremdleistungen“) i.H.v. 4.000 EUR dürften - gemessen an den vorgenannten Voraussetzungen - als Aufwendungen für den Einsatz von Dritten ohne Weiteres erstattungsfähig sein.

Anhaltspunkte überhöhter Preise liegen nicht vor.

b. Fraglich ist, ob die unter „Eigenleistungen“ aufgeführten Aufwendungen i.H.v. 4.000 EUR rechtmäßig sind. Denn ob die Polizei eigene Personal- und Sachkosten ansetzen darf, ist streitig.

aa. Es wird teilweise angenommen, dass nur der Mehraufwand, nicht die ohnehin entstehenden allgemeinen Personal- und Sachkosten der Verwaltung zu erstatten seien.24 Dienstbezüge oder Anschaffungskosten für ein Fahrzeug als unmittelbare Kosten, würden deshalb nicht dazu gehören.

22 Ruder/Schmitt, a.a.O., Rn. 912.

23 Ruder/Schmitt, a.a.O., Rn. 913.

24 BVerwG, Urteil vom 21.11.1980 - 4 C 71.78 - juris.

Exkurs: Wäre die Erklärung nicht vom Bürgermeister oder einem zuständigen Stellvertreter unterzeichnet worden, hätte sie eine nicht vertretungsberechtigte Person abgegeben (vgl.

§ 54 Abs. 1 Satz 2 und 2 GemO) somit wohl schwebend unwirksam (Folge der §§ 177 BGB). Aufgrund der weiten Folgen dürfte es sich wohl auch nicht um ein laufendes Geschäft im Sinne des § 44 Abs. 2 GemO handeln (§ 54 Abs. 3 GemO).

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bb. Es wird aber aufgrund des Gleichlaufs zum erreichbaren Störer im Fall einer Ersatzvornahme im Vollstreckungsrecht vertreten, dass auch solche unmittelbaren Ausgaben ersatzfähig sein sollen.25 Würde nur der Mehraufwand erfasst, so stünde der Störer im Fall des § 8 Abs. 2 PolG besser als im Gebühren-, Vollstreckungs- und Feuerwehrrecht. § 2 Abs. 6 LGebG und § 34 Abs. 5 FwG enthalten einen betriebswirtschaftlichen Kostenbegriff. Gemäß § 6 Abs. 2 LVwVgKO würden bei der Ersatzvornahme für jeden eingesetzten Beamten Gebühren erhoben.26

Im Übrigen gilt nach § 1 Satz 1 LGebG, dass das LGebG nicht gilt, soweit durch Rechtsvorschriften etwas anderes bestimmt ist. Eine solche besondere Regelung liegt hier aber nicht vor. § 8 Abs. 2 POG trifft keine abschließende Bestimmung über die Kostenerstattung bei unmittelbarer Ausführung einer Maßnahme durch die Polizei.

Bereits nach ihrem Wortlaut gilt die Vorschrift nur für die Kosten der unmittelbaren Ausführung an sich. Damit erfasst sie lediglich solche Kosten, die ohne die unmittelbare Ausführung der Maßnahme nicht angefallen wären und sich rechnerisch ohne weiteres von den allgemeinen Sach- und Personalkosten der Verwaltung deutlich abgrenzen, lassen. Um solche Kosten geht es hier aber - zumindest teilweise (bspw.

Kosten für Fahrzeuge, z.B. Kraftstoffverbrauch). Die Sach- und Personalkosten, die ohnehin anfallen (sog. Sowieso-Kosten) würden vom Anwendungsbereich des

§ 8 Abs. 2 POG eigentlich nicht erfasst. Durch die Geltendmachung aller Kosten wird die Stadt S aber zugleich dem Gedanken einer Gleichbehandlung gerecht. Es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, dass eine Pflicht der verantwortlichen Person zur Kostenerstattung nur dann besteht, wenn die Polizei sich eines Dritten zur unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme bedient, während eine solche bei einem Tätigwerden der Polizei mit eigenem Personal und eigenen Sachmitteln ausgeschlossen wäre.27

cc. Der letztgenannten Auffassung ist aufgrund des Gleichlaufs zwischen Vollstreckungsrecht und unmittelbarer Ausführung zu folgen, sodass sich die Arbeitskosten des Gemeindepersonals und die Sachkosten ersetzen lassen. Somit sind die gesamten Kosten für die „Eigenleistungen“ erstattungsfähig.

25Deger, in: Stephan/Deger, a.a.O., § 8 Rn. 29; Ruder/Schmitt, a.a.O., Rn. 912; Sander, in:

Belz/Mussmann/Kahlert/Sander, a.a.O., § 8 Rn. 17.

26 Deger, in: Stephan/Deger, a.a.O., § 8 Rn. 29.

27 OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.08.2005 - 12 A 10619/05 - juris Rn. 18.

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C. Ergebnis: Nach hier vertretener Auffassung hat die Klage keine Aussicht auf Erfolg, weil der Kostenbescheid rechtmäßig ist und die Kläger dadurch nicht in ihren Rechten verletzt sind.

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