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24 Grad nördlicher Breite - EFA-Schriften

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Academic year: 2023

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,,24 Grad nördlicher Breite"

Der Bau der Giftgasfabrik in Rabita wird zur Afflre des ehemaligen Staatskonzems Salzgitter AG Einer der mächtigsten Männer der westdeutschen Indu- slv dabei mitgewirkt haben, das Ausmaß und die Hln- sme kommt ins Visier der Stoatsonwälte: Ernst Pieper, tergründe der Beteiligung seines Konzerns beim Bau Chef der ehemals staatJlchen Salzgitter AG. Er soll rnos- der GIftgasfabrik Im libyschen Rabita zu vertuschen.

D

er Prozeß vor dem Mannheimer Landgericht gegen den Chemie- Unternehmer Jürgen Hippenstiel- Imhausen, 49, verlief kühl und sachlich.

Nur ganz am Schluß, am Mittwoch letzter Woche, wurde einer wütend.

••Hier wurde verhandelt", erregte sich der Staatsanwalt Hans-Heiko Klein. SO,

••als ob es um eine Wurstfabrik ohne Ge- nehmigung ging."

Allzu glatt war dem Juristen der Straf- prozeß um das spektakulärste Wirt- schaftsverbrechen der Nachkriegszeit ge- gangen: In nur elf Tagen bewältigte das Gericht das Verfahren um den Bau der Giftgasfabrik im libyschen Rabita, der Ende 1988weltweit die westdeutsche Au- ßenpolitik in Verruf gebracht hatte.

Mit filnf Jahren Haft wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz und Steuerhinterziehung kam der Rabita-Lie- ferant Hippenstiel-Imbausen davon.

Den Gewinn. den der Mann aus dem ba- dischen Lahrmitdermörderischen liefe- rung an den libyschen Revolutionsfnhrer Muammar el-Gaddafi macbte, darf er so- gar behalten: 60,1 Millionen Mark.

Was die Ermittler mittlerweile für neue Anklagen zusammengetragen haben, läßt erst richtig deutlich werden, daß der kriminelle Giftgas-Deal mit dem kriegeri- schen Gaddafi eine Staatsafllre ist.Denn mitgeplant und mitkassiert bat ein Unter- nehmen, das damals unter der Kontrolle der Bundesregierung stand: der Salzgit- ter-Konzern.

Nicht mehr der kleine Unternehmer aus dem Badischen. sondern einer der mächtigsten Männer der deutschen Wut- schaft ist es nun, der ins VISierder Rabita- Recherchen geraten ist: der umstrittene Salzgitter-Konzernebef Ernst Pieper, 61.

Der Mann fllIt vor allem deshalb auf, weil er mit vielerlei Mitteln versucht,sieb die Staatsanwälte vom Leibe zu halten.

Die Staatsanwälte sind bisher bis zu ei- nem Tochterunternehmen des mittler- weile privatisierten Staatskonzerns, der

••Salzgitter Industriebau GmbH" (SIG), vorgestoßen. DieSIG hatte die Konstruk- tionspläne für ••Pharma ISO" gezeichnet, die Giftgasfabrik, die rein als ••Chemiean- lage" bezeichnet wurde.

SIG-Geschilftsführer Andreas Böhm, ein enger Freund von HippenstieJ, habe, so gestand der Angeklagte in Mannheim,

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DER SPIEGEl 27/1990

seit 1984 die wahren Zusammenhänge gekannt: Zum Schein sei eine Vorzeige- Anlage in Hongkong gebaut, die richtige aber in den Wilstensand gesetzt worden.

Mit der Beichte droht die Strategie des Konzernchefs Pieper zu scheitern. Der hatte stets versucht, sein Unternehmen mit der Behauptung herauszuhalten.

niemand in Salzgitter habe gewußt, daß die Pläne in Wahrheit für die libysche Produktion von Lost, Sarin und Soman bestimmt waren.

Nach einer eilends zusammengerufe- nen Krisensitzung wurde Böhm ••ange- sichts der gegenüber ihm erhobenen Be- schuldigungen" am 16. Juni vom Auf- sichtsrat der S.IG in einen Urlaub entlas- sen, der bis zur ••Klärung des Sachver- baltes" andauern soll. Ein Mitarbeiter:

••Das riecht nach Bauemopfer."

Gleichwohl blieb Pieper stur bei sei- ner Behauptung, Hippenstiel habe Salz- gitter über den wahren Standort übyen getäuscht. ••Weder Herr Böbm noch SIG", so der Konzernchef, "hatten da- von vorher Kenntnis."

Daran mögen die Fahnder von ZOU und Polizei nun nicht mehr glauben. Ge- gen SIG-Cbef Böhm und zwei seiner Mitarbeiter laufen schon Ermittlungs-

verfahren. Und immer mehr Details sind es, die Zweifel an der Ahnungslosigkeit des Managements nähren,

Bei Vernehmungen von Salzgitter- Mitarbeitern kam heraus, daß schon im Sommer 1985, der Imhausen-Auftrag war gerade erteilt, bei SIG Informatio- nen aufgetaucht waren, wonach in Wahr- heit an einer GiftgasanJage für Libyen gearbeitet werde.

Der damalige Salzgitter-Filialleiter in Moskau, Peter Busse. berichtete den Er- mittlungsbeamten von einem Gespräch mit dem SIG-Prokuristen Georg Sobotta in der sowjetischen Hauptstadt. Sobotta habe damals ••eindeutig", so Busse bei seiner Vernehmung durch das Bundes- kriminalamt (BKA), von einer "AnJage zur Produktion von Giftgas" gespro- chen.

Technikern in Salzgitter sei nicht ge- heuer, habe Sobotta damals gesagt, daß für eine angeblich harmlose Pharmafa- brik außergewöhnliche Vorrichtungen und Materialien verwendet werden soll- ten. Zum Beispiel waren Glasrohre an- stelle der üblichen Stahlrohre vorgese- hen.

Sobotta bestreitet heute, voll auf der Linie seines Chefs Pieper, jedes Wort.

-L

Imhausen-Tarnfabrlk in Hongkong, Hippenstfel-Geschättspartner Pieper: MItgeplant

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Die EnnittIer glauben gleichwohl an die Moskauer Erzählungen.

Es wäre ja auch ein Wunder, wenn den Salzgitter-Technikern damals nicht aufgefallen wäre, woran sie wirklich ar- beiteten. Das BKA fand mittlerweile durch eigene Gutachten heraus, daß

'Fachleute die Besonderheiten merken

mußten.

Spezielle Sicherheitsschleusen, Ent- giftungsanlagen und ein besonders wi- derstandsfähiger Stahlkessel : All das sind typische Vorkehrungen zur Pro- duktion hochgiftiger Stoffe.

Das Projekt galt bei den SIG-P1anern in Salzgitter-Drütte, soviel steht fest,als

••top secret". Artikel 7 des Vertrages, den Rabita-Lieferant Hippenstiel-Im- hausen mit dem Salzgitter-Partner ge- schlossen hatte, verpflichtete alle Mitar- beiter ..zur Geheimhaltung" für einen Zeitraum von 15 Jahren.

Daß es etwas zu verbergen gab, war offensichtlich. Bezeichnungen für Che- mikalien waren auf den Konstruktions- zeichnungen verschlüsselt, Planungsun- terlagen von Imhausen kamen mit überklebten und abgeschnittenen Zeichnungsköpfen an.

Der Salzgitter-Bautechniker Herbert Lehmann, 60, der ab September 1985 am Projekt "Phanna - 150" arbeitete, wunderte sich: .,Jeden Abend mußte ich meine Unterlagen abgeben, die dann eingeschlossen wurden." Auch die Schlösser des "Wald hauses", der SIG-Zentrale, seien "extra ausgewech- selt" worden.-

Szenen aus einem Wirtschafts-Krimi.

So ahnungslos, wie sich die Salzgitter- Manager heute geben, können sie da- mals nicht gewesen sein.

Ein SIG-Ingenieur berichtete dem SPIEGEL, trotz aller Geheimhaltungs-

- und mlTRasslett

Rabita-Lleferant HIppenstiel Beichte abgelegt

versuche sei unter den rund 40 Techni- kern und Zeichnern, die gutzwei Jahre lang an Blaupausen von Rohrleitungen, Stahlbaukonstruktionen, Schal- und Be- wehrungsplänen und an Bestellisten für Material gearbeitet haben, bald ganzof- fen von der "Anlage für die Libyer" ge- sprochen worden: ••Das sickerte so durch."

Solche Aussagen werden durch eine

"interne Stellungnahme" des Salzgitter- Managers Dieter Otte bestätigt. Unter dem Datum des 6. Februar 1989 berich- tete Otte seinem Konzernchef Pieper von "Gerüchten", die bereits "im De- zember 1986" durch die Firma gelaufen seien.

In einem privaten Telefonat mit sei- nem Kollegen Wilhelm Görtz während der Weihnachtstage 1986, so erinnert sich Otte, habe er schon "Hinweise auf einen möglichen Libyen-Bezug" bekom- men. Mitarbeiter der Imhausen-Chemie sollen, so die Information, "in Verbin- dung mit Pharma 150" im Land des Obersten Gaddafi gewesen sein. Außer- dem habe ein belgisches Transportunter- nehmen eine Schaltanlage, ein Millio- nenobjekt, abgeholt, um es - seltsam - nach Libyen verschiffen zu lassen, nicht etwa nach Hongkong.

Die Entdeckungen sorgten damals für- Unruhe. Und Otte bezeugt, was sein Chef Pieper stets bestritten hat: Die gan- ze Angelegenheit sei dann wenig später, Anfang Januar 1987,••im Kreise der ge- samten Geschäftsführung erörtert" wor- den.

Ausgerechnet SIG-Chef Böhm, der langjährige Duzfreund Hippenstiel-Im-

hausens, habe es als "zuständiger Geschäftsführer" übernommen,

"eine Klärung mit der Geschäftslei- tung" im badischen Lahr "herbeizu- führen".

Geklärt wurde natürlich gar nichts: Die Gerüchte entbehrten je- der Grundlage, ließ Hippenstiel-Im- hausen seinen Freund Böhm offi- ziell wissen. Im übrigen sei, um Zweifel auszuräumen, die Baustelle in Hongkong jederzeit zu besichti- gen.

Tatsächlich reiste Böhm im März 1987 in die britische Kronkolonie, um anschließend der Geschäftsfüh- rung zu berichten, es sei "dort ein Bauplatz vorhanden" und die Part- ner-Firma "Pen Tsao" existiere wahrhaftig. Ein Verwirrspiel offen- bar. Denn nach Aussagen von Hip- penstiel-Imhausen vor Gericht wuß- te Böhm natürlich, daß - zu Tarn- zwecken - in Hongkong eine Phar- mafabrik gebaut wurde.

Selbst wenn Böhm nicht einge- weiht gewesen wäre, hätte er beim Ortstermin feststellen müssen, daß die SIG-Pläne nicht für Hongkong gezeichnet worden sein können:

Die"Anlage ist um zwei Drittel kleiner als die in Rabita.

Daß Sobotta und Böhm tatsächlich frühzeitig informiert waren, schließen die ErmittIer auch aus einem Treffen Hippenstiel-Imhausens mit den bei den SIG-Managern am 29. November 1984 in Moskau, Damals haben sie, so die Vennutung, das Wüsten-Projekt schon besprochen.

Auf einem von Hippenstiel unter- zeichneten Spesenbeleg über -170,40 Mark gibt der Imhausen-Chef zwar als Anlaß der Bewirtung "Met~anolum- wandlung, Vorbesprechung für Treffen mit Vtzeminister Osipenko" an. Doch acht Tagespäter wurde in Labr der Ver- trag zwischen Imhausen-Chemie und SIG unterschrieben. Kaum anzuneh- men, daß in Moskau "Pharma 150" kein Thema war.

Wie ahnungslos alle"inSalzgitter lange Jahre über den wahren Standort der Chemiefabrik gewesen seien, versuchte Pieper im Februar vergangenen Jahres noch in einem SPIEGEL-lnterview (SPIEGEL 6/1989) zu verdeutlichen:

"Uns war beispielsweise mitgeteilt wor- den, daß im gesamten Anlagenbereich keine Belastung durch Staub oder Sand gegeben sei. Das scheint mir nicht gera- de ein Hinweis auf die libysche Wüste zu sein.••

Kurz vor dem Interview erst hatte die Salzgitter-interne Konzernrevision tage- lang die SIG-Akten gefilzt. Da hätte sie eigentlich einen Brief von der ••Imhau- sen-Chemie" an SIG finden müssen, der Pieper Lügen straft. Das Schreiben ent- hält detaillierte Angaben, die am Stand-

DERSPiEGEl 27/1990

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ort in der libyschen Wüstewenig Zweifel lassen konnten:

24 Grad nördlicher BreIte. RelativeLuft- feuchtigkeit 60 Prozent. Temperatur Im Winter 10, im Sommer 35 Grad. Höhe der Anlage: 350 Meter über dem Meeresspie- gel. Der Großteil der Arbeiter ist mosiernt- sehen Glaubens.

Ermittlungsbeamte vermuten, daß das Dokument bei der Innenrevision nur versehentlich nicht aus dem Ordner ge- nommen wurde - wie möglicherweise viele andere. AuffiUlig dürftig jedenfalls war die Ausbeute der amdichenDurch- suchurig wenig später. Auch Handnoti- zen von Pieper von Gesprächen mit SIG-Managern über die Libyen-Connec- tion, die im Privathaus des Konzernma- nagers vermutet wurden. tauchten bei ei- ner Hausdurchsuchung im April 1989 nicht auf.

Konzernchef Pieper scheute keinen Aufwand, sich um Verdachtsmomente persönlich zu kümmern. Einen Zeugen beispielsweise, der in"seiner Aussage vor Ennittlungsbeamten die SIG belastet hatte, traktierte er mit Telefonanrufen.

Mit dem SIG-Prokuristen Sobotta traf sich der Industrie-Boß im Januar 1989 am Flughafen in Hannover. um ihn zu den jüngsten Presseberichten zu befra- gen. Darin war auch von einer mögli- eben Beteiligung der SIG an dem Li- byen-Geschäft die Rede.

Der Manager, bekannt als ••machtbe- wußter Boxer" (Welt). versucht so mit schwindendem Erfolg, das weltweit be- kannte Stahlunternehmen nicht nur vor dem Staatsanwalt. sondern auch vor dem endgültigen Ruin seines Rufes zu bewahren.

Der gerichtsfeste Beweis, das .,Ausch- witz im Wüstensand" (77Ie New York Ti- mes) geplant zu haben, wäre der Höhe- punkt all jener Affären. die den Konzern schon wiederholt ins Gerede gebracht haben:

I>Erst vorletztes Jahr kam heraus, daß das Unternehmen 40 Millionen Mark Schmiergeld gezahlt hatte, um in Li- byen eine PVC-Fabrik bauen zu kön- nen (SPIEGEL 50/1988).

I>Jahrelang fertigte ein SaJzgitter-Toch- terunternehmen Umweltgutachten für Salzgitter-Fabriken an, darunter auch für VCJbrennungsanlagen, bis es des- wegen die Lizenz verlor.

I>Vom Sa1zgitter-Tochteruntemehmen HDW in Kiel gingen - unerlaubt - Konstruktionspläne für U-Boote ins rassistische Südafrika.

Auch bei der U-Boot-Affäre fiel Sozi- aldemokrat Pieper, im Konzern zustän- dig für Schiflbau, mit Versuchen auf,die Aufklärung zu behindern. Darüber in- formierte schon im April 1988 brieflich der Betriebsratsvorsitzende der HDW.

Herbert Baresel, den SPD-Chef Hans- Jochen Vogel.

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Der Aufsichtsratsvorsitzende .,Herr Dipl.-Kfm. Ernst Pieper", so schrieb der HDW-Mann. habe vom Betriebsrat ver- langt.auf die Arbeit des Bonner U-Boot- Untersuchungsausschusses "einzuwir- ken". Grund: Durch den hartnäckigen AufkJärungsbedarf des SPD-Obmannes im Ausschuß. Norbert GanseJ, seien HDW-Arbeitsplätze gefährdet,

Der Boxer Pieper. fürchten die Er- mittler, werde es ihnen in der Libyen-Af- färe seines Konzerns auch nicht leichter machen. SIG-Eingeweihte erwarten vom Chef nichts anderes: .,Der gibt immer nur das zu,was sowieso schon in der Zei- tung stand."

Gelegentlich nicht einmal das.

Referências

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I - aprovar o plano anual de atividades escolares da Faculdade; II - aprovar o Calendário Escolar; III - normatizar, anualmente, a realização do processo seletivo; IV - apreciar o