DIE
SIEDLUNGSLANDSCHAFT
ZWISCHEN ANKARA
UND DEM
TUS
GÖLÜ
Hartmut
Scholz
Mit 6 Bildern
Die
Naturlandschaft.
Im Herzen des türkischen Hochlandes von Anatolien ruht in einembreiten, äußerlich jedoch nicht deutlich sichtbaren Binnenbecken der Tus Gölü. Im Gegensatz
zum weiter ostwärts gelegenem Van-Gölü, der als größter türkischer Süßwassersee das Zen¬
trum des zweiten Binnenbeckens einnimmt, ist der nahezu 80 km lange Tus Gölü mit 339 %o,
der salzhaltigste See der Erde. Gleich einem glitzernden Spiegel hebt er sich aus der Ferne
ab, wobei die Ufer in der Luft zu schweben scheinen. Dabei gibt der Tus Gölü verschiedene
Ausdrucksformen wider. Wo der See sich allmählich zurückgezogen hat, was insbesondere für die nordwestliche Region
zutrifft,
zeigt eine ausgesprochene Salzwüste den Übergang vomüberkrusteten See zur Salzsteppe, die sich wiederum in respektabler Entfernung vom eigent¬
lichen Ufer hält und mit ihrem schütteren Bewuchs lediglich den spärlichen Schafherden wie
den frei herumlaufenden Eseln und Muli kümmerliche Nahrung bietet. Hier
wirkt
die Naturleblos, bis auf wenigen
Luftwirbel,
die der Steppenwind über die flachen Horizonte treibt,bis auf die staubig trockenen Schleier, welche den Straßenverkehr längs der schmalen Fahr¬
bahn von Ankara nach Konya behindern.
Siedlungselemente.
So ist es ganzverständlich,
daß sich dieSiedlungen
um denTus
Gölü
nur
imgruppenhaften
Beieinander finden.
In einemUmkreis
vonrund
100 km des
Tus
Gölü,
dessenOberfläche
sichmit
demSteppenstaub
verschwistert
hat,
treten
dieEinzelsiedlungen
vollends
zurück.
Nur
kleineHirtenhäuschen,
not¬
dürftig
an diebaumlosen Hänge geklebt,
dienen den saisonalenAnsprüchen
derWan¬
derwirtschaft.
Lediglich
imNorden
des Gebietes um den Salzsee, nahegrößerer
An-siedlungen, hält
sich dasarmenische
Bauernhaus.
Das
armenische Bauernhaus.
SeineKennzeichen
sind derquadratische, zweige¬
schossige
Baukörper
ohneirgend
einenAnbau,
wobei dasErdgeschoß
alsfensterloser
Sockel steil aus dem Boden schießt und den
Eindruck
von etwasFestungsarti¬
gem
vermittelt.
Meistens
ist dieseArt
derGehöfte
sehr alt.Man
kann zudemsehr
häufig
beobachten, daßTür
undFenster
erstnachträglich
eingefügt
wor¬
den sind. Das
Hausvieh
wird
imErd¬
geschoßuntergebracht,
während
dasObergeschoß
-
durch
einflachgeneigtes,
schindelbedecktes Dach
abgeschlossen-der
Wohnung
vorbehalten
bleibt. Der
Zugang
zur
Wohnung
istoftmals
nur
über eine schmaleLeiter
möglich. Die
Wohnung
selbst setzt sichzumeist
auszwei
großen oder vierkleineren
Räu¬men
zusammen.
Teile
desObergeschos¬
ses
läßt
man gernüberkragen,
so daßder Sockel noch
stärker herausgebildet
wird
und sich auchfarblich
von demObergeschoß
abhebt. Dasarmenische
Abb. 1 Der Tus Gölü. So bietet sich der
nördliche Tus Gölü dem Betrachter.
Auf
derpolygonal aufgeteilten Salzkruste kann man
bequem das andere Ufer erreichen, das von
jeglicher Vegetation entblößt ist.
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Abb. 2 Armenisches
Bauernhaus als Relikt
10 km südostuärts des
Stadtrandes von Ankara mit dem typischen Über¬
kragen des Obergeschos¬
ses. Eine hausnahe Ge¬
röllmauer trennt den
spärlichen Gemüsebau
des Gartens von der
umliegenden
VVeinkul-tur mit teils künstlicher
Bewässerung.
Bauerhaus
hat sich alsFunktion
dielandwirtschaftliche Tätigkeit
bewahrt.
InStadt¬
nähe und
günstigen
Hanganlagen
sind dieBesitzer
in denletzten
Jahrzehnten
zuWeinbauern
geworden.
Das
anatolische Bauernhaus. Im Gegensatz
zumarmenischen
Bauernhaus
ist dasGegenstück
desanatolischen Bauernhauses
kaumalleinstehend
zufinden.
Zwischen
demTus Gölü
und derLandeshauptstadt Ankara, gruppieren
sich dieanatolischen
Bauernhäuser
in 20 kmAbständen
zukleinen
Dörfern
undWeilern
längs dergewich¬
tigen
Überlandstraße.
Sie ist eine derbedeutendsten anatolischen
Verkehrsverbindungen
und
ständig
imAusbau begriffen.
Teils asphaltiert,
teilsnur mit
einer festenSchotter¬
decke versehen,
folgt
sie der altenLinienführung
desKarawanenweges,
der noch imvorigen
Jahrhundert
die altenHandelsorte
Konya
undAnkara,
dasfrühere
Angora,
verband.
Das
anatolische
Bauernhaus weist
einegeringere Höhe
als dasarmenische
Bauern¬
haus auf.
Auch
hier sindStall
undWohnung
in einemallerdings
mehr rechteckigen
Baukörper
untergebracht. Zumeist
besteht derHauptbaukörper
auszwei
Teilen,
diegegenseitig
versetzt
sind.Erstaunlich
ist dabeiimmer
wieder
dieMaßarbeit
undSj'm--*.
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Abb. 3 Anatolisches
Bauernhaus 30 km west¬
lich des Tus Gölü als
Charakteristikum der Hochsteppe. Bestechend die Sauberkeit und Sym¬
metrie der Hausanord¬
nung.
Photographischc Aufnahmen:
Abb. 4 Hochlanddorf
Bata in der vegetations¬
losen Landschaft zwi¬
schen dem Tus Gölü
im Osten und dem Sü߬
wassersee Gölbaschi im
Westen. Die erdge¬
schossigen Lehmhäuser
mit davorliegenden
Dungballen ruhen auf der windabgekehrten
Seite des Hügels.
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metrie
desBauwerkes,
welches von denBauherren
selbst inmühevoller
Kleinarbeit
errichtet
wird.
Schmucke
Veranden
oderüberdachte
Vorräume
-
von einemHolz¬
pfeiler getragen
-
und ebenso sauber angelegteAnbauten,
künden
von einergeschmack¬
vollen
Baukultur
desländlichen
Siedlungswesens,
diemit
denFachwerk-
undErker¬
bauten der alten
Stadtkerne
konkurrieren
können.
Von
den ausLuft
getrocknetem Lehm
errichteten
anderen,überwiegend
erdge¬schossigen
Häusern,
die sich imgelb-oliven Äußeren
über dieHügel
ziehen, sind dieanatolischen Gehöfte durchweg
ziemlich
streng
getrennt. Manchmal
bildet
die Straßeeine
Grenze.
Manchmal
auch dieBachrinnsale,
an denenverschiedentlich
Zelte
zusehen sind, die erst
weiter
ostwärts,
wo dieKurden
dengrößeren
Bevölkerungsanteil
abgeben,
bedeutend zunehmen.
Auf
der einen Seite der Straße liegen dieanatolischen
Gehöfte
mit
ihren großenVorhöfen
undAbsteilflächen
und auf deranderen
Seiteruhen
ingedrängter
Folge
dienotdürftigen
Lehmbauten,
vor denen großegetrock¬
nete
Dunghaufen
aufgestapelt
sind, um in ersterLinie
alsBrennvorrat
für
denHoch¬
landwinter
zu dienen.Abb. 5 Kurdische Berg¬
siedlung nordwestlich
des Tus Gölü. Die Bau¬
ten bestehen aus breiten
Lehmquadern, die den
Wanderhirten im Win¬
ter als Unterkunft die¬ nen.
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Abb. 6 -
Champignon-Häuser» haben den
Stadtrand von Ankara
besetzt und 120 000 Ein¬
wohner aufgenommen.
Es sind bunte Gebilde,
die auf Abbruch war¬
ten. In ihnen wohnen
die vom Lande Geflo¬
henen, um in der Stadt
zu arbeiten.
Die
Vorstadtsiedlung.
Die
seltsamstenSiedlungen Kleinasiens
sindzweifellos
die¬jenigen
amStadtrand
vonAnkara.
Seitens dertürkischen Ortsplanung
werden
sietref¬
fend als
«Champignons»
bezeichnet, gewissermaßen «über
Nacht
gelandete
Hütten».
Inbuntem
Auf
undAb,
vomRosenholz
zumViolett,
vomUltramarin
zum Seegrün,sind die schon fast
nicht mehr
fortzudenkenden
Häuser bemalt. Ihre
Entstehung
istwie
folgt:
Als
Ankara
1923 vonKemal
Atatürk
zur
Hauptstadt
erkoren wurde,
wuchs in der Steppe dasStadtwunder Anatoliens
heran.Nicht
zuletzt
diegottähnliche
Verehrung
Atatürks,
dessenMausoleum
auf demAnit
Kebir
dieStadt
überstrahlt
und derenstädtebauliche
Dominante
bildet,
zog inunaufhörlicher
Folge
denLandmen¬
schen aus der
dürstenden
Steppe in dievielversprechende Stadt.
1923 noch 35 000Ein¬
wohner
zählend,
die sich auf diewunderschöne
Altstadt
amHang
deralten
Festekonzentrierten,
stieg dieBevölkerung
bis zumSommer
1955 auf über 400 000 Seelenan.
Man
kann sich diesenüberquollenen
Topf
erstrichtig vorstellen,
wenn
man be¬denkt,
daß dieStadt
imJahre
1928vorausschauend
auf 150 000Einwohner
geplant
wurde. Bereits
Mitte
derdreißiger Jahre waren
dieseVorhaben erschöpft.
Sohängten
sich an den
mustergültigen Kern
derNeustadt,
der vomprächtigen
Atatürk-Boulevard
durchzogen
wird,
über alleHügel
des Südostens diese«Champignons».
Es sindElendsquartiere
imwahrsten
Sinne desWortes.
Ein ungeschriebenes
Gesetz besagte, daßjeder
bauenkonnte, wenn zwischen
Sonnenuntergang
undSonnenaufgang,
alsoüber
Nacht,
einDach
aufvier
Wänden
gelegt werde, gleich, ob derGrund
und Bo¬ den dem Staat oder derStadt gehörte.
Soentstand
dieseVorstadtsiedlung
mit ihrem
Gewirr
vonWegen,
für
die dieVersorgungseinrichtungen
dasgrößte
Problem
dersonst
aufgeschlossenen Stadt darstellen. Nun
sollen dieseMißbildungen
einer noch¬maligen
weiträumigen Überbauung
weichen, für
die imFrühjahr
1955 dieplanerische
Voraussetzung
geschaffenwurde.
Künstliche
Bewässerung
und einesystematische
Baumanpflanzung
stehen dabei Pate und haben bereits schon einenansprechenden
Grüngürtel
um die Stadt gelegt und dasKleinod
der Steppegefestigt.
Siedlungsstruktur.
Esdürfte
nach Lage derDinge
kaummöglich
sein,zwischen
Ankara
und demTus Gölü
nachRegionen
zu suchen, die von ganzbestimmten
Siedlungselementen bestimmt werden.
Wie
dasGemisch
derBevölkerung
aus denStrömungen
dervergangenen
Jahrhunderte schwierig
zuanalysieren
ist, so steht esauch
mit
derSiedlung.
Kurdenzelte,
armenische
undanatolische Gehöfte
geben sich einStelldichein
in einembreiten Grenzsaum,
derlediglich
denGegensatz
vonHoch-land
Weiler
undDörfer
an derTagesordnung
sind, über vieleKilometer
aufSicht¬
weite
an alteVerkehrswege
geheftet
und vomspärlichen Bewuchs
der Steppe lebend,auf denen die
Schaf-
undZiegenherden
ihreWege
ziehen.Mit
demAusbau
derStra¬
ßen wachsen auch
moderne
Stützpunkte
heran,Tankstellen
undKaufläden, womit
zugleich
dieeinseitig ausgerichtete
landwirtschaftliche Tätigkeit
derBevölkerung
eineÄnderung erfährt.
L'HABITAT
ENTRE
ANKARA
ET TUS GÖLÜEntre
Ankara
et Tus Gölü s'etend une region aride qui presente une forme d'habitationqui lui est propre. A cöte des huttes de bergers
primitives,
predominent les fermesarme-niennes et anatoliennes, qui determinent l'aspect de la region. De plus, ä la suite du rapide
developpement de la capitale Ankara, il s'est forme un curieux paysage suburbain compose
de maisons sorties de terre comme des Champignons. Ces quartiers miserables forment un
contraste
frappant
avec l'aspect citadin moderne de la metropole; cependant, ils reculent dejäpar
l'application
de mesures hygieniques. En resume, le paysage est ici, comme souvent ailleurs en Anatolie, l'expression de la diversite des peuples qui caracterise tout POrient.LA
GEOGRAPHIE
A
LA
135«
SESSION
ANNUELLE
DE
LA
SOCIETE
HELVETIQUE
DES
SCIENCES
NATURELLES
1955
Jean
Liniger
La F.
S.S.G.
peut serejouir
desjournees
dePorrentruy
ä.l'occasion
de la 1351"8Session
annuelle
de la Societehelvetique
des sciencesnaturelles,
les 24, 25 et 26sep-tembre 1955. La
geographie
a ete äl'honneur
avec la Conference presentee samedi soir24 septembre par
M.
leprofesseur
Arnold
Heim
surl'Expedition
suisse de 1954-1955 enAfrique
centrale.
La seancescientifique
de la F.S.S.G.
qui s'estderoulee
di-manche 25 septembre de 8 h. ä 12 h. ä
l'Ecole
cantonale
a etecaracterisee
par laquantite
et laqualite remarquables
des exposes ainsi que par lanombreuse
affluencedu
public.
La
participation
scientifique de la Suisse frangaise a eteparticulierement
importante. Elleest tout ä l'honneur de la Societe genevoise de geographie qui n'a pas envoye moins de quatre
Conferenciers avec cinq exposes. La
participation
suisse-allemande a ete egalement fort interes¬sante avec quatre exposes. Les Conferences ont porte sur des questions de brülante actualite
comme le probleme de la commune, du tunnel du
Mont-Blanc
et de la Situation de la Suissedans l'ere atomique, sur des problemes de culture comme celui des minorites ou celui des
rap-ports entre la topographie, l'ethnologie et l'histoire, sur des questions techniques comme l'atlas diacolor et la topographie de
l'Himalaya,
sur Petat present de la science geographique enAl-lemagne, enfin sur la region de PAjoie. La plupart des exposes ont suscite des discussions qui
ont temoigne de Pinteret des Sujets traites ainsi que de la valeur de leur presentation.
Samedi 2+ septembre s'est tenue de 17 h. ä 18 h. 15 une assemblee des delegues de la
F. S. S. G. L'assemblee a pris connaissance avec regret de la demission de M. le professeur
Jean Gabus pour cause de maladie. La gratitude de la Föderation lui est acquise pour sa trop
courte presidence et des vceux chaleureux sont formes pour sa prompte guerison. M. le Dr
Jean Liniger, vice-president en Charge, est appele ä le remplacer. La section de Neuchätel
de-signera un troisieme membre pour completer le comite central. L'assemblee a designe ä
Puna-nimite M. le Dr Annaheim, ancien President central, pour representer la Suisse au congres de
Rio de Janeiro. Cette candidature sera proposee au Conseil federal par le canal de la presi¬
dence de la Societe helvetique des sciences naturelles. Une adresse sera envoyee ä la Societe
nationale de geographie des Etats-Unis ä l'occasion de la remise d'une medaille ä son Presi¬
dent, le Dr La Gorce, pour ses 5o ans d'activite au Service de la geographie. Des suggestions
ont encore ete faites pour le developpement de Pactivite scientifique par Pinstitution d'une
journee consacree ä un theme commun ainsi que pour une meilleure Information sur Pactivite
des diverses societes de geographie suisses et etrangeres ä tous les membres de chacune des
societes membres de la F. S. S. G.
Les excursions, excellemment dirigees par M. Erzinger et