• Nenhum resultado encontrado

Sterilität und Sterilitätstherapie bei Migrantinnen - eine Standortbestimmung

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2017

Share "Sterilität und Sterilitätstherapie bei Migrantinnen - eine Standortbestimmung"

Copied!
8
0
0

Texto

(1)

6. Jahrgang 2009 // Nummer 2 // ISSN 1810-2107

Journal für

Reproduktionsmedizin

und Endokrinologie

No.2

2009

– Journal of Reproductive Medicine and Endocrinology

www.kup.at/repromedizin

Online-Datenbank mit Autoren- und Stichwortsuche

Krause & Pachernegg GmbH, Verlag für Medizin und Wirtschaft, A-3003 Gablitz

Offizielles Organ: AGRBM, BRZ, DIR, DVR, DGA, DGGEF, DGRM, EFA, OEGRM, SRBM/DGE

Indexed in EMBASE/Excerpta Medica

Andrologie

Embryologie & Biologie

Endokrinologie

Ethik & Recht

Genetik

Gynäkologie

Kontrazeption

Psychosomatik

Reproduktionsmedizin

Urologie

Member of the

Sterilität und Sterilitätstherapie bei Migrantinnen

-eine Standortbestimmung

David M, Kentenich H, Borde T

(2)

Finden Sie in der Rubrik

„Tipps und Tricks im Gyn-Ultraschall“

aktuelle

Fallbeispiele von Univ.Prof. Dr. Christoph Brezinka, Innsbruck.

Journal für Urologie und

Urogynäkologie

Journal für

Reproduktions-medizin und Endokrinologie

Speculum

P

P

P

Journal für Gynäkologische

Endokrinologie

(3)

58 J Reproduktionsmed Endokrinol 2009; 6 (2)

Sterilität und Sterilitätstherapie bei Migrantinnen

Sterilität und Sterilitätstherapie bei Migrantinnen –

eine Standortbestimmung

M. David1, H. Kentenich2, T. Borde3

In Deutschland als Einwanderungsland gehört die Betreuung und Behandlung von Migrantinnen in reproduktionsmedizinischen Zentren und Praxen schon seit Längerem zum Arbeitsalltag. Kommunikationsprobleme oder kulturelle Differenzen können einer optimalen Versorgung von Migrantinnen im Wege stehen. Ziel der Literaturübersicht war es, geschlechts- und migrationsbezogene Parameter sowie soziokulturelle Faktoren zu identifizieren, die Einfluss auf Sterilität und Sterilitätstherapie haben könnten. Im Zeitraum 1997–2007 wurde eine selektive Recherche in den Datenbanken PubMed, Medline und PsyMed durchgeführt. 14 relevante Arbeiten wurden gefunden, sie werden in 7 Themenblöcken zusammengefasst dargestellt und diskutiert. In der Sterilitätsberatung und -therapie wie auch in der reproduktionsmedizinischen Forschung sollten kultursensitive Ansätze eine größere Rolle spielen, um den sozialen und kulturellen Besonderheiten im Umgang mit Sterilität bei betroffenen Migrantinnen bzw. Paaren mit Migrationshintergrund gerecht zu werden.

Schlüsselwörter: Sterilität, Migration, Islam, Information, Kultur

Sterility and Sterility Treatment in Migrants – An Assessment of the Current Situation. In fertility treatment centres and medical practices in

Germany the care for and treatment of migrants has become an every-day task. But due to communication problems or cultural differences there still are several barriers to optimal care. The objective of this literature review was to identify parameters related to gender and ethnicity as well as socio-cultural factors that may influence sterility and sterility therapy. A selective literature research for the period 1997–2007 including the databases PubMed, Medline and PsyMed yielded 14 relevant publications, the results will be summarized in 7 thematic units. In sterility treatment, infertility counselling and in research concerning reproductive medicine, culture-sensitive approaches need to be applied, to understand social and cultural differences and to adequately meet the needs of infertile patients with migration background. J Reproduktionsmed Endokrinol 2009; 6 (2): 58–62.

Key words: sterility, migration, muslim, information, culture

Eingegangen: 29.10.2008; akzeptiert nach Revision: 04.02.2009

Aus der 1Charité-Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow-Klinikum, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, der 2DRK-Kliniken Westend, Frauenklinik, Berlin und der 3Alice-Salomon-Hochschule Berlin

Korrespondenzadresse: PD Dr. med. Matthias David, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Campus Virchow-Klinikum, Charité-Universitätsmedizin Berlin, D-13353 Berlin, Augustenburger Platz 1; E-Mail: matthias.david@charite.de

„

„

„

„

„

Einleitung

Während die ESHRE im Juli 2008 im Rahmen eines Sonderhefts von Human Reproduction Ergebnisse der Tagung „Entwicklungsländer und Infertilität“ publizierte, hat sich diese europäische Fachgesellschaft für Fortpflanzungs-medizin einer aus unserer Perspektive viel „naheliegenderen“ großen Patien-tinnengruppe bisher leider nicht gewid-met – den Migrantinnen [1]. Schätzun-gen der Vereinten Nationen zufolge leben weltweit derzeit etwa 190 Millio-nen Menschen in der Emigration. In Deutschland wohnen 15,3 Mio. Men-schen mit sogenanntem Migrations-hintergrund, was fast einem Fünftel der Bevölkerung (19 %) der Bundesrepublik entspricht (Mikrozensus 2005 vorgelegt vom Statistischen Bundesamt 2006).

Die Zahl der Frauen, die sich weltweit für eine Migration entscheiden (müs-sen), hat im vergangenen Jahrzehnt so stark zugenommen, dass von einer „Fe-minisierung der Migration“ gesprochen wird. In Deutschland als Aufnahme-gesellschaft stellen Migrantinnen eine

zunehmend heterogene Gruppe dar, denn inzwischen haben sich hier nicht nur verschiedene Migrantengeneratio-nen niedergelassen, sondern auch die Herkunftsgenerationen und die Migra-tionsmotive der Migrantinnen sind viel-fältig.

Für die meisten Ärztinnen und Ärzte gehört die Betreuung und Behandlung von Migrantinnen zum Arbeitsalltag. So werden heute beispielsweise reproduk-tionsmedizinische Zentren und Praxen in Berlin und westdeutschen Ballungs-zentren häufig von Paaren nichtdeut-scher Herkunft aufgesucht. Darunter stellen türkeistämmige Migrantinnen und Migranten die größte Gruppe. Man gewinnt den Eindruck, dass diese oft jung verheirateten Paare, wenn sie kein Kind bekommen, in eine besonders pro-blematische Situation geraten, weil die eigene Lebensplanung und die Erwar-tungen des Umfeldes sehr stark darauf fokussieren.

Für die in der medizinischen Versorgung Tätigen stellen sich aber auch immer wieder neue Herausforderungen, wenn

z. B. Kommunikationsprobleme auf bei-den Seiten oder kulturelle Differenzen einer optimalen Versorgung von Migran-tinnen im Wege stehen. Chancen für eine Verbesserung dieser Situation ergeben sich, wenn geschlechts- und migrations-bezogene Parameter sowie soziokultu-relle Faktoren genauer betrachtet wer-den, die Einfluss auf die Sterilität und die Sterilitätstherapie haben könnten.

Aufgabe der nachfolgenden Überlegun-gen soll es sein, den Stand der aktuellen Literatur zu diesem Problemfeld aufzu-zeigen.

„

„

„

„

„

Methodik und Ergebnisse

der Literatursuche

Für diese Übersichtsarbeit wurde eine selektive Literaturrecherche zum Thema des Artikels (Suchworte: migration/ immigration, ethnicity, culture/cultural, infertility/sterility) in den Datenbanken PubMed, Medline und PsyMed durchge-führt, wobei auf englisch- und deutsch-sprachige Veröffentlichungen der Jahre 1997–2007 eingegrenzt wurde.

(4)

J Reproduktionsmed Endokrinol 2009; 6 (2) 59

Das Ergebnis war insgesamt spärlich. Das Thema „Migration“ spielt in der re-produktionsmedizinischen Fachliteratur bislang nur eine untergeordnete Rolle. Letztlich konnten 14 relevante Arbeiten für diese Publikation identifiziert wer-den, wobei auf qualifizierende Bewertun-gen der Studien im Sinne der „evidence-based medicine levels“ verzichtet wird.

Da die einzelnen Arbeiten sehr hetero-gen sind und u. a. Migrantinnen unter-schiedlicher Ethnizität im Fokus hatten, bietet sich eine zusammenfassende Dar-stellung der Arbeiten nicht an. Statt-dessen werden in sieben Themenblöcken relevante Fragen dargestellt und disku-tiert.

Reproduktionsmedizin aus islamischer Sicht

Ein Großteil der Migrantinnen in der Bundesrepublik Deutschland stammt aus muslimisch geprägten Ländern. In-sofern ist es für die in der Betreuung von sterilen Paaren tätigen Ärztinnen und Ärzte unabdingbar, wesentliche Auffas-sungen dieser Weltreligion zu reproduk-tionsmedizinischen Fragen zu kennen.

Kinder zu haben wird im Islam als „gro-ßer Segen“ angesehen. Es bestehen nach Husain [2] keine religiösen Einwände dagegen, dass sterile verheiratete Paare irgendeine Form von Fertilitätsbehand-lung inklusive In-vitro-Fertilisation, Spermienübertragung oder andere Tech-niken assistierter Reproduktion in An-spruch nehmen. Bei all dem muss aber strikt kontrolliert bzw. gesichert sein, dass Eizelle bzw. Spermien von den be-teiligten Ehepartnern stammen. Dieses Verhältnis wird als „halal“ (erlaubt) be-schrieben, während jede Art von Verei-nigung von Gameten außerhalb des Ver-heirateten-Status, sei es nun auf natürli-chem Wege oder im Reagenzglas, als „haram“ (verboten) bezeichnet wird. Die Nutzung von Spendersamen für die künstliche Befruchtung ist, so Husain [2], in allen islamischen Schulen strikt verboten. In den meisten islamischen Schulen sind auch Eispende und Leih-mutterschaft untersagt. Ähnlich verhält es sich – wie bereits erwähnt – mit Be-handlungsmaßnahmen bei nicht verhei-rateten Paaren oder auch z. B. nach einer Scheidung oder beim Tod des Eheman-nes, wenn eine Eizelle durch kryokon-serviertes Spermium fertilisiert werden soll [2].

Ansonsten erlaubt der Koran den Paaren, eindeutig reproduktionsmedizinische Behandlungsmaßnahmen so lange vorzu-nehmen zu lassen, bis eine Schwanger-schaft eingetreten ist. Adoptionen wer-den im Islam mit der spezifischen Ein-schränkung gefördert, dass das Kind in der Lage sein muss, seinen biologischen Vater durch seinen Namen zu identifi-zieren [2]. (Offenbar ist auch eine andere Auslegung des Koran möglich – siehe z. B. http://www.islam.de/1641.php – und in der Praxis ist die Adoption von nicht verwandten Kindern – siehe Ab-schnitt 4 dieses Artikels – bei musli-misch geprägten Paaren eher selten.)

Es ist zu beachten, dass die Muslime im Grad ihres Festhaltens an den Vorschrif-ten des Korans variieren und dass der Arzt bei der Präsentation der verschiede-nen Behandlungsoptioverschiede-nen gegenüber dem Paar nicht von vornherein davon ausgehen sollte, dass das Paar bestimmte Therapiemaßnahmen nicht akzeptieren wird [2].

Kinderwunschmotive

Erfolgreiche Fortpflanzung wird sowohl auf einer persönlichen als auch auf einer soziokulturellen Ebene bewertet [3]. Die Kinderwunschmotiv-Liste nach van Balen (1995) umfasst sechs Katego-rien: Glück, Wohlergehen, Mutter- bzw. Vaterschaft, Identität, Kontinuität und soziale Kontrolle [4]. Eine Reihe von Studien in Europa und Nordamerika haben die Motive, Eltern zu werden, bei sterilen Männern und Frauen aufgrund dieser Motivationsliste untersucht. Ob-wohl die wissenschaftliche Herangehens-weise bei den verschiedenen Studien dif-ferierte, waren doch die Ergebnisse ähn-lich: In den westlichen Industrieländern waren bei Männern und Frauen die Hauptkinderwunschmotive „persönliche Glückserfüllung“ und „Dynamik in der Partnerschaft“ [3]. Im Gegensatz dazu spielen soziale Gründe, religiöse Motive und Gründe, die den Fortbestand der Familie betreffen, eine geringere Rolle. Man könnte daraus schließen, dass Steri-lität in westlichen Gesellschaften weni-ger sozial kontrolliert ist und die Paare über ihre Elternschaft weitgehend auto-nom bestimmen können [3].

Eine Arbeitsgruppe um van Rooij hat 2006 die Kinderwunschmotive unfrei-willig kinderloser Paare untersucht und hierbei Unterschiede zwischen

Einhei-mischen und Migranten gefunden [5]. Als Basis nutzte sie ebenfalls ein Kon-zept nach van Balen und Inhorn [6]. Die-ses unterscheidet in zwei Typen: sog. soziale Motive (Kinder als Status, Zei-chen des Erwachsenseins, Wunsch, in den Kindern weiterzuleben, Weitergabe des Familiennamens, sozialer Druck, ökonomische Gründe) und sog. indivi-duelle Motive, welche mehr kinder- und partnerbezogen sind (Freude, Glück, …) [6]. Bei den türkischen Migrantinnen und Migranten waren die nach diesem Konzept definierten „sozialen Gründe“ ausgeprägter als bei den niederländi-schen Paaren. Türkische Migranten-paare, die mehr an die niederländische (moderne/westliche) Gesellschaft adap-tiert/akkulturiert waren, hatten weniger „soziale“ Kinderwunschmotive [5].

Das Verständnis von Kinderwunsch-oder Elternschaftsmotiven hat zwei Be-deutungen:

•Auf demographischer Ebene sind die interkulturellen Unterschiede bezüg-lich des Wertes von Kindern wichtig, um zu erklären, warum die Fertilitäts-raten z. B. in einem großen Teil von Afrika so sehr viel höher sind als in den meisten westlichen industrialisier-ten Ländern.

•Im Hinblick auf die Gesundheitsver-sorgung in Europa sind die Kinder-wunschmotive in der Sterilitätsthera-pie wichtig, weil man dadurch rele-vante Einblicke in Unterschiede bei den betroffenen Paaren erhält [3].

Sterilität und psychische Belas-tung

(5)

Nachkom-60 J Reproduktionsmed Endokrinol 2009; 6 (2)

Sterilität und Sterilitätstherapie bei Migrantinnen

menschaft von den entsprechenden Wer-ten in westlichen GesellschafWer-ten diffe-rieren. In dieser sozialen Realität hat das erfolgreiche Kindergebären und die Fähigkeit, Kinder zu empfangen, offen-sichtlich einen größeren Wert als per-sönliche Fähigkeiten und Talente einer Frau. Deshalb können Sterilitätsproble-me oder ein Schwangerschaftsverlust tragische Konsequenzen für die betrof-fenen Frauen haben [7, 8].

In einer kleineren eigenen Studie unter-suchten Schmid et al. 2004 35 Österrei-cherinnen und 14 Migrantinnen aus der Türkei und dem Nahen Osten. Sie wie-sen keine Unterschiede bei den somati-schen, wohl aber bei den psychosozialen Parametern nach: Infertilität stellte dem-nach für die Migrantinnen dieser Unter-suchungsgruppe eine signifikant höhere Belastung dar. Interessant war auch, dass Migrantinnen größere Probleme mit Zyklusstörungen hatten als die untersuchten österreichischen Frauen [8]. Dies erklären Schmid et al. damit, dass eine regelmäßige Regelblutung als Zeichen für Fruchtbarkeit gedeutet wird und damit eine unregelmäßige Menstru-ation als (bedrohlicher) Hinweis für eine mögliche Sterilität [9].

Van Rooij et al. haben 2007 eine Studie über die emotionale Belastung durch Kinderlosigkeit veröffentlicht [10]. Sie hatten hierbei den Einfluss des Migra-tionsfaktors im Fokus und untersuchten deshalb vergleichend türkische Paare in der Türkei, türkeistämmige Migrantin-nen in den Niederlanden und einheimi-sche niederländieinheimi-sche Paare. Im Ergebnis fanden sie, dass emotionaler Disstress und die Rate an Scham-/Schuldgefühlen bei infertilen türkischen Migrantinnen und türkischen Frauen in der Türkei deutlich höher als bei niederländischen (einheimischen) infertilen Frauen war. Die Verhältnisse hinsichtlich des Dis-stressbefundes waren bei den Männern der drei Untersuchungsgruppen ähnlich [10].

Die Autoren merken in ihrer Interpreta-tion der Ergebnisse an, dass die Unter-suchungsresultate die unterschiedliche Bedeutung unterstreichen, die es in ver-schiedenen Kulturen hat, Kinder zu ha-ben. Mit Infertilität verbinden sich in-nerhalb einer bestimmten Gesellschaft, einer bestimmten Community oder eines bestimmten familiären bzw. kulturellen

Umfeldes unterschiedliche Konsequen-zen. Es gibt offenbar deutliche Unter-schiede bei der soziokulturellen Einstel-lung zu diesem „reproduktiven Unver-mögen“. In der Türkei wird Kinderlosig-keit als ein starkes soziales „Stigma“ im Sinne eines Defizits angesehen. Die dominante Kultur in der Türkei ist wie in anderen nicht westlichen Gesellschaften pronatalistisch. Auf den türkischen Paa-ren lastet mehr als auf den niederländi-schen Paaren ein sozialer Druck, mög-lichst schon in relativ jungen Jahren Kin-der zu haben. Diese Traditionen und Zwänge werden auch in der Migration wirksam und wirken sich dort, wie die Untersuchungsergebnisse zeigten, auf die türkeistämmigen Migrantinnen und Migranten aus. Die Autoren ziehen als praktische Konsequenz hieraus den Schluss, dass man die Informiertheit über Ursachen der Infertilität verbessern sollte, um zumindest die hohe Rate an Scham-/Schuldgefühlen im Zusammen-hang mit ungewollter Kinderlosigkeit bei Migrantinnen abzubauen [10].

Bereitschaft zu invasiven Thera-piemethoden und zu Alternati-ven

1994–1996 hatten Yüksel und Kentenich im Rahmen einer größeren Studie in Berlin 209 sterile türkeistämmige Paare zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Maßnah-men zur Kinderwunschmotivation, Be-reitschaft zu bestimmten Behandlungs-schritten, zu Alternativen usw. befragt und deren Meinungsbild dann mit einem deutschen Kollektiv verglichen. Es soll hier nur auf die Ergebnisse der in die Studie einbezogenen Frauen einge-gangen werden: Die türkeistämmigen Migrantinnen hatten sich wesentlich frü-her in die Tfrü-herapie begeben. 24,9 % waren bei der Befragung 20 Jahre alt, bei den deutschen Frauen nur 2 %, bis 25 Jahre alt waren 47,4 % der türkeistäm-migen Migrantinnen, bei den deutschen Frauen waren es 19,7 % [11].

Von den türkeistämmigen Migrantinnen waren etwas mehr als 68 % zu invasiven Therapiemethoden bereit, bei den be-fragten deutschen Frauen 53,3 %. Eine heterologe Insemination war für 5,8 % der türkeistämmigen Migrantinnen und für 7,6 % der deutschen Frauen denkbar. Eine Adoption als Alternative kam nur für 9,1 % der türkeistämmigen, aber für 42 % der deutschen Frauen in Frage. Nur

12 % der türkeistämmigen, aber 32 % der deutschen Frauen hatten für sich eine zeitliche Grenze bei den infrage kom-menden Therapiemaßnahmen gesetzt. 85 % der Migrantinnen, aber nur etwas mehr als die Hälfte der befragten deut-schen Frauen gaben an, einen starken bzw. sehr starken Kinderwunsch zu haben [11]. Es ist offenbar so, dass die Erwartungen der Familie und die eigene Angst vor einer dauerhaften Kinderlo-sigkeit dazu führen, dass türkeistämmige Paare vergleichsweise früh – d. h. in deutlichen jüngerem Alter als die deut-schen Paare – (reproduktions-) medi-zinische Hilfe suchen. Dies verbessert zwar einerseits die Chance auf einen Be-handlungserfolg, birgt aber andererseits das Risiko in sich, dass diese Frauen/ Paare ohne eindeutige Indikation in invasive Therapien gelangen, obwohl schon Information und Beratung ihre Aussichten auf eine spontane Schwan-gerschaft verbessern könnten.

Gesundheitswissen und Infor-mationsbedarf

(6)

J Reproduktionsmed Endokrinol 2009; 6 (2) 61

und wiesen zu 72 % kaum Wissen zu Sterilitätstherapien auf, welches sich nicht verbesserte, wenn sie sich einer Behandlung unterzogen hatten [11]. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch eine Analyse der Versorgungssituation gynäkologisch erkrankter türkischer und deutscher Frauen, die das Gesundheits-wissen deutscher Patientinnen und türkei-stämmiger Migrantinnen in einer Berli-ner Frauenklinik miteinander vergleicht: Die Frauen mit Migrationshintergrund waren weniger gut über ihren Körper in-formiert und konnten weniger gut mit dem Klinikpersonal kommunizieren [12].

Culley et al. [13] untersuchten die Zu-friedenheit mit und den Informations-stand über die Sterilitätstherapie von Migrantinnengruppen in Großbritan-nien. Sie berichten über die Ergebnisse einer Studie mit 93 Paaren, die aus Pa-kistan, Bangladesh und Indien zugewan-dert waren. Nur ein Drittel hatte schriftli-che Informationen über die Sterilitäts-behandlung erhalten. Häufig lagen Auf-klärungsmaterialien nicht in den relevan-ten Sprachen vor und die Unterstützungs-maßnahmen in den IVF-Zentren für die Kommunikation mit nicht englischspra-chigen Paaren waren mangelhaft [13].

Tradition und Familiengröße

Wie bereits oben ausgeführt, wirken Einflüsse aus dem Herkunftsland der Migranten auch im Zuwanderungsland weiter, werden aber z. B. durch ökono-mische Faktoren modifiziert, wie eine Untersuchung von Tang [14] unter chi-nesischen Migranten in Kanada zeigt: Pronatalistische Traditionen prägen die Fruchtbarkeit dieser Zuwanderer nur so lange, bis sich ihr ökonomischer Status relativ verbessert und sie nicht mehr in Not sind.

Ein anderes Beispiel geben Schoen-maeckers et al. [15] mit einer interessan-ten vergleichenden epidemiologisch-migrationssoziologischen Untersuchung des generativen Verhaltens türkeistäm-miger und marokkanischer Migrantin-nen in Belgien.

Bei den türkischen Frauen zeigt sich eine höhere Parität im jungen Alter als bei den marokkanischen Frauen. Sie heira-ten in einem jüngeren Lebensalter und beginnen auch früher nach der Ehe-schließung mit der Umsetzung des Kin-derwunsches als die marokkanischen

Frauen. Andererseits wollen die türki-schen Frauen nicht mehr so große Fami-lien, was möglicherweise in sozialpoliti-schen Veränderungen begründet ist, die sich in der Türkei am Beginn des Jahr-zehnts abspielten [15].

Die Unterschiede erklären die Autoren mit der sozialen Organisation der beiden Communities und in deren unterschied-lichen Migrationsbedingungen und -ur-sachen. Die türkeistämmigen Migranten leben, so Schoenmaeckers et al. [15] in ihrer hypothetischen Argumentation, sowohl in Belgien als auch in anderen Ländern Europas in relativ geschlosse-nen Gemeinschaften. Man findet eine bedeutende Zahl arrangierter Ehen und das Phänomen der Kettenmigration. Außerdem müsse die Migration aus der Türkei in erster Linie als eine temporäre Bewegung aus überwiegend ökonomi-schen Gründen angesehen werden. Die Marokkaner dagegen scheinen eher eine lose Gemeinschaft zu sein, die Verände-rungen hinsichtlich der familiären Ge-meinschaft sind abrupter, speziell unter den marokkanischen Frauen, die in Bel-gien geboren sind. Die Migration unter den marokkanischen Einwanderern ist definitiv und sie wünschen eine stärkere Akkulturation an den westlichen Le-bensstil. Dies wirkt sich auf das repro-duktive Verhalten aus [15].

Die Autoren schlussfolgern, dass nicht alle Veränderungen im demographi-schen Bereich nur als Ergebnis von Pro-zessen innerhalb der Migrantengemein-schaft zu interpretieren sind. Einige Ver-änderungen, insbesondere in der ersten Generation, sind sicherlich auch Resul-tat von Veränderungen im Ursprungs-land. Dies ist z. B. zu beachten bei den durch Verheiratung nach Deutschland zugewanderten jungen türkeistämmigen Frauen einer neuen ersten Generation [15].

Kinderwunschberatung und kulturelle Normen

In einer sehr ausführlichen, mit 120 Literaturstellen unterlegten Publikation äußern sich Hynie und Hammer Burns [16] zu „Cross-cultural issues in infertil-ity counselling“. Die Bereitstellung einer kultursensitiven Sterilitätsbera-tung in einer Zeit wachsender transnatio-naler Patientenströme wird von ihnen betont. Viele der Migrantinnen in Deutschland, mit denen Ärztinnen und

Ärzte in Kliniken und Praxen konfron-tiert sind, kommen aus „anderen“ nicht-europäischen Kulturen. Es ist nach Hynie und Hammer Burns [16] jedoch zu konstatieren, dass vor allem die Kul-tur, aber auch Religion, Familienwerte, Geschlechtsrollen und Einstellungen zu Gesundheit und Krankheit einen Ein-fluss darauf haben, was Individuen und kulturelle Gruppen über Sterilität erfah-ren und wie sie damit umgehen.

Selbst für die Kinderwunschtherapie sind Kenntnisse zum soziokulturellen Hintergrund der Migrantin notwendig: stammt sie bzw. ihre Familie aus einer individualistisch oder einer kollektivis-tisch geprägten Gesellschaft? Differen-zen in Bezug auf den Umgang mit unge-wollter Kinderlosigkeit können nämlich auch durch gesellschaftliche Strukturen (Individualismus vs. Kollektivismus) er-klärt werden. In individualistischen Kul-turen haben die Interessen des Individu-ums Priorität vor den Zielen der „in-group“, während in kollektivistischen Kulturen die Familie oder die Verwandt-schaftsgruppe Vorrang vor den individu-ellen Bedürfnissen hat. Der kulturelle Grad des Kollektivismus oder Individu-alismus hat Einfluss darauf, wie die Pati-entin bzw. das Paar die Sterilität empfin-det und bewertet [16].

Es ist davon auszugehen, dass Moderni-sierungsprozesse in den Herkunfts-ländern und die Migration in (westliche) Industrieländer sowie damit verbundene Veränderungsprozesse die jeweilige Orientierung beeinflussen.

Auch wenn einzelne Länder respektive die heutigen Gesellschaften kulturell homogen erscheinen, so Hynie und Hammer Burns [16], sind sie doch bis zu einem gewissen Grad multikulturell, so-dass ein Bewusstsein von Verschieden-heit und der Einfluss der Kultur auf die Sterilitätstherapie und -beratung vorhan-den sein sollte.

(7)

62 J Reproduktionsmed Endokrinol 2009; 6 (2)

Sterilität und Sterilitätstherapie bei Migrantinnen

Literatur:

1. ESHRE Special Task Force on “Developing Countries and In-fertility”. Ombelet W, Devroey P, Gianaroli L, te Velde E (eds). ESHRE-Monographs 2008; 1: 1–117.

2. Husain FA. Reproductive issues from the Islamic perspec-tive. Hum Fertil (Camb) 2000; 3: 124–8.

3. Dyer SJ. The value of children in African countries – Insight from studies on infertility. J Psychosom Obstet Gynecol 2007; 28: 69–77.

„

„

„

„

„

Relevanz für die Praxis

•Während deutsche und andere westeuropäische Paare eher selbst- und partner-bezogene Motive für den Kinderwunsch erkennen lassen, ist der Kinderwunsch türkeistämmiger Paare stärker von deren sozialem Umfeld geprägt.

Die Erwartungen der Familie und die eigene Angst vor Kinderlosigkeit führen

Migrantinnen aus islamisch-patriarchalen Gesellschaften oft sehr früh in die reproduktionsmedizinische Behandlung.

Eine bessere Informiertheit der Paare mit Migrationshintergrund über die

Ursa-chen von Sterilität könnte helfen, zumindest einen Teil der Schuld- und Scham-gefühle im Zusammenhang mit ungewollter Kinderlosigkeit abzubauen.

•In der Sterilitätsberatung und der Aufklärung über Behandlungsmöglichkeiten sind spezifische Fertigkeiten und Herangehensweisen sowie kultursensitive An-sätze nötig, um den sozialen und kulturellen Besonderheiten im Umgang mit Sterilität bei betroffenen Migrantinnen bzw. Paaren mit Migrationshintergrund gerecht zu werden.

4. Van Balen F, Trimbos-Kemper TCM. Involuntary childless couples: their desire to have children and their motives. J Psyhosom Obstet Gynecol 1995; 16: 137–44.

5. Van Rooij FB, van Balen F, Hermanns JAM. Migrants and the meaning of parenthood: involuntary childless Turkish mi-grants in The Netherlands. Human Reprod 2006; 21: 1832–6. 6. Van Balen F, Inhorn MC. Interpreting infertility, a view from the social sciences. In: Inhorn MC, Van Balen F (eds). Interpret-ing infertility: childlessness, gender, and reproductive technolo-gies in global perspective. UCLA Press, Berkley, 2002; 3–32.

7. Zurayk H, Sholkamy H, Younis N, Khattab H. Women’s health problems in the Arab World: a holistic policy perspec-tive. Int J Gynecol Obstet 1997; 58: 13–21.

8. Schmid J, Kirchengast J, Vytiska-Binstorfer E, Huber J. Psy-chosocial and socialcultural aspects of infertility – a compari-son between Austrian women and immigrant women. Anthrop Anz 2004; 62: 301–9.

9. Schmid J, Kirchengast J, Vytiska-Binstorfer E, Huber J. Infertility caused by PCOS – health-related quality of life among Austrian and Moslem immigrant women in Austria. Hum Reprod 2004; 19: 2251–7.

10. Van Rooij FB, van Balen F, Hermanns JAM. Emotional dis-tress and intertility: Turkish migrant couples compared to Dutch couples and couples in Western Turkey. J Psychosom Obstet Gynecol 2007; 28: 87–95.

11. Kentenich H, Yüksel E. Psychosomatisches Betreuungs-konzept steriler türkischer Paare in der Migration. Inaugural-dissertation, Humboldt-Universität zu Berlin, 1997. 12. Borde Th, David M, Kentenich H. Analyse der Versorgungs-situation gynäkologisch erkrankter türkischer und deutscher Frauen im Krankenhaus. Berlin 2000. Schlussbericht. Bundes-ministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Förderkenn-zeichen 01EG 9523/2.

13. Culley LA, Hudson N, Rapport FL, Katbamna S, Johnson MR. British South Asian communities and infertility services. Hum Fertil (Camb) 2006; 9: 37–45.

14. Tang Z. Immigration and Chinese reproductive behavior in Canada. Soc Biol 2004; 51: 37–53.

15. Schoenmaeckers RC, Lodewijckx E, Gadeyne S. Marriages and fertility among Turkish and Morrocan women in Belgium: results from census data. Int Migr Rev 1999; 33: 901–28. 16. Hynie M, Hammer Burns L. Cross-cultural issues in infer-tility counselling. In: Covington SN, Hammer Burns L (eds). In-fertility Counselling. A comprehensive handbook for clinicians. 2nd ed. Cambridge University Press, Cambridge, 2006; 61–82.

Vienna – Hotel Hilton

3.–5. Dezember 2009

Veranstalter: Österreichische Menopausegesellschaft

Lokale Organisation:

Information:

Prof. DDr. J. C. Huber

Ärztezentrale Med.Info

Ass. Prof. Dr. M. M. Metka

1014 Wien, Helferstorferstraße 4

Dr. W. Clementi

Tel.: (+43/1) 531 16-32

Fax: (+43/1) 531 16-61

E- Mail: azmedinfo@media.co.at

www.menopausekongress.at

2009

(8)

Besuchen Sie unsere Rubrik

Medizintechnik-Produkte

C200 und C60 CO2-Inkubatoren

Labotect GmbH

CTE2200-Einfriersystem MTG Medical Technology Vertriebs-GmbH

OCTAX Ferti Proof-Konzept MTG Medical Technology Vertriebs-GmbH

Hot Plate 062 und Hot Plate A3 Labotect GmbH

P

Die in unseren Webseiten publizierten Informationen richten sich

ausschließlich an

ge-prüfte und autorisierte medizinische Berufsgruppen

und entbinden nicht von der

ärzt-lichen Sorgfaltspfl icht sowie von einer ausführärzt-lichen Patientenaufklärung über

therapeuti-sche Optionen und deren Wirkungen bzw. Nebenwirkungen. Die entsprechenden Angaben

werden von den Autoren mit der größten Sorgfalt recherchiert und zusammengestellt. Die

angegebenen Dosierungen sind im Einzelfall anhand der Fachinformationen zu überprüfen.

Weder die Autoren, noch die tragenden Gesellschaften noch der Verlag übernehmen

irgend-welche Haftungsansprüche.

Bitte beachten Sie auch diese Seiten:

Impressum Disclaimers & Copyright Datenschutzerklärung

Fachzeitschriften zu ähnlichen Themen:

Journal für Gynäkologische Endokrinologie

Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie

Journal für Urologie und Urogynäkologie

P

P

Referências

Documentos relacionados

“A aprendizagem da profissão docente não principia com a frequência de um curso de formação inicial, nem termina com a obtenção de uma licenciatura em ensino; é algo

In Kenntnis der Risiken, die eine Mehrlings- schwangerschaft für die Mutter und die Kinder bedeutet, erging im Jahr 1998 eine Novellierung der Richt- linien zur Durchführung der

die Klimaeignung für die Landwirtschaft lagen nur für einzelne Gebiete der Schweiz vor (zum.. Beispiel diejenigen von HAEBERLI 1971

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie attes- tieren deutlich, dass in der Transition für viele Schülerinnen und Schüler zu Beginn ihrer Hauptschulkarriere kumulierende Risiken

Für die statistische Analyse der ersten Therapieperiode von vier Wo- chen mit Fosicomb mite waren die Daten bei 48 Patienten bei Anamnese und nach vier Wochen paarweise verfügbar..

Die Daten für beide Parameter (Gruppe und Geschlecht) zeigen, dass folgende zwei SW in allen Kategorien entweder die höchsten oder sehr hohe Prozentzahlen haben und

– Die Interpretation der Ergebnisse dieser und weiterer Studien zu diesem Thema ist durch die Tatsache er- schwert, dass die Zirkumzision im Erwachsenenalter in der Regel

Besonders die Implantation von hydraulischen Sphinktern bedeutet für die betroffenen Patienten in der Regel eine enorme Ver- besserung ihrer Lebensqualität und sollte daher auch in