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Die religiöse Gleichgültigkeit (Indifferenz) als weltanschauliches Problem

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Academic year: 2021

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Trennt ihn nicht von den M enschen, zu dem er g ehört als Glied seiner Fam ilie, als Glied seines V olkes!

H ört auf mit dem V ergelten und Richten, mit dem Haß und der R ache!

Besudelt eu re Hände nicht von neuem mit M enschenblut, mit Bruderblut!

Z ertretet den Funken des Krieges, ehe er zum neuen W eltbrand w ird!

R ottet jeden Gedanken an den Krieg als euren R etter in euch aus! Su cht vielm ehr m iteinander Frieden in dem Gott, der ein Gott des Friedens ist!

Seid M enschen, die G ott loben und sich seiner Gnade {reuen dürfen!

Seid M e n sc h e n ,, die w ieder hoffen dürfen!

W ir bezeugen und verkündigen euch, daß der M ensch noch eine große Zukunft hat, die offenbar w erden w ird, w enn unser Brudieir und Heiland an seinem T a g e in seiner H errlichkeit erscheint!

Um dieser Zukunft w illen rufen w ir euch alle:

S e h t d e n M e n s c h e n ! P. Höhn.

Die religioese Gleichgültigkeit (Indifferenz)

als weltanschauliches Problem.

Ein apologetischer B eitra g zur F ra g e G laube und W eltbild. V o rtra g in der Theologischen Schule zu S ão Leopoldo

am 22. III. 1950.

T h ese: Es gibt zwar kein „christliches Weltbild“, wohl aber kann das eine Weltbild dem christlichen Glauben näher stehen als ein anderes. Die Frage nach dem Weltbild ist also für ihn nicht unwesentlich.

„Die Menschheit steckt jetzt in einer religiösen Krise. Wie sie durchkommen will, weiss ich nicht, aber sie muss und wird durchkommen“.

(Goethe am 8. Juni 1830 zu Kanzler Müller.) „Der Weg zu G ott in unserer Zeit ist ungeheuer weit, als h ätte der Mensch sich in den grenzenlosen Räum en verwirrt, die sein Ingenium erfunden hat. Daher liegt auch in der be­ scheidensten Annäherung ein Verdienst. Auch sie kann nicht gelingen ohne Gottes Zuwendung“.

(Ernst Jürger in „Strahlungen“ ).

I . G e i s t e s - u n d n a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e V o r a u s ­ s e t z u n g e n u n d b e g r i f f l i c h e K l ä r u n g e n .

V or w enigen M onaten hielt der bekannte englische Dichter und christliche Zeuge unserer T a g e Eliot einen V o rtra g in der „E v an ge­ lischen A kadem ie“ zu Herm annsburg. Äls e r in der A ussprache nach seiner Ansicht über den antichristlichen Kommunismus g efrag t wurde, äußerte e r laut dem Liljeschen „Son n tag sb latt“ (13. 11. 1949): „Nicht antichristliche Staaten seien das Gefährliche. Die K irche habe immer M ärty rer g ehabt, w enn sie gebraucht wurden. Viel bedrohlicher sei

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die Indifferenz oder die bei aller Betonung der T oleranz % . zunehmende Unchristlichkeit in der W e lt.“ E s heißt dann w eiter, er habe das am Beispiel A m erikas und am Aufbau der U. N. E. S. C. 0 . bew iesen.

E liot h at mit diesem Hinweis die eigentliche Not unserer christ­ lichen K irche in der w estlichen Hälfte der W elt angezeigt: Nicht der gottlose Kommunismus, aber auch nicht der „politische Katholizism us“ oder die Sekten, noch w eniger eine übermütige W issen sch aft oder eine als R eligionsersatz sich anbietende Kunst, gew iß auch nicht offene Feindschaft gegen die christliche Kirche, w enn all diese M ächte hier und da, m eistens sogar noch w ohltuend störend w irken, sind die eigent­ lichen Gegner, sondern vielm ehr liegen als ein unheimlicher Druck auf der Gemeinde Jesu die trägen M assen der A uch- und H albchristen, w elche nicht einmal mehr nach der christlichen W ahrheit fragen, weil die M itte ihres Lebens ganz anders liegt.

Die verantw ortlichen Glieder und Kreise der Kirche sind sich d ar­ über im allgemeinen klar. Die Zeiten sind w ohl überall vorbei, alp man in einer Bekehrung eines Ungläubigen zum Glauben oder in einer neuen w issenschaftlichen Behauptung, die der christlichen Religion wieder mehr Raum ließ, die A nzeichen eines kommenden christlichen Frühlings sah. W ir w issen heute, unsere A ufgabe ist nicht falsche A pologetik — es gibt auch eine echte, w ie noch gezeigt wird — , sondern Sammlung der w irklich lebendigen Glieder zu einer Gemeinde Jesu Christi, eben Kirchw erdung der Kirche. Bischof Lilje meint, in Deutschland ginge man jetzt den W eg von der V o lk s- zur Gemeindekirche. Die „A b ­ teilung für W ied erau fbau “ des Ökumenischen R ates hat in einem lesens­ w erten Buch „Lebendige Gemeinden“, 1947, einige Dokum ente aus verschiedenen Ländern gesam m elt und übersichtlich zusam m engestellt, die von neuem Leben der Einzelgemeinden in den letzten zehn Jahren ein B ew eis sein möchten. Von V ertiefung in die B ibel, G ebet, A kti­ vierung der Laien, M än n er- und Frauendienst, Seelsorge und der „ E r­ fassung der der Kirche entfrem deten G etauften“ ist eindrucksvoll die Rede. Auch in unserer Synode bemühen w ir uns, freilich nicht überall gleich stark, in diesem Sinne zu arbeiten. Die Frauenhilfe, E van ge­ lisation, Jugendarbeit und Schriftenm ission zeigen, daß w ir erkannt haben, daß die bloße „Bedienung“ der Gemeinde mit W ortverkündi­ gung, Sakram entsverw altung und U nterricht, so notw endig sie alle sind, nicht mehr ausreichen, wenn w ir wirklich Kirche im Sin n e von Gemeinde Christi sein und zugleich w erden wollen,

Freilich müssen w ir uns vor falscher Erw artung hüten. E s ist keinesw egs so, daß die der Kirche Gleichgültigen und Entfrem deten in diese ström en und dort lebendige Glieder w erden, wenn ihnen das Evangelium in mehr aktueller, packender und sie treffender W eise g e ­ sagt würde. Gewiß w ürde sich der K reis der Gläubigen vergrößern, und gew iß würde bei verständnisvollem Eingehen auf die Nöte des heutigen M enschen, bei eindrucksvoller und mehr anschaulicherer Art der Verkündigung m ancher Anstoß fortfallen, der die M enschen sonst zurückhält. Um dieser willen sind n e u e W e g e k i r c h l i c h e r A r ­ b e i t nicht nur begrüßensw ert, sondern auch notw endig. Zu bedenken

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bleibt jedoch, daß alle Brücken, w elche die K irche Jesu Christi zu den ihr Frem den und Gleichgültigen schlägt, nicht ungeschehen m achen, daß sich zw ischen ihr und ihnen eine tiefe Kluft befindet. Der Sinn des Brückenschlagens kann nur darin bestehen, die richtige Einbruchsstelle, den „apologetischen Anknüpfungspunkt“ zu finden, um dann den än­ dern zum Eintritt zu nötigen.

W orin besteht die K luft? M an hat g esagt, der heutige M ensch fragt nicht mehr w ie in der R eform ationszeit nach dem gnädigen Gott, auch w ohl nicht mehr überall w ie noch im 18. und 19. Jahrhundert nach Gott überhaupt, kaum noch nach dem Sinn des Lebens im ganzen, das er schicksal- und bruchstückhaft hinzunehmen geneigt ist, wohl und höchstens nach s e i n e m e i g e n e n L e b e n u n d d e s s e n M ö g ­ l i c h k e i t e n , d. h. n a c h s e i n e r E x i s t e n z . W arum ist e s heute um Gott so stumm gew orden, daß w ir fast erstau nt aufhorchen, w enn jemand seinen Namen — nicht gedankenlos: M ein G ott! — sondern ern sth aft nennt? W ie kommt es zum „Verstum m en dieser F ra g e “ (Thielicke)? W arum erh ält der M ensch keine A ntw ort, w enn er v er­ zw eifelt oder ironisch — Ironie ist m eistens getarn te V erzw eiflung und Enttäuschung — fra g t: W o ist G o tt? W i r . wollen nicht gleich mit der biblisch und dogmatisch richtigen A ntw ort kommen, der n a­ türliche M ensch vernehm e eben nichts vom lebendigen Gott, sondern uns die F rag e vorlegen, warum die früheren Generationen, die doch meistens auch „natürliche M enschen“ w aren und blieben, durch die F rag e nach G ott ganz anders bew egt, ja geängstigt w urden als heute. W ie konnte es zur G o t t - l o s i g k e i t b e i d e n M e n s c h e n kom ­ men, w elche T atsach e nach Jaspers unser Z eitalter von allen ändern unterscheidet?

B ev or w ir diesem nachgehen, seien einige begriffliche Klärungen vorausgeschickt: C h r i s t l i c h e r G l a u b e erschöpft sich w eder im Gefühl, ist auch keinesw egs nur Denken oder sittlicher Impuls, sondern zunächst als Entscheidung des ganzen M enschen für Christus zu b e­ greifen, bei w elcher E r selbst der Handelnde ist; der freie Gehorsam gegen Gott beschreibt dies Handeln vom M enschen her gesehen. Durch ihn verändert sich nicht nur das V erhältnis zum M itm enschen, sondern auch zu den einzelnen Lebensgebieten. S o und nur so ist eine c h r i s t ­ l i c h e W e l t a n s c h a u u n g möglich. Ihre natürlichen Bestandteile liefert das jew eilige W eltbild. D ieses gew innt der M ensch mit den gew öhnlichen und w issenschaftlichen M itteln seiner Zeit. V on einem dem c h r i s t l i c h e n Glauben angem essenen W e l t b i l d , das frei­ lich den Schw ankungen und Änderungen der Zeit unterliegt, können w ir reden, w enn das Bild von der W elt mit der christlichen W elt­ anschauung, b esser: dem Glauben in Verbindung tritt, w as dauernd geschieht.

M an darf vielleicht sagen, d a s a n t i k e u n d m i t t e l a l t e r ­ l i c h e W e l t b i l d h a b e e s d e n M e n s c h e n e r l e i c h t e r t , a n G o t t , s e i n R e i c h u n d s e i n e H e r r l i c h k e i t z u g l a u b e n . Im allgemeinen nahm man zur Zeit L uthers an, der Himmel G ottes befinde sich über den Sternen, w ährend sich die „H ölle“ unterhalb des bew ohnten T eiles der E rd e befinde. D ie S tä tte auf der Erde, w o

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die Geschichte und Geschicke der V ölker und M enschen sich abspielen, w ar damit für sie nur der O rt der Entscheidung und Bew ährung. Nach dem Tode zeige sich, ob der einzelne nach unten oder oben gehöre. D as D asein Gottes, des Teufels, guter und böser G eister stand außer Zw eifel. M an sehnte sich nach G ottes Reich, w ie sich der heutige M ensch in den W irren dieser Zeit nach einem Zustand ir­ dischen Glücks und Frieden sehnt, und man fürchtete in früheren Ja h r­ hunderten vielleicht noch mehr die M acht des Teufelreiches, w ie man heute ein G ew altregim e haßt und vor der A tom katastrophe und dem Bazillenstaub bangt. Nicht nur die G ottes- sondern auch die Teufels­ vorstellung ist ja verw eltlicht w orden. In früheren Zeiten w ären darum Gleichgültigkeit gegen Gott und Teufel unsinnig oder vermessen gew esen und genau so w enig verstanden und gebilligt, w ie wenn heute jemand behaupten würde, die A tom bom be oder die Superbom be ginge ihn nichts an. Im einzelnen mögen folgende Erw ägungen den Zusam m enhang von W eltbild und Glauben in seiner G eschichte zeigen:

1.) V orbereitet durch Köpernikus und besonders durch K eplers und Galileis Berechnungen tra t bekanntlich an die Stelle des geozentrischen W eltbildes dasjenige, w elches der So n n e den M ittelpunkt anw eist und die Erde an den Rand befindlich glaubt. Philosophen w ie Giordano Bruno glaubten daraus die U n e n d l i c h k e i t d e r b i s d a h i n n u r f ü r e n d l i c h g e h a l t e n e n W e l t — Gott allein w ar unendlich — folgern zu müssen. Die Ergebnisse der W issenschaft und Philosophie drangen damals nicht so schnell ins allgem eine Bew ußtsein ein w ie heute, da z. B . der Gebildete sehr bald von der Existenzphilosophie oder R elativitätslehre einiges vernimmt. F ast zw eier Jahrhunderte b e ­ durfte es, bis die neuen Gedanken der Astronom ie und Physik infolge ihres offenen Zusam m enstoßes mit dem alten W eltbild, das eine n o t­ w endige, schützende Hülle des christlichen Glaubens abzugeben schien, zu einer religiösen K rise größeren Ausm aßes führte, deren Ergebnis vielfach Gleichgültigkeit auf agnostizistischer, ja m aterialistischer Grund­ lage w ar. Seit dieser Zeit fra g t der M ensch: W o ist denn der ew ige Gott, w enn doch die W elt selbst unendlich ist? Gott ist in W ohnu ng s­ not geraten, spottete D. F. Strauß.

2.) Gott w ar zum All im besten Fall zum Sch öp fer ohne M ög ­ lichkeit des Eingreifens in seine W elt verflüchtigt, der M ensch und seine Erde w aren zum Staubkorn in einer anscheinend unendlichen W elt herabgesunken, w as die neueren und neuesten Entdeckungen der A stronom ie zu bestätigen scheinen, w enn uns deren G rößeberechnungen schwindeln lassen. W o bleibt da eigentlich ein O rt für die m oralische V eran tw ortu n g ? Kann man wirklich einem unendlichen All, einem ohn­ mächtig gew ordenen Schöpfer R ede und A ntw ort steh en ? B leibt nicht schließlich die V erantw ortung des M enschen eigene S a c h e ? D a Ort und Zeit dauernd und ziellos w echseln bzw . fortschreiten, eine un­ bedingte B efehlsstelle oberhalb der eigenen Entscheidungen nicht deut­ lich zu erkennen ist, wurde es plötzlich oder allmählich im unendlichen W eltall angesichts der Un-Heim lichkeit und U n-Endlichkeit der W elt um den M enschen einsam. Ein moderner B eobach ter schreibt: „Die O rientierung durch Raum, Zeit und Bew ußtsein ist verloren . . . . Das

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M enschen-Ich droht in der ichlosen M asse zu versinken, als w ill­ kommene B eu te der Dämonen, die unbem erkt in seinen Gedanken geistern . . . . In einem nach m echanischen G esetzen abrollenden W e lt­ all kann man w eder die Existenz G ottes noch die O pfertat auf G ol­ gatha rechtfertigen, selbst w enn man sie nach w ie vor von den K an ­ zeln predigt“ (der Schw eizer P farrer Erich Behm ann im Artikel „E in ­ drücke und Gedanken von einer D eutschlandreise“, D eutsches P fa rre r­ blatt, 15. XI. 49., S . 4 9 8 /4 9 9 ). Im Grunde scheint ja alles Geschehen, da es im unendlichen Raum gesetzm äßig verläuft, gleichw ertig und damit auch gleichgültig gew orden zu sein. So ist bereits schon in der modernen Autonom ie die resignierte Skepsis enthalten. Sie m acht uns auch die heute viel beklagte m o r a l i s c h e A n a r c h i e , unter der b e­ sonders die w estliche W elt leidet, verständlich. M ag e s bei vielen unbe­ wußt sein, eine bindungs- und beziehungslose Unendlichkeit der W elt läßt keinen Raum mehr für einen fordernden G ott noch für einen veran t­ w ortlichen M enschen, dem gerade der Boden unter den Füßen ent­ zogen ist, da er nur ein bedeutungsloser Punkt in einer unendlichen Reihe wurde. Die Abstumpfung des ethischen Em pfindens hat also ir-relig iö se W u rzeln, die wiederum durch das beschriebene W eltbild genährt w urden. „W en n Gott nicht ist, ist alles erlau bt“ , sagt D osto­ jew ski in So rg e um den heraufkom m enden Nihilismus.

3.) Eine gew iß nicht beabsichtigte Folge der Entdeckungen der modernen N aturw issenschaft w ar es, daß der M ensch metaphysisch seine o b ere Heimat und m oralisch seine höhere Bindung verlor. D er dem abendländischen M enschen eigene D rang nach Betätigung v er­ bietet ihm aber, zum Nichtstun zu gelangen, auch und gerade dann, w enn ihm die oberen D inge unverbindlich und gleichgültig gew orden sind. E r klam m ert sich nun erst recht an die i r d i s c h e n G r ö i ß e m , da sie das e i n z i g e R e a l e sind, w as bleibt, nachdem das, w as früher das Ä llerrealste (Ens realissimum: Gott) w ar, fraglich gew orden ist. Im einzelnen m öchte ich hier nicht ausführen, w as das neue R eale sein kann. E s w echselt w ie alles in Raum und Zeit G egebene: M ensch­ heit, V olk, dem okratische oder cäsaristische Staatsform en, Einzelglück, Beru fsarbeit, Feier, Freizeitgestaltung, Familie, W issenschaft, Kunst, heute besonders Technik und Fußball, überhaupt Sport, auch richtige Ernährung und Gesundheitspflege mit Hilfe von Vitam inen A bis K und R ohkost — sind die neuen Realitäten, denen man mit gleicher Inbrunst huldigt, w ie früher Gott und G ötter angebetet wurden. Solche Größen besetzen dann grundsätzlich den Raum, den einmal Gott inne­ hatte. Da diese neuen G ötter dauernd ihre Forderungen an ihre A n­ hänger stellen, aber zugleich eine w irkliche Zwiesprache: mit dem höhe­ ren Du, w ie sie der Gläubige im G ebet vollzieht, nicht ermöglichen, kommt das unruhige Stoßen und D rängen der M enschen unserer Zeit zustande. An die endlichen D inge kram pfhaft gebunden, da sie ja G ottes unendliche G röße ersetzen sollen, und ohne Aufblick nach oben, wodurch Abstand und Augenmaß gew onnen w erden, entsteht neben der dämonischen Hast die e i g e n t ü m l i c h e H u m o r l o s i g k e i t , die ein besonderes Kennzeichen der M enschen unserer Zeit ist. Ihm kommt es darauf an, die begrenzte Zeit angesichts der rätselhaften U

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n-Endlichkeit von Raum und Zeit im ganzen auszukaufen, b esser: aus- zufüllen. Die un-heim liche Em sigkeit und V ielgeschäftigkeit des nur noch vordergründig lebenden und urteilenden M enschen läßt für „R e­ ligion“ keinen Platz mehr. Hinzufügen w ollen w ir, daß jen e beiden Haltungen erst bei Gleichgültigkeit gegen den Glauben solche däm o­ nischen Züge annehmen können, w elcher wiederum durch die Kenntnis des neuen W eltbildes schw ankend w urde, erblaß te und schließlich dem Bew ußtsein des M enschen entschw and. W enn man sagt, die Hast des heutigen L ebens gönne dem M enschen keine Stunde m ehr für Gott, so ist das gew iß richtig. Ebenso zutreffend ist aber die Behauptung, daß erst die von G ott gelöste m etaphysisch veröd ete W e lt diese U n­ ruhe erm öglicht. G oethes Faust, der ja ein Sym bol des abendländischen M enschen ist, beginnt sein unstetes Leben, das ihn von der kleinen W elt in die große der Politik, Kunst und planenden A rbeit führt, nachdem er der Begegnung mit dem lebendigen Gott in Christus an jenem O ster­ morgen ausgewichen ist; freilich kann er nach dem, w as e r in der Nacht erleb t hat, nur noch sprechen: Die B otsch aft hör ich w ohl, allein mir fehlt der Glaube! Gott und erst recht Christus sind ihm gleichgültig gew orden. E r trach tet fortan nur nach dem Augenblick, den er mit Freuden festhalten kann. Die Trag ik besteht darin, daß es ihn nicht gelingt.

Hängt nun nach dem bisher A usgeführten der christliche Glaube von einem bestim mten W eltbild a b ? D as könnte bedeuten, daß er mit dessen Schw inden auch fällt. Bekanntlich ringt man gerad e w ieder in der deutschen Theologie um diese F rage. S ie läßt einen K a r l H e i m nicht los, der uns kürzlich einen neuen B eitrag „D er christ­

liche Glaube und die N aturw issenschaft“ in dieser Sach e vorlegt. In dem S tre it um B u l t m a n n s „Entm ythologisierung“ g eh t es genauer um die F rage, ob und w iew eit man das biblische W eltbild mit seinen Engeln, Dämonen und Himmelfahrten preisgeben kann, um das, w as uns heutigen M enschen, die w ir ein anderes N atur- und Geschichts­ verständnis haben und an Rundfunk und Technik gew öh nt sind, das Evangelium zu sagen hat, in ausschließlich e x i s t e n t i e l l e r Aus­ legung der B ib eltex te zu uns sprechen zu lassen. T h i e l i c k e hat d ar­ auf hingew iesen, „daß das antike W eltbild besonders offen“ für die Transzendenz und dadurch „zur D arstellung der biblischen R eichs­ gottesgeschichte besonders geeignet ersch ein t“ (in „K erygm a und M y­ thos, 1948, S . 207). G enauer: „ W ir können diesen positiven Sinn dahingehend beschreiben, daß der dam alige M ythos durch die D rei­ gliederung seines W eltbildes in Himmel, Erde und Hölle eine Offenheit in die Transzendenz hinein bzw . eine B ereitsch aft f ü r die T ran szen ­ denz besaß, die in besonderer W eise geeignet w ar, G ottes Jenseitigkeit und G ottes heilsgeschichtliches Eingreifen deutlich zu m achen“, im G egen­ satz zur Innerw eltlichkeit des säkularen M ythos, der erst zerbrechen müßte, w enn er die B o tsch aft der Bibel aufnehmen will (ebd. S . 208). Damit ist keine A bhängigkeit der O ffenbarung von einem veränder­ lichen W eltbild behauptet, w ohl aber eine Beziehung ausgesprochen die w ir achten, m indestens beachten m üssen, zumal das mythische W e lt­ bild in besonderer W eise fähig ist, „g ew isse Z üge der Offenbarunlg

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zum Ausdruck zu bringen“ (ebd. S . 208). Nicht als ob w ir alle zeitgebundenen V orstellungen von Erde, Himmel und U nterw elt so übernehm en müßten, w ie sie der schriftliche Niederschlag der O ffen­ barung, die Bibel, voraussetzt, aber doch w ohl gewiß so, daß w ir nach dem w esenhaften Anliegen des biblischen W eltbildes, nicht nur nach seinem existentiellen Sinn allein fragen sollen. Als freie C hristen­ menschen brauchen w ir dabei -genau so w enig alle dam als vorhandenen Vorstellungen über göttliche D inge bis ins kleinste zu übernehmen, w ie Paulus in anderer W eise auch nicht von den Heidenchristen die Übernahm e des bis zur Zeitw ende geltenden jüdischen Z erem onial- g esetzes g efordert hat. A ber auch in ihm ist, b esser: w ar G ottes offenbarender W ille, also W ah rh eit vorhanden. W ir fragen nun nach der W ah rh eit des biblischen W eltbildes, d. h. nach seiner W esen h aftig ­ keit und Bedeutung für den christlichen Glauben, und versuchen zu­ gleich eine Auseinandersetzung mit dem m odernen W eltbild zu geben, w obei w ir freilich auf ein ausführliches Eingehen auf theologische und naturw issenschaftliche Problem e verzichten müssen.

I I . D i e B e d e u t u n g d e s b i b l i s c h e n W e l t b i l d e s f ü r d e n c h r i s t l i c h e n G l a u b e n .

1.) Im G egensatz zum neuen W eltbild, das freilich durch die Forschungen der jüngsten Z eit grundsätzlich in F ra g e gestellt ist, b e­ hauptet die B ib el: D i e W e l t i s t e n d l i c h i n r ä u m l i c h e r u n d z e i t l i c h e r H i n s i c h t , d a n u r G o t t u n d s e i n e W e l t v o n D a u e r s i n d . Ausdrücklich sei bem erkt, daß Kopernikus, Galilei, N ew ­ ton und andere D enker mit ihren Lehren nicht die M ajestät Gottes antasten w ollten. Die deutsche Aufklärung sah geradezu in der G esetz­ mäßigkeit des unendlich vorgestellten W eltalls einen B ew eis für G ottes Unendlichkeit. A ber G i o r d a . n o B r u n o setzte diese W elt mit Gott gleich, S p i n o z a , der freilich von D escartes herkom m t, prägte dafür die philosophische Form el: Deus sive Natura, und G o e t h e stellt in Gedichten w ie „Ein und A lles“ den Pantheism us mindestens dichte­ risch da. Bezeichnend ist, w ie in allem pantheistischem Denken der Schw erpunkt auf d i e s e W elt sich legt, diese unvollkommene irdische W elt ein G ew icht erhält, das sie in einer theistischen W eltanschauung niem als besitzt. Nur ein kleiner Schritt ist e s noch bis zur reinen Innerw eltlichkeit, der auch meistens ohne Bruch getan w ird. Man braucht nur in dieser W elt kräftig auszuschreiten, so ist man schon in der W elt G ottes! D er Gedanke an Gott w ird dabei immer schw ächer, unverbindlicher und verschw indet schließlich aus dem Denken. Nicht die astronom ischen Berechnungen und Entdeckungen führen zur Un­ endlichkeit, w ohl aber die menschliche Selbstherrlichkeit, die den ew i­ gen, richtenden Gott nicht erträg t, bedient sich des Gedankens der Unendlichkeit der W elt. W ir sahen schon, w ie sehr und warum in die ungeborgene V erzw eiflung die autonome Hybris umschlägt. S ie ist „der Ausdruck dafür, daß w ir von Natur gottblind sind“, sagt Karl Heim in „G laube und D enken“, 3. Aufl., S. 20 7 . Dem christlichen Glauben dagegen entspricht ein W eltbild, in dem G ott als Sch öp fer und die W elt sow ie der M ensch als seine G eschöpfe vorau sgesetzt sind. I n

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der Zeit schuf Gott Himmel und E rd e und w ird die Seligen in einer neuen W eltzeit (aioon) vollenden, die Luther „E w igkeit“ heißt. A n­ gesichts dieser durch V ergangenheit und Zukunft zeitlich bestimmten W elt ist eine unendliche ohne Gott oder eine mit ihm gleichgesetzte ausgeschlossen.

Für die apologetische Betrachtung ist es bedeutsam , daß der G e­ danke von der Ew igkeit oder Unendlichkeit der W e lt heutiger N atur­ w issenschaft selbst fraglich gew orden ist. W enn w ir hören, daß einem E i n s t e i n , P. J o r d a n , W e i z s ä c k e r das W eltall zw ar als g ren ­ zenlos, aber endlich im Sinne einer Kugel erscheint, so ist das zw ar noch kein direkter B ew eis für die christliche Anschauung von der W elt, zumal ja in ihr „endlich“ noch etw as anderes bedeutet — nämlich: sündig — als dort. A ber so viel läßt sich doch w ohl schon sagen, daß „Unendlichkeit deir W e lt“ , auf w elchen B eg riff Jahrhunderte stolz w aren und den man gern der Bibel gegenüberstellte, höchstens ein G renzbegriff des menschlichen Denkens, also eine menschliche Setzung ist, die besagt, daß sich der menschliche V erstand A nfang und Ende nicht vorstellen kann. Daß das Denken darüber in unvermeidliche W idersprüche führt, hat schon Kant in der „Transzendentalen D ia­ lektik der reinen V ernu nft“ gelehrt.

2.) Ist die W elt endlich, so muß sie w ie alle endlichen Dinge, zumal w enn sie die G estalt einer Kugel haben sollte, einen M ittelpunkt besitzen. D as biblische W eltbild behauptet: D i e E r d e ' i s t d e r M i t t e l p u n k t de j r W e l t . Die B estreitu ng dieses S a tz es hängt ganz eng mit der Annahm e einer unendlichen W elt zusammen, in w elcher unsere E rd e zum unbedeutenden Punkt im All herabsinkt. S o kann man fragen, w arum Gott, der immer rätselh after w ird, geradje diesen Stern unter M illionen mit seinem E rh altu n g s- und E rlösu ngs­ willen besonders auszeichne. Tatsächlich hat das W eltbild der m oder­ nen Astronom ie, g eg e den W illen seiner D enker, bei vielen den Glauben erschü ttert, nachdem das alte sich als unhaltbar erw iesen hatte, das aber, w ie gesagt, den V orzug hat, gegen die Transzendenz offener zu sein. W elches ist nun das Anliegen der B ibel, w enn sie die Erde v or allen Stern en , sogar noch vor der So n n e auszeichnet? M ag sie nach den Berechnungen der A stronom ie ein w inziger Punkt im All sein, so ist sie auf jed en Fall q u a l i t a t i v der M ittelpunkt, weil es auf ihr Leben und M enschen gibt. Den naheliegenden vorw itzigen, durch keine Beobachtungen bis jetzt begründeten Einw and, ob nicht doch außer der Erde so etw as möglich sei, hat die W issen sch aft bis jetzt mit Nein beantw ortet. S ie bestätigt, nicht bew eist an dieser Stelle die christliche G laubensaussage von der Einzigartigkeit unserer Erde, w enn sie meint, nur deren klim atische und atm osphärische Situation erm öglichte die Existenz organischen und menschlichen Lebens. Der englische A stronom W allace meinte, bestim m te Sternstrahlungen b e­ w irken dies. Zugleich v ertrat er die Annahme, unser Sonnensystem sei der M ittelpunkt der m ittleren E bene des M ilchstraßenw eges. W issen ­ schaft und Glauben scheinen also darin einig zu sein, daß unsere Erde etw as B esond eres ist. Hat sie doch den Raum zur Entstehung und Schöpfung des M enschen abgegeben.

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3.) In der Bibel gilt der S a tz : D e r M e n s c h i s t v o n G o t t

al s di e K r o n e d e r s i c h t b a r e n W e l t n a c h s e i n e m B i l d e

g e s c h a f f e n . W esensm äßig steht e r also im M ittelpunkt der ir­ dischen Schöpfung, die wiederum die M itte der endlichen W elt im eben bezeichneten Sinne ist. Nach dem Schöpfungsbericht ist ihm die H errschaft über die K reatur zugestanden. E r ist darum mit m o­ ralischer V erantw ortung und mit G eist begabt, der ihm von Gott b e­ zeichnenderw eise nicht einfach durch das: E s w erde! (Jehi) gegeben, sondern von Ihm selbst eingehaucht w urde. Eine besondere Form der G eschöpf lieh keit, V erantw ortlichkeit und G eist gehören darum beim M enschen zusammen.

Eine einflußreiche Richtung in der N aturw issenschaft des 19. Ja h r­ hunderts beschrieb unter dem Einfluß des G edankens vom W alten 4 er blinden G esetzm äßigkeit, w ie ihn das m echanische W eltbild des 17. und 18. Jahrhunderts nahelegte, den M enschen als die bis jetz t oberste Sp rosse eines durch den Kam pf ums D asein sich ausbildenden Stam m ­ baumes, der seine W u rzeln im Tierreich hat. Da die W e lt vielen N atur­ w issenschaftlern bereits damals schon als Gebilde galt, das auch ohne Gott zu erklären ist (Laplace zu Napoleon: „ W ir können auch ohne ihn auskom m en“ , als dieser ihn auf die Ordnung und angebliche H ar­ monie in der Natur hinwies), brauchten nur noch das M enschliche und der Geist anders bestim m t zu w erden. M an führte ihn auf körperliche Bedingtheiten (Zw ang zum aufrechten Gang, Ausbildung des Gehirns) zurück, das sittliche Gefühl auf G efühlsreaktionen, die sich sozial aus­ w irken, w enn sie auf einer bestim m ten Stu fe der Entw icklung aus dem Zw ang der Ereignisse sich notw endig ergeben. D er M ensch ist dann nicht m ehr die K rone der lebenden W esen , sondern nur eine Stu fe in einer Linie, die grundsätzlich, w ie alles G eschehen in der großen Welti, bis ins Unendliche sich fortsetzt. —

W ir w ollen an dieser Stelle nicht, w ie es in der gew öhnlichen Apologetik geschieht, auf die offenen Fragen und Lücken dieses System s hinw eisen, das übrigens in der skizzierten Form heute nur noch von wenigen N aturw issenschaftlern verteidigt w ird, sondern lediglich die F ra g e stellen, ob in diesem oder dem biblischen W eltbild d as be­ sondere Sein des M enschen besser g ew ah rt ist. E rst so befinden w ir uns auf der H öhe m oderner Diskussion. V or w enigen Jahrzehnten m einten viele, die naturalistische Deutung des M enschen tra g e seiner W ürde m ehr Rechnung, weil sie ihn von unw ürdigen religiösen Fesseln löse. Die Erfahrung zw eier W eltk rieg e mit ihrem Nachspiel zeigte je ­ doch, daß der von Gott g elöste M ensch nicht nur seine religiöse, son ­ dern jede echte V erantw ortu ng verliert und dadurch zu den größten T aten und Untaten fähig ist, w enn sie ihm zw eckm äßig erscheinen oder eine irdische Stelle sie befiehlt. W ir sahen bereits, daß in einer un­ endlichen Reihe, in w elcher jedes Glied letztlich bedeutungslos wird, der Gedanke einer echten, höheren V erantw ortlichkeit notw endig e r ­ sterben muß. Heute rufen w ir darum, o ft ein w enig zu jäh und v e r­ zw eifelt, nach „Humanismus“ und verstehen darunter die Forderung nach g rö ß erer Berücksichtigung des M enschlichen. W ir ahnen, daß zw ischen der Tötung G ottes und der Tötung des M enschen ein innerer

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Zusam m enhang besteht. D as Preisgeben des christlichen M enschen­ bildes führte nicht zur Befreiung, sondern zur gegenseitigen V ernich­ tung und unterm enschlicher, vorchristlicher B arbarei.

Genügt dieser „existentielle“ H inw eis? W enn w ir vom beson- d em Sein und der Situation des M enschen ausgehen, dürfte sich viel­ leicht die W ah rh eit des darüber und darunter Stehenden erschließen. V on der theologischen Betrachtung, die uns die Im ago-D ei-B eschaffenheit des M enschen als unter Gnade, Bew ahru ng, Erlösung und Gericht G ottes stehend beschreibt, dürfte allerdings besseres und klareres Licht auf den M enschen, seine besondere Art, seine Stellung und Aufgaben unter Seinesgleichen und im Kosm os fallen. D er M ensch w ird von G ott erkannt, w ie erst dann G ott von den M enschen erkannt wird. Ein V orzu g der christlichen A nthropologie ist es, daß sie den ersten S atz nicht vergißt. D as ist zugleich ihr apologetischer B eitrag zu der uns heute so bew egenden F ra g e nach dem M enschen und dem M ensch­ lichen.

4.) W enn w ir e s jetz t w agen, A ussagen über eine W elt w ied er­ zugeben, die dem gew öhnlichen Erkennen verschlossen ist, so ist das auch nur immer unter Beziehung auf bestim m te M enschen und solche Situationen, nicht an sich möglich. W ir erkennen Gott nur sicut est pro nobis, sagt Luther. D i e B i b e l r e c h n e t i m m e r u n d v o n v o r n h e r e i n m i t ü b e r s i n n l i c h e n E r s c h e i n u n g e n , m i t „ G e s i c h t e r n “ , m i t b ö s e n u n d g u t e n G e i s t e r n , m i t E n ­ g e l n , d i e i n d a s L e b e n u n s e r e r W e l t d a u e r n d e i n g r e i ­ f e n. Die guten Engel leisten w ichtige M ittlerdienste zw ischen Gott und W elt, w ährend die bösen verhängnisvoll w irken. Nähert sich G ott in besonderer W eise, sind Engel zugegen: Im Alten T e sta ­ ment begegnen sie uns oft, im Neuen T estam ent leisten sie Christus nach der V ersuchung in der W ü ste, später im G arten Gethsem ane Beistand, sind bei seiner A uferstehung und Himmelfahrt da, um die Jünger zu belehren, w as sie in der Apostelzeit fortsetzen.

Für den A nfänger eines W eltbildes, der nur mit dem ew igen „un­ verbrüchlichen N aturgesetz“, nicht mit der O ffenbarung des persön­ lichen G ottes rechnet oder für den sich Gott ins Unendliche und darum Unverbindliche verflüchtigt hat, sind solche B erichte nichts anderes als Legenden, Ergebnis von Sinnestäuschungen, übertriebene B erich t­ erstattung aus mangelnder Einsicht in die w irklichen Zusam m enhänge, im besten Fall subjektive Visionen. Bezeichnend ist, daß die erste einigerm aßen geschlossene Bibelkritik dieser A rt von dem pantheisti- schen Philosophen S p i n o z a im „Theologisch-politischen T ra k ta t“ 1670 vorliegt. E r setzte noch natürliches, vernünftiges und göttliches E r ­ kennen gleich. 2 0 0 Jah re später ließ man nur noch die Gleichung V ernünftiges-N atürliches Erkennen im Sinne der Innerw eltlichkeit g el­ ten. Auch D i 11 h e y und T r ö 11 s c h teilten trotz geistesgeschichtlicher

V ertiefung diesen Standpunkt. Alles Übersinnliche und Ü bernatürliche führte man auf natürliche Bedingtheiten zurück, w obei hinter diesem ein U nbekanntes, aber für die V ernunft unverbindliches W esen stehen bleiben mag, das man „G ott“ nennen mag. Als natu r- oder g eistes­ w issenschaftlicher Positivism us w ar diese Haltung bei vielen V ertre­

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tern um die Jahrhundertw ende vorhanden. Heute beherrscht sie immer noch das Denken G ebildeter, besonders aber H albgebildeter und U n­ gebildeter.

Auch in dieser Beziehung hat sich gew iß in unserer G eneration infolge des Erlebens der beiden W eltk rieg e manches geändert. Nicht nur die w achsende Zahl der Spiritisten und auch A nthroposophen b e­ w eist mindestens die Sehnsucht nach dem Geheimnisvollen. V ielfach ist es aber bei ihnen nur ein verlängertes D iesseits, w as sie begehren. A ber mit Recht machen sie uns darauf aufmerksam, daß unser g e­ w öhnlicher B eg riff von W irklichkeit zu eng ist. W enn w ir für das Übersinnliche so w enig V erständnis haben, sollte man nicht auf das Nichtvorhandensein solcher Dinge, sondern auf die Verküm m erung en t­ sprechender A ufnahm eorgane schließen. Freilich meint die Bibel im G egensatz zu den Anthroposophen, solche könnten w ir nicht selbst entw ickeln, sondern sie müßten uns von Gott verliehen w erden. Schon im 19. Jahrhundert hätte ein B l u m h a r d t lehren können, daß die W elt der bösen Geister eine R ealität ist, die allerdings durch das A n­ rufen des Namens Christi und das G laubensgebet überw unden werden kann. E r galt seiner Zeit w ohl als „m ystischer“ Außenseiter. G röße­ res Aufsehen erregten die V isionen und Prophezeiungen eines S w e ­ d e n b o r g im 18. Jahrhundert bei Gläubigen und Ungläubigen. Eine T h erese Neumann stellt u nsere Zeit vor die F rag e, ob die innerw elt­ liche Betrachtung ausreicht. W i n n i g berichtet von w underbaren Führungen und Ereignissen in seinem Leben. Damit stehen w ir zw ar nicht schon immer in der W elt der Bibel, w ohl aber o ft im V orhof des G ottes, der sich in unserer menschlichen W elt kundgetan hat, w as oft nur dadurch geschieht, daß er unseren B eg riff von W irklichkeit und N aturgesetz sprengt.

5.) Damit ist eine w eitere A ussage gegeben: G o t t g r e i f t s e l b s t o d e r d u r c h s e i n e b e g n a d e t e n O r g a n e i n d i e N a ­ t u r , d a s M e n s c h e n l e b e n u n d iu n s e r e i g e n e s L e b e n e i n , a u c h i n d e r W e i s e , d a ß e s u n s w i d e r d i e g e w ö h n l i c h e N a t u r z u s e i n s c h e i n t . In diesem Fall sprechen w ir von Zeichen und W u n d e r n , die in Gnadenzeiten besonders häufig sind. Die Bibel und K irchengeschichte ist voller Beispiele, die im einzelnen und in ihrer verschiedenen A rt hier nicht skizziert w erden können.

Dem m echanistischen W eltbild der unendlichen Reihen w iderspricht dies in hohem M aße. Die Sicherheit im Ablauf des so vorgestellten Geschehens besteht ja darin, daß die gesetzm äßige, „unverbrüchliche“ Kausalität ihn verbürgt. G ott, sofern er als „Idee“ , „U rgrund“ oder auch als U rheber noch anerkannt wird, ist w eitgehend oder ganz mit dem unendlichen Geschehen gleichgesetzt. D ieser „K ausalitätsfetisch“ ist der K onkurrent, der Gegenspieler des persönlichen Gottes (Heim). Hinter seiner Satzung steht ein existentielles A nliegen (im einzelnen siehe meine Studie „W ah rh eit als Entscheidung“ S . 3 9 ff.). Hinter der W underleugnung steht ein W eltbild, das die M acht und O ffenbarung G ottes i n Natur und G eschichte bestreitet.

Auch an dieser Stelle kann man sagen, daß die m o d e r n s t e N aturw issenschaft, ohne ursprünglich diese Absicht zu haben, dem

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christlichen Glauben entgegenkommt. Die absolute, strenge Fassung des K ausalitätsgedankens ist in der Q u a n t e n t h e o r i e P l a n c k s grundsätzlich bestritten. D er alte Planck hat sich w iederholt gegen das positivistische W eltbild öffentlich geäußert und bekennt sich auch als W issenschaftler zum G ottesglauben, genauer: E r hält den Glauben an den persönlichen Gott mit den E rgebnissen seiner W issenschaft für möglich. S o sind die Beziehungen zw ischen ihr und dem christlichen Glauben im ganzen entspannter und besser gew orden, als sie vor einem M enschenalter w aren. A ber auch hier bleibt zu sagen, daß der persönliche Gott der Bibel, der sich in Zeichen und W undern kund­ tut, und der natürliche Gott, den die W issenschaft für möglich hält, ja als sinnvollen Abschluß ihrer Erkenntnisse betrachten kann, doch w ohl V erschiedenes sind. Doch ist das „G espräch“ zw ischen T h e o ­ logen und N aturw issenschaftlern noch nicht abgeschlossen.

6.) Der bekannte G reifsw alder T heologe C r e m e r sag te einm al: Ohne das W o rt Himmel könne das Christentum kaum das sagen, w as es bietet und fordert (R. E ., 1900). D i e B i b e l l e h r t , ü b e r a l l e m i r d i s c h e n G e s c h e h e n s t e h t G o t t i m H i m m e l , d e r e i n ­ m a l s e i n e n e u e S c h ö p f u n g i n e i n e n N e u e n H i m m e l u n d e i n e r N e u e n E r d e v o l l e n d e n w i r d ( O f f b . 2 1 ) . S ie spricht in m ehrfacher W eise vom Himmel. W enn w ir absehen von dem Himmel der W olken und G estirne, den sie natürlich auch kennt, und dem Zw ischenzustand, in dem sich die gläubig oder ungläubig V e r­ storbenen befinden, von welchem aber nur an w enigen Stellen die Rede ist, so ist ihr Himmel zunächst einmal im Anschluß an das d rei­ stöckige W eltbild die W ohnung und der Thron G ottes, der sich „oben“ über dem astronom ischen Himmel befindet. D aneben gibt es aber Stellen, w elche Gott als Himmel und E rd e umfassend beschreiben, da er allgegenw ärtiger Geist ist. E r verharrt aber nicht in dieser U n­ sichtbarkeit. In Jesus Christus hat sich der Himmel geöffnet, und der Herr hat sich erneut zu seiner Schöpfung bekannt. D as (unsichtbare) W o rt G ottes w urde (sichtbares) Fleisch und ging in dieser W elt der Sünde sogar den W eg zum Kreuz. W ir dürfen aber auf Grund der vollzogenen Erlösung glauben, daß er darum auch am E nde dieser W eltzeit seine Schöpfung nicht preisgibt, sondern in einen neuen Him­ mel und eine neue E rd e umwandelt. Auch diese neue W eltzeit (Ä on = Ew igkeit) kennt eine Zeit und w ohl auch einen Raum. Eine zeitlose und unräumliche E xistenzw eise anzunehmen, entspricht idea- listisch-kritizistischem , wohl auch griechischem , aber nicht biblischem Denken. Es handelt sich um eine uns freilich im einzelnen u nvor­ stellbaren Ü b e r r ä u m l i c h k e i t und V o l l z e i t l i c h k e i t , in w el­ chen die Schranken und Hemmungen, die sich in dieser sündigen W elt­ zeit mit Raum und Zeit unabw endbar verbinden, gefallen sind. W ä h ­ rend für diese Stoß und Druck, Anziehung und Abstoßung, kurz Kampf, der entw eder äußerlich ausgeglichen ist — w ir sprechen dann von „N aturgesetz“ — oder nicht — w ir reden dann von „K atastrop he“ — unvermeidliche M erkm ale sind, wird die „Neue W elt“ G ottes eine solche sein, in der Frieden herrscht, ohne daß es eintönig wird. Sie lobt und dankt Gott (Offb. 7, 9 ff.). In der G estalt des auferstande­

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nen H errn rag t sie schon in unsere W eltzeit hinein. E r ist, w ie die A u ferstehungsberichte zeigen, zw ar für die Jünger, nicht für die „ W e lt“, noch sichtbar, u ntersteht aber schon anderen Raum gesetzen. Christi Auferstehung ist die gew isse B ü rgsch aft für die Teilnahm e der Gläu­ bigen an der Neuen W elt G ottes. Das ist unsere A ntw ort auf die F rag e nach dem „ O rt“ des Himmels und G ottes,

Können w ir das b ew eisen ? In mathem atischem und logischem Sinne wohl nicht! W ohl aber können w ir e s bekennen, nachdem es G ott in und durch Christus uns dargeboten und verkündigt hat, w as w ir im Glauben aufnehmen und als Zeugnis w eitergeben. D as b e­ deutet zugleich, daß w ir die mit oder ohne eigene Schuld Gleich­ gültigen zu diesem Himmelreich einladen sollen. W ir tun es, obw ohl w ir auch heute erst recht auf die A ntw ort gefaßt sind, w elche die zum großen Gastm ahl A ufgeforderten im Gleichnis Lukas 14. dem Herrn geben, daß sie nicht erscheinen können, weil angeblich G eschäfts-, B eru fs- und Familienpflichten sie hindern. Dr. E. Fülling.

Albert Schweitzer und Nathan Soederblom.

In seinem Buch „Aus meinem Leben und D enken“ erzählt A lbert Sch w eitzer: „Einige T a g e vor W eihnachten 1919 erhielt ich von E rz ­ bischof N athan Soederblom eine Einladung, nach O stern 1920 für die O lau s-P etri-Stiftu n g an der U niversität Upsala V orlesungen zu halten. Diese Aufforderung kam mir ganz unerw artet. Die ganze Zeit nach dem K riege hatte ich in meiner Straßbu rg er A bgeschlossenheit das Gefühl eines unter ein M öbel gerollten G roschens gehabt. Als müder, gedrückter, kränkelnder M ann — im Som m er 1919 hatte ich mich einer zw eiten O peration unterziehen müssen — w ar ich nach Schw eden gekommen. In der herrlichen Luft Upsalas und in der guten A tm o­ sphäre des erzbischöflichen Hauses, in dem meine Frau und ich zu G ast w aren, genas ich und w urde w ieder ein arbeitsfroher M ensch.“

E s w ar damals, als Sch w eitzer krank aus der G efangenschaft e n t­ lassen nicht wußte, w ie sein Leben w eitergehen sollte und ob es ihm je einmal möglich w erden sollte, auf dem unter so viel O pfern g e ­ schaffenen Posten in Lam barene w eiterzum achen. Dabei ist Sch w eitzer dam als noch nicht der berühm te M ann gew esen, der er heute ist. Sein „Zw ischen W a sse r und U rw ald“ , dem er vor allem seinen W elt­ ruf verdankt, da es in neun Sprachen durch die W elt geht, w a r noch nicht erschienen. Es ist vielmehr gerad e durch Sch w eitzers V o rträg e über Aufbau und Zerfall seines W erkes in Ä quatorialafrika im Licht der F ra g e „Aufbau und Zerfall der Kultur“, die er in Upsala hielt, auf W unsch der Hörer dieser V o rträg e dort und sonst hin und her pn S ch w e­ den erst zu Stan d e gekommen. M an mußte darum A lbert Schw eitzer damals schon recht genau kennen, wenn man ihm diesen rettenden Liebesdienst tun w ollte, so gut, w ie sich M enschen nur kennen kön­ nen, die sich im Innersten verw andt sind.

M an denkt vielleicht, diese T at Soederblom s sei im Rahmen von dessen großer schw edischer Sam ariterspende für Deutschland geschehen. Gewiß aus dem selben reinen, edlen Bew eggrund. A ber kein M ann

Referências

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