und die niederländische Freigeisterei und bildet sie, überwindend, zur Klarheit.
Gott und M ensch sind bei K olbenheyer nicht geschieden. Nicht Him mel und Erde, sondern das U nbelebte und das Lebendige sind das, w as den G egensatz macht. Im Christentum ist G ott nur e i n m a l M ensch g e w orden: « r selbst, der Schöp fer, w urde zu seinem Geschöpf und befreite d a m i t das Geschöpf zu sich. W a s K olbenheyer zur M ystik und zum Spinozism us zieht, ist der Gott im M enschen, die Identifikation des Güt lichen und des M enschlichen. Im M enschen w ird G ott gleichsam s e i n e r selbst inne und w ird damit — entgottet, w ährend der M ensch vergottet w ird. D as Christentum läßt den M enschen g ott-o ffen sein, Gott kann ihn durch den Heiligen Gesit, das Pneum a hagion, den Spiritus sanctus, e r greifen und treiben, aber nie kann der M ensch w esen h aft G ottes, nie kann der M ensch Gott sein. B ei K olbenheyer ist deus in nato, deus sive natura — Gott d asselbe w ie die Natur, das G ebärende und G eborene, deus sive vita, also: deus sive horno. Die „dunkle Stim m e” (im „ersten Spiel” von „M enschen und G ötter” , 1944) spricht: „Und Glaube wird dem M enschen der M e n s c h .. . In M enschenhände, der Flam m e ein Raub, fallen die G ötter” . Und der „ W an d erer” schließt das Sp iel: „G ötter e r stehen und G ötter veraUen, aber das Leben, dem Lichte gebreitet, ihm stetig gew eitet, nimmer kehrt es zum Ursprung zurück” . D er Spinozis mus w ird ins Biologische geführt. A ber endete das Christentum in der Zelle der heiligen M a rg a rete? Endete es in der stillen Klause des geleh r ten Sp in o za? „ E s” w irkt fort. „ S e i Du g etro st: Erblühen heißt e rste rb e n .” Die F rag e bleibt offen. W ed er Schw eigen noch gar Haß darf die A nt w ort des Christen sein — er soll dankbar sein, nicht dem Lum pengesin del, das ihn anbellt, aber dem, der d a noch lauscht, „w o Sein und W e sen nicht an W o rt und W illen brandet” , der „in fürchtgen Händen den Flam m enkelch em pfangen h at.” Immer muß d i e F r a g e offen sein.
D. W. Stapel.
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--B e r i c h t e
Wo steht die evangelische Theologie heute?
Eine Betrachtung von Prof. D. Paul Althaus, Erlangen.
(Ev. Pressedient vom 14. Juni 1950).
Sollen w ir auf diese F ra g e kurz antw orten, dann erscheint es zweckm äßig, auf das letzte halbe Jahrhundert zurückzublicken. Nicht, nur in Politik und W irtsch aft, sondern auch im geistigen Leben — und hier auch in der Theologie — sind die letzten fünfzig Jah re voll m ächtiger B ew egu ng und G egenbew egung gew esen. W o stand die T heologie um das Jah r 1 9 0 0 ? Durch den V ergleich der L age um 1 9 5 0 und um 1900 w ird erst ganz klar w erden, w o die evangelische Theologie heute steht.
L IB E R A L IS M U S V O R FÜN FZIG JAHREN
Im Ja h re 1900 gab der B erliner T heologe A d o l f v o n H a r - n a c k sein berühm tes Buch über das „W ese n des Christentums“ h er aus. E s w a r das bedeutendste W o rt des sogenannten t h e o l o g i s c h e n L i b e r a l i s m u s . H arnack w ollte das Evangelium Jesu h er auslösen aus der Sch ale dessen, w as man das „D ogm a“ nannte, der kirchlichen L eh re von Jesu G ottheit und von der Erlösung durch sei nen sühnenden Kreuzestod und seine A uferstehung. D iese Dogmen gingen, nach dieser Auffassung, auf den A postel Paulus zurück und w aren dann in einer langen G eschichte von der K irche ausgebaut w orden. Die sogenannten „M odernen“ , vor allem die Gebildeten, emp fanden dam als w eithin die christlichen D ogm en als eine M auer, die sie von Jesus trennte, die ihnen das Christsein, jedenfalls die Z u ge hörigkeit zur Kirche schw er, ja unmöglich m achte. Ihnen schien es befreiend, daß ein großer T h eologe von dem R an ge H arnacks e r k lärte: das Evangelium ist v i e l e i n f a c h e r als die Kirche es w ah r haben w ollte! Jesus selbst hat den M enschen gar keine Lehre über sich selbst und seinen Sühnetod zugem utet. E r spricht in seinem E v an gelium überhaupt nicht von sich selbst, sondern von dem V a t e r im Himmel, der unser Leben väterlich leitet. V on dem unendlichen W ert der M enschenseele, von der G otteskindschaft, von der Liebe zuein ander. D as ist alles, und das ist genug. Alles andere, also die Lehre über Christus, w ie Paulus sie begonnen hat, ist etw as Sekundäres im Christentum, im besten F alle kann sie ein W e g zu Christus sein — aber die eigentliche erlösende W ah rh eit ist sie nicht. D iese besteht in den ganz einfachen Gedanken der P red igt Jesu.
Damit w urde H arnack für U nzählige der W o rtfü h rer eines „undog m atischen Christentum s.” Jesu s sollte dabei freilich eine hohe B e deutung behalten: durch seine Persönlichkeit m acht e r uns das, w as er vom V ater und vom ew igen Leben der S eele verkündigt, erst recht gew iß. E r ist gleichsam der W e g zum V ater.
W e r w ollte leugnen, daß Harnack vielen M enschen die Predigt Jesu neu nahegebracht h a t? A ber — das ist eben so sicher — der Glaube der christlichen K irche w ar es nicht, w as er als „W esen des C hristentum s” lehrte.
D IE R ELIG IO N SG ESCH ICH TLIC H E SC H U LE
V iele andere liberale Theologen gingen noch w eiter als Harnack. Bald nach 1900 stand die sogenannte „religionsgeschichtliche Schule” der T heologie auf ihrem Höhepunkt. S ie suchte w issenschaftlich zu bew eisen, daß die L eh re von Christus und seinem erlösenden K reuzes tode, also das „D ogm a” , erst von der urchristlichen Gemeinde g e schaffen sei, und zw ar durch Einw irkungen aus der religiösen Um w elt, aus dem Spätjudentum und aus den Kulten der hellenistischen W elt. Jesu B o tsch aft w urde also — so sag te man — mit fremden Gedanken
ü berlagert. Grund genug zu der Losung: z u r ü c k v o n P a u l u s , bei dem das Dogm a anfängt, zu J e s u s !
D er bedeutendste D enker dieser „religionsgeschichtlichen Schule” wurde der aus A ugsburg stammende H eidelberger und später B erliner P ro fesso r E r n s t T r ö l t s c h . E r erklärte: W e r in die große und reiche W elt der außerchristlichen Religion blickt, der kann nicht mehr glauben, daß nur im Christentum Gott sich offen bart hat. Die R eli gionen entw ickeln sich, geschichtlich gesehen, von niederen zu höheren Stufen. S o betrachtet konnte das Christentum nicht mehr, wie man früher g esagt hatte, als die „absolu te” Religion gelten, sondern nur noch als die bisher höchste in der R eih e der Religionen. Ja, Sn seinen letzten Schriften ging T röltsch noch eine Sch ritt w eiter und m einte: zu jeder großen Kultur g ehört eine eigene Religion. Keine von diesen kann also für alle Kulturen die richtige und gültige sein. D as Christentum ist für uns abendländische M enschen verpflichtend als das u n s zugew andte Antlitz G ottes. A ber M enschen anderer hoher Kultur mögen Gott auf andere W eise erleben. E s gibt also m ehrere „höchste” Religionen. D as Evangelium stand nun den R e ligionen nicht mehr g egenüber als G ottes erlösende T a t und W a h r heit für a l l e M enschen. E s w ar „relativ” gew orden. E s stand auch der menschlichen K u l t u r nicht m ehr als das Ü b e r w e l t l i c h e g e genüber, sondern g eh örte einfach zu unserer abendländischen Kultur entw icklung als nur geschichtliche G estalt. D as Kommen des Reiches G ottes nahm man in seinem biblischen S in n e nicht m ehr ern st: es wurde mehr o d er w eniger entschlossen umgedeutet in den Fortschritt der menschlichen Gesittung, an den man innig glaubte.
Nun darf man freilich nicht m einen, daß diese Theologie — die w ir die liberale und religionsgeschichtliche nennen — in dem Ja h r zehnt nach 1900 je in der Kirche und im christlichen G eistesleben überhaupt allein Geltung gehabt hätte. Ihr stand die sogenannte „ p o s i t i v e ” Theologie gegenüber, vertreten durch so große G estalten w ie M artin K ä h l e r in Halle od er Adolf S c h i a t t e r in Tübingen oder Ludw ig I h m e 1 s in Leipzig, den späteren Bischof des Landes Sachsen. D iese M änner und ih re Schü ler w ah rten gegenüber dem theologischen Liberalism us das alte kirchliche V erständnis des Evangelium s, den C hri stusglauben der Bibel. S ie standen gegen den Z eitgeist, mit dem die liberalen Theologen m ehr od er w eniger einen Kompromiß g esch los sen hatten. A ber die Schicht der Intellektuellen in der K irche w urde doch überw iegend von der liberalen T h eologie angezogen und b e stimmt. V o r allem auch im Ausland w irkte von der deutschen T h e o logie am stärksten die Gruppe der Liberalen.
„H IST O R ISC H -K R IT ISC H E ” BIBELFO R SC H U N G
Heute steht es ganz anders. Inzw ischen haben sich erhebliche W andlungen in der evangelischen T heologie vollzogen. E h e w ir davon sprechen, sei eins vorangestellt: nicht alles, w as der theologische L i beralism us g ebracht und vertreten hatte, kann einfach als abgetan
gelten. Keine Epoche in der geistigen G eschichte ist ganz ohne Sinn und W ert. Die liberale Theologie hat einige große V erdienste. S ie hat als erste Ernst damit gem acht, daß aucn die Bibel und die bib lische G eschichte mit den allenthalben üblichen historischen Forschungs m ethoden untersucht w erden müsse, also — w ie der Fachausdruck lautet — „h istorisch-kritisch” .
Diese A rbeit ist für die Christenheit und ihre Stellung im G eistes leben von großer Bedeutung. W ir w issen ja , in w ie hohem M aße in den Religionen auch die P hantasie am W erk e gew esen ist, M ythen gedichtet hat, aus der Erlösungssehnsucht der M enschen iieraus. So kann man verstehen, daß auch den Erzählungen von Jesus gegenüber der Z w eifel laut gew orden ist: ist das alles vielleicht nur eine fromme Dichtung, lauter Legende und M ythus, von M enschen erdacht, aber keine echte geschichtliche W irklichkeit — und daher auch kein göttliches Geschehen in unserer W e lt? W er an Jesus glaubt, der weiß allerdings, daß solche skeptischen Gedanken abw egig sind: er erlebt, w enn er das Neue T estam ent liest, mit überzeugender K raft die geistige Nähe und M ächtigkeit einer w irklichen Person, deren Ausstrahlungen alle neutesta- mentlichen Schriften sind. Und doch ist es auch für uns eine Stärkung, wenn die theologische Forschung an der Bibel mit den strengsten M eth o den zeigen kann, daß Jesus w irklich gelebt hat und daß er in allen
w esentlichen Zügen der w ar, als den ihn die Bibel schildert. Vollends ist das w ichtig für den Kampf des Christentum s mit dem Zeitgeist. E s ist von der W issen sch aft her g esehen einfältig und dilettantisch, w enn heute noch jem and behauptet, man w isse ja garnicht, ob Jesus gelebt_h abe und w er er eigentlich gew esen sei.
Die historische Forschung des Neuen Testam ents ist es aber auch gew esen, die den ersten Anstoß dazu g ab, die liberale Auffassung von Jesus und dem Evangelium zu überw inden. Hier muß man neben anderen den großen Namen von A lbert S c h w e i t z e r nennen. M it anderen zusammen lehrte e r w ieder: Jesus hat g ar nicht nur, w ie H ar- nack w ollte, von G ott und der Seele gesprochen, sondern er hat mit seiner P erson das R e i c h G o t t e s , das Ende der W elt bringen w ollen, die große Entscheidungsstunde. S o rückte man w ieder von dem liberalen Jesusbild ab.
A nderes kam hinzu, um an dem theologischen Liberalism us irre zu machen. D er e r s t e W e l t k r i e g erschü tterte den Glauben E u ropas an die Kultur und an den F ortsch ritt der M enschheit, jetz t bekam man w ieder ein Auge dafür, daß das „Reich G ottes” , wie Jesus es nannte, etw as ganz anderes ist als bloß ethischer und kultureller F ortschritt der M enschheit, nämlich der E i n b r u c h d e r E w i g k e i t in die Zeit, das Gericht d e r E w i g k e i t in die Zeit, das Gericht über alle W elt und ihre G eschichte. In die gleiche Richtung w ies der große dänische D enker aus der ersten H älfte des 19. Jahrhunderts, Sören K i e r k e g a a r d : e r begann erst jetzt, nach dem ersten W eltkrieg in Deutschland stark zu w irken. E r rief mit schneidenden W o rten : fort vom unatürlichen Kompromiß zw ischen Evangelium und W eltg eist;
das Evangelium steht g e g e n den W eltg eist, auch gegen eine in der W elt eingebürgerte Kirche.
II.
W IED ERBESIN N U N G A U F LU TH ER
Entscheidend aber für die W endung in der T heologie wurden zw ei Ereign isse: die W iederbesinnung der evangelischen Theologie auf M a r t i n L u t h e r — und das Aufkommen der sogenannte „dialekti schen Theologie” K a r l B a r t h s und seiner Freunde.
Die evangelischen Theologen haben gew iß auch früher ihren Luther gelesen, vor allem seine d e u t s c h e n Schriften. A ber seine großen l a t e i n i s c h e n Vorlesungen und B ücher w aren allerm eist ein noch -jn g eh obener Sch atz. Luther w urde als unser K irchenvater verehrt. A ber jdje. T iefe und G egenw artsgew alt seiner T heologie w ar von w e nigen erkannt. Jetzt kam die Stunde für sie. D as Lutherbuch des B e r liner Theologen Karl H o l l , unm ittelbar nach dem ersten W eltkrieg erschienen, schlug in allen theologischen L agern mächtig ein. Neben anderen m achte es deutlich, w ie unm ittelbar aktuell Luthers Gedanken für ein am Liberalism us irre g ew ordenes G eschlecht w aren. Seither w erden die Schriften Luthers, und gerad e die schw eren, von den jungen Theologen und P farrern in einem M aße studiert, w ie es vorher wohl noch nie geschah. F ü r die T heologie des 19. Jahrhunderts w ar F r i e d r i c h S c h l e i e r m a c h e r der einflußreichste M ann gew esen. Jetzt tra t Luther an seine Stelle. In einem Zeichen fanden sich die jungen Theologen von rechts und links her zusammen. A lle Schulgegensätze v erloren ih re trennende Bedeutung. Nicht nur auf der „Linken” , auch auf der „R echten” lernte man unter dem Einfluß des L u th e r-S tu diums um. Neben die Losung: „Zurück von S c h l e i e r m a c h e r zu Lu ther!” tra t die andere: „Zurück von der O rthodoxie zu L u th er!” M it der Tiefe seiner T heologie, gew onnen in unm ittelbarer Begegnung mit Gott, rückte er uns n äh er als jed e andere theologische Richtung seit her. Neben und mit ihm w urden die B e k e n n t n i s s c h r i f t e n unse rer K irche neu lebendig. Sie hörten auf, nur Reliquie, ein ehrw ürdiges M useumsstück zu sein. W ir entdeckten ihren theologischen Rang, ihre übersäkulare Gültigkeit aufs neue und richteten unser eigenes Denken
an ihnen aus. .
G O T T E S W O R T IM M IT T E L P U N K T
M it dieser Begegnung von Luther h er verband sich dann seit etw a 1921 die der „ d i a l e k t i s c h e n T h e o l o g i e ” . D er Name is t e*twas unglücklich. E r sagt w enig. W a s man hier eigentlich w ollte, hat einer ih rer W o rtfü h rer, Friedrich G o g a r t e n , so ausgedrückt: „W oru m es uns ging, w a r .. . dem W o rte G o t t e s die ihm gebührende Stellung zurückzugeben und sie ihm in der D urchführung der th eolo gischen A rbeit zu lassen.” Inzw ischen sind auch in dieser Gruppe S p an
nungen und Spaltungen nicht ausgebüeben. A ber an jenem Ziel hat sich nichts geändert. D as Christentum — so schärfte man ein — ist nicht, w ie im Liberalism us, ein Sonderfall m enschlicher Religion, nicht die edelste Blüte menschlichen G eisteslebens, sondern der christliche Glau be und die K irche stammen aus G ottes souveräner T a t der O f f e n b a r u n g . Die Stim m e unserer Innerlichkeit, auch unserer religiösen Innerlichkeit und die Stim m e G ottes sind streng zu unterscheiden. W a s G ott uns sagt, ist etw as ganz anderes als w as w ir selbst uns sagen, von uns aus erkennen können. Die „dialektischen” Theologen sind dann auch bei den R eform atoren in die Sen ule gegangen. S o kommt es, daß die B ew egu ng von Luther her und die dialektische zum Teil in einander geflossen sind. E s gibt beträchtliche U nterschiede und ’S p a n nungen auch innerhalb der gegenw ärtigen Theologie. A ber mir scheint, größer und w eitgreifender ist doch, verglichen mit dem Jah re 1900, die G e m e i n s a m k e i t .
D as Gemeinsame ist w ohl das: die Theologie ist von der Verküm m e rung und V erw eltlichung im theologischen Liberalism us w ieder zu der M itte der B i b e l , zu dem B e k e n n t n i s der K irche hingetührt w o r den, zu der B o tsch aft von der M enschw erdung G ottes in Jesu s C h ri stus, von der V ersöhnung und Erneuerung durch Jesu Tod und Auf erstehung. S ie hat aufs neue erkennen und aussprecaen gelernt, w as e s eigentlicii heißt, daß G o t t G O T T ist; w as der heilige Name Gottes im E rn st bedeutet. Auch für die T heologie gilt ja das W o rt 'der B ibel: „D ie Furcht des H errn ist der W eish eit A nfang” . D ie Theologie hat in den letzten Jahrzehnten — d as dürfen w ir w ohl aussprechen — neu gelernt, w as es heißt, daß auch unser christliches Denken in der Furcht G ottes stehen muß.
Nun könnte m ancher meinen, die heutige B ew egu ng der Theologie sei so etw as w ie „R eaktion” , ein einfaches Zurückgreifen auf die V e r gangenheit vor dem Liberalism us, eine Flucht v or der G egenw artsauf gabe. Daß die G e f a h r an einigen Stellen besteht, kann ich nicht leugnen. M anche glauben, ih re theologische A ufgabe schon erfüllt zu haben, w enn sie alte Form eln und S ä tz e w iederholen. A ber den mei sten von uns ist doch klar, daß w ir mit unserer theologischen A rbeit nicht nur dem W ah rh eitserbe, sondern auch u nserer G e g e n w a r t streng verpflichtet sind. D as letztere hat gerade die liberale Theologie immer betont — und d i e s e n Zug an ihr w ollen w ir auch heute nicht verleugnen. W ir haben uns darum zu mühen, die eine ew ige W ah rh eit in unsere G eistesw elt mit n e u e m W o r t e hineinzuspre chen, als A ntw ort auf u n s e r F ragen, als u n s in unserer G eistes lage betreffend. W ir sollen das Evangelium immer w ieder in eine neue Z eit „ü bersetzen” .
D ER GANZEN KIRCHE V E R P FL IC H T E T
Zu der neuen L age des Christentums gehört n icht-zuletzt: daß die K o n f e s s i o n e n sich heute in einer Intensität b e g e g n e n w ie noch nie in ihrer G eschichte. D as muß auch in der theologischen
A rbeit zum Äusdruck kommen. Die evangelischen und katholischen Theologen sprechen heute mit ganz neuem E rn st m iteinander über die christliche W ah rh eit. W ir hören w ieder aufeinander, überprüfen unser theologisches Bild der anderen Seite, suchen unser V erständnis des Evangelium s angesichts der N achbarkirche neu zu begründen und zu vertiefen. D ie T h eologie blickt stärk e r als seit langem auf das G anze der Kirche Christi und fühlt sich ihm verpflichtet, w ahrlich nicht nur der eigenen „K onfession” .
D as gilt für unser V erhältnis nicht nur zu unseren katholischen M itchristen und theologischen Kollegen, sondern auch zu allen anderen Kirchen. Auch die Theologie w ird heute „ökum enisch” , das heißt: w enn w ir uns über die christliche W ah rh eit besinnen, so sprechen w ir evangelischen Theologen nicht nur m iteinander und mit unseren V ätern, den R eform atoren und so w eiter, sondern auch mit den an deren Kirchen und ihrer T h eologie; lassen uns fragen, stellen G egen fragen; suchen die anderen auf ihrem anderen W e g e zu verstehen, aber auch sie zu w arnen, w o e s nötig scheint. In ailedem muß und will sich auch die Theologie trotz aller konfessionellen Spaltung zur E i n h e i t d e r K i r c h e C h r i s t i bekennen, und sie will dieser Einheit dienen. W ir tragen auch als Theologen V erantw ortung für die g a n z e Kirche. Damit ist der T h eologie d er G egenw art eine neue, große, ‘schöne A ufgabe gestellt.