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Das Perpetuum mobile, ein Sinnbild abendländischen Menschentums

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Academic year: 2021

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Fleiss unser Heim schaffen. Auch dieses Heim ist eine Gottesgabe. W ir sollten nur nicht vergessen, dass es ein zeitliches Heim ist, aus dem wir bald wieder fort müssen. Und wo ist dann unsere Heimat? Das Geschenk der hiesigen Heim at und die Sorge um sie sollen uns nicht zum Götzen werden. Bei dem vielen Schweiss, den wir bei der Arbeit um sie vergiessen, ist die Gefahr der Ver­ götzung gross. Jesu Heimatlosigkeit soll uns aber im m er ein M ahn­ zeichen sein, dam it wir in der Sorge um das zeitliche Heim niem als die ewige Heimat, zu der uns der Herr gerufen hat, vergessen oder geringachten.

So will ich zwar nun treiben mein Leben durch die Welt, Doch denk ich nicht zu bleiben in diesem frem den Zelt. Ich wandre meine Strasse, die zu der Heim at führt. Da m ich ohn alle Massen mein Vater trösten wird. Mein Heim at ist dort oben, da aller Engel Schar Den grossen H errscher loben, der alles ganz und gar In seinen Händen träget und für und für erhält, Auch alles hebt und leget, nachdem ’s ihm wohlgefällt. So hat unser K irchenlieddichter Paul G erhardt es gehalten. Und so wollen wir es auch halten. G ott gebe es! Amen.

Diese Predigt wurde von Am tsbruder Helbert M ichel in Salgado Filho, P aran a gehalten.

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Das Perpetuum mobile, ein Sinnbild

abendländischen Menschentums

Von Donald B rinkm ann

Bei den m eisten Lesern dürfte schon der Titel dieser B etrach­ tung einen befrem dlichen Eindruck erwecken. Mit Recht gilt das Perpetuum mobile als ein naturw issenschaftlich-technisches Pro­ blem oder, besser gesagt, als ein Scheinproblem, das längst da­ durch gelöst wurde, dass m an seine prinzipielle Unmöglichkeit vor m ehr als hundert Jahren klar erkannt hat. Gewiss hindert diese Tatsache nicht daran, dass auch in unserer Zeit M enschen Zeit und Geld an die K onstruktion eines Perpetuum mobile ver­ schwenden. Wer aber heute ernsthaft behaupten wollte, dem Ge­ heim nis des Perpetuum mobile auf der Spur zu sein, kann doch wohl nur für einen N arren oder einen Scharlatan gelten!

Falls wir nicht selbst zu dieser Klasse von M enschen gezählt zu werden wünschen, uns auch keinen schlechten Scherz leisten wollen, sondern der Frage des Perpetuum mobile unser wissen­ schaftliches Interesse zuzuwenden gedenken, so dürfe m an also bestenfalls einen m ehr oder weniger kuriosen Beitrag zur Psycho­ pathologie erwarten, einen Abschnitt aus dem unerschöpflichen

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Kapitel jener fixen Ideen, die das Denken, Fühlen und Wollen des m odernen M enschen trotz aller A ufklärung im m er wieder irreleiten und trüben. Das Ziel unserer Erkenntnisbem ühungen liegt aber in einer ganz anderen Richtung. Wir wollen weder auf dem Gebiet der N aturwissenschaft dilettieren, noch einen psycho- pathologischen Beitrag liefern. W enn wir hier vom Perpetuum mobile als einem Symbol abendländischen M enschentum s spre­ chen, so denken wir an die merkwürdige Tatsache, dass die unab­ lässigen Bem ühungen, eine solche V orrichtung zu konstruieren, die M enschheitsgeschichte seit Jahrhunderten erfüllen, ferner dass das Perpetuum mobile ein spezifisch abendländisches Problem zu sein scheint und dass schliesslich diese Frage erst an einem ganz bestim m ten Zeitpunkt im abendländischen Geistesleben auftaucht, um von da an nicht m ehr zur Ruhe zu kommen. Im Rahm en einer auf die grundsätzlichen Fragen unseres technischen Zeitalters ge­ richteten B etrachtung schien es daher reizvoll und wichtig, diesen Fragen etwas genauer nachzugehen und die rätselhaften H inter­ gründe ein wenig zu erhellen. Was die A ktualität und Bedeutsam ­ keit der Fragestellung anbelangt, so können wir uns auf das Urteil des bekannten am erikanischen Soziologen S tuart Chase berufen. In seinem kürzlich erschienenen Buch „The proper study of m an­ kind. An inquiry into the science of hum an relation“ (1948). deut­ sche Übersetzung unter dem Titel „Die W issenschaft vom Men­ schen“, Wien 1951, em pfiehlt der Autor allen Sozialreformen, sich m it der Frage des Perpetuum mobile gründlich zu beschäftigen. U nter der Überschrift „Reform der Reform atoren“ sagt er: „Viel­ leicht besteht die erste Aufgabe für wissenschaftliche Sozial­ reform er (die ohne eigennützige Motive ehrlich wünschen, dass eine Besserung der Verhältnisse eintrete) darin, die Geschichte des Perpetuum mobile zu studieren“. Dieser Forderung steht aller­ dings die Tatsache hindernd im Weg, dass es bis heute noch keine zusam m enfassende D arstellung gibt, die solchen Anforderungen genügt.

Einer geheimnisvollen Tiefe des m enschlichen Geistes ent­ springend, h at die Idee des Perpetuum mobile jahrhundertelang nicht nur Narren und Scharlatane beschäftigt, sondern die hervor­ ragendsten Köpfe, Philosophen, Gelehrte und K ünstler von Rang fasziniert. Eine lückenlose K ette der verschiedenartigsten Versuche breitet sich vor unserem Blick aus, die alle das gem einsam haben, dass sie nicht zum Ziele führten. Aber die M enschen lassen sich offenbar auch in diesem Falle durch die unzähligen Misserfolge nicht überzeugen. Im m er neue A nstrengungen wurden unternom ­ men, im m er kühnere Hoffnungen genährt: Der Glaube an das Perpetuum mobile erwies sich m ächtiger als alles kritische Wissen. Diese historische Tatsache lässt sich nicht einfach dam it abtun, dass m an das Perpetuum mobile für einen Unsinn erklärt. Selbst wenn dem so wäre, so bliebe doch die Frage offen, w arum gerade dieser Unsinn w ährend Jahrhunderten eine so unvergleiche An­ ziehungskraft auf den menschlichen Geist auszuüben vermochte

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und nicht irgend eine andere Idee. Hier liegt offenbar der Kern des Problems. Geheimnisvoll dunkle Bezirke der m enschlichen Seele werden berührt, die wir zunächst m ehr ahnen, als erkennen können, überraschende Perspektiven eröffnen sich, die weit über eine kuriose Einzelerschinung aus der Geschichte der Naturwissen­ schaft und Technik hinausweisen. Sollte vielleicht doch in dem unsinnigen Bemühen, ein Perpetuum mobile zu konstruieren, ein tiefer Sinn verborgen liegen?

Was bedeutet es, wenn der Mensch als endliches Wesen eine Maschine bauen will, die sich von selbst und in alle Ewigkeit bewegt? Wir wollen hier nur einm al diese Frage aufwerfen, ohne sie zu beantworten. W ir fragen weiter: Liegt nicht vielleicht in den unentw egten Bem ühungen um das Perpetuum mobile ein ähnliches Motiv verborgen wie in den dunklen Praktiken der Al­ chem isten, den „Stein der W eisen“ aus den irdischen Substanzen zu destillieren? Die alchem ischen Adepten suchten sich in den kosmischen Schöpfungsprozess einzuschalten und durch Umwald- lung, besser gesagt, Läuterung der Elemente die unvollkommene Schöpfung der Welt zu vollenden. Zugleich aber wollten sie die sünd- und schuldhafte Seele des M enschen einer überm enschlichen Vollkommenheit entgegenführen und dam it die menschliche Sehn­ sucht nach Harmonie und Einheit m it dem Absoluten erfüllen. Goethe h at diesen psychologischen H intergrund der Alchemie deutlich erkannt, wenn er in den „M aterialien zur Geschichte der Farbenlehre“ schreibt: „Hat m an jene drei erhabenen, unter­ einander in innigstem Bezug stehenden Ideen. Gott, Tugend und Unsterblichkeit, die höchsten Forderungen der V ernunft genannt, so gibt es offenbar drei ihnen entsprechende Forderungen der höheren Sinnlichkeit. Gold, G esundheit und langes Leben. Gold ist so unbedingt m ächtig auf der Erde, wie wir uns G ott im W eltall denken. Gesundheit und Tauglichkeit fallen zusammen. W ir wünschen den gesunden Geist in einem gesunden Körper. Und das lange Leben tritt an die Stelle der Unsterblichkeit. W enn es nun edel ist, jene drei hohen Ideen in sich zu erregen und für die Ewigkeit zu kultivieren, so wäre es doch auch gar zu wünschens­ wert, sich ihrer irdischen R epräsentanten für die Zeit zu bem äch­ tigen. Ja, diese W ünsche müssen leidenschaftlich in der m ensch­ lichen Seele gleichsam wüten und können nur durch die höchste Bildung ins Gleichgewicht gebracht werden“.

Heute fassen wir die Alchemie nicht m ehr bloss als eine längst überwundene Vorstufe der exakten chem ischen W issenschaft und Technik auf. Aus sich selbst heraus suchen wir sie zu verstehen. W ir erkennen die seelischen Antriebe wieder, die in der alchemisti- schen Symbolik ihren adäquaten Ausdruck gefunden haben, seeli­ sche Antriebe, deren Ursprung in einer religiös-m etaphysichen G laubenshaltung liegt und die sich in ständig wechselnder Mas­ kierung bis auf den heutigen Tag verfolgen lassen. Honoré de Balzac hat in seinem grossartigen Rom an „La recherche de l’absolu“ (1834) wohl zum ersten Mal — wenn m an von Goethes

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Faust absieht — in diese seelischen H intergründe der Alchemie hineingeleuchtet. B althasar Claes, der tragische Held der Erzäh­ lung, opfert sein Leben und Vermögen der Aufgabe, aus unedlen Stoffen Gold zu gewinnen. Dabei leitet ihn aber nicht so sehr die Gier nach Reichtum oder ein Wille zur M acht, als vielmehr die unstillbare Sehnsucht, das Absolute, Göttliche selbst zu zwingen, sich dem M enschengeist zu offenbaren. Es bleibt das grosse Ver­ dienst des Schweizer Psychologen Carl Gustav Jung, in der Nach­ folge des Am erikaners E. A. Hitchkock und des W iener Psycho­ analytikers H. Silberer, diese Wesenszüge der Alchemie deutlich erkannt und zum Verständnis der seelischen Konflikte des m oder­ nen M enschen herangezogen zu haben. In seinen Schriften hat C. G. Jung auch die Frage des Perpetuum mobile gelegentlich berührt, ohne ihr allerdings eine eingehendere U ntersuchung zu widmen. Viel bleibt hier für die Forschung zu tun. Eine w ahrhafte T erra incognita, ein unerschlossener K ontinent der menschlichen Seele breitet sich vor unseren Blicken aus. Es könnte sich daher wohl lohnen, einige Vorstösse in dieses Neuland zu unternehm en. Mehr als skizzenhafte A ndeutungen einiger vorläufiger Ergebnisse dürfen aber in diesem Zusam m enhang nicht erw artet werden.

Das geschichtliche M aterial zum Problem des Perpetuum mobile ist unübersehbar gross. In bezug auf Reichhaltigkeit und Vielfalt übertrifft es verm utlich sogar noch die alchem istische Li­ teratur. Eine vollständige Sam m lung aller Projekte und theoreti­ schen A bhandlungen würde eine Bibliothek m it H underten, wenn nicht gar Tausenden von Bänden füllen. Ohne Schwierigkeit liesse sich auch ein M useum m it all jenen A pparaten und M aschinen füllen, die im Laufe der Jahrhunderte konstruiert wurden, um das Perpetuum mobile zu verwirklichen. Die verschiedenartigsten Spe­ zialdisziplinen naturw issenschaftlicher, technischer und geschicht­ licher Erkenntnis m üsste m an beherrschen, um all die Dokum ente m enschlich-allzum enschlicher Hoffnungen und Enttäuschungen zusam m enzutragen und zu ordnen. Von zentraler Bedeutung bleibt aber die Frage nach den seelischen H intergründen, ohne die das vielfältige M aterial nu r eine zusam m enhanglose Masse von Ein­ zeltatsachen bleibt.

W enden wir uns dem Begriff des Perpetuum mobile zu. Im w örtlichen Sinne haben wir unter diesem Ausdruck etwas zu ver­ stehen, das sich fortdauernd, ewig bewegt. Dam it wurde aber der entscheidende Wesenszug des Perpetuum mobile noch nicht deut­ lich hervorgehoben. Mit der Idee ewiger Bewegung verbindet sich näm lich die Vorstellung, dass es sich um eine künstliche, vom M enschen geschaffene Vorrichtung handelt, die, einm al in Gang gesetzt, unaufhörlich weitergeht. Ein solches Perpetuum mobile soll aber womöglich nicht nur ewig gehen, es soll dabei auch noch nützliche Arbeit leisten, Gewichte heben, Rollen und Räder trei­ ben usw.

Diese Begriffsbestim m ung steht offensichtlich im W iderspruch m it den Auffasungen der exakten N aturwissenschaft. Seit hundert

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Jahren gehört es zu den axiom atischen Voraussetzungen der phy­ sikalischen Erkenntnis, dass ein A pparat oder eine Maschine nach Art des Perpetuum mobile unm öglich ist. Alle V orrichtungen kön­ nen nur Energie von einer Erscheinungsform in eine andere um ­ wandeln. Der nach dem Gsetz der E rhaltung der Energie theo­ retisch denkbare W irkungsgrad von 100% lässt sich in der prak­ tischen W irklichkeit nie erreichen, da stets ein Teil der zugeführ­ ten Energie als Reibung im endlich geschlossenen Kreisprozess ausscheidet. Aber nicht einm al eine restlose Um wandlung, zum Beispiel einer bestim m ten W ärmemenge in m echanische Arbeit ist trotz der Äquivalenzbeziehung zwischen therm ischer und m echa­ nischer Energie möglich. Der Umwandlung sind sehr enge n atü r­ liche Grenzen gesetzt, die durch keinerlei V orrichtungen über­ schritten werden können. Nach dem Entropieprinzip von Rudolf Clausius ist stets ein Gefälle der W ärm eintensität (Tem peratur) notwendig, allgemein gesagt, eine Potentialdifferenz, dam it sich eine Um wandlung der Energie vollziehen kann. Um dieses Gefälle, diese Niveaudifferenz aufrecht zu erhalten, braucht es Energie. Ein im voraus bestim m barer Anteil der Energie verlässt daher unausgenutzt alle unsere A pparate und M aschinen. Bei den ther­ mischen M aschinen ist dieses V erhältnis besonders auffallend, verpufft doch der weitaus grösste Teil der W ärm eenergie in die Umgebung.

In der älteren L iteratur begegnet m an einer anderen U nter­ scheidung. Hier ist nicht von Perpetuum mobile erster und zweiter Art die Rede, sondern von einem „Perpetuum mobile naturale“ und einem „Perpetuum mobile artificiale“. Das Perpetuum mobile artificiale deckt sich m it der oben entwickelten Begriffsbestim­ m ung einer von M enschen konstruierten Maschine. Hingegen lasst sich der Begriff des Perpetuum mobile naturale nur sehr schwer fassen. M aterielle K onstruktionen und H antierungen im physikali­ schen oder chem ischen Sinne treten zurück gegenüber einer m agisch-alchem istischen Praktik und ihrer seelischen G rund­ haltung. Offenbar liegt all diesen Versuchen eine Identifikation des Menschen m it dem in ewiger Bewegung befindlichen W eltall zugrunde. Ein Beispiel für viele andere wollen wir einem Buch aus der M itte des 18. Jahrhunderts entnehm en, das den abenteuer­ lichen Titel führt: „Magia Divina oder Grund- und deutlicher U nterricht von den furnehm sten caballistischen Kunst-Stücken. Von L. v. H. Anno 1745“ : „Wie ein Perpetuum mobile naturae zu m achen“.

„Sehe zu, dass du in denen zwölff Nächten nach W eynachten Dufft von tragbaren Bäum en so viel bekommst, dass es eine halbe oder gantze Mass W asser gebe. Dieses hebe wohl verw ahret auf. Im M artio fange auch von tragbaren Bäumen, oder den Früchten im Feld Nebel-Wasser, das im Majo colligiret h at auf den Wiesen, und so bald ein Donner-W etter m it Regen kom m t, nehm e auch davon. Giesse von jedem dieser vier W assern in eine schöne grosse weisse Phiol ein halb oder gantze Maas zusammen. Setze das Glas

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m it einem blinden Helm verwahret, oder sonsten wohl lutieriert einen M onath lange in Petrufaction. Hiernach bringe es in zweyten Grad des Feuers, setze einen Helm darauf und destilliere alles bis auf Honig dicken Safft herüber und nicht m ehr, dass es nicht verbrenne, sonsten wäre alles verdorben. Das überdestillierte recti- ficiere, dass nur eine Mass spirituentes W asser bleibe, und diess hebe auf. Zu der Remanenz in dr Phiol thue von der Astralischen T inctur ehe sie m it dem Gold versetzet wird, vier G rana, dann setze das Glass wohl lutriert, wieder in den ersten Grad, so wird sich die M aterie zusam m en begeben, zu einem dicken kohl schwarzen Klum pen, und dieser wird sich scheiden. . .

Mercke aber nächst diesem dass, wenn du das Glass immer unbewegt stehen last, sich ein D unst in die Höhe begiebt, welcher einen Schein wie die Sonne von sich geben, und des Nachts wie der Mond und die Sterne leuchten, auch wie diese 2 Lichter in der grossen W elt ab- und zunehm en wird. Und wenn es von aussen trüb, regnerisch, windig ist, oder Donner, Blitz, Schnee, Reiffe, Nebel, Thau, so werden sich gleichfalls nach drey M onathen alle diese Dinge in dem Glass zeigen, und biss dein M enstruum auf- hörete. daurn. Hierin siehst du nun wie der N atur Geist würcket, was er vermag, es erhellet auch hieraus kenntlich die grosse Weis­ heit Gottes, was das Verbum Fiat seye: und wie G ott in allen Dingen zugegen: Du wirst nicht allein dieses, sondern auch weit m ehrere, als angezeiget worden sehen, und der Allmächtige Schöpf- fer dir offenbahren, wenn du ihn nur für Augen und im Hertzen hast, auch dieses grosse Geheimniss vor der bösen W elt ver­ w ahrest“.

Eine seltsam e Welt, in die wir durch diese Anweisung einge­ führt werden! Aber es besteht kein Anlass, uns über sie lustig zu m achen, wie sich bald zeigen wird. W ir wollen uns vielmehr ernst­ haft bem ühen, in diese G edankengänge einzudringen und das W esentliche aus dem W ust barocken Beiwerks herauszuheben. Dazu gibt es aber keinen besseren Zugang, als die Idee des Perpe­ tuum mobile am historischen U rsprung aufzusuchen und die weitere Entwicklung im Laufe der Jahrhunderte etwas genauer zu verfolgen.

Der lateinische Name lässt verm uten, dass die Idee des Perpe­ tuum mobile aus der Antike stam m e. Das trifft aber nicht zu. Zwar finden wir in der griechischen und röm ischen L iteratur Hinweise, die auf das Perpetuum mobile Bezug zu nehm en scheinen, so zum Beispiel jene berühm te Stelle aus der ,.Politika“ des Aristoteles, wo von fabelhaften W erkzeugen und Instrum enten die Rede ist, die sich von selbst bewegen:

„Denn freilich, wenn jedes W erkzeug auf erhaltene W eisung, oder gar die Befehle im voraus erratend, seine V errichtung w ahr­ nehm en könnte, wie das die S tatuten des Daedalos oder die Drei- füsse des Hephaestos getan haben sollen, von denen der Dichter (Homer) sagt, dass sie ,von selbst zur Versam m lung der Götter erschienen’; wenn so auch das W eberschiff von selbst webte und

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der Zitherschlägel von selbst spielte, dann brauchten allerdings die Meister keine Gesellen und die Herren keine K nechte“.

Aus dem Zusam m enhang geht klar hervor, dass Aristoteles in diesen Vorstellungen n u r die Laune einer dichterischen Phantasie zu sehen vermag, die technisch zu verwirklichen er keiner ernst­ haften Erwägung für würdig hält. Das von ihm allem w erktäti­ gen Handeln gegenüber verherrlichte Bild des Menschen, als be­ schaulich denkendem Wesen, h at nicht nur für Aristoteles, son­ dern für die gesam te antike Einstellung zur Technik massgebende Bedeutung. Nur G ott als der unbewegte Beweger des W eltalls konnte im Kosmos ein Perpetuum mobile von ewig kreisenden Sphären verwirklichen. Die B etrachtung der kosmischen W elt führte den antiken M enschen nicht zum Gedanken der Nach­ ahm ung in irdischm enschlichen Dimensionen, sondern direkt zur Identifizierung des M enschengeistes m it dem Absoluten selbst, zur V erherrlichung der theoretischen V ernunft im Bilde eines gött­ lichen, in sich selbst ruhenden „ersten Bewegers“. D aher scheint es uns auch höchst irreführend zu sein, von einer „antiken Tech­ nik“ in dem Sinne zu sprechen, wie wir ihn heute m it der W elt von Apparaten und M aschinen verbinden, die unser Dasein bestim ­ men. Die gigantischen Bauwerke, Instrum ente und W erkzeuge, ebenso wie die spielerischen Geräte, die uns aus der Antike über­ liefert sind, entstam m en einer G eisteshaltung, der die Idee eines Perpetuum mobile völlig fremd bleiben musste.

Erst im Hochm ittelalter, etwa um die M itte des 13. Jah rh u n ­ derts, tritt uns diese seltsam e Idee zum erstenm ai deutlich ent­ gegen. Und zwar verbinden sich von Anfang an gedankliche Spe­ kulationen m it technisch-konstruktiven Gestaltungsversuchen. Theorie und Praxis, Philosophie und Technik, erscheinen aufs engste m iteinander verknüpft. Dass der picardische Architekt Villard de H onnecourt oder sein Landsm ann, der scholastische Phi­ losoph Pierre de M aricourt (Petrus Peregrinus), von denen die ältesten uns bekannten D arstellungen eines Perpetuum mobile stam m en, die eigentlichen Väter des Gedankens gewesen sind, ist recht unw ahrscheinlich. Jedenfalls aber scheint das Bem ühen um eine Vorrichtung, die sich von selbst bewegt, dam als im Zeitalter der Hochgotik zu einem zentralen Problem scholastischen Denkens und architektonisch-technischer G estaltung geworden zu sein. Es handelte sich um etwas Neues. Ein Erbstück antiken Denkens ist die Idee des Perpetuum mobile sicher nicht gewesen. Das bezeugt auch die Schrift „De architectura“ des Vitruv, in der das gesamte technische Wissen und Können der Antike gesam m elt vorliegt und die dann in der Renaissance wieder in den Blickpunkt der Auf­ m erksam keit gerückt ist. Vitruv bleibt, als V ertreter antiker Den­ kart, wie Aristoteles im Prinzip statisch orientiert. D aran ändert auch die in seiner Schrift enthaltene Beschreibung von W asser­ rädern nichts.

Erst in der Epoche des Hochm ittelalters, als die gotischen Dome, zuerst in Nordfrankreich, dann auf dem ganzen K ontinent

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und den britischen Inseln im m er kühner zum Himmel aufstrebten, die ersten Räderuhren auftauchten und sich in der scholastischen Spekulation eines R aim undus Lullus und Duns Scotus die volun- taristische M etaphysik regte, befiel den abendländischen M enschen jene rätselhafte Unruhe, als deren Symbol wir die Idee des Perpe­ tuum mobile ansprechen zu dürfen glauben. Es ist jene Zeit, die uns Sismonde de Sismondi in seiner „Geschichte der italienischen Freistaaten im M ittelalter“ (1808), lange vor Jacob Burckhardt, m it unübertrefflicher Prägnanz geschildert hat:

..Dieses H eraustreten aus dem individuellen ins öffentliche Leben, zu gem einsam en Gefühlen, und als der Teil eines grossen Ganzen, hebt den Menschen höher und m acht ihn der grössten Dinge fähig. Die politischen Leidenschaften zeugen m ehr Helden als die persönlichen, und obzwar gleich der Zusam m enhang, m in­ der einleuchtend sein mag, sie bilden auch m ehr K ünstler, m ehr Dichter, m ehr Philosophen und m ehr Gelehrte. Das Jahrhundert, dessen Geschichte wir durchgegangen haben, leistet den Beweis dafür. M itten unter allen Zuckungen seiner Bürgerkriege h at Florenz die K ünste des Architekten, des Bildhauers und des Malers hergestellt, es h at den grössten Dichter, dessen heute noch Italien sich rühm t, hervorgebracht, und h at der Philosophie ihre ehren­ volle Stelle wieder eingeräum t, und den W issenschaften überhaupt einen vorteilhaften Schwung gegeben, der sich bald in Italiens übrigen freien Städten wiederholte, und nach den Zeiten der Bar­ barei die Jahrhunderte der schönen K ünste und des Geschmacks herbeiführte.

Die erste der schönen Künste, die m an im M ittelalter in Italien wieder aufblühen sah, ist die B aukunst. Da N achahm ung nicht ihr Zweck ist, und sie sich über wirkliche Gegenstände erhebt, um bloss ideale Form en einer sym m etrischen und abgezogenen Schön­ heit, wie solche der Mensch auffasst, darzustellen, so drückt sich sichtbarer als in jeder ändern schönen K unst der C harakter des Jahrhunderts in der Baukunst aus, und unverkennbar spricht aus ihr die Grösse, die K raft oder die Kleinheit der Nation, unter der sie blühte, des K ünstlers, der sie vervollkommnete. Sie ist am besten geeignet, von Geschlecht an Geschlecht überzugehen; Genie und W illenskraft walten gebieterisch in ihr, wo die ändern K ünste kleiner Geheimnisse, so m ancher Fertigkeit und bindender Regeln zu ihren Schöpfungen bedürfen. Die Pyram iden der Ägypter, älter als die Werke anderer, selbst der m echanischen K ünste, haben uns m ehrere Jahrtausende das Mass der K raft und der Grösse einer Nation überliefert, deren Dasein ohne eben diese Denkmale uns vielleicht Fabel wäre. Der ehrfurchtsgebietende Dom zu Florenz und hundert andere Gebäude erhabener Grösse, Werke der ita­ lienischen Republiken des dreizehnten Jahrhunderts, werden auf im m er das Andenken dieser freien und grossherzigen Völkerschaf­ ten erhalten, denen bis jetzt die Geschichte noch nicht ihr volles R echt angetan h a t“.

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letzte K apitel seiner bei der Belagerung der Sarazenenstadt Lucera in Apulien durch K arl von Anjou entstandenen Schrift über den M agnetism us (1269). Er liefert dam it ein M usterbeispiel für die neue, von E rfahrung und Experim ent ausgehende Einstellung zur Welt, die „Scientia experim entalis“. Er beschreibt diese Vorrich­ tung als „ein kontinuierlich sich bewegendes Rad, das erstaunlich geistreich ist“. Ein rund abgedrehter M agnetstein werde derart m ontiert, dass er sich um seine eigen Achse drehen könne. D arnach stelle m an den Stein im M eridian derart auf, dass er nach Art einer A rm illarsphäre beweglich sei und dass in der Gegend, in der m an sich befindet, die Hebung und Senkung seiner Pole der E r­ hebung und Depression der Himmelspole entspräche. „Und wenn sich dann der Stein entsprechend der D rehung des Himmels be­ wegt, m ag m an sich freuen, ein wunderbares Geheimnis in Besitz genommen zu haben. D reht er sich aber nicnt, dann m uss m an den Misserfolg nicht der N atur, sondern der eigenen U nerfahren­ heit zuschreiben“. Offenbar liegt dieser K onstruktion der natur- philisophische Gedanke einer Entsprechung von kosmischer und irdischer Bewegung zu Grunde. Entscheidende Bedeutung gewinnt aber die Beschreibung dadurch, dass hier zum erstenm al deutlich die m etaphysische Idee vom Mikrokosmos und Makrokosmos aus einer rein gedanklichen K onstruktion in den Bereich praktisch­ technischer Realisierung übergeführt wird.

W ährend die Vorrichtung des Petrus Peregrinus als physi­ kalischer A pparat ohne praktische Zwecksetzung erscheint, einem w underbaren Spielzeug vergleichbar, das durch kosmische K räfte in Bewegung gesetzt wird, stellt sich der A rchitekt Villard de Honnecourt (etwa 1250) die technische Aufgabe, eine V orrichtung zu konstruieren, die ihre Bewegung von selbst erneuert. In seinem Reiseskizzenbuch, einem der wertvollsten Dokum ente gotischer B auhüttenarbeit, das der Berner K unsthistoriker Hans R. H ahn­ loser, Wien 1935, in einer vorzüglichen Faksim ileausgabe allgemein zugänglich gem acht hat, findet sich die Zeichnung eines um eine waagrechte Welle drehbaren Rades, an dessen Felgenkranz sieben Häm m er schwenkbar angebracht sind. Die altfranzösische Er­ läuterung unter der Abbildung lautet in deutscher Übersetzung: „Gar m anchen Tag haben M eister darüber beratschlagt, wie m an ein Rad m achen könne, das sich von selber dreht. Hier ist eines, das m an aus einer ungeraden Anzahl von H äm m ern oder m it Quecksilber gem acht h a t“. Der „W ettstreit der M eister“ weist offenbar auf eine Schriftquelle hin, an die sich Villard nicht m ehr genau erinnert. Auffallend an der Zeichnung ist die „gedankliche Perspektive“ des Rades. Obwohl Villard sonst Räder in perspek­ tivisch verkürzter Seiten- und O beransicht korrekt darstellt, h at er dieses Rad sicher absichtlich m it dem Zirkel gezeichnet. W ir dürfen daher in der ungew ohnten Darstellungsweise keineswegs ein Un­ vermögen des Zeichners, sondern vielmehr den Ausdruck eines bestim m ten Wollens im Sinne planm ässiger Genauigkeit erblicken. Beim Drehen des Rades sollen sich die Häm m er so überschlagen,

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dass sich auf der einen Hälfte stets eine grössere Anzahl befindet als auf der anderen. D adurch soll sich ein Übergewicht ergeben, das durch die dauernd sich erneuernde Gleichgewichtsstörung das Rad in ständigem Umlauf erhält. W enn m an dieses Perpetuum mobile m it den übrigen bauhandw erklichen A pparaten und W erk­ zeugen vergleicht, die Villard in seinem Skizzenbuch festgehalten hat, so drängt sich die V erm utung auf, dass er nicht nur eine dauernde Bewegung, sondern darüber hinaus die Arbeitsleistung einer Antriebsm aschine erwartete.

Verfolgen wir die historische Entwicklung weiter, so finden wir in der Renaissancezeit eine wahre Flut von Vorschlägen, das Perpetuum mobile auf die m annigfaltigste Weise zu verwirklichen. Alle diese Projekte stehen in engem Zusam m enhang m it dem Mi­ krokosmos-M akrokosmosgedanken, der in der Renaissancephilo­ sophie zentrale Bedeutung gewinnt, vor allem in der Lehre von „Fortuna“ (Schicksal) und „Virtü“ (Lebenskraft des M enschen), die als Gegenspieler das Leben des Einzelmenschen und der Völker bestim m en sollen. Die Fortuna als weibliche Figur auf einer rollen­ den Kugel oder einem sich drehenden Rade stehend, gehört daher zu den beliebtesten Motiven der Renaissancekunst.

U ngefähr 250 Jahre nach Villard de Honnecourt konnte Leo­ nardo da Vinci schon eine ganze Sam m lung von D arstellungen des Perpetuum mobile im Bilde festhalten, die zum Teil eine ver­ blüffende Ähnlichkeit m it dem Urbild aufweisen. Der bekannte Ausspruch des greisen Leonardo „O, Erforscher der ewigen Bewe­ gung, wie viele eitle Pläne habt ihr bei dergleichem Suchen ge­ schaffen“ darf durchaus nicht, wie es von naturw issenschaftlicher Seite geschehen ist, als Zeugnis für die Überzeugung von der Un­ möglichkeit des Perpetuum mobile aufgefasst werden. Diese W orte enthalten lediglich ein alle bisherigen Bem ühungen kennzeichnen­ des Urteil und vielleicht den Ausdruck einer Resignation, selbst noch die Lösung des Rätsels zu finden.

1558 erschien die A bhandlung des Petrus Peregrinus zum ersten Mal im Druck. Viele Schriften aus der dam aligen Zeit über dasselbe Them a stellen sich bei genauerem Studium als wertlose Plagiate der Werke von Petrus Peregrinus heraus. Auch Paracelsus beschäftigte sich m it der Idee des Perpetuum mobile. Seine Nach­ folger waren fest davon überzeugt, dass er nicht nur den Stein der Weisen entdeckt habe, sondern auch im Besitze dieses Geheim­ nisses gewesen sei. So schreibt etwa John Wilkins, Bischof von Chester, der Schwager Cromwells, bekannt als eines der aktiven G ründungsm itglieder der Royal Society in London, in seiner „M athem atical M agick“ (1648):

„Die Entdeckung einer perpetuierlichen Bewegung wurde zu­ erst auf chemischem Wege versucht. Paracelsus und seine Schüler haben dam it geprahlt, dass sie m it Hilfe chem ischer Separation und Extraktionen eine förmliche W elt im Kleinen (Mikrokosmos) m it allen Him m elserscheinungen herstellen und in einer perpe­ tuierlichen Bewegung erhalten k ö n n te n ... Die Art und Weise, wie

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m an auf chemischem Wege eine perpetuierliche Bewegung erhal­ ten könne, ist zum Beispiel diese: M an mische 5 Unzen Erde

(Amalgan) m it einem gleichen Gewicht von Jupiter (Zinn), reibe sie m it 10 Unzen Sublim at zusammen, lasse dies über Strohfeuer, bis es zu einer trockenen Substanz wird. Durch W iederholung dieser Auflösung und D estillation werden sich m it der Zeit ver­ schiedene kleine Atome ablösen, die, wenn sie in ein Glas ge­ bracht werden, eine perpetuierliche Bewegung zeigen“.

Francis Bacon, dessen utopische Schrift „Nova A tlantis“ (posthum 1627) als Vorbild bei der G ründung der Royal Society, der ersten naturforschenden Gesellschaft im m odernen Sinne, eine Rolle spielte, spricht ebnfalls vom Perpetuum mobile:

„In unseren M aschinenhäusern stehen M aschinen und Appa­ rate, m it deren Hilfe wir Bewegungen aller Art hervorbringen können; wir erzielen dam it grössere Geschwindigkeiten als ihr m it euren kleinen Flinten oder m it irgend welchen ändern Vorrich­ tungen. Wir suchen die Bewegungsvorgänge reibungsloser und wirksam er zu gestalten und ihre Nutzleistung durch Räder und auf andere Weise auf ein Vielfaches zu steigern. Infolgedessen er­ zielen wir viel kräftigere W irkungen als ihr m it euren grossen Belagerungs- und Feldgeschützen. Wir stellen Geschütze und Kriegsgerät aller Art her, neue SchiesspulVermischungen, griechi­ sches Feuer, das auf dem W asser brennt und nicht ausgelöscht werden kann, ferner alle möglichen Raketen, die teils zur Belusti­ gung, teils zu nützlichen Zwecken dienen. W ir ahm en dort auch den Vogelflug nach. Zum Fliegen in der Luft haben wir Gestelle und Hilfsmittel, ähnlich den Flugorganen der Tiere. W ir besitzen Schiffe und Boote, die unter W asser fahren können und deshalb den Stürm en des W eltmeers nicht so ausgesetzt sind; ferner Schwim m gürtel und andere V orrichtungen, die das Schwimmen erleichtern. Erw ähnenswert sind unsere vorzüglichen Uhren und andere durch Luft oder W asser getriebene Laufwerke m it Dreh- und Pendelbewegungen. Auch das Perpetuum mobile haben wir in m ehreren Ausführungen. Wir können die Bewegungen der Men­ schen, der Vierfüssler, der Vögel, der Fische und der Schlangen im Bilde nachahm en. Schliesslich haben wir auch noch weitere M öglichkeiten, Bewegungen in ausserordentlicher Gleichförmig­ keit und Genauigkeit zu erzeugen“.

Fast alle hervorragenden Philosophen und N aturforscher des 17. Jahrhunderts haben sich m it dem Perpetuum mobile beschä­ ftigt. So vor allem René Descartes, Robert Boyle und Leibniz. Descartes nim m t in seinen „Regeln zur Leitung des Geistes oder von der Erforschung der W ahrheit durch das natürliche Licht“ (1644) auf Petrus Peregrinus Bezug und ah nt an dieser Stelle das Prinzip der Dynamomaschine, 250 Jahre vor seiner Verwirklichung. Robert Boyle, der grosse Chemiker und Freund Newtons, beschreibt 1685 ein chemisches Perpetuum mobile ausführlich, das stark an die Schilderung von John W ilkins erinnert. Von Leibniz wissen wir, dass er sich sein Leben lang für das Perpetuum mobile in­

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teressierte. In den Schriften aus der Frühzeit, „Hypothesis physica nova“ und „Theoria m otus abstracti“, die er der Royal Society in London (1671) und der Pariser Akademie widmete, suchte er die M öglichkeit eines Perpetuum mobile zu beweisen. Aber auch später lässt ihn das Problem nicht zur Ruhe kommen. Ja, m an darf sein m etaphysisches System von der prästabilierten Harm onie der M onaden (mikrokosmische Elem entareinheiten) geradezu als den Versuch einer philosophischen Form ulierung der Idee des Perpe­ tuum mobile auffassen. In diesem Sinne h at zum m indesten Goethe in seinen „Heften zur Morphologie“ (1822) Leibniz ver­ standen, wenn er sagt: „Das Höchste, was wir von G ott und der N atur erhalten haben, ist das Leben, die rotierende Bewegung der Monas um sich selbst, welche weder Rast noch Ruhe kennt; der Trieb, das Leben zu hegen und zu pflegen, ist einem jeden unverw üstlich eingeboren, die Eigentüm lichkeit desselben jedoch bleibt uns und anderen ein Geheim nis“. Es kann uns daher auch nicht überraschen, wenn Leibniz drei M onate vor seinem Tod, im Jahre 1716, m it dem K onstrukteur eines Perpetuum mobile zu­ sam m entrifft und diesen sogar an den Zarenhof in Petersburg w ärm stens em pfiehlt. Die M aschine dieses E rnst Elias Bessler, genannt Orffyreus, gehört wohl zu den aufsehenerregendsten Ver­ suchen, ein Perpetuum mobile zu konstruieren. Freilich stellte sich dann später heraus, dass die K onstruktion auf einem raffinierten Schwindel beruhte, indem eine Magd von einem verborgenen Nebenzimmer aus durch Drehen einer Kurbel für die ewige Be­ wegung zu sorgen hatte.

Peter der Grosse interessierte sich leidenschaftlich für das Perpetuum mobile. Schon 1713 stiftete er einen Preis von 30.000 Rubel, um den sich kein G eringerer als der bekannte A rchitekt Andreas Schlüter aus Berlin bewarb. Eine K anonenkugel, zwischen M essingplatten von Federn getrieben, sollte sich in dauernder Be­ wegung erhalten. Tagelang schloss sich Peter der Grosse m it Schlüter in einem Zimmer ein, um die K onstruktion des Perpetuum mobile gemeinsam m it ihm zu vollenden. Nur der unerw artete Tod Schlüters bereitete den Versuchen schon nach Jahresfrist ein Ende.

Wie aus zeitgenössischen D okum enten hervorgeht, liegt auch den berühm ten Autom aten und m echanischen K unstw erken aus der Rokokozeit die Idee des Perpetuum mobile zugrunde. So m ühte sich zum Beispiel Pierre Jaquet-Droz (1721— 1790), dessen kunst­ volle A utom atenfiguren wir heute noch im Museum zu Neuenburg bewundern können, jahrelang vergeblich dam it ab, ein Perpetuum mobile zu konstruieren. 1775 sah sich schliesslich die Pariser Aka­ demie veranlasst, keine weiteren Projekte für ein Perpetuum mobile m ehr zur Prüfung entgegenzunehm en, was aber die An­ hänger dieser Idee nicht entm utigte, unentw egt weiterzusuchen. W ichtig scheint in diesem Zusam m enhang der Hinweis, dass die Idee des Perpetuum mobile um die M itte des 18. Jahrhunderts aus dem m etaphysischen und technischen Bereich in die w irt­ schaftliche und soziale W irklichkeit übertragen wurde und gerade

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hier eine m ächtige Bewegung auslöste. Dass die Fürsten im Zeit­ alter des M erkantilism us im m er wieder Alchemisten heranzogen, in der Hoffnung, auf diesem Wege ihre leeren Kassen m it Gold füllen zu können, ist nicht weiter verwunderlich. B ekannt sind auch die oft unbeabsichtigten Nebenwirkungen dieser alchem isti- schen Praxis. Die Entdeckung des Porzellans und m anch andere wertvolle Erfindung h at hier ihren Ursprung. M erkantilistische W irtschaftspolitik und alchem istische W eltauffassung hängen aber nicht nur äusserlich zusam m en, sie entspringen derselben m ensch­ lichen G rundhaltung sich durch praktische H antierungen und A nordnungen in den Besitz irdischer Allm acht zu setzen. In diesem letzten Endes m etaphysischen Streben liegt die irrationale Wurzel aller konkreten Erscheinungen, die wir im „Zeitalter des Absolutismus“ beobachten können. H at m an den wesensmässigen Zusam m enhang zwischen Alchemie und M erkantilism us einmal erkannt, so fällt es auch nicht schwer, das berühm te Schlagwort der Physiokraten „Laissez faire, laissez passer, le monde va de lui-même“ m it der Idee des Perpetuum mobile in Verbindung zu bringen. François Quesnays „Tableau économique“ (1758) bildete den A usgangspunkt einer K ritik an der m erkantilistischen W irt­ schaftspolitik und eröffnete ein neues Program m von grösster Tragweite für Reformen im w irtschaftlichen und sozialen Leben. G enau so wie die W elt in kosmischen Dimensionen sich von selbst bewegt, so sollen auch die Bewegungen im W irtschafts- und Sozial­ leben des Menschen ewig dauern, wenn m an nur dafür sorgt, dass von aussen her keine störenden und hem m enden Eingriffe erfol­ gen. Der Kreislauf der w irtschaftlichen G üter wird auch von Adam Sm ith, dem Klassiker des liberalen W irtschaftssystem s, in der Nachfolge Quesnays, nach dem Modell eines Perpetuum mobile aufgefasst. Der grosse Chemiker Justus von Liebig hat wohl als erster diesen Zusam m enhang erkannt und schon in der Einlei­ tung zur 6. Auflage seiner bahnbrechenden „A grikulturchem ie“ (1846) form uliert: „Der M echaniker glaubte (zu Adam Sm iths Zeiten), dass die K raft aus dem Nichts entstehe und dass durch eine geschickte Zusam m enfügung von Hebeln und Räderwerk eine Maschine herstellbar sei, welche im m er arbeiten könne. ,Die Zeu­ gungskraft der Erde bringe die Feldfrüchte hervor’, so sagt Ad. Sm ith ,und das Besäen und Pflügen des Bodens diene m ehr zu ihrer Leitung und V erstärkung, und es lasse sich die Rente eines Grundbesitzers als der E rtrag jener N aturkräfte betrachten, deren Benutzung er dem Pächter überlasse’; dem Sinne nach etwa wie der Besitzer eines W asserfalls, dessen Benutzung einem Müller gegen eine jährliche Abgabe überlässt“.

W enn der M ensch auch nicht in der Lage ist, die W elt der W irtschaft nach dem M uster eines Perpetuum mobile selbst zu konstruieren, so h at er doch im Sinne der klassischen National­ ökonomie alle Hände voll zu tun, Hem m ungen und Reibungen zu beseitigen, dam it der K reislauf nicht ins Stocken gerät.

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lichtechnischem Gebiet durch die Entdeckung von J. Robert Mayer, der 1842 das Prinzip der E rhaltung der Energie form ulierte und die Äquivalenz zwischen W ärme und m echanischer Arbeit quantitativ bestimmte. Wie wir aus autobiographischen Notizen wissen, stand auch bei dieser Entdeckung das jugendliche Bemü­ hen, ein Perpetuum mobile zu konstruieren, Pate. Als Rudolf Clau­ sius dann im Jahre 1865 am V ortragspult der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich den zweiten H auptsatz der Therm odynam ik, das sogenannte Entropieprinzip aufstellte, war auch das Schicksal des Perpetuum mobile zweiter Art entschieden. Auf Vorarbeiten Sadi Carnots aus dem Jahre 1824 zurückgreifend, konnte er das Bestehen einer Potentialdiferenz als notwendige Bedingung jeder Energieum wandlung in einem endlichen geschlossenen System nachweisen. Dennoch wiederholen sich bis in die Gegenwart K onstruktionsvorschläge für ein Perpetuum mobile m it m onotoner Regelmässigkeit. Auch an gläubigen und finanzkräftigen A nhän­ gern scheint es nicht zu fehlen, wie m an aus Pressem itteilungen, Patentanm eldungen und G erichtsverhandlungen im m er wieder ersehen kann.

W ichtig scheint uns am Schluss der B etrachtung noch ein Hinweis auf jene philosophischen Lehren, die den Gedanken des Perpetuum mobile in abgewandelter Form bis in unsere Zeit hinein aufrecht erhalten. An erster Stelle wäre Nietzsches m etaphysische These von der „ewigen W iederkunft des Gleichen“ zu nennen und sein Ideal des „Übermenschen“. Indem Nietzsche den W illen zur M acht als einzigen Motor m enschlichen Denkens, Fühlens und Handelns anerkennt und bejaht, schwebt ihm das Bild einer ewigen Dynam ik vor, die m it ihrer in sich selbst zurückkehrenden Be­ wegung zum Prototyp des Übermenschen wird. Von da ist es dann nur noch ein kleiner Schritt zur Forderung einer „totalen Mobil­ m achung“, wie sie zuerst E rnst Jünger in einem blendenden Auf­ satz aus dem Jahre 1930 erhoben hat: „Die totale M obilmachung wird weit weniger vollzogen, als sie sich selbst vollzieht sie ist in Krieg und Frieden der Ausdruck des geheimnisvollen und zwin­ genden Anspruches, dem dieses Leben im Zeitalter der Massen und M aschinen uns unterw irft“. W ohin diese Dynam ik rein um der Dynam ik willen, m it einem „M inimum an geistiger Zielsetzung“, führt, wenn m an sie aus der Ebene ästhetisch-literarischer B etrach­ tung in die politische und soziale W irklichkeit überführt, brauchen wir hier nicht weitläufig auseinanderzusetzen. Die Erfahrungen zweier W eltkriege sollten genügen, um die verhängnisvollen Kon­ sequenzen dieser totalitären Form der Idee eines Perpetuum mobile zu erkennen.

Versuchen wir das Ergebnis unserer B etrachtung kurz zu­ sam m enzufassen. Der T raum des Perpetuum mobile steht am Beginn der abendländischen Neuzeit. Er liess die abendländische M enschheit nicht wieder los. Nicht nur auf naturw issenschaftlich­ technischem Gebiet spielte er eine viel grössere Rolle, als m an in der Regel einzugestehn bereit ist. Ebenso wichtig, wenn nicht noch

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wichtiger sind die Abwandlungen dieser Idee in der w irtschaftli­ chen, sozialen und politischen W irklichkeit, angefangen von der Lehre der Physiokraten bis zum Program m der totalen Mobil­ m achung. Im Grunde handelt es sich um eine irrationale, m eta­ physische Sehnsucht, die in im m er neuen Bildern und Maskie­ rungen au ftritt und selbst dann noch w eiterlebt, nachdem die Unmöglichkeit des Perpetuum mobile auf der naturw issenschaft­ lich-technischen Ebene eingesehen werden konnte: In der Idee des Perpetuum mobile lebt die Sehnsucht, eine künstliche Welt zu schaffen, die sich wie der Makrokosmos aus eigener K raft ewig bewegt und dem Willen des M enschen gehorcht. Insofern bedeutet das Perpetuum mobile weit m ehr als eine naturw issenschaftlich­ technische Spielerei. W ir dürfen in ihm ein Sinnbild abendländi­ schen M enschentum s sehen. Ein wichtiges Anliegen unserer Zeit wird es sein, diese Zusam m enhänge klar zu durchschauen und dam it im Abendland den Boden zu bereiten für eine neue, echt m enschliche H altung, die sich von der Faszination des Über­ m enschentum s und all seiner verhängnisvollen Konsequenzen be­ freit. Ohne Zweifel fällt neben dem Philosophen und Mediziner gerade dem Ingenieur im Zuge dieser Besinnung und Neuorien­ tierung eine verantwortungsvolle und entscheidende Aufgabe zu.

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Alguns Problemas da Psicologia do Contato

Dr. G uenter Fleischhut

Com o têrm o Psicologia do Contato não queremos designar um a nova escola psicológica como surgiram tan tas nos últim os decênios. Tam bém não queremos afirm ar que seja um ram o novo da psicologia — ainda não, pois tal afirm ação seria prem atura. Por enquanto significa apenas um a tentativa de alguns psicólogos modernos form ularem , em têrm os novos, velhos problem as psico­ lógicos e de descobrirem as bases e os tipos diferentes das relações inter-hum anas. Não quer isto dizer que estas relações ainda não tnham sido estudadas; pois, precisam ente, elas constituem o campo próprio da psicologia, que estuda o hom em dentro do mundo e da sociedade. Achamos, porém, que m uito pouca im portância atri­ bui-se ao outro, ao Tu, quando a psicologia descreve as cam adas e estruturas do Eu. Pois justam ente o Tu representa mais um a estrutura hum ana. Neste contato com o Tu, o Eu adquire um a nova categoria ou dimensão, realiza novas possibilidades. A fina­ lidade do presente estudo é de dar um a introdução a esta proble­ m ática da Psicologia do Contato.

O tem a das relações hum anas já foi estudado por duas outras disciplinas, que exerceram forte influência sôbre a psicologia. Ini­ cialm ente a preocupação pelo contato inter-hum ana surgiu no

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