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Prostatakarzinom: Therapiestandard
2015
Brachlow J, John H
Finden Sie in der Rubrik
„Tipps und Tricks im Gyn-Ultraschall“
aktuelle
Fallbeispiele von Univ.Prof. Dr. Christoph Brezinka, Innsbruck.
Journal für Urologie und
Urogynäkologie
Journal für
Reproduktions-medizin und Endokrinologie
Speculum
P
P
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Journal für Gynäkologische
Endokrinologie
21
J UROL UROGYNÄKOL 2015; 17 (1)
Prostatakarzinom:
Therapiestandard 2015
J. Brachlow, H. John
Zusammenfassung
Die Therapie des Prostatakarzinoms ist vielschichtig und individuell. Nicht je-des Prostatakarzinom muss behandelt werden, die relevanten Karzinome soll-ten aber erkannt werden. Die radika-le Prostatektomie, zunehmend laparo-skopisch roboterassistiert durchgeführt, ist beim relevanten klinisch organbe-grenzten Prostatakarzinom nebst der perkutanen Radiotherapie auch 2015 der Goldstandard. „Active Surveillance“ und „Watchful Waiting“ sollen mit gu-ter Arzt-Patienten-Beziehung sinnvoll angewendet werden. Die fokalen Thera-pieoptionen (z. B. HIFU, „cyber knife“ u. a.) sind klinisch experimentell und ha-ben das Ziel, das Prostatakarzinom lokal zu kontrollieren.
Die antiandrogene Therapie stellt den Grundpfeiler beim metastasierten Kar-zinom dar. Neben der neuen Second-line-Hormontherapie stehen weitere in-terdisziplinäre onkologische und radio-onkologische Therapieoptionen für das progrediente Prostatakarzinom zur Ver-fügung.
Epidemiologie und
Diagnostik
Das Prostatakarzinom ist mit 6000 Neuerkrankungen die häufi gste Krebs-erkrankung des Mannes in der Schweiz. Mit ca. 1500 Todesfällen pro Jahr ist es die zweithäufi gste Krebstodesursache beim Mann.
Die Bedeutung einer PSA-Bestim-mung wurde in verschiedenen Screen-ing-Studien gezeigt. In der neusten ERSCP-Studie mit einem 13-Jahres-Follow-up zeigt sich eine Reduktion des Mortalitätsrisikos um 21 %. Es müs-sen nach dieser Studie insgesamt 781 Männer gescreent und nur noch 27 Kar-zinome entdeckt werden, um ein Le-ben zu retten. [1]. Um die mit einem Screening verbundene Überdiagnostik und nicht zu verhindernde Überthera-pie zu vermindern, ist das
Screening-programm/Massenscreen ing der indivi-duellen Früherkennung gewichen. Ent-sprechend empfi ehlt die Schweizerische Gesellschaft für Urologie eine PSA-Be-stimmung beim informierten Patienten ab dem 50. Lebensjahr, bei Vorliegen eines familiären Risikos ab 45 Jahren. Dies bedeutet, dass der Mann über die Vor- und Nachteile einer PSA-Bestim-mung vollumfänglich aufgeklärt sein sollte; dies unter Berücksichtigung des Alters, der Lebenserwartung und seiner persönlichen Lebenssituation.
Die zunehmend verbesserten bildgeben-den Verfahren (MRI) und gezielten Pros tatabiopsien (BiopSee®
MRT-navi-gierte Prostatastanzbiopsie) helfen, ein immer genaueres Bild des vorliegenden Prostatakarzinoms zu bekommen. Un-auffällige, hochaufl ösende MRI-Unter-suchungen der Prostata verhindern Pros-tatabiopsien und erhöhen – vor allem in fusionierten Verfahren – die Treffsicher-heit. Entsprechend wird die Morbidität der Diagnostik und Abklärung gesenkt und die Wahrscheinlichkeit, ein relevan-tes Karzinom nachzuweisen, erhöht.
Sobald die Erkrankung mittels Gewe-beprobe bewiesen ist, fi ndet eine Um-gebungsabklärung statt. Dabei wer-den unterschiedliche Stadien gefunwer-den, welche von langsam wachsenden, lo-kal begrenzten Karzinomen bis zu ag-gressiven, systemisch fortgeschritte-nen Karzinomen reichen. Nach Zusam-menschau der Resultate kann dann eine individuelle Therapie in die Wege gelei-tet werden.
„Active Surveillance“
(aktive Überwachung)
In dieser Patientengruppe wird davon ausgegangen, dass eine Therapie mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nötig wird bzw. noch lange mit einer Therapie zugewartet werden kann. Bei der akti-ven Überwachung werden kleine, lokal begrenzte und gut differenzierte Prosta-takarzinome behandelt. Für diese Über-wachung sind gewisse
Einschlusskrite-rien notwendig (Tab. 1). Dabei wird das Verhalten des Tumors mit regelmäßigen klinischen Untersuchungen, PSA-Be-stimmungen und Rebiopsien nachkont-rolliert. Kommt es im Verlauf zu einem relevanten Fortschreiten der Erkran-kung, kann eine kurative Therapie noch rechtzeitig in die Wege geleitet werden.
Kurative
Therapiemög-lichkeiten des
organ-begrenzten
Prostatakar-zinoms
Die Patienten mit einem klinisch signi-fi kanten, lokal begrenzten, nichtmetas-tasierten Prostatakarzinom sollten über die Möglichkeiten der kurativen Kon-zepte vollständig informiert werden.
Bei der radikalen Prostatektomie wird die gesamte Prostata inklusive der Sa-menblasen vollständig entfernt. Gleich-zeitig werden noch die primären lym-phatischen Abfl usswege beidseits ent-fernt. Hier wird der Goldstandard der offenen, radikalen, retropubischen Pros-tatektomie zunehmend durch die lapa-roskopische roboterassistierte Prostat-ektomie ersetzt, die an spezialisierten Zen tren eine nur noch geringe Morbi-dität hat und heute technisch standar-disiert abläuft. Die sozial relevante In-kontinenz liegt dabei unter 5 % nach ei-nem Jahr. Die Erektionsfähigkeit kann bei onkologisch möglicher schonender Operationstechnik in bis zu 75 % erhal-ten bleiben [2]. Nach radikaler Prostat-ektomie bleiben Orgasmus und Libido intakt, der Verlust der erektilen Funk-tion kann medikamentös kompensiert werden.
Prostatakarzinom
Tabelle 1: Voraussetzungen zur Durchführung einer „Active Surveil-lance“.
PSA-Wert 10 ng/ml Gleason-Score 6
Tumor in 2 Stanzen bei Entnahme von 10–12 Stanzen
50 % Tumor pro Stanze
22 J UROL UROGYNÄKOL 2015; 17 (1)
Die perkutane Strahlentherapie ist für sämtliche lokal begrenzte Karzinome aller Risikogruppen möglich. Sie beruht auf einem 3-dimensionalen Behand-lungsplan und wird mit einer begleiten-den antiandrogenen Therapie durchge-führt.
Eine spezielle Form der Radiothera-pie ist die interstitielle BrachytheraRadiothera-pie, die ohne Hormonablation durchgeführt wird. Sie ist nur für ein Prostatakarzi-nom mit einem niedrigen Risikopro-fi l geeignet. Dabei werden radioaktive Jod- oder Palladium-Seeds mithilfe ei-ner computergestützten Dosisverteilung entsprechend in der Prostata verteilt.
Fokale Therapie
Bei den fokalen Verfahren mit HIFU, Kryotherapie oder auch dem „cyber knife“ handelt es sich um Techniken, die als Ziel die Tumorkontrolle ohne voll-ständige Behandlung der Prostata ha-ben. Bei der fokalen HIFU beispielswei-se handelt es sich um den so genannten MRT-fusionierten, hochintensiven fo-kussierten Ultraschall. Patienten, die sich einer fokalen Therapie unterziehen, soll-ten darüber aufgeklärt werden, dass fo-kale Therapieverfahren klinisch experi-mentell sind, keine Langzeitdaten vor-liegen, die optimale Therapiemetho-de bei einem Rezidiv nicht bekannt und auch die fokale Therapie nicht neben-wirkungsfrei ist [3]. Entsprechend beur-teilen viele Experten die fokale Therapie heute als Übertherapie bei klinisch nicht relevanten Karzinomen und als Unterthe-rapie von signifi kanten Karzinomen [4].
„Watchful Waiting“
Ein kontrolliert-abwartendes Therapie-konzept wird bei Patienten angewendet, wenn das Prostatakarzinom in der Ge-samtmorbidität des Patienten nicht rele-vant ist oder das Karzinom wohl vorhan-den, bezüglich Stadium, Lebenserwar-tung und Patientenalter aber unbedeu-tend ist. Insbesondere ist diese Option für Pa tienten mit einer mutmaßlichen Lebenserwartung < 10 Jahre geeignet. Häufi g sind es auch Patienten, die über Jahre mit einer „Active Surveillance“ betreut wurden und bei denen dann, wenn sich die Ungefährlichkeit des Tu-mors bestätigt, in ein „Watchful Wait-ing“ übergegangen werden kann. Dabei wird eine palliative Behandlung erst in
die Wege geleitet, wenn der Pa tient eine klinische Symptomatik entwickelt. Die-se Maßnahmen umfasDie-sen beispielsweiDie-se die palliative Bestrahlung von sympto-matischen Skelettmetastasen, die Durch-führung einer TURP bei zunehmenden obstruktiven Mik tionsbeschwerden oder die Einleitung einer Hormonablation.
Therapie des
metas-tasierten
Prostatakarzi-noms
Sobald es zu einem lokalen Fortschrei-ten der Krankheit mit lymphogenen oder ossären Metastasen kommt, stellt die Hormonablation den Goldstandard dar. Der Androgenentzug kann operativ mit-tels subkapsulärer Orchiektomie oder medikamentös durchgeführt werden.
Beim medikamentösen Testosteronent-zug kann die hypophysäre LH- und FSH-Sekretion entweder mit GnRH- Agonisten (z. B. Goserelin) oder GnRH- Antagonisten (Degarelix) blockiert und dadurch ein konsekutiver Abfall der testikulären Testosteronproduk tion auf Kastrationsniveau erreicht wer den.
Da es aufgrund eines langfristigen Hor-monentzugs sekundär zu einer Osteopo-rose kommen kann oder um bei schon vorhandenen ossären Metastasen das pathologische Frakturrisiko zu mindern, wird eine osteoprotektive Prophylaxe mit Kalzium, Vitamin D und einem Os-teoklastenhemmer (Denosumab) emp-fohlen.
Kommt es trotz der antiandrogenen Therapie zu einem Fortschreiten der Er-krankung, wird von einem kastrations-resistenten Karzinom gesprochen. Auch in diesem Fall soll die Androgendepri-vation lebenslänglich durchgeführt wer-den. Die weiteren Behandlungsschritte werden interdisziplinär besprochen, wo-bei unterschiedliche Optionen zur Ver-fügung stehen. Aufgrund der Biologie des kastrationsresistenten Karzinoms ist auch die weitere Therapie komple-xer geworden. Ziel der Therapieoptio-nen ist eine Verlängerung des Überle-bens, eine Symptomlinderung sowie al-lenfalls eine Verbesserung bzw. ein Er-halt der Lebensqualität.
Als weiterer Schritt vor einer Chemo-therapie ist neu als nächster Thera-pieschritt die
Second-line-Hormonthe-rapie mit Abirateron eingeführt wor-den. Dieses Medikament war vorgän-gig nur nach einer Vorbehandlung mit Docetaxel erlaubt. Es handelt sich da-bei um einen CYP17-Inhibitor, wel-cher die restliche verbleibende testiku-läre Androgenproduktion und vor allem die Androgensynthese der Nebenniere sowie die autokrine Androgensynthe-se der Prostatazellen hemmt. Aktuell ist es bei asymp tomatischen Patienten oder wenig symptomatischen Patienten ohne viszerale Metastasen zugelassen.
Bei progredienter, kastrationsresistenter und systemischer Erkrankung wird als Erstlinien-Chemotherapie primär Do-cetaxel angeboten. Dieses Medikament wird immer in Kombination mit Predni-son verabreicht.
Bei lokalisierten Knochenschmerzen, welche durch eine Metastase zu erklä-ren sind, gilt die palliative lokale Be-strahlung neben der Schmerztherapie als Mittel der Wahl [5].
Bei massivem Skelettbefall kann auch der Radium223 AlphaStrahler (Xofi -go®), welcher lokal in Knochen mit
er-höhtem Umsatz (Knochenmetastasen) eingebaut wird, systemisch angewendet werden. Diese Therapieform ist jedoch nur an gewissen Zentren mit spezieller Zulassung möglich.
Schlussfolgerung
Prostatakarzinom
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J UROL UROGYNÄKOL 2015; 17 (1)
Literatur:
1. Schröder FH, Hugosson J, Roobol MJ, et al.; ERSPC Inves-tigators. Screening and prostate cancer mortality: results of the European Randomised Study of Screening for Prostate Cancer (ERSPC) at 13 years of follow-up. Lancet 2014; 384: 2027–35. 2. John H, Wiklund P, Witt J (eds). Atlas of Robotic Prostatec-tomy. Springer, Berlin-Heidelberg, 2013.
3. Mottet N, Bastian PJ, Bellmunt J, et al. Guidelines on Pros-tate Cancer. European Association of Urology, 2014.
4. Valerio M, Ahmed HU, Emberton M, et al. The role of focal therapy in the management of localised prostate cancer: a sys-tematic review. Eur Urol 2014; 66: 732–51.
5. Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der ver-schiedenen Stadien des Prostatakarzinoms, Langversion 3.1, 2014 AWMF Registernummer: 034/022OL. http:// leitlinienprogrammonkologie.de/Leitlinien.7.0.html [gesehen: 12.01.2015].
Korrespondenzadresse:
Jan Brachlow
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