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Lateinamerika: Evolution oder Revolution?

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Academic year: 2021

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Lateinamerika:

Evolution oder Revolution?

Hans-Jürgen Prien

“Revolution in der Sackgasse” das ist der Titel der 1970 in deutscher Übersetzung veröffentlichten Überlegungen zu r sozialen Frage in Lateinam erika, die der holländische K arm eliter J. Rosier n ach zehnjähriger L ehrtätigkeit a n U niversitäten in Chile und Kolumbien 1968 angestellt h at. Rosier kom m t zu einem in zwiefa­ cher H insicht pessimistischen Ergebnis: Die Guerrilleros können die Probleme dieses K ontinents n ic h t lösen, weil es ih n en a n üb erra­ genden F ü h rern feh lt un d weil jede Revolution infolge der psychi­ schen u n d kulturellen Unreife der lateinam erikanischen Völker anarchische u n d destruktive Züge annehm en würde. Andererseits fehlt es aber au ch u n te r den Intellektuellen u n d der unruhigen akadem ischen Jugend a n festum rissenen Reformideen u nd an Führern, die fähig wären, das V ertrauen der so oft en ttäu sch ten u n d m issbrauchten Massen zu gewinnen. Rosier endet m it dem resignierenden Satz: “W enn ein Volk sich n ic h t m ehr von Idealen begeistern lässt, k a n n dies fü r ein Land u n d fü r einen ganzen K on­ tin e n t k atastro p h ale Folgen haben: es ist n ic h t m ehr im stande seinen revolutionären Tendenzen eine Form zu geben” (1).

Was bleibt, wäre dem nach n u r die Hoffnung, dass die bestehen­ den Regierungen, die sich in ih re r M ehrzahl n ic h t au f das Volk, sondern au f die privilegierte O berschicht stützen, ob sie n u n zivile oder m ilitärische Züge tragen, selbst den sozialen W andel herbei­ führen. Diese H offnung leitete Präsident Kennedy seinerzeit bei der Konzipierung der inzwischen weitgehend gescheiterten “Al­ lianz fü r den F o rtsc h ritt”. Der nordam erikanische H istoriker G u n n ar Mendoza k ritisierte diese H offnung schon 1967 folgender- massen: “In den USA wird die lateinam erikanische Revolution konzipiert als ein Wandel, der u n te r A ufrechterhaltung der Ord­ nung, stufenweise, friedlich, ohne K lassenkonflikt durchgeführt wird un d was noch unm öglicher ist, weil es unhistorisch ist — von der privilegierten Klasse selbst”. Auch u n te r den US-Amerikanisten herrsche diese A uffassung vor, n a ch der die Reform sehr langsam un d fliessend erfolgen müsse, so dass sie bestenfalls in 500 Jah ren oder schlechtest enfalls vielleicht nie ans Ziel käme. Demgegenüber gälte es au ch fü r den Historiker k la r Stellung zu beziehen. “N ach­ dem 450 Ja h re Millionen m enschlicher Wesen von einigen h u n d e rt anderen m enschlichen Wesen u n terd rü ck t worden seien, sei die Zeit zum W arten um, au ch der H istoriker könne je tz t n u r noch

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fü r die U nterdrückung oder dagegen, fü r die U ngerechtigkeit oder dagegen sein. “Ein Mittelweg ist unm öglich” (2). Muss das nich t erst rech t fü r den C hristen gelten?

Jedwedes Engegem ent in dieser Frage setzt indes ein grü n d ­ liches Studium der sozialen, w irtschaftlichen u nd politischen Lage der einzelnen S taaten im Lichte ih re r Geschichte voraus. Zu einer gründlichen Problem analyse sei u. a. das schon beinahe klassische W erk von Enrique Ruiz Garcia, “América Latina, Hoy” (2 Bde., 750 S., M adrid 2. Aufl. 1971) empfohlen.

Revolutionäre Bewegungen in Lateinam erika

Da es in fast allen S taaten des K ontinents revolutionäre Be­ wegungen gibt, die sich seit dem Beispiel von K uba vielfach der G uerrillakam pfm ethoden bedienen, können wir hier n u r beispiel­ h a ft einige knappe A nm erkungen über Mexiko, Bolivien, Kuba, Chile u n d Brasilien machen.

S taatsstreiche sind häufig au f diesem K ontinent, un d viele von ih n en beanspruchen den Namen Revolution. Präzisiert m an indes den verschwommenen Begriff Revolution dahingehend, dass er den Übergang der M acht a n eine andere Klasse u nd eine stru k tu ­ relle V eränderung der w irtschaftlichen und kulturellen V erhält­ nisse beinhalten muss, d a n n k a n n m an von Revolution im wesent­ lichen in Bezug au f die ersten vier genannten Länder sprechen — m it gewissen Recht auch bezüglich Perus, worauf wir aus zeitlichen G ründen n ic h t eingehen können.

I n M E X I K O b rach te die E rringung der U nabhängigkeit 1820 ähnlich wie in allen anderen S taaten L ateinam erikas keine grundlegende Ä nderung der kolonialen Gesellschafts- u n d W irt­ schaftsordnung. D ort wie allenthalben au f dem K ontinent ver­ wechselte m an lange Selbstverw altung m it Freiheit. Der u rsp rü n g ­ lich spanische Kolonialkapitalism us wurde lediglich in wachsen­ dem Masse von einem m u ltilateralen K apitalism us abgelöst, der dem Land einen Satellitenstatus m it der Rolle eines Rohstoffliefe­ ra n te n zuerkannte. Die 1910 ausgebrochene u n d du rch den Schrei der bäuerlichen Massen “Land u n d F reiheit” charakterisierte Re­ volution brachte au f dem sozialen u n d w irtschaftlichen Sektor erhebliche Fortschritte, aber keine endgültige Lösung der Proble­ me. Obgleich m eh r als 76 Millionen H ektar Land v erstaatlich t und den Landarbeitern in eine A rt E rbpacht gegeben wurden, gibt es au f G rund der dem ographischen Explosion h eute m ehr Landarbei­ te r ohne G ru n d u n d Boden als 1910. Die in den n äch sten J a h re n um weitere Millionen anw achsende Landbevölkerung k a n n n ic h t schnell genug in den industriellen Arbeitsprozess eingegliedert werden, was zum Teil dadurch bedingt ist, dass die Industrie ihre Produktion wegen der unbedeutenden K au fk raft d er ländlichen Massen n ich t entsprechend erhöhen kann. Dieser circulus vitiosus k an n n ic h t allein du rch die neuerdings propagierte G eburtenkon­ trolle durchbrochen werden. Er deu tet vielmehr auf das

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Grund-Problem der m exikanischen Revolution: eine Landreform ohne eine globale Gesellschaftsreform ist zum Scheitern verurteilt.

W ährend au f dem landw irtschaftlichen Sektor die E rbpacht­ m inifundien neben den k ap italstarken Privatbetrieben bestehen, bei denen die gesetzlich zugelassene Maximalgrösse oft durch Überschreibungen des Bodens au f zahlreiche Verwandte u m ein Vielfaches überschritten wird, h errsch t in der Industrie der Pri­ vatbesitz a n den Produktionsm itteln eindeutig vor.

G esam tw irtschaftlich gesehen verschlechtert sich seit 1950 die R elation zwischen den niedrigen u n d den hohen Einkommens­ gruppen ständig. Die K orruption ist im übrigen eine als selbstver­ ständlich hingenomm ene Begleiterscheinung der w irtschaftlichen Entwicklung.

Wie sehr die Revolution in Mexiko stabilisiert ist, verdeutlicht die U m benennung der Einheitspartei nach dem 2. W eltkrieg in P artid o Revolucionário Institucional. Die persönliche Freiheit h ö rt d o rt auf, wo die öffentliche K ritik am Präsidenten u n d seinen F reunden in der stark personell bestim m ten E inheitspartei be­ ginnt. Es fehlt die von Paulo Freire geforderte dialogische Q ualität der Revolution, die sie davor bew ahren könnte, “sich zu institu tio ­ nalisieren und in einer konterrevolutionären B ürokratie aufgelöst zu werden” (3). Das zeigten die 1968 kurz vor der Olympiade blu­ tig niedergeschlagenen Studentendem onstrationen genauso wie jene kleine Zeitungsm eldung vom April 1972, dass eine G ruppe m exikanischer Bauern, die sich auf dem M arsch in die H au p tstadt befand, um dem Präsidenten persönlich ihre Nöte zu schildern, von M ilitär am W eiterm arsch gehindert und zu r R ückkehr in ihre Dörfer gezwungen wurde.

B O L I V I E N ist ein weiteres Beispiel fü r eine steckengeblie­ bene, allerdings weniger stabilisierte Revolution als Mexiko. 1946 stü rm te eine Volksmenge das Präsidentenpalais u n d hing P rä ­ sident Villarroel, der sich n ich t zu durchgreifenden Reformen h a tte aufraffen können, a n einem L atem en p fah l auf. Das “kranke Volk” indes (Titel eines bekannten Buches von Alcides A rguedas), verkörpert durch die Gewerkschaft der Zinnm inearbeiter, er­ lan g te seine Selbstbestim m ung noch nicht. Aber 1951 erran g der / Movimiento Nacional Revolucionário (MNR) einen überw ältigen­

den Wahlsieg, den der am tierende Präsident un d die Heeresfüh­ ru n g allerdings n ic h t anerkennen wollten, so dass der aus dem Exil zurückgekehrte F ü h rer der MNR, Victor Paz Estenssoro, erst 1952 n ach einem gewonnenen Bürgerkrieg, bei dem die Abteilun­ gen der M inenarbeiter schliesslich den Ausschlag gegeben h atten , a n die M acht kam.

“Ein Bettler, der au f einem goldenen T hron sitz t”, dieses W ort des französischen Forschers Alcides d ’Orbigny charakterisiert dam als wie heute die Lage des bolivianischen Volkes in einem an Rohstoffen, speziell Erzen u n d Erdöl, enorm reichen Landes. V. Paz versuchte hier Abhüfe zu schaffen. Noch 1952 verstaatlichte er eine Anzahl von Zinnm inen, ohne dad u rch das Land au s der kapitalistischen Bedrückung befreien zu können. D enn die

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boli-vianischen Zinnbarone kontrollieren die beiden entscheidenden englischen Z innraffinerien u n d sind sta rk a n Zinnbergwerken in Tailand, Malaysia, Indonesien u n d Nigeria beteiligt, so dass sie einen erheblichen Teil des Zinnm arktes kontrollieren u n d Preis­ druck ausüben können. Aber n ic h t n u r die Schw ankungen des in tern atio n alen Zinnpreises, au ch die U nvernunft der Gewerk­ schaft m achte der Regierung zu schaffen, die durch übertriebene Lohnfoderungen die Produktionskosten ungebührlich in die Höhe trieb. Diese Faktoren zusam m en m it dem Fehlen einer nationalen Z innverhüttung verdeutlichen, wie schwer bzw. unm öglich es für ein einzelnes unterentw ickeltes Land ist, sich aus dem Geflecht des internationalen K apitalism us zu befreien.

1953 legte V. Paz einen G esetzentw urf zu r A grarreform vor, der den m ehr als 400 Jah re ausgebeuteten In d ian ern ih r Land zurückgeben un d ih n en das Stim m recht verschaffen sollte. Nach­ dem die Indianer, aus ih rer Lethargie erw acht, selbständig die Ländereien besetzten, konnte Paz endlich 1961, in seiner zweiten Amtsperiode, dieses Gesetz in K ra ft tre te n lassen u n d d am it die erste stru k tu relle Bodenreform Südam erikas verwirklichen. Die angesichts fehlender technischer K enntnisse un d K apitalm angel unverm eidlichen Rückchläge in R ichtung au f eine blosse Subsi­ stenzw irtschaft kon n ten n a ch un d n ach überw unden werden. Bo­ livien w urde erstm als in der Zucker-und Reiserzeugung au tark .

Ab 1961 setzte m a n in Bolivien grosse H offnungen au f die “Allianz fü r den F o rtsch ritt”, die weitgehend en ttä u sc h t wurden. Ein Staatsstreich brachte 1964 rechtsgerichtete M ilitärs a n die M acht, die d an n 1967 in Zusam m enarbeit m it dem CIA die Ope­ ratio n gegen den sogar von der bolivianischen kom m unistischen P artei in Stich gelassenen “Che” G uevara u n d die von ihm ge­ gründete Revolutionsarmee durchführten. Die Ergebnisse der Revolution kon nten sie indes n ic h t wieder rückgängig m achen. Und es w ar paradoxerweise der P laner jener A ntiguerrilla Opera­ tion, G eneral J u a n José Torres, der in der Folgezeit stark e Sym pa­ th ien fü r die linksgerichteten S tudenten u n d Gewerkschaften zeigte. Er w irkte 1969 führend bei der V erstaatlichung der US-öl- gesellsehaft “Bolivien G ulf Oil” m it, die zu massivem nordam eri­ kanischem D ruck au f Bolivien führte, wie ih n ähnlich schon Mexi­ ko, K uba und sp äter noch andere linksorientierte R egierungen des K ontinents zu erdulden h atten .

Nachdem General Torres wegen seiner Linkstendenzen 1970 als Oberkom m andierender der S treitk räfte abgesetzt worden war, kam er noch im Oktober desselben Jah res durch einen P utsch a n die M acht. W as könnte die V erw irrung der G eister deutlicher m achen als die Tatsache, dass die MNR, die Revolutionspartei von einst, sich n u n gegen die Fortsetzer der Revolution m it ihrer ehem aligen Erzfeindin, der Falange Socialista Boliviana, verbün­ dete! So k onnte die “U nidad P opular” von Torres, die eine n a tio ­ nalistische Revloution anstrebte, d an n auch Anfang 1972 wieder von rechtsgerichteten M ilitärs u n te r Oberst Banzer m it in- und

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auslä n discher Hilfe gestürzt werden, so dass der weitere Weg Boli­ viens im D unkeln liegt.

W ährend die katholische K irche in Mexiko gegenüber allen sozialistischen Tendenzen im 19. und 20. Ja h rh u n d e rt h artn äck ig die hergebrachte O rdnung verteidigte u n d deshalb schweren Ver­ folgungen von Seiten der Revolution ausgesetzt war, h a t sich in der bolivianischen Hierarchie in den letzten Ja h re n ein soziales Problem bewusstsein entwickelt, freilich u n te r gesam tkirchlich weit günstigeren Bedingungen. M an denke n u r a n das 2. Vatica­ num , die Enzyklika “Populorum Progressio” un d die Konferenz von Medellin 1968. Ein Signal d afü r is t die 1971 von K ardinal M aurer ausgegangene spektakuläre A nkündigung, die boliviani­ sche K irche wolle ih re u n g en u tzten K irchenschätze verkaufen un d den E rtra g in Sozialwerken anlegen, “um zum authentischen D ienst a n den Arm en zurückzukehren”. Seitdem die Jagd au f die linken K räfte u n te r O berst Banzer eingesetzt h at, ist es d a n n auch zu erheblichen S pannungen zwischen Regierung un d Episkopat gekommen, der sich energisch fü r die B eachtung der M enschen­ rechte gegenüber politischen G efangenen einsetzte un d sich gegen W illkürakte gegenüber P riestern m it sozialistischen Tendenzen verwahrte. Jü n g ste Vorgänge in S a n ta Cruz (Mai 1972) zeigen allerdings, dass die K onszientisation der katholischen Laien noch n ic h t soweit fortgeschritten ist, d en n einige Laienverbände haben sich gegen den Episkopat m it den angeblich die F reiheit verteidi­ genden Behörden solidarisch erklärt.

Die Revolutionen von K U B A und C H I L E sind so sehr in aller Munde, dass wir u ns m it wenigen A ndeutungen begnügen können. Mit Fidel C astro un d seinen M itkäm pfern, die im J a n u a r 1959 das Zeitalter des D iktators Fulgencio B atista beendeten, kam erstm als eine Guerrillero-Bewegung in Lateinam erika a n die M acht, die seitdem zahlreiche G uerrillero-Gruppen in anderen Ländern des K ontinents inspiriert un d au ch aktiv u n te rstü tz t. Dieser Versuch, die kubanische Revolution zu exportieren, veranlasste die USA dazu, in P an am a eine intensive A nti-G uerrillakam pfschulung fü r M ilitärs fast aller L änder der Hem isphäre durchzuführen, die die Fähigkeit der traditionellen Armeen m it Guerrilleros fertigzuwer­ den, enorm erh ö h t h at. Ausserdem haben In stru k teu re der Office of Public Safety (OPS) die Polizeieinheiten vieler L änder beraten.

Die w irtschaftliche und politische Isolierung, in die K uba durch die USA gedrängt worden ist, ist ein weiteres Indiz dafür, dass eine sozialistische Revolution sich in m itten kapitalistisch orien­ tierter S ta a te n k au m behaupten kann.

W ährend in Bolivien die revolutionäre P artei zwar einen W ahl­ sieg, n ic h t aber die M acht friedlich erlangte, w urde beides erstm als in Chile 1970 erreicht. Allendes Vorgänger, E duardo Frei, h a tte als C hristlicher D em okrat m it der Parole “Revolution in Freiheit” einen d ritten Weg zwischen Sozialismus un d K apitalism us ge­ sucht. E r bew ahrte die Freiheit, konnte aber die versprochene Revolution n ic h t überzeugend in Gang bringen. Sein Parteifreund

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Radom iro Tomic zog m it dem Slogan “Revolucion C om unitaria” in den W ahlkampf, womit er sich der Linken w eiter annäherte, ohne so konsequent wie sie zu sein. Die Tatsache, dass m it Allende erstm als ein M arxist du rch freie W ahlen in einem lateinam erika­ nischen Land a n die Regierung kam u n d m it parlam entarischer M inderheit regiert, k a n n in ih re r B edeutung fü r den K ontinent k au m überschätzt werden.

Die durch die Welle von V erstaatlichungen, d u rch die fortge­ setzte Agrarreform u n d die in- u n d ausländischen Störversuche entstandenen Probleme können h ier n ich t n ä h er erö rtert werden. Von kirchengeschichtlich überragender B edeutung ist es, dass in dieser komplexen Situation alle 25 katholischen Bischöfe Chiles m it ih rer E rklärung vom 16.4.72 den stru k tu rellen W andlungspro­ zess ausdrücklich befürw orten u n d d arau f hinweisen, dass er nicht ohne Opfer fü r die privilegierteren Schichten d u rch g efü h rt wer­ den könne!

Als Beispiel einer “Revolution von rechts” sei die sogenannte brasilianische Revolution von 1964 erw ähnt. I n den dreissiger J a h re n begann u n te r dem D iktator G etülio V argas der brasiliani­ sche “Populismo”, d. h. eine politische Aktivierung der Massen, auf die V argas sich in gewissem G rade stützte, u m ein Gegengewicht gegen die bürgerlichen P arteien zu gewinnen. Die dadurch be­ gründete Tendenz zur S tärk u n g der Gewerkschaften, der linksge­ rich teten P arteien u n d sonstigen sozialen O rganisationen, beson­ ders auch der Landarbeiterverbände setzte sich n ach der Redemo- kratisierung 1945 au ch m it U nterstützung von G ruppen der katholischen K irche v erstärk t fort u nd wurde A nfang der sechziger Jah re durch das n eu entstandene Netz kirchlicher Radioschulen un d die politisch-problem orientierte A lphabetisierung von Paulo Freire w eiter gefördert. Der Populismo kam 1964 a n einen Schei­ deweg. Ein M anövrieren zwischen den Interessen der Volksmasse, die viele selbst korrupte Politiker m it demagogischem Geschick zu vertreten behaupteten, u n d den Interessen der Oligarchie, wie es bis dahin der Stil aller R egierungen gewesen war, w urde im m er weniger möglich. Entweder es k am zu einer sozialistischen Revo­ lution oder zu einer R eaktion der herrschenden Kreise. Es steh t uns n ic h t a n zu beurteilen, ob die K onszientisation der Massen u n d die O rganisation fü r eine Revolution, die n ic h t in der Anarchie geendet wäre, ausreichten. F est ste h t lediglich, dass sich ländlicher Grossgrundbesitz, Industrie, Handel, B anken u n d bürgerliches M ilitär angesichts der revolutionären G efahr zusammenschlossen un d du rch einen S taatsstreich 1964 ein “kolonial-faschistisches Regime” errichteten, wie es Helip Jaguaribe im selben J a h r n a n n ­ te,, d. h. eine D ik tatu r des B esitzbürgertum s in stark er Abhängig­ keit von den USA, das sich nach den Schem ata des K alten Krieges orientierte, in einer Zeit, in der die Ost-West-Blockbildung schon in die Krise geraten w ar (4). Die herrschende G ruppe behauptet fü r D em okratie u n d abendländisches C hristentum einzutreten un d diffam iert jede grundsätzliche Opposition oder g ar ein Ein­ tre te n fü r sozialistische Gesellschaftsmodelle als Kommunismus.

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Gegen alle O rganisationen, die fü r das Selbstbestim m ungsrecht der Massen käm pfen, w urde dem entsprechend sofort 1964 eine ideologische u n d politische K am pagne eingeleitet, die sich teilweise zu sinnlosem F anatism us steigerte, z. B. zur Zerstörung von 20.000 Projektoren, die eine ausländische Regierung fü r Freires Alphabe­ tisierungsprogram m gestiftet h atte, das die Regierung G oulart offiziell gefördert h a tte (5).

Das brasilianische Regime akzeptiert freiwillig einen Satelli­ te n sta tu s gegenüber den USA als F ü h ru n g sm ach t des westlichen Lagers gemäss den D oktrinen der “Interdependenz” und der “kontinentalen Sicherheit”. Im N am en der D oktrin der “n atio n a­ len Sicherheit” betreibt es eine nationalistische Innenpolitik un d h a t der Subversion den “to talen K rieg” erklärt, der n ic h t zuletzt d u rch die m it Hilfe von Folterungen erpressten G eständnisse poli­ tischer G efangener ab 1970 ständig erfolgreicher wurde. Dem Leitmotiv politischen Handelns, dem Prinzip d er nationalen Sicherheit, wird notfalls auch das Wohl des Staates geopfert. De­ m entsprechend wird der Präsident der Republik von zwei “Super­ m äch ten” beraten, dem N ationalen Sicherheitsrat (CSN) un d dem N ationalen Inform ationsdienst (SNI) neben den schon vorher üblichen B eratungsinstanzen wie C onsultoria Geral, D epartam en­ to de Adm inistração do Pessoal Civil, G eneralstab un d Oberkom­ m ando der Streikräfte. Der CSN u n d der SNI verfügen ausserdem über Abteilungen in allen M inisterien, die jeweils m it ideologisch geschulten Absolventen der “Escola Superior de G u erra” besetzt sind. CSN u n d SNI obliegt es n ach der Verfassung von 1967 zu bestimmen, was subversiv ist u n d was nicht, so dass das oberste Bundesgericht lediglich ausführende u n d n ic h t rechtsfindende Funktionen h at. G enauso ist die Legislative im G runde eine Atrappe m it zwei künstlich geschaffenen Parteien, deren gesetzbildende F unktion gering ist. Viele Politiker der Oppositionspartei fragen sich gegenwärtig, ob es n ic h t ehrlicher sei, die P artei aufzulösen, nachdem die Regierung du rch eine V erfassungsänderung im April 1972 die fü r 1974 vorgesehene direkte W ahl der Gouverneure der B undesstaaten in eine indirekte W ahl um gew andelt u n d dam it bestätig t h a t, dass die Parole der Redem okratisierung einem fal­ schen Schein dient. Dem okratie heisst in W irklichkeit, dass eine ideologische G ruppe im N am en des Volkes die M acht au sü b t (6).

Bei dieser Lage der Dinge d arf m a n die persönliche H andlungs­ freiheit des Präsidenten n ic h t überschätzen, weshalb eine Politik persönlicher G espräche m it dem Präsidenten u nd seinen M itarbei­ tern , wie sie die Ev. K irche lu th . B ekenntnisses in Brasilien m it ih rer E rklärung von C uritiba (1970) anstrebt, voraussichtlich unrealistisch ist, weil dadurch die w ahren M achtverhältnisse ver­ schleiert werden.

Möglichkeiten u n d Grenzen des Engagem ents von C hristen fü r sozialistische Revolutionen in Lateinam erika

Die M öglichkeiten un d G renzen des Kampfes von C hristen für soziale G erechtigkeit au f diesem K ontinent werden exemplarisch

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deutlich am Weg des kolumbianischen. Priesters Camilo Torres Restrepo. W enn wir h ier von M öglichkeiten u n d G renzen sprechen, d a n n m einen w ir den realpolitisch gegebenen Handlungsspielraum , der freilich von Land zu Land verschieden gross ist.

Nachdem durch die Arbeiten von Hildegard Lüning u n d Elena H ochm ann/H . R. Sonntag auch im deutschen Sprachbereich Un­ tersuchungen greifbar sind, die das Klischee vom P riester m it Sou­ ta n e u n d M aschinenpistole durchdringen (7), können wir uns au f einige zentrale Aspekte beschränken.

M an könnte Weg un d W irken von Camilo Torres von seinem Soziologiestudium in Löwen 1954-58 bis zu seinem politischen K am pf als F ü h rer der F ren te U nida 1965 u n te r dem Stichw ort K onszientisation beschreiben, näm lich fortschreitende Bewusst- w erdung der sozialen Probleme seines Landes un d H and in H and dam it gehend ih re Bew usstm achung bei anderen. Die Bewusstwer- dung erfolgte d u rch das Soziologiestudium, Arbeit m it verschiede­ nen G ruppen von Sozialpriestem am S ta d tran d von Paris, seine Lizentiatenthese über die sozio-ökonische Lage von Bogotá, seine L ehrtätigkeit an der Soziologischen F a k u ltä t in Bogotá, die “teil­ nehm ende “A ktivität” seiner K om m unalaktion, seine L ehrtätigkeit a n der Hochschule für öffentliche Verwaltung, wo er F achkräfte fü r die A grarreform und die K om m unalaktion ausbildete und besonders durch seine Arbeit im V orstand des Kolum bianischen In stitu te s fü r A grarreform (INCORA), die ih n au f zahlreiche Rei­ sen ins Landesinnere fü h rte un d die ländlichen V erhältnisse gründlich kennenlem en liess. Die B ew usstm achung begann auch schon in Europa, wo e r kolum bianische Studenten aller Fachrich­ tu n g en in einer Arbeitsgem einschaft fü r soziale u n d w irtschaft­ liche Forschung sammelte, die den K arrierestudenten eine “neue M en talität” verm itteln sollte, die sie befähigte uneigennützig, u n te r H intansetzung von K lasseninteressen am A ufbau “eines neuen Kolum bien” m itzuarbeiten, u n d zwar au f der reichlich vagen Basis eines H um anism us, der fü r Torres die A nerkennung des M enschen durch den M enschen bedeutet. Camilo setzte in Kolum ­ bien die Bew usstm achung fort als Studentenseelsorger, als Sozio­ logieprofessor, als Regierungsberater, d u rch Roundtablegespräche, zahllose K ontakte un d F reundschaften m it oppositionellen Politi­ kern, führenden K om m unisten, Liberalen, nonkonform istischen Priestergruppen, P rotestanten, m arxistischen Intellektuellen, Ge­ w erkschaftsführern, aber au ch Parlam entariern, K abinettsm itglie- dem , M ilitärs, G rossgrundbesitzem , F u n k tio n ären d er K om m unal­ aktion und des N ationalen Dienstes fü r Ausbildung. Torres Publi­ zität wuchs erheblich, nachdem er Ende 1964 von den F ü h rern verschiedener nonkonform istischer Bewegungen u n d P arteien ein­ geladen worden war, eine revolutionäre Einh eitsfro n t aufzubauen. Die “F ren te U nida” zielte d arau f ab, die revolutionäre Aktion, d. h. die M achtübernahm e d u rch das Volk, im R ahm en der Legalität zu verwirklichen.

Nachdem Torres im März 1965 die “Plataform a”, also das Pro­ gram m der Bewegung, bekanntgab, w ar der K onflikt m it der

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kirchlichen Hierarchie n ic h t länger zu vermeiden. Da K ardinal Concha dabei blieb, dass ein Priester sich n ic h t politisch betätigen dürfe u n d im übrigen erklärte, dass es in der Plataform a Punkte gäbe, die m it der Lehre der K irche unvereinbar seien, zog Torres es einem “M aulkorb-Priesterdasein” vor, sich laikaüsieren zu las­ sen. Bis M itte 1964 h a tte Camilo n u r seh r n u an ciert von Revolution gesprochen entw eder als A usrichtung des Volkes a u f ein nationales Entwicklungsziel m it entsprechender W andlung der W ertordnung u n d der Verhaltensweisen oder als drohende A lternative bei Aus­ bleiben einer vernünftigen W irtschaftsplanung, also als Verzweif­ lu n g sak t des fru strierten Volkes, dem es du rch Reformen vorzu­ beugen gilt. Ende 1964 hingeben stan d ihm die Alternative Reform oder Revolution deutlich vor Augen, u nd er entschloss sich, der sich unterschw ellig anbahnenden Revolution zum D urchbruch zu verhelfen, wenn er a n die Spitze einer revolutionären Bewegung gerufen würde, was d a n n ja bald geschah. Aber au ch als F ü h rer d er F ren te U nida predigte er n ic h t den gew altsam en Umsturz, sondern wollte die M acht fü r die M ehrheit erobern. D enn Demo­ k ratie besteht fü r ihn n ic h t im Aufzug einer Wahlkomödie, son­ d ern in der A usübung der M acht d u rch die M ehrheit. M it Gewalt will n u r die herrschende M inderheit die M acht in den H änden behalten.

C. Torres eilte von Volksversammlung zu Volksversammlung, um die Massen zu mobilisieren, und versuchte in zahllosen V orträ­ gen un d Interview s die ih n diffam ierenden U nterstellungen von rechts als verbalen A ntikom m unism us zu entlarven u n d V erständ­ nis fü r die Sache des Volkes zu erwecken. Ab 1965 strebte Torres n ic h t einen theoretischen, sondern einen praktischen Sozialismus an. D enn nachdem er e rk a n n t h atte, dass die unterentw ickelte kolum bianische Gesellschaft am K apitalism us litt, konnte er kon­ sequenterweise die Entw icklung n ic h t m eh r als reform erische W eiterführung des kapitalistischen Systems begreifen, sondern als Beseitigung dieses Systems. Dieses Ziel, der en trech teten Masse au f K osten d er herrschenden M inderheit d u rch den Übergang zur sozialistischen Gesellschaft zu ihrem R echt zu verhelfen, m ach t den revolutionären C h arak ter des Denkens von Torres aus. Dass Torres fü r dieses Ziel schliesslich m it der W affe in der H and zu­ sam m en m it Guerrilleros kämpfe, bezeichnet sein Scheitern und m ach t die Tragik seines Lebens aus, das er so ju n g verlor.

Cämilos Entschluss, in den U ntergrund zu gehen, entsprang der Logik eineis Verzweifelten, der a n seinen eigenen Grenzen, an denen seiner K irche und denjenigen der G esellschaft gescheitert war. Torres w ar einfallsreich, enorm kontaktfähig un d ein m it- reissender Redner, aber kein O rganisator. E r verstand es nicht, der F ren te U nida eine Basisorganisation zu schaffen u n d M itar­ beiter heranzuziehen u n d w irklich sinnvoll einzusetzen, sei es in der F ren te oder der gleichnam igen Zeitung, die anfangs m it enor­ m em Erfolg herauskam . Ih m fehlte die Geduld zu einem langwie­ rigen Bewusstmachungsprozess der Massen un d auch die Geduld zu r m ühsam en K oordinierung der politischen M einungen der so

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verschiedenen Gruppen, die sich zur F ren te zusammengeschlossen h a tte n . Obgleich beschlossen war, dass A rbeitsgruppen Studien über 30 Fragenkreise aus Politik und W irtschaft als Diskussions­ grundlage der F rente Unida erarbeiten sollten, preschte Camilo am 12.3.1965, als erst zwei Studien Vorlagen, im Alleingang vor un d gab die Plataform a bekannt, so dass m anche seiner Freunde ihm n ic h t zu U nrecht Mangel a n realpolitischer V ernunft vorwarfen. Solche Verfahrensweisen und n ic h t n u r die Uneinigkeit d er betei­ ligten G ruppen, fü h rten zu raschem Verfall der Frente.

An seinem sechsunddreissigjähren G eburtstag, dem 26.6.65, w ar Camilo laikalisiert worden. Am 3.7.65 k eh rte er von soziologi­ schen Vorlesungen aus Lima zurück u nd erlebte einen trium phalen Em pfang a u f dem Flugplatz El Dorado von Bogota, so dass m an in Bezug d a ra u f von seinem Palm sonntag gesprochen h a t. Am 10.8.65 wurde er erstm als in Medellin 16 Stunden in H aft genom­ men. Obgleich er sich weiter als Priester fühlte, w ar er von seiner K irche to tal in Stich gelassen worden. Es fand sich keine Priester­ gruppe, kein Bischof u n d keine katholische O rganisation, die ih n u n te rstü tz t h ä tte n , wenn m an von den christlichen Gewerkschaf­ te n u n d dem P artid o Social D em ocrata C ristiana absieht. Seine erste V erhaftung zeigte, dass die herrschende M inderheit entschlos­ sen war, seinem W irken Grenzen zu setzen. Da n ich t die F rente Unida u n d n ic h t ein Program m , sondern ein M ann, Camilo Torres, ganz im V ordergrund stand, der im m er m eh r die Züge eines Cau- dillo annahm , konzentrierten sich die H etzkam pagnen u n d U nter­ suchungen der politischen Staatspolizei stän d ig m ehr au f seine Person. Zum Schluss erschöpfte sich Torres in Revolutionsappellen a n alle Bevölkerungskreise u n d gab sich groben Fehlschätzungen über die Zahl seiner effektiven S ym pathisanten hin. E r übersah, dass gerade Kolumbien n a ch den fa st zehnjährigen U nruhen von 1948 bis 1957 der “Violencia” überdrüssig sein m usste u n d dass m an keine Revolution m achen kann, w enn die revolutionäre S itua­ tion noch g ar n ich t verhanden ist. Als er am 18.10.1965 aus Bogota verschwand, die E rm ordung jenes V olksführers G aitän vor Augen, die 1948 die langw ierigen Gewaltsam keiten auslöste, w ar er ein politisch gescheiterter M ann, gescheitert n ic h t zuletzt am W ider­ stan d u n d d er U neinsichtigkeit der sich christlich fühlenden Bourgeoisie. Deshalb m einen w ir entgegen vielen oberflächlichen D eutungen, ist Camilo Torres kein typischer Guerrillero-Priester, sondern e r endet in seiner Ausweglosigkeit n u r als ein solcher.

Aber Torres K am pf u n d Tod sind n ic h t vergeblich gewesen, sondern geschichtsm ächtig geworden. Sie haben speziell den Be- w usstm achungsprozess innerhalb der katholischen K irche L atein­ am erikas befördert, was hier n u r angedeutet w erden kann. Camilo h a t als einer der ersten in der “Plataform a p a ra u n Movimiento de Unidad P opulär” den zivilrechtlichen Eigentumsbegriff, der au f den Code Napoleon zurückgeht u n d m it dem katholischen N atu r­ re c h t verbunden ist, in Frage gestellt u n d d ü rfte gerade deshalb von seinem K ardinalerzbischof Concha Irrtü m e m u n d verderbli­ cher Lehren bezichtigt worden sein (18.6.1965). Ähnliche

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Ansich-ten wie Torres haben seitdem schon Mitglieder der katholischen Hierarchie geäussert, ohne d a fü r kirchlich gem assregelt worden zu sein. So fordert Bischof Antonio Fragoso von C ratéus im nord­ östlichen brasilianischen S ta a t Ceará seit 1968 entschädigungs­ lose L andenteignungen (8). Die peruanische Bischofskonferenz ging in ihrem V orbereitungsdokum ent fü r die römische Bischofs­ synode 1971 noch einen S ch ritt weiter, in dem sie feststellt, dass peruanische Volk lehne n ach den gem achten E rfah ru n g en den K apitalism us sowohl als ideologische G rundlage wie in seinen w irtschaftlichen Auswirkungen ab, da er den Individualismus, d as Gewinnstreben u n d die A usbeutung des Menschen du rch den M enschen fördere. Stattdessen fordert die peruanische K irche die Überwindung des ausschliesslich privaten Eigentum s a n den Pro­ duktionsm itteln u n d die Schaffung” eines sozialen Eigentum s, das w irksam er der B edeutung der m enschlichen Arbeit u n d der un i­ versalen Bestim m ung der G ü ter e n tsp rich t” (9). Die in eine äh n li­ che R ichtung gehende E rklärung der 25 chilenischen Bischöfe erw ähnten wir oben bereits. Im übrigen ist Torres m it seinen so­ zia-ökonomischen Analysen speziell von der K onferenz von Medel­ lin 1968 b estätigt worden, deren entscheidendes Novum d a rin zu sehen ist, dass die Bischöfe alle M ißstände der politischen Ökono­ mie als religiöse Probleme ansahen, “deren Lösung aus dem G lau­ ben geboten is t” (10).

Die K ardinalfrage heute ist, wie denn der S trukturverände­ rungsprozess in Lateinam erika in Gang gesetzt werden k a n n u n d welche Rolle die K irchen qua O rganisation oder jedenfalls G rup­ pen von C hristen dabei zu spielen vermögen? Erzbischof Helder C âm ara h a t schon im m er die M einung vertreten, dass es contra producentem sei, die etablierte Gewalt m it subversiver Gewalt zu bekäm pfen (11). Das Ende von Camilo Torres u n d “Che” Guevara, sowie die Stagnation d er Guerrilla-Bewegungen allenthalben be­ weisen, wie rech t er dam it h at. Es spricht vieles fü r die Annahme, dass z. B. die W ahlen in U ruguay A nfang 1972 ohne den Terror der Tupam aros fü r die linke F ren te Ampla günstiger ausgegangen wären.

Dom Helders B erater Comblin, ein belgischer Pater, h a t in einer Studie zur Vorbereitung der Konferenz von Medellin 1968 erklärt: “Zu glauben, dass es möglich sei, dass eine Guerrillero- G ruppe die M acht erobert u n d sie au sü b t im N am en der m agischen Tugend der Gewalt, in G estalt des geheiligten Schwertes, ist reine Rom antik. Das m ag vielleicht in einer kleinen Republik Z entral­ am erikas möglich sein, aber in Brasilien ist es u n m ö g lic h .. . ” (12). Als sinnvoll erscheint also einzig d er Weg d er Gewaltlosigkeit, fü r den au ch Alex Morelli in seiner S chrift “Libera a m i Pueblo”

(13) plädiert, den wir h ier als einen der katholischen V ertreter einer lateinam erikanischen Theologie der Befreiung erw ähnen wollen. Wie C âm ara versagt Morelli den Guerrilleros n ic h t seinen Respekt, m eint aber, dass ein echter W andel n u r d u rch die “Ge­ w alt der Friedfertigen” erreich t w erden kann. Die Aktionen der Friedfertigen, wie M assendem onstrationen, Streiks, Agitation, zi­

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viler Ungehorsam gegen u n g erech te Gesetze, zielen im m er a u i den Dialog hin. Die B ehauptung “Che” G uevaras (April 1967): “Ein Volk, dass n ic h t zu hassen versteht, befreit sich n ic h t” — müsse du rch die Aktion der Liebe widerlegt werden. Die Gewaltlosigkeit erfordere m indestens so grossen M ut wie die Gewalt, denn ihre V ertreter m üssten mögliche Folterungen, Gefängnis, Tod oder ge­ w altsam e U nterdrückung kü h l ins Auge fassen.

Der bekannteste V ertreter des gewaltlosen W iderstandes in Lateinam erika ist zweifellos der Erzbischof von Recife un d Olinda, der sich sta rk am Vorbild von M artin L u ther K ing orientiert. Dom Helder h a t im Mai 1968 au f einer Sitzung der Kommission für Soziale Aktion von CELAM in B ahia ein entsprechendes kontinen­ tales Aktionsprogram m vorgelegt. C âm ara wollte die Gedenkfeiern zum 20. Jah restag der E rk läru n g d er M enschenrechte d u rch die UNO zu einer zweijährigen kirchlichen Aktion nützen, die die C hristen Lateinam erikas durch Diskussionen über die Menschen­ rechte zu d er kritischen Frage führen sollte, wie es den n in ihrem Lande um die M enschenrechte stehe. Alles sollte im kontinentalen R ahm en stattfin d en , d am it die lateinam erikanischen Massen ihre völkische Id e n titä t entdeckten. Ergänzend dazu sollten in den einzelnen Regionen wissenschaftliche E nqueten über die Beach­ tu n g d er M enschenrechte d u rch g efü h rt werden. Dom Helder m ein­ te, dass es genüge, wenn m a n in jedem Land m it der U n terstü t­ zung von 15% der Bischöfe, Priester u n d Laien rechnen könne

(14). Es ist indes eine historische Tatsache, dass gewaltlose Aktio­ n en in Lateinam erika im grossen Stil u n d über längere Zeit hin nirgendwo erfolgreich d u rch g efü h rt worden sind. Das m uss u. a. a n ungenügender Vorarbeit zur Bew usstm achung liegen. Auch katholische Reformtheologen wie Helder C âm ara m üssten wohl ersteinm al in H ierarchie u n d K lerus d u rch geduldige A ufklärungs­ arbeit m eh r A nhänger gewinnen, ehe sie zu k o ntin en talen Aktio­ n en schreiten.

D er ko n tin en tale Aspekt ist freilich ungeheuer wichtig. Das ursprüngliche lateinam erikanische Zusammengehörigkeitsgefühl ist in den letzten Jah rzeh n ten du rch eine A bart von “Nationalis­ m us” ersetzt, d er weniger politischen als entw icklungstechnischen In h a lt h at. M an streb t n a ch E rfüllung seiner E rw artungen auch u m den Preis der Em anzipation. Etw as überspitzt sag t ein K riti­ ker: “Das Politische ist h ier zu r Folklore herabgesetzt, das sich am deutlichsten im Fussball spiegelt. Lateinam erika — was ist das? Die M ittelklasse k e n n t n u r das K aufhaus u m die Ecke ih rer Woh­ n u n g — ih r V erhältnis zu den d o rt angebotenen P rodukten bildet ih r N ationalbewusstsein” (15). Politiker wie d er argentinische Präsident Lanusse beginnen allerdings d u rch den Abbau der ideo­ logischen G renzen u n d Staatsbesuche in system verschiedenen Län­ dern dieser Entw icklung entgegenzuwirken.

Die einzige w irklich kontinentale O rganisation ist bisher die katholische Kirche. Deshalb kom m t ih rer H altung un d ih rer Aktion in Bezug a u f die U m stru k tu rieru n g Lateinam erikas so grosse Be­ deutung zu. Sie m üsst v erstärkt dazu übergehen, die von vielen

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nordam erikanischen u n d europäischen Entw icklungsfachleuten propagierte “E ntw icklungsdiktatur” als einen unm enschlichen “Technofaschism us” zu entlarven, “der seinen T rach ten ap p arat lediglich m it Technik-und Entwicklungsbesessenheit ausgewech­ selt h a t” (16). Es h an d elt sich bei dieser E ntw icklungsdiktatur um den Versuch der schm alen M ittelklasse über system konforme Re­ form en ih re ökonomische un d politische M achtstellung zu erhal­ ten, w odurch eine echte w irtschaftliche u n d politische Em anzipa­ tio n der Volksmassen gegenüber den] E liten u n d L ateinam erikas gegenüber den M etropolen verhiondert wird. Es liegt au f d er Hand, dass gegenüber den E ntw icklungsdiktaturen eine wesentlich m ühsam ere u n d langwierigere A ufklärungs-und Konszientisa- tionsarbeit im Volk nö tig ist als gegenüber herköm m lichen D ik ta­ to re n im Stile eines Fulgencio B atista. W er h ier versucht, “die U nterdrückten ohne ih re denkende Teilnahm e am A kt d er Befrei­ u n g zu befreien, behandelt sie als Objekte, die m a n au s einem brennenden Gebäude retten muss. Es heisst sie in die populistische Falle führen u n d sie in Massen verwandeln, die m an m anipulieren k a n n ” (17). Dass fü r den Bewusstmachungsprozess auch die Me­ thoden des eben zitierten Paulo Freire n ic h t unbedingt zum Erfolg führen, sondern erhebliche Probleme aufwerfen, haben kürzlich Cesar Jerez u n d J u a n H em ando Pico eindrücklich a n H and der A uswertung langlaufender Versuche in G uatem ala gezeigt (18).

Eine schlüssige A ntw ort au f die Frage, wie den n n u n die Än­ derung der S tru tu re n konkret in Lateinam erika zu Wege gebracht w erden kann, verm ag derzeit kein K enner der Lage zu geben. M an k a n n n u r soviel sagen: Lokalrevolutionen d u rch G uerrillakam pf im Stile K ubas haben k au m m ehr A ussicht a u f Erfolg, so massive US-Einmischungsversuche wie 1965 in Santo Domingo w erden sich wohl au ch n ic h t wiederholen. D er Weg der dem okratischen M acht­ ergreifung, wie m an ihn in Chile beschritten h a t, erscheint am aussichtsreichsten, wenn er au ch in m anchen Ländern versperrt ist. In U ruguay z. B. ste h t er offen. I n Ekuador kam das M ilitär in diesem J a h r einer freien W ahl zuvor. In Brasilien ist keine A lternative erkennbar.

Hier erlau b t d er nahezu perfekte Sicherheitsapparat weder Publikationen von Bischöfen wie Fragoso oder Helder Câm ara, noch g ar D em onstrationen oder sonstige friedliche K am pfm etho­ den fü r soziale G erechtigkeit. Die vereinigte A nstrengung aller K irchen in Form von K leinarbeit a n der Basis im Sinne d er Be- w usstm achung d er Lage u n d die ferne Aussicht a u f einen K u rs­ wechsel der M ilitärs bilden die einzige Hoffnung. F ü r die Einstel­ lung der M ilitärs wird es von erheblicher B edeutung sein, wie m ehr linksgerichtete M ilitärregierungen wie die von P eru die Entw ick­ lungsproblem e m eistern. Zusam m enfassend können wir feststel­ len, dass drei Problemkreise die Schwierigkeiten zu r Herbeifüh­ ru n g einer sozialen Revolution in L ateinam erika h eu te bezeichnen: Erstens das Problem d er Konszientisation, zweitens der Isolatio­ nism us der lateinam erikanischen Länder und d ritten s der entge­

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genwirkende Einfluss der einheim ischen Oligarchien un d derjeni­ ge der USA.

G erade als C hristen sollten w ir allerdings die eindringliche M ahnung, die Comblin 1968 ausgesprochen h at, n ic h t in den Wind schlagen: Die K irchen in Lateinam erika m üssen sich zunächst selbst tiefgreifenden Reformen unterziechen — dies gilt besonders fü r ih re innere D em okratiepraxis u n d fü r ih r Eigentum sgebaren — w enn sie m it Ü berzeugungskraft fü r die Sozialrevolution käm p­ fen wollen (19).

Theologische Modelle fü r strukturveränderndes christliches Handeln in Lateinam erika

Es m ag als unlogisch erscheinen, dass wir zuerst von den Mög­ lichkeiten un d Grenzen des Engagem ents von C hristen fü r sozia­ listische Revolutionen in L ateinam erika sprachen u nd erst danach von theologischen Modellen sprechen, die solches H andeln begrün­ den sollen! Aber das Beispiel von Camilo Torres zeigt, dass m an ­ che Theologen einfach überw ältigt von der sie um gebenden Not zu r Aktion schritten, ohne einen tiefer gehenden theologischen Reflektionsprozess durchgem acht zu haben.

Gleichzeitig m it dem W irken von Torres und v erstärk t nach seinem Tod 1966 setzte in Lateinam erika un d darüberhinaus in der K irche die theologische Reflexion über den Problemkreis ein, der dan n u n te r dem n ic h t so glücklich gew ählten Stichw ort “Theo­ logie der Revolution” zu heftigen Diskussionen fü h ren sollte. Diese theologische Besinnung fan d ih ren deutlichsten Ausdruck in zwei grossen Konferenzen, der vom W eltrat der K irchen 1966 in Genf abgehaltenen “Konferenz fü r K irche un d G esellschaft” u n d der 1968 in Medellin vom Consejo Episcopal Latino-Americano (CE- LAM) der katholischen K irche des K ontinents veranstalteten Konferenz.

Den sogenanten linken Theologen Lateinam erikas wird oft vor­ geworfen, dass ihre Theologie rein im m anent oder horizontal orien­ tie rt sei. Ih re Veröffentlichungen werden d an n auf die Frage hin untersucht, inwieweit sie am grundlegenden christlichen Dogma festhalten oder in ihren them atisch anders ausgerichteten Schrif­ ten ü b erh au pt davon sprechen, wie dies zuletzt wohl am grü nd ­ lichsten C. Peter W agner getan h a t (20). Dabei wird übersehen, dass viele der jungen Theologen dieses K ontinentes bewusst a n ­ thropologisch denken, weil sie sich von ihrem Gewissen getrieben sehen, nach Jah rh u n d erten kirchlicher V ertröstung au f ein bes­ seres Jenseits n u n p rim är zusam m en m it anderen reformwilligen G ruppen fü r ein besseres Diesseits zu käm pfen, wie dies au f der im April 1972 in Santiago abgehaltenen Konferenz “Cristianos p ara el Socialismo” zum Ausdruck kam . Es soll n ic h t in Abrede gestellt werden, dass m anche V ertreter der “Teologia de la Libe- ración” unk rtiisch m arxistische D enkkategorien verwenden. Aber m an k a n n n ic h t behaupten, dass alle, deren Nahziel die Beseiti­ gung der elem entaren m ateriellen Not ist, eo ipso einem reinen

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Im m anenzdenken verfallen. Das k an n hier n u r beispielhaft an der biblischen B egründung der “Theologie der Befreiung” je eines katholischen u n d eines protestantischen V ertreters dieser Rich­ tu n g dargelegt werden.

Der französische Dom inikaner Alex Morelli k an n nach zehn­ jähriger Tätigkeit in Lateinam erika, insbesondere in U ruguay und Mexiko, als ein typischer V ertreter des progressiven Flügels der katholischen Theologen des K ontinents angesehen werden. In sei­ n er oben bereits erw ähnten S chrift “Befreie m ein Volk” , die er m it kirchlicher D ruckgenehm igung veröffentlicht h at, skizziert er im ersten Teil zunächst die schreienden sozialen Ungerechtigkei­ ten in Lateinam erika, u m d an n im H auptteil zur G rundlegung einer “Theologie der Befreiung” zu kommen, die n ic h t n u r “der W elt der A usgebeuteten”, also der sogenannten “d ritten W elt”, sondern auch “der W elt der opulenten Sklaven” in der nördlichen H em isphäre gilt.

Morelli geht aus von der Tatsache, dass die Begriffe F o rtsch ritt un d Entwicklung biblischem Denken n ic h t geläufig sind, wozu er feststellt, dass es aller “gesunden H erm eneutik” aber auch wi­ derspräche, einen Text au f eine W irklichkeit hin zu befragen, “die über oder ausserhalb des kulturellen Horizonts liegt, in dem dieser Text konzipiert worden ist”, weil Gottes W ort n ic h t zeitlos und unhistorisch ist. Eine “Theologie des Ereignisses” muss davon aus­ gehen, dass das m enschliche Denken heute wesentlich anthropo­ zentrisch, existentiell, historisch und konkret bestim m t ist und entsprechend explizieren, was der sensus fidei gegenwärtig ist. Nachdem die Theologen in im m er stärkerem Masse entdecken, dass die etablierte soziale u nd politische O rdnung eine Quelle der schlim m sten Ungerechtigkeiten ist, näm lich der sogenannten “in ­ stitutionalisierten Gewalt”, sind sie aufgerufen, eine Theologie des Friedens zu begründen, aber n ich t eines Friedens im Sinne von R uhe und O rdnung.

W enn Johannes davon spricht, dass G o tt seinen Sohn in die W elt gesandt habe, u m sie zu re tte n (3, 17; 17, 15+18), d an n ist u n te r “W elt” n ach M einung des Verfassers die m enschliche W elt zu verstehen, “dieses Gewebe kultureller un d sozialer Beziehungen, das zu einem guten Teil erst durch die B eherrschung der “Tech­ nik möglich geworden is t”, eine W elt also, “die der M ensch be­ freien u n d hum anisieren kann, genau wie er sie pervertieren und entfrem den k a n n ”. Nachdem m an zwei Jahrzeh n te lang geglaubt h a t, dass m an die Probleme der “d ritten W elt” durch die Anwen­ dung der Theorien vom w irtschaftlichen Fortschritt, durch Kopie­ ren der Industriegesellschaften lösen könnte, h a t m an in den sech­ ziger Jah ren erkannt, dass die U nterentw icklung ein historisches N ebenprodukt der Entwicklung der reichen Länder ist un d das die nationalen Oligarchien der unterentw ickelten Länder Kompli­ zen dieser B eherrschung durch die reichen Länder sind.

Deshalb k a n n die traditionelle Soziallehre der katholischen K ir­ che in Verbindung m it einer rein futurischen Eschatologie keine

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adäquate christliche A ntw ort auf die H erausforderung der “d ritten W elt” sein un d muss durch eine “Theologie der Befreiung” ersetzt werden, die sich allerdings davor h ü ten muss, zum Hilfsmotor der Revolution reduziert zu werden!

A usgangspunkt der “Theologie der Befreiung” ist die Befreiung Israels aus Ägypten, also die historische G rundlage des alttesta- m entlichen Glaubens, ferner die Befreiung der Ju d en aus dem ba­ bylonischen Exil, die einer zweiten E rrettu n g gleichkom mt und der K am pf von Gesetz u n d Propheten im befreiten Volk gegen den V erlust der F reiheit d u rch w irtschaftliche U nterdrückung von Seiten der Reichen u n d Vornehmen. Eine Exegese des Neuen Te­ stam ents, die sich vor übertriebener Spiritualisierung h ü te t, zeigt im H andeln Jesu enge B erührungspunkte m it der befreienden Ten­ denz Gottes im Alten Bund. Jesus ist gekommen, “den Gefangenen Befreiung zu verkündigen. •. den U nterdrückten F reih eit zu schaf­ fen” (Lk 4, 18). C hristus will den M enschen aus jeder A rt von Sklaverei befreien. Er h a t Stum m e, Blinde un d G elähm te, also M arginalisierte, wieder in die G esellschaft eingegliedert (M t 8,1-17; Mk 5, 23-36), wobei Morelli n ic h t übersieht, dass die Befreiung des Menschen durch C hristus die alttestam entlichen Befreiungsakte dadurch übersteigt, dass sie die totale Em anzipation des Menschen bewirken will von allen K räften, die seine F reiheit behindern, eben au ch u n d gerade die Befreiung von allen Form en d er Sünde, die eine o ft unbewusste Form von Sklaverei darstellt, da die Men­ schen m einen frei zu sein, in W irklichkeit aber Sklaven der Sünde sind (Joh 8, 34). Deshalb ist es die Aufgabe der Kirche, die totale Befreiung der M enschheit zu sichern. Aber die K irche h a t sich im Laufe der Geschichte im m er wieder gescheut, die Freiheit auch in die konkrete Existenz treten zu lassen u n d stattdessen n u r die Idee einer verinnerlichten christlichen F reiheit genährt.

Morelli sieht Schöpfung, F o rtsch ritt un d Erlösung in einem engen Zusam m enhang: Weil die Schöpfung ein dynam ischer Akt Gottes ist, der den M enschen in sein W erk einbezieht (Gen 1, 26+28, vgl. 8, 5—7), k a n n m an sagen, dass die Schöpfung sich durch den F o rtsc h ritt der M enschheit w eiterentwickelt, so dass der Mensch Subjekt un d Agens der unfertigen Schöpfung ist, n ic h t aber Objekt von Geschichte un d F ortschritt. Weil der M ensch ver­ antw ortlich an der Schöpfung beteiligt ist, ist die Schöpfung der erste H eilsakt un d n ic h t etwas von der Erlösung völlig Verschie­ denes. Die ganze Schöpfung w artet auf die Befreiung “von der K nechtschaft des Verderbens zur F reiheit der H errlichkeit der K inder G ottes” (Röm. 8, 21), die durch die V ersöhnung m it G ott W irklichkeit werden wird (Kol 1, 2; 2 Kor 5, 18). “Die Freiheit wird u ns keim haft gegeben, aber ihre F ru c h t h ä n g t von einer dauernd erneuerten Befreiung ab”, die durch die Bewältigung der Lebensprobleme im Dialog m it G o tt erfolgt, in dem die Menschen frei un d verantw ortlich ihre eigene Geschichte vorantreiben.

Der K am pf u m Befreiung als eine ständige Aufgabe der Chri­ sten wird vom Verfasser n u n konkretisiert als Befreiung “von der Sklaverei des Geldes, der M acht, des Genusses und der Ideologie”,

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ferner als Befreiung von “Unwissenheit, Apathie, allen Formen einer m agischen Religiosität, der Unfähigkeit, die eigene Situation und die der anderen als Ausgebeutete zu erkennen, Befreiung von der U nfähigkeit, fü r sich selbst das eigene Geschick in die H and zu nehm en” . Obgleich Jesus durchaus S tru k tu ren angegriffen h a t wie z. B. den Sabbat (Mk 2, 27), wird von den K onservativen allzu leichtfertig gesagt, dass die S tru k tu re n sich ändern, w enn die Men­ schen sich ändern, w ährend viele Progressive auschliesslich von der Änderung der S tru k tu re n reden. C hristus ist aber gekommen, um die Menschen sowohl von der Sünde wie auch von den Folgen der Sünde zu befreien, also von den ungerechten S trukturen. Des­ halb k a n n Morelli n ach einem W ort von Antonio Fragoso den K am pf fü r G erechtigkeit auch einen K am pf für das Reich Gottes nennen (21). W enn dagegen die herrschenden M achtgruppen k ra ft ihres Monopols über die K om m unikationsm ittel jede S tru k tu rä n ­ derung als Bedrohung der Ordnung, als Subversion un d K ommu­ nism us anprangern, tu n sie nichts anderes als die “institutionali­ sierte Gewalt” als die einzig denkbare O rdnung hinzustellen.

Ausgehend von der päpstlichen Enzyklika “Populorum Pro- gressio” kom m t Morelli zu dem Schluss, dass das kapitalistische System zu G unsten einer Planw irtschaft verschwinden müsse, die die menschliche Freiheit respektiert. In Ü bereinstim m ung m it dem V aticanum II g eh t es ihm dabei n ic h t darum , einen christlichen Sozialismus zu schaffen, sondern darum , den Sozialismus fü r die befreiende christliche Dimension zu öffnen! U nter K apitalism us versteht der Verfasser ein System, bei dem die Quelle der Entwick­ lung Investitionen u n d der V erbrauch der überflüssigsten Dinge sind, wobei sich im G runde alles um die bedeutenden R enditen dreht, die durch dauernde Spiegelfechterei im Namen des Gemein­ wohls gerechtfertigt werden. Es h an d elt sich also um “ein System, das den Profit als w esentlichen Motor des w irtschaftlichen F o rt­ sch ritts ansieht, das Privateigentum an den Produktionsm itteln als ein absolutes R echt ohne Grenzen u n d entsprechende soziale Ver­ pflichtungen” (22).

W ährend Morelli eine gute Zusam m enfassung der H auptgedan­ ken der lateinam erikanischen “Theologie der Befreiung” b ietet h a n ­ delt es sich bei der Arbeit des brasilianischen P ro testan ten Rubem A. Alves, “A Theology of H um an Hope”, um einen sehr eigenstän­ digen Versuch, das Entwicklungsproblem theologisch zu bewälti­ gen (23), zu dem Harvey Cox im Vorwort schreibt, dass es von n u n an n ic h t m ehr möglich sei theologisch ü b e r die “d ritte W elt” zu reden, sondern dass m an ih r jetzt in erster Linie z u ­ h ö r e n müsse. Alves habe m it “unerm esslich m ehr Tiefgang u nd G elehrsam keit die Probleme” gelöst, die er, Cox, 1965 in seinem Büchlein “God’s Revolution an d M an’s Responsability” angepackt h atte. Alves h a t m it der gen an n ten Arbeit sein Postgraduierten­ studium am Union Theological Sem inary in New York und am Princeton Theological Sem inary abgeschlossen, das ih n promo­ viert h at. Seiner sta rk traditionalistisch denkenden presbyteriani- schen H eim atkirche in Brasilien ist Alves allerdings viel zu pro­

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gressiv, so dass sie ih n weder ins Pfarr-noch ins L ehram t berufen hat!

Alves verarbeitet die Einsichten so verschiedenartiger Geister wie K arl M annheim, Thom as K uhn, Jo h n Dewey, F ran tz Fanon, K arl Marx, K arl B arth, Jü rg en M oltmann, Mario Savio u n d Paul Lehm ann zu einem einheitlichen G anzen un d bereichert sie durch die Gedanken lateinam erikanischer Intellektueller wie Esdras Bor­ ges Costra u n d Paulo Freire. Alves Titelwahl erin n ert n ic h t von u ngefähr an M oltmanns “Theologie der H offnung”, von der er beeinflusst ist, von der er sich aber auch abgrenzt, wie er schon m it dem A tribut “m enschliche” Hoffnung aVideutet. Alves kritisiert, dass M oltm ann Hoffnung n u r durch die biblische Verheissung ver­ m ittelt werden lässt, ja soweit ginge zu behaupten, es gäbe keine Geschichte, wo das W ort n ic h t gepredigt werde. W enn der Mensch “im Licht der verheissenen Zukunft, die kom men w ird” handelt, so wird sein H andeln reine Im itation, m eint Alves, dann könne sein H andeln zwar Gehorsam gegenüber der Zukunft zum Ausdruck bringen, aber n ic h t Z ukunft schaffen.” Die einzige politische Hal­ tung, die der Z ukunft wirklich entsprechen würde, wäre Pazifis­ mus. “Die reine F u tu riz ität G ottes” ist fü r Alves “eine neue Form von Doketismus, in dem G ott seine präsentische Dimension verliert u n d daher unhistorisch wird”.

Gegen M oltm ann erin n ert Alves daran, dass “die biblischen Gemeinden n ic h t einen G ott k an n ten , dessen wesentliche N atur die Z uk un ft ist, der das prim um movens vor der Geschichte ist. Das AT un d das NT sprechen über die historische G egenw art Gottes. W enn die biblischen Gemeinden trotzdem eine Hoffnung au f die Z ukunft h a tte n , dann deshalb weil G o tt gegenwärtig war u n d in seiner Gegenwart durch seine M achtausübung, die durch un d durch historisch war, historisch un d präsentisch die M acht dessen negier­ te, ‘das w ar’, w odurch er die M enschen un d die Geschichte fü r ein neues Morgen offen m achte”.

F ü r Alves w ird die Z uk u n ft in die Geschichte hin ein du rch die Gegenw art verm ittelt. In der G egenw art gew innt die Z uk u n ft Ge­ stalt. “Geschichte ist also das Medium in u nd durch das G o tt für Geschichte, Menschen un d sich selbst eine Z ukunft schafft, die noch n ic h t existiert, weder tatsächlich noch form al”. Dies ist die Sprache des m essianischen H um anism us, den Alves propagiert, ei­ ne Sprache, die sich sowohl von der Sprache der herköm m lichen Glaubensgemeinde abhebt wie von derjenigen des politischen Hu­ manismus, wenngleich sie dem G edankengut beider verpflichtet ist. Die Sprache des messianischen H um anism us ist die Sprache einer neuen Gemeinde, die in einem dialektischen Prozess zwischen der V ergangenheit u n d den Problem en der Gegenw art e n tsteh t oder m it den W orten von K arl B arth u n d P aul Lehm ann: zwischen dem Lesen der Bibel u n d dem Lesen der Zeitungen. Die Geschichte der K irche könnte geradezu als Geschichte von G eburt, Tod und A uferstehung ih rer Sprachen geschrieben werden, was der Verfas­ ser a n L uther, B arth u n d Teilhard de C hardin exemplifiziert. “Alte Sprachrai sterben, w enn sie e rsta rrt s i n d ... sie hören d a n n au f

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Werkzeuge der Befreiung zu sein und werden S tru k tu ren der Un­ terdrückung”. Der E rinnerungsakt an die Verheissungen der Ver­ gangenheit muss stets Ausdruck der Liebe zur G egenw art sein, wodurch er eine befreiende W irkung hat.

In seinem Ringen um eine neue Sprache des Glaubens ist Alves zweifellos Bonhoeffer verpflichtet, den er auch häufiger zitiert. Bei der Schaffung einer neuen Sprache, die fü r ih n Ausdruck eines letztgültigen Anliegens der C hristen u nd D ienst a n der Erfüllung ihres Auftrages ist, kom m t es Alves auf drei Dinge an:

1. Die Glaubensgemeinde erkennt diese Aufgabe nu r, wenn sie entdeckt, dass sie zutiefst m it der Schaffung eines neuen Morgen fü r die M enschheit beschäftigt ist.

2. Die Glaubensgemeinde muss die vom politischen H um anis­ m us a n ih r geübte I& itik ernstnehm en un d au f ihre Sprache ein­ wirken lassen, u m durch eine erneuerte Sprache dan n das explizit Christliche ü b erh au p t neu zu Gehör bringen zu können.

3. Die neue Sprache d arf n ic h t einfach ein Echo au f die Spra­ che des politischen Hum anism us sein, sondern muss ih r wesentliche neue Elemente hinzufügen. Die neue Sprache ist zu beurteilen n ach ih rer K raft, sogar diejenige Sprache zu kritisieren, die am Beginn des Prozesses die Sprache der Glaubensgem einde negierte, nach ih rer K ra ft grössere un d weitere Horizonte fü r die Hoffnung zu eröffnen u n d n ach dem Mass der Freiheit, die sie fü r das m enschliche Schaffen ermöglicht.

Im Unterschied zum politischen Humanism us, den Alves auch hum anistischen Messianismus n en n t, h ä lt der messianische H um a­ nism us d aran fest, dass n u r im K ontext der fortlaufenden Politik Gottes über Z ukunft u n d Hoffnung gesprochen werden kann. D enn der messianische H um anism us ist en tstan d en angesichts der histo­ rischen R ealität der Befreiung gegen alle Hoffnung un d angesichts des Zusam m enbruchs aller m enschlichen Mittel, also eines F ak ­ tum s, das in d er bisherigen Sprache der Gemeinde “G nade” ge­ n a n n t wurde. Der hum anistische Messianismus hingegen ste h t und fällt m it seinem G lauben an die transzendierenden K räfte des Menschen als die einzigen fü r die menschliche Befreiung verfüg­ b aren K räfte. Sein Dilemma besteh t h eu te in A nbetracht der Do­ m estikation der Gewissen u n d d er K räfte der S tru k tu ren , die die Gegenwart m it Beschlag belegen, darin, dass er entweder Ge­ schichte ohne Hoffnung ist, also Realismus u n d Zynismus der Ver­ zweiflung oder aber Hoffnung ohne Geschichte, was einer Rom an­ tik auf K osten einer realistischen Einschätzung der gegenwärtigen historischen Situation gleichkommt. Der messianische H um anis­ mus le h n t indes die genannten A lternativen von Hoffnung ohne Geschichte oder Geschichte ohne Hoffnung ab, weil er au f G rund der Geschichte gegen alle H offnung hoffen darf, “dass die mes­ sianische Politik G ottes Menschen un d Geschichte eine neue Zu­ k u n ft und eine neue Hoffnung” bringen wird.

Zur Verdeutlichung der neuen Sprache des messianischen H u­ m anism us seien noch einige klassische Loci in ih re r neural Sprachform vorgestellt. Das K r e u z C hristi ist fü r Alves die

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Verkörperung eines doppelten Leidens Gottes: G ott leidet erstens m it und fü r den M enschen und gibt ihm dadurch die Gewissheit, dass seine percönliche Negation des Negativen in der Geschichte keine vereinzelte Stim m e ist, sondern dass G o tt m it ihm die Un­ freiheit der W elt von heute verneint, so dass der Mensch au f die Befreiung hoffen kann. G ott leidet zweitens auch, w enn der Sklave u n te r seiner U nfreiheit gar n ic h t leidet, weil er sich a n seine Fes­ seln gewöhnt h a t und vielleicht sogar glücklich in ih n en ist. Denn wer aus den Fleischtöpfen Ägyptens isst, mag sein Leiden u n d seine Z ukunft vergessen, G o tt aber vergisst sie nicht! Diese Treue Got­ tes in seiner Erw ählung ist G n a d e , d. h. “das W eiterbestehen der Gegenwart der Zukunft, auch wenn der Mensch von der M acht des Alten in B ann geschlagen ist”.

Das Leben der Gemeinde ist folglich die Teilnahm e am fort­ dauernden Leiden C hristi fü r die W elt (24). Deshalb spricht Alves in einem früheren Aufsatz von der notwendigen K reuzigung der Kirche (25), was C. Peter W agner kurzschlüssig zum Anlass nim m t, ihn zu tadeln, dass n ach der Evidenz des NT n ic h t vom Tode der Kirche, sondern vom W achstum der K irche die Rede ist. Christus “d eu tet nie an, dass er w ünscht, dass seine B ra u t ans Kreuz g eh t” (26). W agner scheint ein Opfer der Ideologie der “Evangelization in-depth” Bewegung geworden zu sein (27), dessen Begründer Do­ nald A. M cGavran er in der W idm ung seines Buches als einen der ausgezeichneten Propheten des zwanzigsten Jah rh u n d erts be­ zeichnet. Entweder verwechselt W agner die Kirqhe m it dem Reich Gottes oder er identifiziert sie bewusst m it dem Reich Gottes. Man kann Alves bei der Ablehnung jeder A rt von trium p haler Ekkle­ siologie n u r zustim men. Er k an n sich zu R echt au f Bonhoeffer berufen, der den C hristen geradezu ch arak terisiert sieh t durch die Teilnahm e am Leiden G ottes im Leben der Welt. Alves k a n n in diesem Zusam m enhang sagen: “Wir sind m it G o tt v e r s ö h n t in dem G rade wie wir seine U nversöhnlichkeit m it der W elt teilen, die ihn u n d die Menschen leiden lässt”. L i e b e ist fü r Alves nach der geschichtlichen E rfahrung der Gemeinde der “Name fü r die Dialektik der Befreiung in der Geschichte. Liebe ist, was G ott tu t, u m den Menschen frei zu m achen”. Er kritisiert, dass in der traditionellen Theologie m eist übersehen wird, dass die Liebe dia­ lektisch zu verstehen ist, also auch G ottes Nein, Gottes M acht und Gottes Zorn gegen die U nterdrücker bezeichnen kann, sozu­ sagen das opus alienum Dei, das aber um des opus proprium wil­ len geschieht. Es wird in diesem Zusam m enhang indessen n ic h t rech t deutlich, ob Alves sieht, dass diese D ialektik der Liebe G ot­ tes genauso in Bezug au f die U nterdrückten gilt wie eben fü r alle Christen, die G o tt um seines Sohnes willen liebt, aber um ihrer verbleibenden incurvation in se hassen muss.

Schliesslich sei noch die Definition von A u f e r s t e h u n g re­ feriert. A uferstehung bezeichnet fü r Alves die K ra ft der Befreiung, weil der G ekreuzigte in der Geschichte ern eu t zum Leben gekom­ men ist, und zwar n ic h t als simples factum , sondern als F ak to r der Geschichte, d. h. als H err der Geschichte.

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Der brasilianische Theologe k ritisiert das moderne Weltver­ ständnis, das die N atu r als Grenze der Geschichte annim m t, wes­ halb die Existentialtheologie zwischen Geschichte als existentiell bedeutsam er Geschichte und Historie als Profangeschichte differen­ ziert u n d so die A uferstehung zu einem neuen Selbstverständnis des M enschen reduziert.

Diese Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, dass Alves sich bem üht, die neue Sprache des messianischen H um anism us n ich t m it Abstrichen an der theologische Substanz zu erkaufen, wenn­ gleich einige Fragen un d Zweifel beim Leser aufkommen.

Das Ziel des messianischen Hum anism us ist die heute so oft geforderte H um anisierung, die Alves folgendermassen charakteri­ siert: W ährend die technologische Konsum- un d Überflussgesell- sch aft dem Arbeiter einredet, Freiheit zum Leben sei Befreiung von der Arbeit, Müsse, Freizeit fü r V ergnügungen, fü r die die ver­ bleibende Arbeit n u r die w irtschaftliche G rundlage bildet, bewirkt die Erfüllung der Träum e der entfrem deten Arbeiter n u r eine F o rt­ dauer der Entfrem dung u n te r anderen Vorzeichen. D enn auch jetzt können die Arbeiter die W elt n ic h t schöpferisch gestalten, da ihre K räfte dafür nich t benötigt werden. S tanden sie einst u n te r dem Joch der Arbeit, so steh en sie je tz t im D ienst des Konsums. Die Aufgabe der H um anisierung k a n n deshalb n ic h t in der Be­ freiung von der Arbeit liegen, sondern n u r in der Freiheit fü r die m enschlich verstandene Arbeit! Diese H um anisierung k a n n aber n u r als Gabe der G n a d e verstanden werden. W ährend n u n bei B arth un d fast allen protestantischen Theologen die G nade die schöpferische T ätigk eit des M enschen überflüssig m acht, betont Alves u n te r Berufung auf den biblischen Bundesgedanken, “dass G ott in der Fülle seiner Ewigkeit darauf w artet, dass der Mensch mit-schöpferisch tä tig w ird”. “Im K ontext der göttlichen Politik der Befreiung des Menschen sch afft die Gnade die Möglichkeit un d Notwendigkeit menschlichen H andelns”. Gottes In k arn atio n darf n ic h t m issverstanden werden als A usgangspunkt zur Errich­ tu n g einer ontologischen W irklichkeit, die m it unserer Geschichte überhaupt nichts zu tu n hat.

Am Schluss seiner Arbeit versucht Alves eine D eutung des scheinbaren W iderspruchs zwischen biblischer W eltbejahung und W eltvemeinung. Er betont, dass die alttestam entliche W eltbeja­ hung durch das Neue T estam ent keinesweg aufgehoben wird. Denn als Leib k an n der Mensch n u r solidarisch m it der W elt existieren. Die menschliche Befreiung k an n daher n ic h t au f die Negation des Leibes zielen, sondern auf die Befreiung von allem, was den Leib bedrückt. G ottes Agape h a t die Schöpfung m it Eros erfüllt. Diese Gabe ist gut. Aber sie ist gleichsam n u r ein “Aperitif, der den Menschen glücklich m acht, aber n ic h t glückstrunken. E r seh n t sich nach mehr, n ach Erfüllung, n ach A uferstehung des Leibes zur Fülle des Lebens, fü r das unsere gegenwärtige Situation ein anregender Vorgeschmack ist”.

Indem die Konservativen in ih rer S ucht n ach Lebensgenuss aus dem erotischen Vorgeschmack einen Dauergenuss m achen wollen,

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