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Rollen der Lehrenden und Lernenden beim kompetenzorientierten Prüfen

5. Bedingungen für kompetenzorientiertes Prüfen

5.1. Rollen der Lehrenden und Lernenden beim kompetenzorientierten Prüfen

sich Lernende aber auch Lehrende nur auf die testrelevanten Lerninhalte, im Vordergrund steht nicht der Erwerb von praxisrelevanten Kompetenzen, sondern von Test-Skills und das Lernverhalten ist eher durch Ängste geprägt. Entsprechende Phänomene treten vor allem bei sehr bedeutungsvollen und konsequenzenreichen Prüfungen (insbesondere Abschluss- oder Zulassungsprüfungen) auf.

Diese tiefgreifenden Rollenwechsel haben natürlich auch Auswirkungen auf die Position und Aufgaben des Lehrenden und Lernenden im Rahmen einer kompetenzorientierten Prü- fung. Studierende sollen die Möglichkeit erhalten, ihre erworbenen Kompetenzen demons- trieren zu können. Dazu müssen vom Lehrenden in der Prüfung entsprechende Freiräume geschaffen werden. Was genau dies beinhaltet, hängt allerdings stark vom gewählten Lehr- und Prüfungskonzept ab (siehe Kapitel 3.3 und Kapitel 4.2).

Bei schriftlichen Klausuren ist es auf Seite der Lehrenden beispielsweise wichtig, Aufga- ben auszuwählen, die dem angestrebten Kompetenzniveau entsprechen. Dies muss nicht zwangsläufig, wird allerdings häufig mit „offeneren“ Aufgabenstellungen einhergehen, die entsprechend weniger standardisiert und daher aufwändiger zu korrigieren sind. Sollte dies der Fall sein, muss diese potentielle Mehrbelastung allerdings nicht unbedingt vom Lehren- den allein geschultert werden. Wie Arnold und Bogner (2009) eindrucksvoll demonstrieren, kann der Einsatz von „Peer-Assessment“ (also das gegenseitige Bewerten der Studierenden untereinander) eine „pädagogisch gut begründete und sehr effektive Alternative zu bisher gewohnten Kontrollformen“ zumindest für formative Prüfungszwecke sein (Arnold & Bo- gner, 2009, S. 26).11 Neben dieser potentiellen Rolle als Bewertender muss sich allerdings auch der Lernende auf die „offeneren“ Aufgabenstellungen einstellen. Anstatt, wie bisher oft üblich, Wissen in Klausuren rekapitulieren zu müssen, wird jetzt, beispielsweise in Fall- klausuren, die Übertragung und Anwendung von Wissen und Fähigkeiten gefordert. Damit steigt einerseits die Unsicherheit der Studierenden darüber an, ob sie die „richtige Lösung“

geliefert haben, andererseits gibt dies den Lernenden besser die Möglichkeit, ihre Expertise bzw. ihren Kompetenzzuwachs zu demonstrieren.

Bei mündlichen Prüfungen sollte es dem Prüfling ermöglicht werden, das Prüfungsge- schehen aktiv mitzugestalten. Ziel ist es, vom bisher vorherrschenden „Frage-Antwort-Spiel“

wegzukommen, hin zu einem Austausch zwischen Studierenden und Lehrenden „auf Au- genhöhe“. Damit dies gelingt, sollten die Prüflinge bei der Auswahl der Prüfungsthemen miteinbezogen werden. Ein Instrument, das sich hierzu anbietet ist das Portfolio (siehe auch Kapitel 4.2). Ein Portfolio ist eine Sammlung von Dokumenten, die der Studierende im Semi- narverlauf eigenständig erarbeitet und das somit die Auseinandersetzung und den aktiven Umgang mit wichtigen Seminarinhalten dokumentiert. Ein solches Portfolio ist eine gute Grundlage für ein Fachgespräch (Prüfungsgespräch) über die im Portfolio dargestellten In- halte (Wildt & Wildt, 2011). Studierende werden somit deutlich stärker in die Gestaltung der Prüfung mit einbezogen, indem sie das Portfolio selbst zusammenstellen und damit Einfluss auf die relevanten Prüfungsinhalte ausüben und darüber hinaus als Produzent der Portfo- liotexte auch als „Expertin/Experte“ für deren Inhalte angesehen werden können. Das Wis-

11 Dieses Vorgehen mag nicht für alle Studiengänge gleich gut geeignet sein. Arnold und Bogner demonstrie- ren diese Methode in der Lehrerausbildung, „in der pädagogische Diagnostik als Querschnittskompetenz einen zentralen Bestandteil des berufspraktischen Wissens von Lehrpersonen darstellt“ (S. 22). Je nach Aufgabenstel- lung könnte die Methode des Peer-Assessment allerdings auch auf andere Bereiche übertragbar sein. So muss beispielsweise ein Wirtschaftsprüfer eine Buchführung kontrollieren, ein Statiker die Berechnungen eines Bauin- genieurs prüfen, und ein Arzt die Diagnose eines Kollegen bewerten können.

sensgefälle zwischen Prüferin/Prüfer und Prüfling wird in einer Portfolio-Prüfung nachhaltig verringert und ein Austausch auf Augenhöhe ermöglicht. Allerdings verlangt dies von den Studierenden auch ein gesteigertes Maß an Reflexionsfähigkeit: Anstatt die Themen der Prü- fung vorgegeben zu bekommen, müssen sie selbstständig entscheiden, welche Dokumente ihres bisherigen Lern- und Arbeitsprozesses in einem Studienabschnitt sie als charakteristisch für ihren Lernweg ansehen und diese zu einem kohärenten Portfolio verbinden.

Auch wenn sich die Rollen der Beteiligten bei kompetenzorientierten Prüfungen nachhal- tig verändern, wird die Hierarchie innerhalb der Prüfungen nicht ausgehebelt. Weiterhin ist es in erster Linie der Lehrende, der den Prüfungsrahmen vorgibt (natürlich in Einklang mit der Studienordnung, siehe Kapitel 2.3), Fragen stellt, und als Konsequenz, die erbrachte Leis- tung bewertet. Diese Bewertung muss allerdings nicht immer mit einer Benotung verbunden sein. Nur bei summativen Prüfungen sind Benotungen (oder zumindest die Bewertung „be- standen“ oder „nicht bestanden“) erforderlich, während bei formativen Prüfungselementen die qualitative Rückmeldung zum Stand des Kompetenzerwerbs im Vordergrund steht.

Auch wenn die Neudefinition bei den Rollen von Lernenden und vor allem Lehrenden erst einmal mit Mehraufwand verbunden ist und komplexere Aufgaben enthält, so kann diese Mehrbelastung doch auch auf mehrere Schultern verteilt werden: Wie schon in der Aus- gangssituation erwähnt, ist in den KMK-Vorgaben 2010 festgelegt, dass ein Modul möglichst nur mit einer Prüfungsleistung abschließen sollte. Da ein Modul in der Regel aus mehreren Lehrveranstaltungen besteht, wird empfohlen, dass sich die daran beteiligten Lehrenden zu- sammenschließen und die Modulprüfung gemeinsam entwickeln und durchführen, anstatt in jeder Modulveranstaltung eine eigene (summative) Leistungsüberprüfung durchzuführen.

Hiermit wird nicht nur die von der KMK beschlossene Forderung erfüllt, die Anzahl der Prü- fungen insgesamt zu reduzieren; durch die Zusammenarbeit bei den Prüfungen wird er- möglicht, dass mehr Wert auf den Zusammenhang der einzelnen Lehrveranstaltungen eines Moduls gelegt wird, dieser auch im Kontext der Prüfungsvorbereitung besser verdeutlicht werden kann und darüber auch verstärkte Transferleistungen von den Studierenden gefor- dert sind. Dieses Vorgehen schließt andererseits nicht aus, dass in den einzelnen Lehrver- anstaltungen weiterhin (verpflichtende) formative Leistungsstanderhebungen durchgeführt werden. Diese sollten nur, wie schon erwähnt, nicht in die Modulnote miteinfließen (vgl.

hierzu Kapitel 4.1).

Abbildung 8 zeigt den beispielhaften Aufbau eines Moduls mit gemeinsamer Modulab- schlussprüfung und verschiedenen Formen des formativen Feedbacks. Das Modul beinhaltet drei Teilveranstaltungen zum Aufbau der Kompetenzen: Eine Vorlesung, ein Seminar und eine Übung (vgl. im Folgenden Reis & Ruschin, 2007, S. 8). In der Vorlesung werden die Themen des Moduls vorgestellt, klassifiziert und eingeordnet. Das Wissen kann bspw. mit einer (Probe-)Klausur am Ende der Vorlesung abgefragt werden. Im anschließenden Semi- nar werden einzelne Aspekte der Vorlesung anhand von (freiwilligen) Referaten vertieft. In der (optionalen) Übung schließlich werden in Gruppen Fallstudien bearbeitet. Die eigentli- che Modulprüfung ist ebenfalls als Fallstudie konzipiert, die die Studierenden erarbeiten und präsentieren. Wie an diesem Beispiel zu erkennen ist, ist die Modulprüfung kompetenzori-

entiert angelegt, da sie durch das Fallstudien-Format einen Handlungsbezug beinhaltet. Die (freiwilligen) Leistungsstanderhebungen in den einzelnen Veranstaltungen dienen hingegen vor allem dazu, den Studierenden Feedback über ihre Leistungsstände zu geben und sie mit dem Format der Modulprüfung (einer Fallstudie) vertraut zu machen.

Abbildung 9: Möglicher Aufbau eines Moduls mit gemeinsamer Modulabschlussprüfung und verschiedenen Formen des formativen Feedbacks (angelehnt an Reis & Ruschin, 2007, S. 8).