Nachdem der VfGH das allgemeine Bettelverbot 2012 aufgehoben hatte, wurden in den Bundesländern qualitative Bettelverbote erlassen, die bestimmte Formen des Bettelns verbieten („aggressiv“, „aufdringlich“;; „organisiert“, „gewerbsmäßig“
oder „mit und von Minderjährigen“). In den ausformulierten Verboten sind Bezüge angelegt, die auf die Existenz einer „Bettelmafia“ verweisen, im besonderen Maße trifft dies auf die Verbote des „organisierten“ und des „gewerbsmäßigen“ Bettelns zu.
Darüber hinaus wurden in mehreren österreichischen Städten und Gemeinden sektorale und temporäre Bettelverbote erlassen, die auch das „stille“ Betteln untersagen. Und das, obwohl mit dem VfGH Urteil 2012 auch das sektorale Bettelverbot in Graz aufgehoben worden war, da es ein allgemeines Bettelverbot bedeuten würde.
Die rechtliche Situation in den Bundesländern, Städten und Gemeinden gestaltet sich für bettelnde Menschen als engmaschig repressiv, eine Verbesserung durch das VfGH Urteil von 2012 ist kaum erkennbar.
Sowohl auf der Ebene der „qualifizierten Verbotskataloge“ in den Landessicherheits- und Polizeigesetzen, als auch in der Tendenz zu sektoralen und temporären Bettelverboten, wird die Soziale Arbeit berührt. Etwa, wenn im Verbot des Bettelns in Begleitung Minderjähriger das „Kindeswohl“
beziehungsweise Kinderrechte thematisiert werden.
Der Sozialpädagoge und ehemalige Leiter des Fachbereichs Drehscheibe Sozialpädagogische Einrichtung der MAG 11 Wien Norbert Ceipek ist widerholt dafür kritisiert worden, den Mythos der „Bettelmafia“ zu untermauern. In der Sendung „Von Tag zu Tag“ des Österreichischen Radios 1 zum Thema: „Über das organisierte Betteln“ (sic!), äußerte sich Ceipek:
„Ich habe auch schon gesehen, wie Kinder aus einem, aus einem Ford Transit, aus einem nagelneuen Ford Transit, gestiegen sind. Äh, sich umgezogen haben vorher im Bus und dann auf der Straße wieder aufgetaucht sind.“ Frage: „In Lumpen?“ „In Lumpen. Und, und, und, dann
wieder sich umgezogen haben, und, und lustig lachend wieder mit dem Bus weggefahren sind.“ (Über das organisierte Betteln 2007: Von Tag zu Tag.
Gespräch mit Norbert Ceipek. Min. 17:29)
Wenige Minuten später behauptet Ceipek, dass Bettler_innen zu „99%
Angehörige der Minderheiten der Roma“ (ebd.: 20:45) wären.
Das Beispiel der Drehscheibe der MAG 11 ist unter anderem deshalb interessant, weil es die Kooperation zwischen Sozialer Arbeit und Polizei thematisiert. Zum Eingang des Gesprächs erwähnt Ceipek eine gemeinsame Schwerpunktaktion mit der Polizei, bei der Kinder auf die Einnahme von Beruhigungsmitteln hin untersucht wurden.31 Dass Kinder unter Abgabe von Medikamenten „sediert“
werden, gehört zu einer der verbreitetsten „Bettelmythen“. Obwohl davon ausgegangen wurde, dass die Kinder unter Beruhigungsmittel stehen würden, konnten dafür keine Anzeichen gefunden werden. (ebd.: 04:02) Ceipek hat dafür eine Erklärung: „Die Kinder sind, äh sehr gut trainiert und nicht sediert.“ (ebd.:
04:42)
Dass die Soziale Arbeit in verschiedenen Situationen, Kontexten, Einrichtungen und Handlungsfeldern mit Polizist_innen und Institutionen des Bundesinnenministeriums zusammenarbeitet, ist alltägliche Praxis. Umso wichtiger ist es, dieses Nahe-, auch als Abhängigkeitsverhältnis, kritisch zu reflektieren.
Soziale Arbeit befindet sich auch in Bezug auf Gemeinden, als unter anderem wichtigen Geldgebern, in einem Abhängigkeitsverhältnis. Als das sektorale Bettelverbot am 02.05.2016 in Linz in Kraft trat, wurde die Kommunikation über die neue Gesetzeslage in die Hände von Streetworkern der Caritas Einrichtung
„Caritas für Menschen in Not“ gelegt.
31 An dieser Aktion waren außerdem das Jugendamt und ein Amtsarzt beteiligt. A.H.
In einer Presseaussendung der Stadt Linz vom 02.05.2016 wurde auf die Fremdsprachenkenntnisse der Streetworker verwiesen. Diese Ressource ist sowohl als system-logisch als auch als menschlich und professionell sinnvoll zu betrachten. Die Verwendung von Sprache erschien auch für die vorliegende Masterarbeit von großem Interesse.
In diesem Sinne wurde die Auswahl der Sprachen, in denen die Broschüren erschienen sind, besonders berücksichtigt. Dass gerade auch die Verwendung non-verbaler Sprache (als Piktogramme) in der Intention und Aussage stark divergieren kann, zeigt der Vergleich zwischen den Broschüren Betteln ist erlaubt!
A koldulás megengedett! Просенето е разрешено! Cerșitul este permis! und Unsere wichtigsten Regeln für Bettler. Cele mai importante reguli pentru cerşetori.
Legfontosabb szabályaink koldusok számára. Нашите най-важни правила за просяците. Amare importante reguli anda-l manush kai manqen (Menschenrechtsorganisationen) und „Unsere wichtigsten Regeln für Bettler.
Unsere wichtigsten Regeln für Bettler. Cele mai importante reguli pentru cerşetori.
Legfontosabb szabályaink koldusok számára. Нашите най-важни правила за просяците. Amare importante reguli anda-l manush kai manqen (Gemeinden).
Der Widerspruch bleibt bestehen.
Für den in dieser Masterarbeit untersuchten Korpus muss festgehalten werden, dass die Broschüre „Derf i des?“ Ein Leitfaden für Menschen, die sich im öffentlichen Raum aufhalten als deutlich repressiv herausragt.
Aus der sicherheitspolitischen Perspektive, auf die räumliche Herkunft von Bettler_innen, zugespitzt im Mythos der „Bettelmafia“, folgert in einer rassistischen Gesellschaft die Ethnisierung der „fremden Anderen“.
Die Soziale Arbeit steht im Spannungsverhältnis gesellschaftlicher, und damit zwangsläufig, rassistischer Herrschafts- und Unterdrückungsverhältnisse. Sie kann, gerade in Beziehung zur Auftrags- und Fördergeber_innen,
beziehungsweise zu den politischen Entscheidungsträger_innen, Gefahr laufen sich der Tendenz zur nationalen und „ethnischen“ Kategorisierung, zu beugen.
Die Studie, “Solange es hier, auf der Straße, besser geht als zu Hause, werde ich herkommen und betteln.” Notreisende und Bettel-MigrantInnen in Salzburg.
Erhebung der Lebens- und Bedarfslagen, die 2013 vom Runden Tisch Menschenrechte Salzburg herausgegeben wurde, beginnt mit kritisch, empathischen Worten:
„(…) Dieser Personengruppe (…), die in der öffentlichen und veröffentlichten Meinung ausgesprochen ablehnend problematisiert w[ird] und Gegenstand von Appellen für Kontrolle, Herstellung von öffentlicher Ordnung und Sicherheit und/oder Vertreibung [ist].“ (Schoibl 2013: 7)
Trotzdem folgt die Broschüre einer „ethnischen“ Klassifizierung, wenn in der zu Grunde liegenden quantitativen Totalerhebung, die „Angehörigen der Volksgruppe der Roma“ (ebd.: 14ff.) gezählt werden. Wozu diese Angabe gemacht wird, welcher Erkenntnisgewiss in ihr liegen soll und wie die Interviewer_innen an sie gelangt sind, bleibt unklar. Die Soziale Arbeit muss den Umstand, dass Sozialarbeiter_innen an der Ethnisierung von Menschen aktiv beteiligt sind, dringend reflektieren.
„Natürlich habe ich leider recht
Die Welt ist arm, der Mensch ist schlecht Wir wären gut – anstatt so roh
Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so.“
(Die Dreigroschenoper)
LITERATURVERZEICHNIS
Primärquellen
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Просенето е разрешено! Cerșitul este permis!. Wien BettelLobbyWien (Hg.) (2013): Knigge für Gebende. Wien
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Armutsmigration. Wien
Caritas Wien (Hg.) (2014): GEBEN oder NICHT GEBEN?. Wien
Runder Tisch Menschenrechte Salzburg (Hg.) (2013): betteln erlaubt - geben erlaubt. Fakten rund ums Thema Betteln. Salzburg
Stadtgemeinde Salzburg (Hg.) (2014): Unsere wichtigsten Regeln für Bettler. Cele mai importante reguli pentru cerşetori. Legfontosabb szabályaink koldusok számára. Нашите най-важни правила за просяците. Amare importante reguli anda-l manush kai manqen. Salzburg
Suchthilfe Wien (Hg.) (2012): „Derf i des?“ Ein Leitfaden für Menschen, die sich im öffentlichen Raum aufhalten. Wien
Sekundärquellen Monographien
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Goffmann Erving (2009): Interaktion im öffentlichen Raum. Frankfurt am Main &
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https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=LrW&Gesetzesnum mer=20000160 [04.08.2016]
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https://www.vn.at/lokal/vorarlberg/2017/03/15/bettelverbot-zum-teil-
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Wiener Linien (2017): Fahr Fair! Für ein angenehmes Miteinander in den Öffis.
https://www.wienerlinien.at/eportal3/ep/channelView.do/pageTypeId/66528/cha nnelId/-2000163. [09.05.2017]
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Österreich 1. Journal 11.03.2010
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Herold Gordana (2014): Romane Romnja – Roma Frauen. In: Migration und Soziale Arbeit. 2/2014. 171–175.
Raubein Rebecca (2016): 100% Identität – 100% Rassismus. Oder wie viele Klicks sind eine Bewegung? Fiber 25/2016. 20-23.
Romano Centro (2015): 10 Fragen und Antworten zum Antiziganismus. In:
Antiziganismus in Österreich. Falldokumentation 2013 – 2015. Informationen für Betroffene und ZeugInnen. Sonderheft 83/2015. 5-6.
Schmidt Sebastian (2015): Wer ist bedürftig, wer ein Faulenzer? In: Damals. Das Magazin für Geschichte. 7/2015. 22-25.
Schmidt Sebastian (2015): Arbeit als Ausweg aus der Not. In: Damals. Das Magazin für Geschichte. 7/2015. 26-31.
Schreitner Nikolai (2015): Die Bettelmafia – Eine antiziganistische Vorstellung. In:
Antiziganismus in Österreich. Falldokumentation 2013 – 2015. Informationen für Betroffene und ZeugInnen. Sonderheft 83/2015. 7.
Thomsen Arne: “Edler Wettkampf der Barmherzigkeit”. In: Damals. Das Magazin für Geschichte. 7/2015. 40-44.
TABELLENVERZEICHNIS
Tab. 1: Bettelverbote...42
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abb. 1 Caritas Österreich (Hg.) (2012): Armut muss Platz haben. Leitfaden zum Thema Armutsmigration. Wien, 8. ...
... 60 Abb. 2 Caritas Österreich (Hg.) (2012): Armut muss Platz haben. Leitfaden zum
Thema Armutsmigration. Wien, 13. ...
... 60 Abb. 3 Caritas Österreich (Hg.) (2012): Armut muss Platz haben. Leitfaden zum
Thema Armutsmigration. Wien, 8. ...
... 60 Abb. 4 Caritas Österreich (Hg.) (2012): Armut muss Platz haben. Leitfaden zum
Thema Armutsmigration. Wien, 13. ...
... 60 Abb. 5 Caritas Österreich (Hg.) (2012): Armut muss Platz haben. Leitfaden zum
Thema Armutsmigration. Wien, 16. ...
... 60 Abb. 6 Caritas Wien (Hg.) (2014): GEBEN oder NICHT GEBEN?. Wien, 1. ...
... 64 Abb. 7 Caritas Wien (Hg.) (2014): GEBEN oder NICHT GEBEN?. Wien, 3. ...
... 64 Abb. 8 BettelLobbyWien (Hg.) (2013): Betteln ist erlaubt! A koldulás megengedett!
Просенето е разрешено! Cerșitul este permis!. Wien, 1. ...
... 71 Abb. 9 BettelLobbyWien (Hg.) (2013): Betteln ist erlaubt! A koldulás megengedett!
Просенето е разрешено! Cerșitul este permis!. Wien, 2. ...
... 71 Abb. 10 BettelLobbyWien (Hg.) (2013): Betteln ist erlaubt! A koldulás megengedett!
Просенето е разрешено! Cerșitul este permis!. Wien, 3. ...
... 71 Abb. 11 BettelLobbyWien (Hg.) (2013): Betteln ist erlaubt! A koldulás megengedett!
Просенето е разрешено! Cerșitul este permis!. Wien, 7. ...
... 71 Abb. 12 BettelLobbyWien (Hg.) (2013): Betteln ist erlaubt! A koldulás megengedett!
Просенето е разрешено! Cerșitul este permis!. Wien, 11. ...
... 71 Abb. 13 BettelLobbyWien (Hg.) (2013): Knigge für Gebende. Wien, 1. ...
... 75 Abb. 14 BettelLobbyWien (Hg.) (2013): Knigge für Gebende. Wien, 6. ...
... 75
Abb. 15 Runder Tisch Menschenrechte Salzburg (Hg.) (2013): betteln erlaubt - geben erlaubt. Fakten rund ums Thema Betteln. Salzburg, 1. ...
... 81 Abb. 16 Runder Tisch Menschenrechte Salzburg (Hg.) (2013): betteln erlaubt - geben
erlaubt. Fakten rund ums Thema Betteln. Salzburg, 2. ...
... 81 Abb. 17 Runder Tisch Menschenrechte Salzburg (Hg.) (2013): betteln erlaubt - geben
erlaubt. Fakten rund ums Thema Betteln. Salzburg, 9. ...
... 81 Abb. 18 Runder Tisch Menschenrechte Salzburg (Hg.) (2013): betteln erlaubt - geben
erlaubt. Fakten rund ums Thema Betteln. Salzburg, 13. ...
... 81 Abb. 19 Runder Tisch Menschenrechte Salzburg (Hg.) (2013): betteln erlaubt - geben
erlaubt. Fakten rund ums Thema Betteln. Salzburg, 15. ...
... 81 Abb. 20 Stadtgemeinde Salzburg (Hg.) (2014): Unsere wichtigsten Regeln für Bettler.
Cele mai importante reguli pentru cerşetori. Legfontosabb szabályaink koldusok számára. Нашите най-важни правила за просяците. Amare importante reguli anda-l manush kai manqen. Salzburg, 1. ...
... 89 Abb. 21 Stadtgemeinde Salzburg (Hg.) (2014): Unsere wichtigsten Regeln für Bettler.
Cele mai importante reguli pentru cerşetori. Legfontosabb szabályaink koldusok számára. Нашите най-важни правила за просяците. Amare importante reguli anda-l manush kai manqen. Salzburg, 3. ...
... 89 Abb. 22 Stadtgemeinde Salzburg (Hg.) (2014): Unsere wichtigsten Regeln für Bettler.
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... 89 Abb. 23 Stadtgemeinde Salzburg (Hg.) (2014): Unsere wichtigsten Regeln für Bettler.
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... 89 Abb. 24 Stadtgemeinde Salzburg (Hg.) (2014): Unsere wichtigsten Regeln für Bettler.
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... 89 Abb. 25 Stadtgemeinde Salzburg (Hg.) (2014): Unsere wichtigsten Regeln für Bettler.
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