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I. T HEORETISCHE G RUNDLAGEN

4. P SYCHOTHERAPIE

Transaktionsanalyse), systemische Therapien (z.B. verschiedene Verfahren der Kommunikations- und Familientherapie) und Verhaltenstherapien (z.B. verschiedene Methoden der Verhaltensmodifikation, soziales Kompetenztraining, Rollenspiele, kognitive Verhaltenstherapien) einteilen lassen. Wie bereits erwähnt kommen bei Essstörungen besonders kognitive Verhaltenstherapien zum Einsatz. Dabei wird versucht irrationale Kognitionen (z.B. ich werde von anderen Menschen abgelehnt, weil ich nicht dem gängigen Schönheitsideal entspreche) und Fehlwahrnehmungen (z.B. mein Chef akzeptiert mich nicht, weil dieser bei der Begrüßung nicht gelächelt hat), sowie die mangelnde Fähigkeit, die daraus entstehenden Probleme selbst zu lösen, ins Bewusstsein zu rufen und die dafür nötige Handlungskompetenz zu erarbeiten. Der Schwerpunkt der systemischen Therapien liegt, wie auch bei der Klinischen Sozialarbeit und der Sozialtherapie, auf dem sozialen Kontext, insbesondere auf der Interaktion ganzer Systemen (Paare, Familien, Gruppen). Ziel ist nicht in erster Linie die Veränderung einzelner Personen, sondern die Veränderung der Beziehungen und der Kommunikation zwischen den Systemmitgliedern (vgl. Adam-Lauer 2008: 691ff.).

4.1. Zum Verhältnis von Psychotherapie und Sozialtherapie

Im vorangegangen Kapitel wurde Sozialtherapie als interdisziplinärer Handlungsansatz mit psychotherapeutischer Perspektive dargestellt. An dieser Stelle wird versucht das Verhältnis von Psychotherapie und Sozialtherapie aufzuzeigen. Dabei wird besonders auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten Bezug genommen.

Wie bereits erwähnt sind therapeutische Prozesse zentriert auf die Person, das Individuum. Psychotherapie bezieht sich in erster Linie auf das innere Erleben, auf den Charakter, das Selbst- und Weltbild, die Identität und die personale Integration eines Menschen. Im Mittelpunkt steht also das Leiden einer Person, wobei die Ursachen dafür in ihr gesehen werden (vgl. Gildemeister, Robert 2001: 1903). Hier wird bereits ein erster Unterschied zur Sozialtherapie und allgemein zur Sozialarbeit erkennbar, die laut Heiko Kleve mehr den sozialen Kontext einer Person fokussiert und nicht versucht psychosoziale Probleme nur zu individualisieren (vgl. Pauls 2013a: 125). Des Weiteren findet Psychotherapie fast immer an einem Standort statt und die Kosten werden von den Krankenkassen (teil-) finanziert bzw. sie müssen von den KlientInnen übernommen werden. Die (Klinische) Sozialarbeit kann hingegen räumlich flexibel sein und die Finanzierung wird fast immer vom Staat übernommen (vgl. Kleve 2005: 32).

Einen weiteren Unterschied liefert Hans-Peter Steingass (vgl. 2015: o.S.) unter Rückgriff auf Klaus Dörner und Ursula Plog. Er konstatiert, dass es im Leben Teilbereiche gibt, welche psychotherapeutische Methoden nicht beeinflussen können. Durch Psychotherapie kann ein Mensch selbstbewusster, angstfreier oder durchsetzungsfähiger werden, woher weiß er jedoch wie er mit Menschen und Situationen im Alltag, in der Arbeit, in der Freizeit umzugehen hat, wie kann er sich in seinem Umfeld zurechtfinden?

Demnach wäre Sozialtherapie das, was Psychotherapie alleine nicht liefern kann, nämlich die Beschäftigung mit dem Normalen, dem Alltäglichen. Hans-Peter Steingass (vgl. ebd.: o.S.) betont, dass in der Sozialtherapie das alltägliche Leben mit seinen Realitätsanforderungen, Schwierigkeiten und Konflikten das Feld darstellt, in welchem konkrete Bewältigungserfahrungen erlernt werden können. Im Gegensatz dazu wird mit dem Aufsuchen einer Psychotherapie dieses alltägliche Milieu, die Lebenswelt und die Lebenspraxis eines Menschen verlassen (vgl. Gildemeister, Robert 2001: 1905f.). Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal liegt darin, dass die Psychotherapie die „schwierigen“

Fälle, also Menschen in Multiproblemlagen ausschließt bzw. nicht erreicht und sich eher denjenigen KlientInnen zuwendet, welche über eine höhere Introspektions- und Verbalisierungsfähigkeit verfügen (vgl. Deloie 2011: 96; Gahleitner 2014; Pauls 2013a;

Hahn 2014; Binner, Ortmann 2008). Diese „schwierige“ Klientel wird dann eher zur Zielgruppe von Sozialtherapie, welche durch eine niedrige Zugangsschwelle, niedrige Anforderungen an die Motivation, Krankheitseinsicht, Kooperations- und Introspektionsfähigkeit gekennzeichnet ist (vgl. Steingass 2015: o.S.).

Die Gemeinsamkeiten zwischen Sozialtherapie und Psychotherapie lassen sich laut Hans-Peter Steingass (vgl. ebd.: o.S.) unter Rückgriff auf Klaus Grawe und seinen MitarbeiterInnen am ehesten durch folgende gemeinsame therapeutische Wirkfaktoren festmachen: Das erste Wirkprinzip ist die „Problembewältigung“, welche darin besteht, dass Fachleute den PatientInnen bei der Bewältigung ihrer Schwierigkeiten und Probleme unterstützend zur Seite stehen. Unter dem Wirkprinzip „Klärung“ ist zu verstehen, dass die Fachkräfte den PatientInnen helfen sich selbst, sowie das eigene Erleben und Verhalten besser zu verstehen. Das Prinzip „Problemaktualisierung“ besteht darin, den PatientInnen die zu bewältigenden Problembereiche real erfahrbar und erlebbar zu machen. Mit „Ressourcenorientierung“ ist das Aufgreifen der bereits vorhandenen Stärken und Fähigkeiten gemeint. Zu diesen vier Wirkprinzipien hat Hans- Peter Steingass ein weiteres postuliert, nämlich die „Akzeptanz von Schwächen, Defiziten, Einschränkungen, Unzulänglichkeiten und Stagnation“. Somit soll sich jeder Patient angenommen, respektiert und sicher fühlen.

Für Hans-Peter Steingass (vgl. ebd.: o.S.) sind Psychotherapie und Sozialtherapie mit ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden Teile eines Systems. Welche Art der Hilfe notwendig ist hängt alleine von dem betroffenen Individuum ab, von seinen Problemen und Ressourcen und der konkreten Situation. Viele AutorInnen distanzieren sich von einer „entweder Sozialtherapie oder Psychotherapie“ Haltung und vertreten vielmehr eine

„sowohl-als-auch“ Sichtweise (vgl. Pauls 2013a; Bösel, Nikendei, Schauenberg 2014).

Karlheinz Ortmann und Dieter Röh (vgl. 2014: 87f.) sind der Ansicht, dass die Sozialtherapie nicht auf Anleihen der Psychotherapie angewiesen ist, damit sie auf der einen Seite soziale Probleme professionell bearbeiten kann und auf der anderen Seite kein Konkurrenzkampf mit anderen Professionen entsteht. Jedoch wird bei Helmut Pauls (vgl. 2013a: 126) deutlich, dass psychotherapeutische Sicht- und Vorgehensweisen wesentlich für die psychosoziale Behandlung und somit auch für die Sozialtherapie sind, da sie zum Verständnis der innerpsychischen Vorgänge bei den KlientInnen beitragen.

Für die professionelle Arbeit ist seiner Ansicht nach ein psychotherapeutisches Wissen zur Beziehungsarbeit und zum Umgang mit dem Selbstbezug von Betroffenem und Fachkraft unverzichtbar.

Aus den bisherigen Ausführungen über Sozialtherapie und Psychotherapie kann festgehalten werden, dass sich beide Handlungsansätze zwar wesensmäßig voneinander unterscheiden, sie jedoch das gemeinsame Ziel haben Leidenszustände von Menschen zu beheben oder zu mindern. Eine Kooperation von Psychotherapie und Sozialtherapie kann hilfreich sein, um mit schwierigen Problemlagen in der Praxis adäquat umgehen zu können. Die Sozialtherapie kann eine psychotherapeutische Behandlung unterstützen und erweitern, indem sie ihren Fokus auf die soziale Dimension, also auf die Person in ihrer Lebenswelt richtet. Aufgrund eines psychotherapeutischen Wissens und Verständnisses und ihrer Niedrigschwelligkeit kann die Sozialtherapie auch Menschen in Multiproblemsituationen erreichen und ihnen geeignete Hilfeleistung anbieten.

Im empirischen Teil dieser Masterarbeit soll herausgefunden werden, inwieweit sich Psychotherapie und Sozialtherapie in der Praxis abgrenzen oder gleichen und ob Sozialtherapie in der psychotherapeutischen und sozialarbeiterischen Arbeit zur Anwendung kommt bzw. notwendig ist.