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I. T HEORETISCHE G RUNDLAGEN

3. S OZIALTHERAPIE IN DER K LINISCHEN S OZIALARBEIT

3.2. Sozialtherapie im Rahmen Klinischer Sozialarbeit

In der Klinischen Sozialarbeit rückt der Ansatz der Sozialtherapie immer mehr in den Mittelpunkt. In diesem Abschnitt soll der Versuch unternommen werden, die Bedeutung der Sozialtherapie für die Klinische Sozialarbeit herauszuarbeiten.

Sozialtherapie hat sich noch nicht etabliert und besitzt noch lange nicht denselben Stand wie die Psychotherapie. Für ihre Entwicklung stellt die Klinische Sozialarbeit laut Helmut Pauls (vgl. 2013a: 293) jedoch eine geeignete Heimat dar. Für den Autor versteht sich die Klinische Sozialarbeit, wie zuvor bereits erwähnt, insgesamt als sozialtherapeutisch. Dies untermauert er mit der Aussage, dass die Grundformen psychosozialer Behandlung der Klinischen Sozialarbeit zu einer breit konzeptuierten „...sozialtherapeutisch-beratend- begleitend-intervenierenden Methodologie“ (ebd.: 290) gehören. Helmut Pauls (vgl. ebd.:

290) nennt zwei wesentliche Aspekte, welche die Sozialtherapie kennzeichnen und eine Verbindung zur Klinischen Sozialarbeit darstellen: Einerseits die professionelle zwischenmenschliche Hilfe basierend auf einer personalen therapeutischen Beziehung, andererseits die Einbeziehung in das strukturierte und organisierte System menschlichen Zusammenlebens. Sozialtherapie kann demnach die Lücke zwischen allgemeiner Sozialarbeit und Psychotherapie schließen. Das Ziel der Sozialtherapie ist laut Helmut Pauls (vgl. ebd.: 297f.) zwischenmenschliche Beziehungen und soziale Integration insgesamt zu verbessern. Dabei kommen Methoden zur Anwendung, die Einfluss auf die Lebensweise und Lebenslage der KlientInnen mit psychischen Erkrankungen und sozialen Beeinträchtigungen nehmen. Diese Behandlungsmethoden sind neben der Beratung stationäre und ambulante, sowie auch zugehende und aufsuchende Handlungen, um die Auseinandersetzung mit dem sozialen Umfeld zu aktivieren. Hierfür benötigt es einen Aufbau von sozialen und psychischen Kompetenzen für die Verbesserung der Compliance, die Schaffung und/oder Aktivierung sozialer Ressourcen und die Verbesserung der Fähigkeit diese zu nutzen, den Einschluss in soziale Strukturen und insgesamt für die Verbesserung der Selbstständigkeit der KlientInnen.

Hier wird deutlich, dass die Sozialtherapie mit ihren Methodendie psychosoziale Beratung als Behandlungsstrategie durch systemische, aufsuchende und umgebungsbezogene psychosoziale Intervention überschreitet und eben mehr als Beratung ist. Dadurch soll die Unterstützungsfähigkeit z.B. von Angehörigen, dem sozialen Umfeld und professionellen Dienstleister gefördert und die Umgebung, in der die KlientInnen leben wollen, verbessert werden (vgl. ebd.: 294). Auch Helmut Pauls (vgl. ebd.: 298) rückt das Spannungsfeld zwischen Person und Gesellschaft ins Zentrum seiner Begriffsbestimmung. Erwähnenswert scheint hier die Betonung der Wichtigkeit einer

kontinuierlichen Betreuung durch einen Bezugstherapeuten oder eine Bezugstherapeutin, welcher Maßnahmen (Beratungsgespräche und Koordination aller Beteiligten) an den sich verändernden Bedarf der KlientInnen anpasst.

Für Silke Gahleitner und ihren KollegInnen (vgl. 2014: 8) sind primär „hard-to-reach“

KlientInnen, welche multiproblembelastet sind und aus verschiedenen Gründen vom Versorgungssystem nicht ausreichend erreicht werden, Zielgruppe von Sozialtherapie.

Nicht nur die Anzahl sozialer Probleme wie Armut, Ausgrenzung oder Arbeitslosigkeit steigt immer mehr an, sondern auch manifeste gesundheitliche Probleme. Ulrich Binner und Karlheinz Ortmann (vgl. 2008: 80) sind ebenfalls der Auffassung, dass dieses Klientel die Zielgruppe der Sozialtherapie darstellt indem sie sagen, dass es eine Vielzahl an Problemen gibt, die so gravierend sind, dass die klassische Sozialarbeit an ihre Grenzen stoßt und mit diesem Klientel überfordert ist. Demnach braucht es sozialtherapeutische Kompetenzen, um sich dieser Gruppe zu widmen. Nicht nur die klassische Sozialarbeit ist diesen Menschen in Multiproblemlagen oft nicht gewachsen, sondern auch die Psychotherapie wird laut Silke Gahleitner (vgl. 2014: 8) dieser Klientel nicht gerecht. Deswegen muss die Sozialtherapie den doppelten Fokus der „Person-in- environment Perspektive“ berücksichtigen. Hier wird deutlich, dass die Sozialtherapie das leisten kann, was die klassische Sozialarbeit und die Psychotherapie alleine an ihre Grenzen bringt. Wesentlich ist, dass Sozialtherapie eine Kooperation mit anderen Disziplinen wie etwa Medizin, Psychologie, Erziehungs- oder Pflegewesen braucht. Nur so können soziale und psychische Elemente von Menschen in deren Lebenssituation mit den biologischen integriert werden (vgl. Pauls 2013a: 291).

Auch Ulrich Binner und Karlheinz Ortmann (vgl. 2008: 72) sehen die Entwicklung eines eigenständigen Gegenstandes einer Sozialtherapie als notwendig. Sie starteten im Jahr 2008 den Versuch die Sozialtherapie als zentrale Methode der Klinischen Sozialen Arbeit zu konzeptualisieren. Der Gegenstand der Sozialtherapie sind Passungsstörungen in der sozialen Dimension bio-psycho-sozial zu verstehender Gesundheit, mit anderen Worten:

soziale Probleme. Die Autoren erwähnen explizit, dass die Sozialtherapie dieselben Ziele wie auch die klassische und die Klinische Sozialarbeit verfolgt, nämlich die Förderung sozialer Kompetenzen (vgl. ebd.: 78). Hier lässt sich die unmittelbare Nähe der Sozialtherapie zur Klinischen Sozialarbeit erkennen. Ulrich Binner und Karlheinz Ortmann (ebd.: 82) verstehen unter Sozialtherapie keine einzelne therapeutische Behandlungsform, sondern eine Vielzahl von „…Heran- und Umgehensweisen wie etwa Krisenintervention, Formen Sozialer Unterstützung, Case Management und vieles mehr“, welche sich auf den Fall beziehen und flexibel zur Anwendung kommen. Wie auch

Helmut Pauls begreifen sie Sozialtherapie als methodologisches Instrumentarium. Die Autoren zeigen vier spezifische Handlungsformen für Sozialtherapie auf:

1. Sozialtherapie als professionell arrangierte Lebenspraxis bzw. die Lebenssituation: Hier lassen sich z.B. therapeutische Wohngemeinschaften oder stationäre Institutionen zuordnen.

2. Sozialtherapie als sozialtherapeutisches Training: Dabei geht es um den Erwerb sozialer Fähigkeiten und Kompetenzen im Sozialraum der KlientInnen zur bestmöglichen Soziabilität.

3. Sozialtherapie als Gespräch: Gespräche über soziale Probleme sollen ebenso als soziale Ereignisse angesehen werden. Neben der Bearbeitung von Gesprächsinhalten ist die Herstellung von Beziehungen zwischen Fachkräften und KlientInnen von wesentlicher Bedeutung.

4. Sozialtherapie als Begleitung bei der Bewältigung und Bearbeitung der sozialen Probleme von KlientInnen (vgl. ebd.: 82ff.).

Ein wesentliches Kennzeichen einer Sozialtherapie ist ihre Niedrigschwelligkeit.

Hilfsmaßnahmen sollen nicht nur in Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens stattfinden, sondern auch dort wo die KlientInnen leben und Unterstützung benötigen (z.B. in deren Wohnungen), also in ihrer Lebenswelt (vgl. Ortmann, Röh 2014: 83).

Nach Helmut Pauls und Michael Reicherts (vgl. 2014: 4) hat die Klinische Sozialarbeit bereits eine wichtige Rolle bei der Verwirklichung einer sozialtherapeutischen Behandlungsperspektive eingenommen. Jedoch wird Sozialtherapie auch von anderen Berufsgruppen ausgeübt. Daher muss die Klinische Sozialarbeit weiter kämpfen und sich fachlich profilieren, da der Klinischen Sozialarbeit für die Anwendung von Sozialtherapie immer noch nicht oder nur unzureichend Beachtung geschenkt wird. In einer Studie von Helmut Pauls und Christopher Romanowski (vgl. 2013: 4) aus dem Jahr 2011 wird wissenschaftlich belegt, dass die Klinische Sozialarbeit bereits im Großen und Ganzen sozialtherapeutisch tätig ist, um überhaupt Erfolge erzielen zu können. Aufgrund dessen benötigt die Klinische Sozialarbeit dringend ein Profil für ihren sozialtherapeutischen Handlungsansatz. Nur so hat sie die Möglichkeit als Disziplin neben anderen Heilberufen zu existieren und als Leitdisziplin für die Sozialtherapie zu gelten.