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I. T HEORETISCHE G RUNDLAGEN

3. S OZIALTHERAPIE IN DER K LINISCHEN S OZIALARBEIT

3.4. Relevanz und Aufgabengebiet der Sozialtherapie im

Der folgende Abschnitt soll darstellen, warum die Sozialtherapie im Kontext der Klinischen Sozialarbeit prädestiniert dafür ist, in der Behandlung von Essstörungen einen wichtigen Beitrag zu leisten. Daraus sollen zudem mögliche Aufgabenbereiche erarbeitet werden. Mit der Frage, inwieweit die Anwendung der Sozialtherapie in der Praxis möglich ist bzw. stattfindet oder benötigt wird, befasst sich der empirische Teil dieser Masterthesis.

Es kann davon ausgegangen werden, dass aufgrund der weiten Verbreitung von Essstörungen über verschiedene Altersgruppen hinweg, Fachkräfte in vielfältigen Handlungsfeldern mit Menschen mit Essstörungen in Kontakt kommen. Es bedarf mehrere Anläufe, Behandlung, aber auch Zeit, damit diese Erkrankung überwunden werden kann (vgl. ebd.: 110ff.). Bei der ersten Kontaktaufnahme sind neben Ärzten auch Beratungsstellen von großer Bedeutung. Für Eva Wunderer (vgl. ebd.: 149ff.) ist es zentral, dass die SozialarbeiterInnen, die mit den Betroffenen in Kontakt kommen, ein gewisses Basiswissen in Bezug auf das therapeutische Vorgehen und mögliche Therapieformen bei Essstörungen besitzen. Demnach stellt die Sozialtherapie mit ihrem therapeutischen Knowhow einen geeigneten Behandlungsansatz für Menschen mit Essstörungen dar. Aufgrund der Niedrigschwelligkeit der Klinischen Sozialarbeit bzw. der Sozialtherapie könnte der Zugang zu professioneller Unterstützungsleistung erleichtert werden, da besonders diejenigen Personen Unterstützung benötigen, die infolge ihrer

Erkrankung in ihrer psychosozialen Funktionsfähigkeit und ihrer Lebensqualität eingeschränkt sind. Dies sind klassische Ansatzpunkte der Sozialtherapie im Rahmen Klinischer Sozialarbeit mit ihrer Perspektive der „Person-in-ihrer-Umwelt“.

Da soziale und soziokulturelle Aspekte wesentliche Faktoren für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Essstörungen sind, benötigen Betroffene nicht nur im psychologischen und medizinischen, sondern auch im sozialen Bereich spezifische Unterstützung. Damit die vielfältigen und komplexen Folge- und Begleitprobleme bewältigt werden können ist es von großer Bedeutung, dass die Problemlagen im Kontext von individueller Entwicklung und Umwelt gesehen werden. Menschen mit Essstörungen erleben fast in allen Lebensbereichen Einschränkungen, z.B. in sozialen Beziehungen, Beruf, Schule, Freizeit und Alltagsstrukturierung, oder auch in finanziellen Angelegenheiten. Genau hier sieht Eva Wunderer die Verbindung zur Klinischen Sozialarbeit bzw. zur Sozialtherapie, da viele Aspekte erwähnt wurden, die ihrer Meinung nach in deren Aufgabengebiet fallen. Methoden wie z.B. Beratung, psycho-soziale Diagnostik, Case Management, etc. können im Behandlungsprozess einen wichtigen Beitrag leisten. Für Eva Wunderer (vgl. ebd.: 389) ist es wesentlich, dass sich der Blick auf Schutzfaktoren und Ressourcen richtet unter Einbezug der Umwelt, sowie auf eine salutogenetische Sichtweise. Wie bereits erwähnt ist ein Ziel der Sozialtherapie im Rahmen der Klinischen Sozialarbeit die soziale Integration. Genau dieses Ziel ist auch in der Arbeit mit Menschen mit Essstörungen essentiell, da sie oft Kontakte zu wichtigen Menschen verloren haben oder sie von ihrer Peergroup aufgrund von Hänseleien oder den eigenen Umgang mit Gewicht, Figur und Essen zur Aufrechterhaltung oder sogar Entstehung der Essstörung verleitet wurden (vgl. ebd.: 378). Da sich nahezu der ganze Tag der Betroffenen um Essen und Nicht-Essen dreht, ziehen sich viele immer mehr aus ihrem sozialen Umfeld zurück. Aufgrund dessen gilt es eine Tagesstruktur und eine erfüllte Freizeitgestaltung zu erarbeiten, damit die verbliebene Zeit, die nicht mehr für die Essstörung verwendet wird, sinnvoll genutzt werden kann. Auch eine Unterstützung hinsichtlich der Wohnsituation kann ein Aufgabenbereich für die sozialtherapeutisch orientierte Klinische Sozialarbeit sein. Wenn Betroffene Probleme im Bereich ihrer Ausbildung oder Arbeitsstelle haben, kann ein weiteres Aufgabengebiet darin bestehen, sie in ihrer beruflichen Orientierung zu unterstützen. Beispielsweise können klinische SozialarbeiterInnen bei der Erstellung von Bewerbungsunterlagen und im Bewerbungsprozess Unterstützung leisten. Es können gemeinsam Stellenanzeigen gesucht und Vorstellungsgespräche in Form von Rollenspielen geprobt werden (vgl. ebd.:

399f.). Des Weiteren haben Betroffene, vor allem Menschen mit Bulimie, oft Probleme mit

ihrer finanziellen Situation, da Essanfälle und die Beschaffung großer Mengen an Nahrungsmitteln hohe Kosten verursachen können. Die professionelle Unterstützung kann hierbei im Kontakt mit Gläubigern oder in der Vermittlung an Schuldnerberatungsstellen stattfinden, sowie in der Führung von Finanzprotokollen (vgl.

ebd.: 404).

Auch für Anne Lützenkirchen (vgl. 2005: 37ff.) ist es wesentlich, die biologischen, psychischen und sozialen Ressourcen zu stärken. Die Aufgabe der Klinischen Sozialarbeit besteht nach der Autorin darin, das Kohärenzgefühl der Betroffenen zu stärken. Primär sollen die Betroffenen lernen sich selbst und ihren Körper zu akzeptieren.

Durch das Erstellen von individuellen Ernährungsplänen oder dem Führen von Essprotokollen und Ernährungstagebüchern der Betroffenen, können Klinische SozialarbeiterInnen die Betroffenen bei einem gesünderen Essverhalten unterstützen.

Die Autorin führt weitere Behandlungsschritte an, wie etwa das Lernen die eigene Einstellung zum Körper und Gewicht zu hinterfragen und das Diätverhalten abzulegen.

Zudem sollen auch selbstschädigende Denkmuster und Verhaltensweisen (z.B.

Ladendiebstahl) entdeckt und bearbeitet werden. Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle sollen abgebaut, Kontroll- und Perfektionszwänge reduziert und Selbstbewusstsein aufgebaut werden. Des Weiteren soll das soziale Umfeld hinterfragt, überprüft und befriedigender gestaltet werden, sowie Arbeit und Beruf in Richtung zu mehr Selbstverwirklichung und Zufriedenheit entfaltet werden.

Aufgrund dieser komplexen Problemlagen und der vielen psychosozialen Einschränkungen und Belastungen ergibt sich hier ein großes Aufgabenspektrum für die sozialtherapeutisch orientierte Klinische Sozialarbeit. Von einer Essstörung ist nicht nur die erkrankte Person betroffen, sondern ihr gesamtes Umfeld. Die Sozialtherapie könnte mit ihrem theoretischen Verständnis, der „bio-psycho-sozialen Perspektive“ und der

„Person-in-der-Umwelt Perspektive“, sowie mit ihren verschiedenen umgebungsbezogenen Methoden und Verfahren eine Unterstützung im Behandlungsprozess darstellen. Durch den stärkeren Einbezug der sozialen Dimension, welcher im psychotherapeutischen und medizinischen Bereich oft nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt wird, besteht die Möglichkeit einer optimalen, ganzheitlichen Versorgung von Menschen mit Essstörungen.