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86 gesamtgesellschaftliches Problem dar und darf nicht auf einer einseitigen Ebene thematisiert werden.

Auch die soziokulturellen Faktoren wurden innerhalb der Masterarbeit als Ressource festgestellt. Frauen mit Migrationshintergrund tragen zur gesellschaftlichen, kulturellen Vielfalt bei. Die Diskriminierung aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse oder der Herkunft führt die Frauen dazu, sich von der Gesellschaft zu isolieren. Ferner stellt die Sensibilisierung und die Thematisierung der soziokulturellen Diversität eine Aufgabe für die sozialpolitischen Instanzen dar. Insbesondere hat das sozialpolitische System die Aufgabe, besonders Frauen mit mangelnden Sprachkenntnissen zu fördern und zu unterstützen, um für alle Bürgerinnen die Chancengleichheit und gerechte Gleichstellung auf allen Ebenen zu ermöglichen.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Entscheidung sich zu trennen, nicht allein von sozioökonomischen, -ökologischen oder -kulturellen Bedingungen abhängt. Die dargestellten Ergebnisse legen dar, dass Frauen durch ihre inneren Kräfte, durch ihr Selbstvertrauen und durch ihr positives Selbstbild fähig sind, ihre Situation infrage zu stellen, zu reflektieren und gezielt und motiviert sind ihr Leben zu verändern, um ihr Bedürfnis nach Selbstständigkeit zu erfüllen. Durch die Infragestellung und die Reflexionen der Frauen konnte gezeigt werden, dass die Gewaltsituation, sowie die gesellschaftliche, patriarchalisch-autoritären Familienstrukturen für die interviewten Frauen keine Normalität darstellt und nicht einfach hingenommen wird. Dieser Blickwinkel stellt einen wichtigen Aspekt bei der Bekämpfung männlicher Gewalt bei Frauen mit Migrationshintergrund dar, damit der Gewaltakt nicht bagatellisiert und auf politischer, sowie medialer Ebene bestimmten Gruppen oder Kulturen zugeschrieben wird. Diese Zuschreibung und die Kategorisierung der Migrantinnen als allgemein „traditionell/konservativ/gewaltbejahend“

ist stigmatisierend und repräsentiert nicht die allgemeine Auffassung und Einordnung von häuslicher Gewalt der Frauen mit Migrationshintergrund.

Die Entscheidung ins Frauenhaus zu gehen, wird nicht plötzlich getroffen, sondern braucht mehrere Anläufe und erfordert einen inneren Entwicklungsprozess. Diese Aussage wird durch die Ergebnisse bestätigt. Durch die Unterstützung der externen Beratungsstellen oder des sozialen Netzwerks wurde das reflexive Denken der Frauen gefördert und sie konnten dadurch ein Problembewusstsein und ein Selbstvertrauen erlangen. Obwohl die Entscheidung, sich aus der Gewaltbeziehung zu lösen, Zeit in Anspruch nimmt, konnten sie diesen Entschluss letztendlich treffen. Dabei wurde dem sozialen Netzwerk von den Frauen eine wichtige Bedeutung beigemessen. Durch die Familie, die Nachbarin, der Bekanntschaft im Park, durch die Kollegin aus dem Deutschkurs oder vom Arbeitsplatz bildeten Frauen ihr soziales Netzwerk, das für sie unterstützend und motivierende Wirkung hatte. Ihr Netzwerk bekräftigte sie und begleitete sie auch bis ins Frauenhaus. Alle befragten Frauen haben ein Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit und sozialer Anerkennung, weil diese für sie eine Bereicherung und Ressource darstellen. Doch auch durch die öffentlichen Stellen wie die Polizeibehörde, durch Angebote der frühen Hilfen, Angebote muttersprachlicher Beratungsstellen oder durch den Besuch eines Deutschkurses wurden die Frauen gefördert, ihre Perspektiven zu ändern und sich

87 Informationen und Wissen anzueignen. Diese Angebote wurden von den Frauen sehr geschätzt und positiv wahrgenommen.

Die zweite Forschungsfrage bezieht sich demgemäß auf die Frauenhäuser und welche Unterstützungsangebote der Frauenhäuser genutzt wurden und welche Mängel für die Frauen ersichtlich waren. Die zweite Forschungsfrage lautet:

„Welche Hilfs- und Unterstützungsangebote der Frauenhäuser wurden in Anspruch genommen?“

Hier haben die Frauen mehrheitlich die gleichen Antworten gegeben, sodass die Unterstützungsangebote zusammenfassend dargestellt wurden. Die Frauenhäuser haben für die Frauen eine sehr wichtige Bedeutung. Durch die Frauenhäuser fühl(t)en sich die Frauen sicherer und geschützter. Resümiert lässt sich feststellen, dass Frauen die sozialarbeiterischen Tätigkeiten besonders schätzen und als bedeutend erachten. Durch die Begleitung und Beratung der Sozialarbeiterinnen konnten die Frauen ihre unterschiedlichen finanziellen, sowie rechtlichen Ansprüche geltend machen bzw.

Informationen und Wissen über ihre Situation gewinnen. Neben psychosozialer Beratung und Begleitung wurde von den Frauen auch die juristische Beratung sowie die Prozessbegleitung als Ressource erwähnt. Durch die unterschiedlichen Angebote der Frauenhäuser, aber auch durch die Beziehung zu den jeweiligen Bezugsbetreuerinnen fühlten sich die Frauen unterstützt. Insgesamt kann gesagt werden, dass Frauenhäuser sowie die Beraterinnen vor Ort für die betroffenen Frauen einen wichtigen Aspekt darstellen, um das Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein (wieder) zu erlangen, sowie Wissen und Informationen zu erhalten.

Es wurden aber auch Mängel definiert, die für Frauenhäuser, sowie für Frauenberatungsstellen und die Öffentlichkeitsarbeit wichtige Anstoßpunkte liefern, um diese als ein gesellschaftliches Problem zu diskutieren. In den Interviews wurde fehlendes interkulturelles Personal bemängelt. Besonders für Frauen mit sprachlicher Barriere stellen Beraterinnen mit derselben Muttersprache eine Ressource dar. Zudem wurde die Knappheit an rechtlicher Hilfe angeführt. Die juristische Beratung und Prozessbegleitung stellt für Frauen, die sich in schwierigen Trennungsprozessen befinden, eine wichtige Unterstützung dar. Durch die Interviews konnte festgestellt werden, dass die juristische Beratung nicht adäquat genug ist und es eine intensivere, anwaltliche Unterstützung braucht. Als Defizit wurde zudem die Leistung eines Kostenbeitrages angeführt. Frauen ohne Erwerbseinkommen sind vom Kostenbeitrag befreit, aber auch für erwerbstätige Frauen, stellt die Leistung eines Kostenbeitrages eine Belastung dar und hindert sie finanzielle Ressourcen aufzubauen.

Als letzter Punkt wurde die geringe Öffentlichkeitsarbeit der Frauenhäuser angeführt. Die Frauen wünschen sich generell eine vielfältigere, muttersprachliche Informations- und Aufklärungskampagne, um Frauen aus allen sozialen Schichten zu erreichen.

88 Im Forschungsprozess entwickelte sich auch eine dritte Forschungsfrage, die hier beantwortet werden soll.

„Inwieweit sind Frauen mit türkischer Herkunft im Vergleich zu anderen Frauen mit Migrationshintergrund von den Risikofaktoren häuslicher Gewalt betroffen, die eine Gewaltbeziehung begünstigen?“

Im Theorieteil 1.4. aktueller Forschungsstand22 wurde die Studie von Monika Schröttle und ihres Teams aufgegriffen, die feststellt, dass Frauen mit türkischem Migrationshintergrund in Deutschland besonders unter den Risikofaktoren leiden, die eine Gewaltbeziehung begünstigen.

Dieses Ergebnis spiegelt sich auch in der vorliegenden Masterarbeit wider. In dieser Hinsicht zeigte die Analyse, dass Frauen mit türkischem Migrationshintergrund benachteiligter waren als die anderen Frauen. Sie lebten im Vergleich zu den anderen Frauen isolierter und verfügten wenig oder kaum über sozioökonomischen, -ökologischen und -kulturellen Ressourcen. Durch die Interviews wurde festgestellt, dass Frauen türkischer Herkunft durch Zwangsverheiratung und durch Heiratsmigration besonders von gesellschaftlich verankerten patriarchalisch-autoritären Familienstrukturen betroffen sind, die das Kontroll- und Machtverhalten der gewalttätigen Männer verstärken. Die Ergebnisse zeigten, dass Frauen mit türkischer Herkunft im Vergleich zu den anderen Frauen weniger über ein soziales Netzwerk verfügten und in, in sich geschlossene Familienstrukturen lebten, als die anderen befragten Frauen.

Diese Ergebnisse zeigen auf, dass besonders Frauen mit türkischer Herkunft eine intensivierte, verstärkte Unterstützung brauchen. Das Ergebnis der dritten Forschungsfrage kann demnach keine pauschalisierend-verallgemeinernde Aussagen treffen, sondern soll vielmehr eine Aufmerksamkeit und Sensibilisierung schaffen, um die besonders gefährdeten Frauen entsprechend zu unterstützen.

Hier bedürfte es weiterer Forschungen, um festzustellen inwieweit diese Darstellung der Grundgesamtheit der Frauen mit türkischem Migrationshintergrund in Österreich entspricht.

22 siehe 1.4. aktuelle Forschungsstand

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