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In diesem Teil der Arbeit werden die ausgewählte Methode und die methodische Vorgehensweise Schritt für Schritt nachvollziehbar gemacht. Anschließend werden die aus den geführten Interviews gewonnenen Daten dargestellt und diskutiert.

Für die Arbeit wurde die qualitative Forschungsmethodik ausgewählt. Die qualitative Sozialforschung wird in der wissenschaftlichen Literatur als „jede Art der Forschung, deren Ergebnisse keinen statistischen Verfahren oder anderen Art der Quantifizierung entspringen (Strauss, Corbin 1996: 3) beschrieben. Das Ziel der qualitativen Sozialforschung, so Uwe Flick, ist es „Lebenswelten von innen heraus, aus der Sicht der handelnden Menschen zu beschreiben.“ (Flick 2006: 28ff)

In Anbetracht dieser Aussage war es für die vorliegende Arbeit wichtig, die Lebenswelten der Frauen kennenzulernen und ihre Sichtweisen in Bezug auf die Thematik zu verstehen und darzustellen, wie sie häusliche Gewalt und ihre Perspektive thematisieren und einordnen.

In der qualitativen Sozialforschung wird Verstehen als Sinnerfassung beschrieben und erfolgt im Dialog, also in einer Kommunikation zwischen Interviewerin und Erzählperson (vgl. ebd.: 31). Außerdem schien für die Arbeit die qualitative Forschung angemessen zu sein, um neue Erkenntnisse über das soziale Phänomen der häuslichen Gewalt zu gewinnen und die Ressourcen der Frauen und die von ihnen beschriebenen Probleme, hinter den statistischen Daten kennenzulernen. Unterstützend dazu, schreiben Anselm Strauss und Juliet Corbin, dass qualitative Methoden helfen können, wenig bekannte Phänomene zu verstehen und aufzudecken, aber auch, hinsichtlich neuer Erkenntnisse zu unterstützen, selbst wenn bereits eine Menge Wissen über das erforschte Feld existiert (vgl. Strauss, Corbin 1996: 5).

Es war aber auch wichtig, das Nicht-Erzählte und Nicht-Definierte, d.h. die latente Sinnstruktur der Aussagen aus den Interviews herauszuarbeiten. Die qualitative Forschung beschreibt Jan Kruse demnach als eine deskriptive Analyse der sinnhaften sozialen Wirklichkeit (vgl. Kruse 2015: 25). Die Wirklichkeit stellt aber keine objektive Datenquelle dar, „[...], sondern „Wirklichkeit“ (H.i.O.) wird diskursiv hergestellt, [...]“ (Kruse 2015: 40).

Denn die Wirklichkeit, schreibt Kruse an einer anderen Stelle, soll interaktiv-koproduktiv durch die Kommunizierenden (Interviewer*in und Befragte*r) hergestellt werden, da das qualitative Interview eine komplexe kommunikative Situation darstellt, in der die Daten, die zu analysieren sind, bereits sprachlich, aber auch durch nicht-sprachliche Symbole, interaktiv erzeugt werden (vgl. ebd.: 31). Die Wirklichkeitskonstruktion innerhalb der qualitativen Methode passiert nicht willkürlich. Es bedarf Grundprinzipien und analytischer Vorgehensweise (vgl. Kruse 2015: 43).

47 Die Grundprinzipien der qualitativen Sozialforschung zeichnen sich durch zwei wichtige Prinzipien aus, die den Forschungsprozess bestimmen. Das erstere ist die Offenheit und das zweite Prinzip die Kommunikation. Wie beschrieben, steht bei der qualitativen Forschung nicht das messbare, statistische Verfahren im Vordergrund, sondern das Verstehen bzw. Fremdverstehen. Das Verstehen stellt das zentrale Prinzip des hermeneutischen Erkenntnisprozesses dar (vgl. Kruse 2015: 60).

Das Grundprinzip der qualitativen Forschung „Offenheit“ bezieht sich sowohl auf den Forschungsgegenstand als auch auf die jeweilige Forschungsmethode (vgl. ebd.: 40). Das bedeutet, dass die theoretischen Strukturierungen so weit zurückgestellt werden, bis sich die Strukturierung des Forschungsgegenstandes durch die Subjekte herausgebildet hat (vgl. ebd.: 41). Die Offenheit bezieht sich auch auf die Wahl der Forschungsmethode, denn der Forschungsgegenstand bestimmt auch die Methode (vgl. ebd.).

Demnach wurde die Theorie erst nach der Datengenerierung durch die Interviews strukturiert, aber dennoch wurden die Interviews mit einem Vorwissen aus der Theorie geführt. Nach Jo Reichertz, der von Kruse zitiert wird, kann in Bezug auf die Offenheit von der/dem Forscher*in nicht erwartet werden, die Datenerhebung ohne Vorwissen zu gestalten. Offenheit soll heißen, dass man in das Forschungsfeld nicht mit fixen Hypothesen eintritt und für Neues offenbleibt (vgl. Reichertz 2009b: 290f zit. n. Kruse 2015:

41).

Das Prinzip der Kommunikation stellt eine grundlegende Basis für die qualitative Sozialforschung dar. Wie bereits geschildert, kann mittels Kommunikation die „Wirklichkeit“

und der Sinn der dargestellten Wirklichkeit für die befragte Person hinterfragt werden.

Demnach basiert die Kommunikation auf interaktiven Prozessen, die für die Datengewinnung von Bedeutung ist.

In diesem Sinne wurden, den Prinzipien der Offenheit und Kommunikation Rechnung tragend, Interviews mit 10 Frauen geführt. Hier ist wichtig zu erwähnen, dass sich die eigentliche Forschungsfrage vorerst nur auf türkische Migrantinnen bezog. Aus Schwierigkeiten, die in den kommenden Kapiteln näher erläutert werden, wurde die Forschungsfrage schließlich auf Frauen mit Migrationshintergrund ohne bestimmte Herkunft ausgeweitet. Im nächsten Teil soll die gewählte Auswertungsmethode in Bezug auf die Arbeit vorgestellt werden.

4.1 Grounded-Theory und die Relevanz für die Arbeit

Die Forschungsmethode Grounded-Theory ist eine qualitative Methode, mit der die Theorie aus den gewonnenen Daten erst ermittelt wird, d.h. sie ist eine gegenstandsverankerte Theorie die induktiv aus dem Forschungsfeld abgeleitet wird (vgl. Strauss, Corbin 1996: 7).

Die Theorie über das Forschungsfeld ist somit direkt in den Daten verankert.

Auch eine theoriegeleitete Datenerhebung ist im Rahmen der Grounded Theory möglich, die für die vorliegende Arbeit genutzt wurde (vgl. ebd.: 35). In Bezug auf die Masterarbeit wurde die Forschungsfrage bereits vor den Interviews d.h. vor der Datenermittlung festgelegt. Die systemische Denkfigur als Diagnose- und Analyseinstrument liefert zudem die theoretische Grundlage für die Arbeit.

48 Dennoch war es für die Masterarbeit wichtig, mit einer größtmöglichen Offenheit an die Forschungsdaten heranzutreten. Ferner war es für die Arbeit relevant ein zirkuläres Vorgehen zwischen der Theorie und den Datenmaterialien zu schaffen, um neue Erkenntnisse zu gewinnen, die im Auswertungsprozess entstehen können (vgl. Strauss, Corbin 1996: 32f).

Die Analyse wurde nach den Prinzipien der Grounded Theory erarbeitet, d.h. die Analyse der Daten und der theoretische Rahmen wurden wechselseitig in Beziehung zueinander erarbeitet, um eine Vereinbarkeit zwischen der Theorie und den Daten zu schaffen (ebd.:

8). Dies wird als ein zirkulärer Prozess beschrieben. Das Ziel ist somit, das Erarbeiten einer Theorie, die dem untersuchten Gegenstandsbereich gerecht wird und ihn erhellt (vgl.

Strauss, Corbin 1996: 9). Durch diese theoretische Sensibilität, wie in der Grounded Theory beschrieben, wird erstens das theoretische Wissen, die durch die Forschungsliteratur gewonnen wurde in den Forschungsprozess eingebunden und zweitens durch die, erst im Forschungsprozess, erworbenen Daten der theoretische Rahmen der Forschung gestaltet (vgl. ebd.: 30). Durch die erworbenen Daten und den theoretischen Hintergrund konnte somit die Forschungsfrage präzisiert und die Theorie auf der Forschung aufgebaut werden, bis es zu einer sogenannten theoretischen Sättigung gekommen ist. Das heißt, bis die Datensammlung keine neuen Erkenntnisse mehr erbracht hat.

Nach Festlegung der Erhebungs- und Auswertungsmethode wurde im Rahmen der qualitativen Forschung das problemzentrierte Interview ausgewählt. Dies soll im nächsten Kapitel dargelegt werden.

4.2 Das problemzentrierte Interview

Für die Arbeit wurde das Erhebungswerkzeug des problemzentrierten Interviews herangezogen. Das problemzentrierte Interview wird nach Flick als „Orientierung des Forschers an einer relevanten gesellschaftlichen Fragestellung“ verstanden (Flick 2006:

135). Das Ziel des problemzentrierten Interviews, so Andreas Witzel, ist das problemorientierte Sinnverstehen. Die individuellen, subjektiven Handlungen sollen möglichst unvoreingenommen von der Forscher*in erfasst werden (vgl. Witzel 2000: o.S).

Durch das problemzentrierte Interview war es möglich, sowohl auf einen vorher erarbeiteten Leitfaden zurückzugreifen als auch den Interviewpartnerinnen zu ermöglichen, frei zu sprechen. Der Leitfaden gibt dem Interview eine Struktur, die durch die Interviewerin gesteuert werden kann. Die Fragen für den Leitfaden wurden anhand bereits vorhandener Theorie formuliert. Diese Vorgehensweise wird als ein induktives und deduktives Modell beschrieben, indem der Forscher*in bereits mit einem Vorwissen die Interviews startet, aber es dennoch möglich ist, die Forschungsthematik flexibel zu halten. Dabei wird die Thematik auch während des Interviews gestaltet (vgl. Witzel 2000: o.S.). Nach Kruse stellt dieses Vorverständnis der Interviewer*in auch ein Problem für das Offenheitsprinzip dar, da die Interviewer*in durch ihr eigenes Sinnverständnis bzw. Relevanzsystem die Interviews beeinflusst. Deshalb ist die erzählgenerierende, d.h. die offene Fragenstellung, hier von besonderer Relevanz, da die Interviewpartner*innen dadurch möglichst viel Raum erhalten, um ihre eigene Sinnerfassung darzulegen (vgl. Kruse 2015: 31).

49 Demzufolge wurden den Frauen 11 erzählgenerierende und offene Fragen9 gestellt. Der Leitfaden wurde in 3 Kapitel unterteilt. Das erste Kapitel des Leitfadens widmet sich der Frage nach dem Auslöser bzw. der Motivation ins Frauenhaus zu gehen. Das zweite Fragenkapitel bezieht sich auf die Fragen nach den Ressourcen bzw. Problembereichen.

Der dritte Teil umfasst die Fragen in Bezug auf das Frauenhaus. Die Fragen wurden für die türkischen Frauen gemeinsam mit einer türkischstämmigen Person, die auch im selben sozialen Kontext beschäftigt ist, in türkische Sprache übersetzt.

Die Masterarbeit untersucht in diesem Rahmen, die Situation der Frauen mit Migrations- hintergrund in den Frauenhäusern. Dabei wurde darauf geachtet, dass die Frauen bereits mindestens 14 Tage im Frauenhaus waren. Ob die Frauen endgültig ihre (Ex-)Männer bzw.

Ex-Partner verlassen haben, kann im Rahmen der Masterarbeit nicht weiter untersucht werden.

4.3 Zugang zu den Interviewpartnerinnen

Die Interviewpartnerinnen wurden aus den Wiener Frauenhäusern (Zentrum österreichische Frauenhäuser kurz ZÖF) und den Frauenhäusern in Niederösterreich (autonome österreichische Frauenhäuser kurz AÖF) ausgewählt. Der Erstkontakt wurde vorerst per Mail durch Kontaktaufnahme zu den jeweiligen Sozialarbeiterinnen der Frauenhäuser hergestellt. Im Mail wurde das Vorhaben und die Forschungsfrage erklärt.

Nach Abklärung und Einholung der Einverständnisse der jeweiligen Frauen wurden die Kontaktdaten an mich zugesandt, sodass ich persönlichen Kontakt zu den Frauen aufnehmen konnte. Den Frauen wurde am Telefon nochmals das Vorhaben und Anliegen erklärt und es wurde Ort und Zeit für ein Treffen und das Interview vereinbart. Mit acht der Frauen wurde das Interview in den jeweiligen Frauenhäusern zu unterschiedlichen Zeitpunkten durchgeführt. Zwei der Frauen waren bereits in ihren eigenen Wohnungen und das Interview fand in ihren Wohnungen statt.

Die ursprüngliche Forschungsfrage, die sich ausschließlich auf Frauen mit türkischer Herkunft bezog, wurde im Laufe des Forschungsprozesses auf Frauen mit Migrationshintergrund unabhängig ihrer Herkunft erweitert. Dies hatte den Hintergrund, dass durch die in türkischer Sprache geführten Interviews Problematiken hinsichtlich der Auswertung entstanden sind, die im Detail im Kapitel Auswertungsprozess nach der Grounded Theory näher erklärt werden. Deshalb wurden zusätzlich vier weitere Frauen mit unterschiedlicher Herkunft in den Forschungsprozess mit eingebunden. Die ersten sechs Interviews mit türkischen Frauen wurden behalten und vier weitere Interviews wurden in deutscher Sprache mit zwei afrikanischen Frauen, einer Frau aus einem asiatischen Land und einer Frau aus einem EU-Land geführt.

9 s. Anhang

50 Vor den Interviews wurde den Interviewpartnerinnen das Vorhaben nochmals genau erklärt und auch unterstrichen, dass keine Fragen, die den Interviewten unangenehm sind, beantwortet werden müssen. Eine Einverständniserklärung wurde am Anfang des Interviews erläutert und zur Unterzeichnung vorgelegt.

Die Interviews wurden mit einem Diktiergerät aufgenommen. Um Memos und mögliche Gedächtnisprotokolle zu verschriftlichen wurde ein Stift und Notizblatt bereitgestellt.

Die Interviews mit den türkischen Frauen wurden auf Türkisch geführt. Durch die gemeinsame muttersprachliche Ebene zwischen Interviewerin und den Interviewpartnerinnen wurde am Anfang des Interviews den türkischen Frauen die Frage gestellt, in welcher Sprache sie das Interview bevorzugen. Alle sechs türkischen Frauen entschieden sich für die Muttersprache. Dadurch war es den Frauen möglich, freier und offener zu reden. Zudem war es aus der Sicht der Forschung interessant, wie türkische Frauen häusliche Gewalt einordnen und zur Sprache bringen. Nach Autoren wie Pierre Bourdieu oder Ulrich Oevermann, die von Karin Schittenhelm zitiert werden, ist die Auswahl der sprachlichen Begriffe von der sozialen, kulturellen Position der Sprechenden abhängig (vgl. Bourdieu 2005: 60f, Oevermann 1973: 335 zit. n. Schittenhelm 2017: 103). Dies unterstreicht auch Karin Schittenhelm.

„Um die soziale Welt der Erforschten anhand sprachlicher Äußerungen zu verstehen, sind insofern nicht allein die Themen ihrer Aussagen interessant. Entscheidend ist auch, wie ein Thema zur Sprache kommt.“ (Schittenhelm, 2017: 103)

Aus dieser Perspektive stellte auch die gemeinsame muttersprachliche Ebene zwischen der Interviewerin und den türkischen Interviewpartnerinnen eine Bereicherung für die Forschung dar.

Nun soll die nächste Vorgehensweise, die Analyse der gewonnenen Daten, näher erläutert werden.

4.4 Transkription und die Übersetzung der türkischsprachigen Daten

Die Interviews waren unterschiedlich lang, das kürzeste Interview dauerte 29 Minuten und das längste Interview 2 Stunden und 13 Minuten. Aus Datenschutzgründen wurden alle Interviews von mir transkribiert. Hier war folgender Punkt wichtig: Die Aussagen aus den deutschsprachig geführten Interviews wurden in ihrer Originalaussprache behalten, d.h.

mögliche grammatikalische Fehler, Fehler in der Aussprache, oder Fehler aufgrund sprachlicher Barrieren, wurden ebenso übernommen. Allerdings wurden alle Laute wie

„ähm“ und „mmh“ weggelassen, um den Fluss der Aussage nicht zu stören. Lange Pausen und Stellen, an denen die Frauen emotional wurden, wurden in der Transkription entsprechend kommentiert.

Um den ursprünglichen Charakter der türkischen Texte beizubehalten, wurden sie in der Originalsprache transkribiert. So argumentieren auch Edith Enzenhofer und Katharina Resch, die betonen, dass die Interviews in ihrer Ausgangssprache transkribiert und erst danach übersetzt werden sollten (vgl. Enzenhofer, Resch 2011: 104). Die türkischen Interviews konnten aus zeitlichen Gründen nicht zur Gänze in deutsche Sprache übersetzt

51 werden. Aus diesem Grund wurden nur die für die Masterarbeit relevanten Interviewpassagen ausgewählt und übersetzt. Um mögliche blinde Flecken aufzudecken und die Nachvollziehbarkeit und Transparenz der Daten aufrechtzuerhalten, wurden die übersetzten Passagen der Interviews von einer zweiten Person mit türkischer Muttersprache und sehr guten Deutschkenntnissen überprüft. Die Person wurde vorab über das Forschungsinteresse informiert. Auch Enzenhofer und Resch beschreibt die Aufteilung von Forscher*in und Übersetzer*in hier als ratsam, um die Qualitätssicherung zu gewährleisten (vgl. ebd.: 99).

4.5 Problematiken im Auswertungsprozess

Die Auswertung und das Kodieren der türkischen Interviewpassagen stellten eine besondere Hürde dar, da die Interviews nicht 1:1 übersetzt werden konnten und daraus resultierend die Assoziationen der türkischen Begrifflichkeiten eine Herausforderung stellte. Diese Problematik wird auch bei Karin Schittenhelm thematisiert, die Gunter Senft und Peter Stegmaier zitiert,

„Selbst, wenn sich Forschende innerhalb desselben (mutter-)sprachlichen Raums bewegen, finden sie je nach Milieu oder professionellem Feld ein potenziell anderes Verständnis von Begriffen und damit einhergehenden Assoziationen vor.“ (Senft 2012, Stegmaier 2013 zit. n. Schittenhelm 2017: 101)

Um daher mögliche Unschärfe und Verzerrung der Ergebnisse aufgrund der Übersetzung bzw. des jeweiligen muttersprachlichen Begriffsverständnisses zu vermeiden, wurden weitere Interviews in deutscher Sprache geführt und die Forschungsfrage auf Frauen mit Migrationshintergrund unabhängig ihrer Herkunft erweitert. Diese Interviews bilden die Basis für die Kodierung und Auswertung mittels Grounded-Theory. Das heißt, es wurden die induktiven Codes, die aus den deutsch geführten Interviews herangezogen, sowie die deduktiven Codes, die aus der Theorie geleitet wurden, mittels den ausgewählten Interviewpassagen der türkischen Interviews erweitert und abschließend die Kategorien entwickelt.

Im Transkriptions- und weiter im Analyseprozess wurde entschieden, die einzelnen, unterschiedlichen Länder der Frauen zu anonymisieren, um personenbezogene Identifizierungen zu vermeiden. Die Frauen mit türkischer Herkunft wurden zum Großteil nicht anonymisiert, da sie die Mehrheit der Interviewpartnerinnen bildeten.

Um die Analyse und Auswertung der Interviews nachvollziehbar zu machen, wird nun die methodische Vorgehensweise vorgestellt.

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4.6 Die Analyse und die Auswertung des Datenmaterials

Nach der Transkription der Interviews wurde mit dem Kodierverfahren nach Grounded Theory begonnen (vgl. Strauss, Corbin 1996: 44). Dabei stellt die erste Analyse das offene Kodieren dar. Das Kodieren wird generell als Prozess der Datenanalyse beschrieben (vgl.

ebd.: 43), das offene Kodieren ist in dem Sinn eine erste Analyse der Daten, indem die Textpassagen, ein Abschnitt oder ein Satz mittels vergeben von Namen (Codes) benannt wird. Inhalte werden dann miteinander verglichen und entweder mit neuen, oder bereits vorhandenen Codes versehen (vgl. ebd.: 45). Es werden also relevante Textstellen mit bestimmten Begriffen umschrieben, um kurz und prägnant die Textpassagen zu veranschaulichen (vgl. Birks, Mills 2011: 94). Es geht dabei um eine deskriptive Beschreibung von Phänomenen als Konzepte, damit der Informationsgewinn für die Analyse effektiver strukturiert wird. (vgl. ebd.: 46).

Nach und nach wurden alle Interviews in Abschnitte oder in einzelne Teile aufgebrochen und codiert. Je nach Relevanz und Aussagekraft der einzelnen Passagen, wurden beim offenen Kodieren entweder Zeile-für-Zeile oder ganze Abschnitte und Textphrasen herangezogen. Also wurde je nach Relevanz eine Analysevariation bevorzugt. Ebenso wurden mittels Memos die Gedankengänge oder die Interpretationen zu bestimmten Textstellen und Phrasen notiert und verschriftlicht. Diese wurden danach in die Darstellung der Ergebnisse miteinbezogen (vgl. Strauss, Corbin 1996: 54).

Nach der Phase des offenen Kodierens wurden die Codes miteinander verglichen und zu einer Gruppe zusammengefasst. So wurden etwa die unterschiedlich benannten Codes, wie „keine Familie in Österreich“, „Beratungsstelle“, „keine Unterstützung“, „emotionale Unterstützung“, „Familienverhältnis“, „Arbeitsplatz“ etc. hervorgehoben und als Gruppe soziales Netzwerk zusammengefasst. Dieser Hauptkategorie liegt allerdings noch das axiale Kodieren zu Grunde: Beim axialen Kodieren werden die im offenen Kodierverfahren benannten Codes spezifiziert und untersucht. Strauss und Corbin benennen diesen Prozess als In-Beziehung-Setzen der Subkategorien zu einer Kategorie (vgl. Strauss und Corbin 1996: 92). In dem Sinne wurde ein Netzwerk von erneuten Kodegruppen erstellt, indem das Phänomen soziales Netzwerk in unterschiedlichen Dimensionen wie Defizit, Ressource, Faktoren usw. nochmals in den Kodierungsprozess eingebunden wurde.

Anschließend wurden diese Unterkategorien anhand des Diagnoseinstrumentes SDF in die vorher festgelegte Kernkategorie10 im Rahmen eines selektiven Kodierens miteinander in Beziehung gesetzt und diese in die Kernkategorie integriert (vgl. Strauss, Corbin 1996:

95). Im Rahmen der theoriegeleiteten Fragen, die aus der SDF entnommen wurden, wurden somit die Ressourcen und die Probleme der Frauen hinsichtlich des sozialen Netzwerks mit der Kernkategorie „Austauschbeziehungen“ in Beziehung gebracht und zusammengeführt.

10 Wie auch bei Strauss und Corbin beschrieben, können Kategorien auch aus der Fachliteratur übernommen werden und stellen einen Vorteil für neue Entwicklungen von Konzepten innerhalb der eigenen Disziplin oder für die Berufspraxis dar (vgl. Strauss, Corbin 1996: 49).

53 Anhand dieses Beispiels sollte nur exemplarisch dargestellt werden, wie Datenanalyse mit Grounded-Theorie funktioniert. Mit dieser Vorgehensweise wurde mit allen 10 Interviews gearbeitet.

Die Daten wurden mit der qualitativen Forschungssoftware ‚Atlas.ti‘ analysiert und aufgearbeitet. Die Software ist ein Werkzeug, das die Kodierung, Erstellung von Code- Netzwerken und Unterteilung in Sub- und Kernkategorien erleichtert. So konnten aus den 10 Interviews insgesamt 447 Codes, zu 20 Kodegruppen, und anschließend zu 9 unterschiedlichen Kernkategorien zusammenfasst werden.

Im nächsten Teil werden die ausgewerteten Kategorien im Ergebnisteil präsentiert und diskutiert.

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