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Was brauchen Pflegekinder, um sich gut entwickeln zu können

4. P ERSPEKTIVEN UND S ICHTWEISEN DER INVOLVIERTEN A KTEUR I NNEN

4.4. Pflegekinder

4.4.2. Was brauchen Pflegekinder, um sich gut entwickeln zu können

nicht gänzlich teilt. Problematisch wird es, wenn Loyalität von verschiedenen Menschen eingefordert wird. Das heißt, dass man verschiedenen Menschen gegenüber loyal sein möchte, aber in einen Konflikt gerät, weil man den Menschen oder deren Haltungen nicht mehr vertraut bzw. man diese nicht mehr vollumfänglich teilt. Loyalitätskonflikte im Pflegekinderwesen entstehen vorrangig durch unterschiedliche Perspektiven und Sichtweisen der Beteiligten (vgl. Hopp 2011: 1f).

Ein zentraler Aspekt der Lebenssituation eines Pflegekindes ist, dass sich das Kind in unterschiedlich intensiver Form zwischen zwei Familien befindet. Fragen der Loyalität sind dabei ein genauso bedeutender Bestandteil, wie die Auseinandersetzung mit der eigenen Lebenssituation oder den eigenen Unsicherheiten. Loyalitätskonflikte des Pflegekindes entstehen nicht ausschließlich aufgrund einzelner Reaktionen der beteiligten Erwachsenen, sondern auch wegen der konfliktbehafteten Position des Kindes zwischen den beiden Familien. Sorgen, dass eine neu aufgebaute Beziehung zu den Pflegeeltern, die bereits bestehende Beziehung zu den leiblichen Eltern ausschließen könnte, prägen den inneren Konflikt. Der Hintergrund von Loyalitätskonflikten liegt oftmals darin, dass das Pflegekind den Ansprüchen beider Familien genügen möchte und zu vermitteln versucht. Auch die eigene Erwartungshaltung, sowohl den leiblichen Eltern, als auch den Pflegeeltern gerecht zu werden und diese gleich behandeln zu wollen, stürzt Pflegekinder in innere Spannungen und Notlagen. Mögliche Loyalitätskonflikte müssen nicht zwingend durch Erwachsene entstehen, sondern können auch durch Werte und Normen (andere Bräuche und Lebensstile etc.) der jeweiligen Familie ausgelöst werden (vgl. Pierlings: 2014: 24ff).

positives Aufwachsen von Pflegekindern zeigen sich, wenn eine konkurrenzfreie und konstruktive, dem Kind zugewandte Kooperation zwischen beiden Familienformen – Herkunftsfamilie und Pflegefamilie – besteht (vgl. Wolf 2016b: 130f).

Irmela Wiemann (2002) hat die Elternschaft in vier Bereiche dargestellt und somit das Spannungsfeld skizziert, in dem sich ein Pflegekind befindet:

Abbildung 6: Vier zentrale Bereiche der Elternschaft (Quelle: Wiemann 2002: 2)

Für ein Kind und auch für Eltern ist es am einfachsten, wenn alle vier elterlichen Bereiche in einer Familienstruktur bestehen und in der Lebenswirklichkeit des Kindes einen angemessenen Platz haben.

Bei Pflegekindern sind die vier Bereiche der Elternschaft aufgeteilt und kommt es oft zu Rollenkonflikten. Die leibliche Elternschaft (Kontakte, aufgebaute Beziehungen und Bindungen) ist nicht aufhebbar und besteht ein Leben lang – auch während einer Pflegeplatzunterbringung. Die sozialen Eltern – Pflegeeltern – sind nach Jahren des Zusammenlebens und aufgebauten Bindungen ebenfalls nicht mehr austauschbar (Erziehung, Verantwortung Tag und Nacht, etc.). Der dritte Bereich umfasst die rechtliche Elternschaft (Obsorge, Aufenthaltsbestimmungsrecht, Kontaktrecht, …) und der vierte die zahlenden Eltern (leibliche Eltern, Kinder- und Jugendhilfe), wobei die beiden letzteren sowohl von Personen, als auch behördlichen Organen der Kinder- und Jugendhilfe eingenommen werden können. Dieser Ansatz kann für Pflegekinder, Pflegefamilien und Herkunftseltern eine Klarheit hinsichtlich ihrer Verantwortung und Rolle schaffen (vgl.

Wiemann 2002: 2 und Wiemann 2014: 41).

4.4.2.1. Spannungsfeld Pflegekinder und leibliche Eltern: Was brauchen Pflegekinder von ihren leiblichen Eltern?

Eine Entlastung beim Kind kann dann erfolgen, wenn leibliche Eltern die Bindungen zwischen ihrem Kind und der Pflegefamilie akzeptieren, respektieren und achten können.

Herkunftseltern müssen sich im Klaren sein, welche elterliche Erziehungskompetenzen und Verantwortungsbereiche sie weiterhin innehaben bzw. welche die Pflegeeltern tragen. Dementsprechend müssen sich leibliche Eltern verhalten. Kinder brauchen von ihren leiblichen Eltern Klarheit, ob sie zukünftig bei der Pflegefamilie leben werden oder wieder zurückkehren, damit sie sich bei der Pflegefamilie zuhause fühlen können/dürfen.

Im Kontext der Fremdunterbringung ist es für Kinder enorm wichtig, dass die leiblichen Eltern die Verantwortung für die Unterbringung übernehmen. Wenn diese Übernahme der Verantwortung für die Fremdunterbringung nicht erfolgt, kommt es zu einer eigenen Schuldzuweisung beim Kind – das Kind glaubt selbst schuld an der Unterbringung und somit Trennung von den Eltern zu sein. Eltern müssen es schaffen und auch bereit sein, sowohl zu sich selbst, als auch dem Kind gegenüber ehrlich zu sein und kindgerecht die Situation und die Umstände der Unterbringung erklären.

Durch komplexe und komplizierte Lebensumstände und Verwirrung sehen manche leiblichen Eltern die Unterbringungsgründe bei anderen, wie der Kinder- und Jugendhilfe, Partnern, etc. und haben nicht die Bereitschaft sich ihrer Verantwortung zu stellen. In diesem Bereich benötigen leibliche Eltern meist Unterstützung und Beratung durch Fachkräfte (vgl. Wiemann 2014: 47ff).

4.4.2.2. Spannungsfeld Pflegekinder und Pflegeeltern: Was brauchen Pflegekinder von ihren Pflegeeltern?

Kinder übernehmen Gefühle und Sichtweisen von ihren Bindungspersonen. Aber auch die Sichtweisen und die innere Haltung der Pflegeeltern gegenüber den leiblichen Eltern haben einen Einfluss auf das Kind.

Wertschätzung und Verständnis der Pflegeeltern können die innere Zerrissenheit des Kindes vermindern. Pflegekinder brauchen von ihren Pflegeeltern die Haltung, dass die Herkunftseltern zum Leben des Kindes dazugehören. Dann schaffen es Pflegekinder, Kontakt zu den leiblichen Eltern einordnen zu können und als nicht belastend und beunruhigend zu erleben (vgl. Wiemann 2017: 7).

Manche Herkunftseltern schaffen es nicht Besuchskontakte wahrzunehmen, sei dies aus Schuld, Scham, Schmerz, oder weil sie zu sehr mit sich und oft eigenen kritischen Lebensumständen beschäftigt sind. Viele Pflegeeltern sind enttäuscht von dem Rückzug der leiblichen Eltern und übernehmen den Schmerz des Pflegekindes. Eine positive, wertschätzende innere Haltung der Pflegeeltern und offene Gespräche mit dem Pflegekind über Enttäuschung und Schmerz, aber auch Verständnis können hilfreich für das Kind sein. Nützlich kann auch eine von der Pflegefamilie ausgehende vorwurfsfreie Kontaktaufnahme mit den Herkunftseltern sein (vgl. Wiemann 2014: 53ff).

4.4.2.3. Zusammenarbeit zwischen leiblichen Eltern und Pflegeltern zum Wohl des Kindes

Das Leben in einer Pflegefamilie bedeutet für Kinder, dass sie zwischen zwei Lebenswelten – der der leiblichen Eltern und der der Pflegeeltern - balancieren müssen.

Dies zeigt sich in der Begegnung zweier meist ungleicher Familien mit unterschiedlichen

sozioökonomischen Lebensumständen und entsprechend konkurrierenden Alltagswelten und Lebenskonzepten in denen sich das Pflegekind zurechtfinden muss (vgl. Pietsch 2009: 29).

Trotz der meist unterschiedlichen zum Teil divergierenden Ziele, Erwartungen, oder auch Sichtweisen ist die Entwicklung einer Zusammenarbeit zwischen leiblichen Eltern und Pflegeltern ein wichtiges und bedeutendes Ziel, um das Wohl des Kindes in den Vordergrund zu rücken. Die Kooperationsbereitschaft liegt in der Verantwortung der jeweiligen Familie und bedarf in den meisten Fällen einer externen Unterstützung. Die Einbindung in Entscheidungsprozesse, wie etwa die Mitentscheidung und Mitgestaltung von Besuchskontakten, können Loyalitätskonflikte für das Pflegekind verringern und das Verantwortungsbewusstsein der Erwachsenen, nämlich zum Wohl des Kindes zu handeln, stärken (vgl. Wolf 2016b: 131). „Zuvörderst sollen die Erwachsenen für die gute Entwicklung der Kinder zuständig sein und nicht primär die (minderjährigen) Kinder für die Entwicklung der Erwachsenen.“ (ebd.: 131) Die Bedürfnisse der Kinder sollen im Mittelpunkt stehen, damit günstige Entwicklungsmöglichkeiten geschaffen werden können.

Die Zusammenarbeit zwischen Pflegeeltern und Herkunftseltern bedarf meistens einer Moderation durch Fachkräfte der Sozialen Arbeit, wobei die Unparteilichkeit gegenüber beiden Familiensystemen unumgänglich ist. Ein fairer Umgang aller Beteiligten, klare und transparente Aussagen und Entscheidungen – wenn möglich durch Partizipation aller Betroffenen (Pflegekind, Pflegeeltern und Herkunftssystem) – können Konflikte vermeiden bzw. entschärfen (vgl. ebd.: 131f).

„Das Hinwirken auf eine gelingende Kooperation ist ein komplexer Prozess, in dessen Verlauf es den verschiedenen Beteiligten ermöglicht werden soll, zunächst möglichst konstruktiv mit den Belastungen umzugehen, die ihnen durch die Platzierung des Kindes in einer anderen Familie zugemutet werden und dann die Kommunikation zwischen ihnen so zu moderieren, dass ein Perspektivenwechsel erleichtert und eine Koproduktion möglich wird, die dem Kind scharfe Loyalitätskonflikte erspart.“ (ebd.: 132)

Zusammengefasst kann gesagt werden, dass die Herstellung einer Balance zwischen Pflege- und Herkunftssystem eine große Herausforderung darstellt, jedoch eine enorme Entlastung für das Pflegekind bedeutet. Eine konstruktive Zusammenarbeit – immer am Wohl des Kindes orientiert – kann sich positiv auf die Entwicklungsverläufe auswirken und das Kind unterstützen, sich in seiner Lebenssituation zurecht zu finden (vgl. ebd.:

130ff).