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Limitationen der Studien

No documento psychischer Störungen (páginas 103-107)

3. Schluss

3.2 Diskussion der Ergebnisse

3.2.1 Limitationen der Studien

Offen erscheint noch, ob die analysierten Studien über ein jeweils hohes methodologisches Güteprofil verfügen, welches den Ergebnisbefunden ihre interne wie auch externe Validität verleiht. In diesem Sinne richtet sich die folgende diskursive wissenschaftsmethodologische Reflexion an den derzeitigen Gütekriterien der APA (2006), der Cochrane Collaboration (CC) (Higgins & Thomas, 2019), des GRADE- Systems (Eichler, 2020) sowie an Maßstäben der umfangreichen Analysen von Grawe et al. (2001), aus. Im Rahmen der Inaugenscheinnahme der einzelnen Untersuchungen werden, neben den bereits diskutierten Aspekten (s. o.), weitere für den Gesamtkontext relevante Limitationen deutlich. Auch sind einige der schon dargestellten Punkte, im Kontext der methodologischen Metadiskussion, erneut zu erwähnen. Beispielsweise gelang es bis auf Loechner et al. (2020) keiner Forschungsgruppe eine weitgehend vollständige Kontrolle sämtlicher angegebener soziodemografischer Daten zu verwirklichen. Auch machten, mit Ausnahme von Zerach und Solomon (2016) sowie Esser und Schmidt (2017), keine Autoren klare Angaben zu Schwund- und Rücklaufquoten wie auch Drop-Out-Raten. In keiner Studie wurde die Variable der Motivation der Probanden bezüglich ihrer Teilnahme an der entsprechenden Untersuchung erhoben. Dass Unterschiede in der Motivation der Probanden die Ergebnisse einer Untersuchung als unsystematische Fehlereinflüsse verzerren können (Döring & Bortz, 2016), verdeutlicht hier die Relevanz der Erfragung dieses Merkmals zum Beginn einer Studie. Keine der Untersuchungen schöpfte in ihrer Durchführung das volle Maß möglicher Beurteilungsquellen aus. In den meisten Fällen wurden Kliniker- Ratings beispielsweise nicht miteinbezogen. Wiegand-Grefe et al. (2019a) sowie Sell et al. (2021) verzichteten auf eine Befragung der Kinder und Jugendlichen und ließen hierdurch eine hochrelevante Informationsquelle außen vor. Beide Studien untersuchten zudem ausschließlich lineare statistische Korrelationen und überprüften keine modulierenden oder vermittelnden Effekte. Problematisch erschienen im Rahmen der Sekundäranalysen zur MARS (Hohm et al., 2017; Zohsel et al., 2017) die Aufaddierung sämtlicher psychosozialer Risikofaktoren zu einem kumulierten Index sowie die vorhandene Gefahr der Konfundierung hinsichtlich des psychosozialen Risikos, welche Möglichkeiten zum kausalen Schlussfolgern enorm begrenzten. Weiterhin bezog die Metaanalyse von Kritikos et al. (2019) lediglich zwei Längsschnittstudien ein.

Konkrete Aussagen bezüglich longitudinaler Verläufe lassen sich aus diesem Grund

97 nur erschwert treffen. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob eine einheitliche Identifikation bestimmter Transmissionsmechanismen, durch die große Heterogenität an Operationalisierungen theoretischer Konstrukte und Nutzung mannigfaltiger Erhebungsinstrumente, insgesamt möglich erscheint. Auch errechneten Kritikos et al.

(2019) keine statistische Trennschärfe innerhalb ihrer Untersuchung. Unklar blieb in dieser Beziehung, welche Anzahl an Studien für die Ermittlung bestimmter Effektgrößen von Nöten war (s. o.). Auch wenn eine statistische Power in diesem Fall nicht vorlag, kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei einer Zahl von 20 Studien um eine vergleichsweise kleine Stichprobe (Valentine, Pigott & Rothstein, 2010) handelte.

Die dargestellten Punkte beschränken somit in ihrer Summe vor allem die interne Validität der Studienergebnisse.

In Anbetracht einer Überprüfung der externen Validität der Ergebnisbefunde ist hervorzuheben, dass mit Ausnahme der Untersuchungen von Wiegand-Grefe et al.

(2019a) sowie Zerach und Solomon (2016) in keiner der analysierten Studien eine ausführliche Berücksichtigung verschiedener Lebensbereiche und soziodemografischer Charakteristika der Probanden als mögliche Wirkfaktoren erfolgte. Angaben zum Schweregrad und Ausmaß einer psychischen Störung, der Erkrankungsdauer, der Schicht- und Milieuzugehörigkeit oder zu Persönlichkeitsmerkmalen hätten gegebenenfalls zusätzliche relevante Informationen über die jeweiligen Stichproben liefern können. Eine Kontrolle dieser Variablen hätte im gleichen Zusammenhang möglicherweise die interne Validität der Untersuchungen erhöht. Auch unterschieden sich die Ein- und Ausschlusskriterien bezüglich der Stichprobenrekrutierung über die Studien hinweg. Eine Reihe an Studien, hierunter Wiegand-Grefe et al. (2019a), Sell et al. (2021) sowie die Sekundäranalysen der MARS (Hohm et al., 2017; Zohsel et al., 2017), untersuchten ausschließlich deutschsprachige Stichproben. Die Befunde des Forschungsteams von Wiegand-Grefe et al. (2019a) sowie die Ergebnisse von Hohm et al. (2017) und Zohsel et al. (2017) basierten darüber hinaus lediglich auf Daten von Stichproben aus bestimmten Regionen der Bundesrepublik Deutschland. Auch befragten Zerach und Solomon (2016) beispielsweise exklusiv Probanden, die am Jom-Kippur- Krieg beteiligt waren. Sowohl Sell et al. (2021) als auch Wiegand-Grefe et al. (2019a) untersuchten ausnahmslos Eltern aus psychiatrischen Einrichtungen. Hier stellt sich die Frage nach der Realität der Untersuchungsbedingungen mit ihren Ergebnissen für die Grundgesamtheit psychisch belasteter Eltern. Gleichermaßen befragten nicht nur

98 Zerach und Solomon (2016), sondern auch Kritikos et al. (2019) allein Veteraneneltern.

Die Studien von Loechner et al. (2020) wie auch die MARS (Esser & Schmidt, 2017) richteten ihr Augenmerk ausnahmslos auf erstgeborene Nachkommen. Ob sich die Befunde dieser Analysen auf Personen anderer Geschwisterpositionen transferieren lassen, muss in diesem Zusammenhang kritisch betrachtet werden. Die Stichprobe der Studie von Wiegand-Grefe et al. (2019a) zeichnete sich mit einem Umfang von (N = 67) Probanden durch ihre kleine Größe aus. Auch eine der beiden Unterstichproben der Untersuchung von Hohm et al. (2017) erwies sich durch (n = 28) Kinder postpartal depressiver Mütter innerhalb der PPD-Gruppe als klein. Dieser Sachverhalt geht sowohl zu Lasten der Repräsentativität als auch Kausalität der Ergebnisse. Sämtliche aufgezählten Gesichtspunkte beschränken in ihrer Gesamtheit die externe Validität der studienbezogenen Ergebnisbefunde. Schließlich muss ebenfalls in den Blick genommen werden, inwiefern die untersuchten Populationen der Grundgesamtheit psychisch belasteter Eltern mit ihren Nachkommen entsprechen.

Innerhalb der aktuellen Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS Welle 2) zeigte sich bei psychischen Störungen eine größere Betroffenheit von Jungen (19.1 %) im Vergleich zu Mädchen (14.5 %) (Klipker, Baumgarten, Göbel, Lampert & Hölling, 2018). Über die verschiedenen Störungsbilder hinweg schienen Mütter öfter psychisch beeinträchtigt als Väter (Grube & Dorn, 2007).

Letzterer Trend lässt sich auch in internationalen Schätzungen wiederfinden (Maybery

& Reupert, 2018). Anzumerken ist allerdings, dass ein Geschlechterverhältnis von Kindern psychisch belasteter Eltern mit Blick auf einzelne Störungsbilder differentiell erscheint. So leiden Jungen öfter an externalisierenden Symptomen, während Mädchen vermehrt eine internalisierende Symptomatik zeigen (Leijdesdorff et al., 2017).

Des Weiteren liegen verlässliche und repräsentative Daten zur Prävalenz psychisch belasteter Eltern derzeit noch nicht vor, da die Zahlen je nach untersuchter Studienpopulation extrem schwanken (9 - 61 %) (Lenz & Wiegand-Grefe, 2017;

Christiansen et al., 2020; Schneider, 2019).

Aus diesen Gründen kann kaum eingeschätzt werden, in welcher Weise die untersuchten Stichproben in ihrem Geschlechterverhältnis die Grundgesamtheit psychisch belasteter Eltern mit ihren Nachkommen repräsentieren.

Dazu ist zu reflektieren, ob die Ergebnisse der Untersuchungen hinsichtlich der einbezogenen Stichproben miteinander vergleichbar sind. Obwohl sich die Studien

99 bezüglich ihrer untersuchten Konstrukte, angewandter Studiendesigns und verwendeter Erhebungsinstrumente unterschieden, bezogen sämtliche Untersuchungen Eltern mit psychischen Belastungen ein. Entweder wurden die Nachkommen dieser Personen auf direktem Wege befragt oder es wurden Informationen über die Eltern ermittelt. In diesem Kontext weisen die Studien eine grundlegende Homogenität auf, die einen Vergleich der Ergebnisse ermöglicht. Ferner sind allerdings potentielle studienübergreifende Abweichungen bezüglich verwendeter Theorien und Begriffsbestimmungen ins Auge zu fassen. Problematisch erscheint hierbei eine Untersuchung vermeintlich identischer Transmissionsmechanismen mittels unterschiedlicher theoretischer Zugänge und stark differierender Erhebungsinstrumente, wie in den Fällen Familienfunktionalität und Erziehungsproblematiken. Während Wiegand-Grefe et al. (2019a) ihr Konstrukt beispielsweise mit Hilfe des FB-A und der GARF erfassten, welche sich am Familienmodell von Cierpka (1990), dem McMaster Model of Family Functioning von Epstein et al. (1978) wie auch dem Process Model of Family Functioning (Steinhauer et al., 1984) orientierten, maßen Shalev et al. (2019) ihren Transmissionsmechanismus mit Hilfe des CBQ sowie der FACES-II. Vor diesem Hintergrund stellt sich demnach die Frage nach einer Ähnlichkeit der im Zuge der Studien gemessenen Konstrukte. Innerhalb der Metaanalyse von Kritikos et al. (2019) erhoben die einbezogenen Untersuchungen den genannten Mechanismus insbesondere durch die FACES-II und FACES-III wie auch dem Family Assessment Device. Letzteres Instrument basierte ebenfalls auf dem McMaster Model of Family Functioning von Nathan Epstein (s. o.), sodass sich die Konstrukte zwischen den Studien des Literaturberichts zwar unterschieden, durch die untersuchte Metaanalyse jedoch vergleichbarer wurden. Dennoch ist zu beachten, dass Kausalitäten durch bestehende Abweichungen in Definitionen und der inneren Beschaffenheit der Transmissionsmechanismen nur schwer herzustellen sind. Gleiches gilt für den Mechanismus der Erziehungsproblematiken (s. o.). Notwendig erscheint an diesem Punkt ebenfalls ein Abgleich jener im Rahmen der Studien genutzten Verständnisse hinsichtlich der Konstrukte psychische Störung, Familie und transgenerationale Transmission psychischer Störungen, mit den zu Beginn dargestellten Begriffsbestimmungen zur Operationalisierung der Leitfragestellung. Deutlich wird, dass in keiner der Untersuchungen das Konstrukt der psychischen Störung genauer definiert wurde. Innerhalb der Studien wurde grundsätzlich von einer psychischen Störung gesprochen, wenn sie bei Probanden nach der ICD oder dem DSM von Experten diagnostiziert werden konnte. Viele Studien verwendeten den Terminus ebenfalls bei

100 einem Vorliegen einzelner klinisch-psychiatrischer Symptome. Gleichfalls definierte keine der analysierten Untersuchungen das Konstrukt Familie; in der Gesamtzahl an Studien wurden allerdings Eltern-Kind-Familien befragt. Die theoretischen Ansätze der einzelnen Untersuchungen wurden bereits in den Schlusskapiteln der jeweiligen Studienanalysen genauer ausgeführt (s. o.), sodass an dieser Stelle auf die einzelnen Ausführungen vergleichend Bezug genommen wird. Hinsichtlich eines grundsätzlichen Verständnisses darüber, was eine transgenerationale Transmission psychischer Störungen ausmacht, nahmen Wiegand-Grefe et al. (2019a), Loechner et al. (2020), Sell et al.

(2021), Zerach und Solomon (2016), Hohm et al. (2017) sowie Shalev et al. (2019) direkt oder indirekt Bezug auf das Modell von Goodman und Gotlib (1999, 2002). Zohsel et al.

(2017) wie auch Kritikos et al. (2019) beriefen sich indessen auf keine spezielle theoretische Basis. Die Studien lassen sich dementsprechend, in Anbetracht ihrer theoretischen Fundierung, sowohl miteinander als auch hinsichtlich der zu Beginn erfolgten Begriffsbestimmungen zur Operationalisierung der Fragestellung vergleichen, da Hosman et al. (2009) das Modell von Goodman und Gotlib (1999, 2002) in sich weiterentwickelten (s. o.). Ungeklärt bleibt an dieser Stelle jedoch, ob sich das Modell von Goodman und Gotlib, mit seinem Fokus auf depressiv erkrankte Mütter, auch auf Väter mit psychischen Belastungen transferieren lässt (s. o.).

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