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Die Diskussion bei Lenz (2009) 96

IV. Empirische Analysen 86

1.1.4. Die Diskussion bei Lenz (2009) 96

Da zur Bedeutungsgeschichte von nd. kriegen eine neuere semantische Untersuchung entstanden ist, soll diese in ihren wesentlichen Punkten referiert werden. Aufgrund einer historischen Korpusuntersuchung stellt Lenz (2009a) einen starken Rückgang der kriegen- Belege in der Bedeutung ’kämpfen’ ab dem Mnd. fest: In den Texten aus der Zeit zwischen 1350 und 1500 sind es 11,1% der Belege (Verteilung: 9 itr. Simplizia vs. 23 tr.

Partikelverben), in der Zeitspanne 1527-1652 etwa 2,6% und zwischen 1853-1858 ist diese Semantik überhaupt nicht mehr belegt. Die nicht-kriegerischen Varianten machen in jeder untersuchten Epoche also den Großteil der Belege aus. Die Auswertung ihrer Untersuchung stellt Lenz in dem folgenden Diagramm (Abb. 16 ) dar.50

48 Das (große) Frühneuhochdeutsche Wörterbuch ist für die relevante Lemmastrecke noch nicht erschienen.

49 Das kann aber auch am Umfang der bearbeiteten Quellen liegen, vgl. Fn. 48)

50 Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung ist es aber leider wenig aussagekräftig, da die Daten der ersten beiden Epochen zusammen angeführt und bei den kriegen + NPen aktivische und passivische Semantik – ein sehr wesentlicher Aspekt – nicht unterschieden werden. Auch bezüglich der Größe der einzelnen Subkorpora werden keine Angaben gemacht, lediglich die Anzahl der kriegen-Verben ist angegeben (Korpus 1: 283, 2: 116, 3: 187); im Falle des Korpus aus dem 19. Jh. ist bedenklich, dass es sich anscheinend um zwei Texte desselben Autors handelt.

Abb. 16: Frequenzen niederdeutscher kriegen-Typen (Lenz 2009: 80 2009a)

Für die erste Epoche wird angegeben, dass nach den aktivisch/passivischen kriegen + NP- Belegen die resultativen in Verbindung mit PP/ADVP/Partikel (nhd. in seine Gewalt kriegen) mit 6,6 % an zweiter Stelle stehen, gefolgt von der zu + Infinitiv Struktur mit 4,5 % und 5 Belege auf passiv-experientielles kriegen mit ADJP (nhd. lieb kriegen) entfallen. In der zweiten Epoche wird für die NP-Struktur festgestellt, dass sie 86,2 % der kriegen-Belege ausmacht, stark konjugiert wird und „[ü]berwiegend tritt dabei kriegen als Simplex auf, seltener auch als Partikelverb in Verbindung mit den Präfixen wedder-, her-, mit-, wobei die Bedeutung der Partikelverben als passivisch-transferentiell bzw. experientiell zu bewerten ist”

(Lenz 2009: 76). Daneben werden 3 Belege mit NP + ADJP mit experientieller Semantik und 2 RPe (im selben Text, „Laurembergs Scherzgedichte”, 1652) ermittelt, welche für das nd.

Sprachgebiet die frühesten Bezeugungen seien:

(27) De krigen wol up ein mahl verehrt / Staetlike Geschenck

’es werden ihnen stattliche Geschenke als Anerkennung überreicht’

(28) Wen wy ein Carmen schriven na unsem vermogen / So goet als wy idt hebben gelehrt / Krige wy doch selden wat darvor verehrt

’wenn wir nach unserem Vermögen ein Lied schreiben, so gut wie wir es gelernt haben, kriegen wir doch selten etwas dafür als Anerkennung’

Ohne auf die Zahlenangaben für das dritte Korpus einzugehen, seien hier die dort zuerst in Erscheinung tretenden Strukturen erwähnt: kriegen mit ingressiver Semantik und

substantiviertem Infinitiv (drei verschiedene Typen, z.B. Un wenn hei’t mit dat Dichten kriggt

’und wenn er anfängt zu dichten’) und kriegen + Partizip II mit resultativer Semantik.

Die Entwicklung der kriegen + Partizip II Strukturen fasst Lenz im folgenden Schema zusammen:

Abb. 17: (Ausgewählte) Grammatikalisierungskanäle von niederdeutsch kriegen (in Lenz 2009: 83)

In der Entwicklung der kriegen + NP + PP-Struktur hält sie den Schritt von quell- nach zielbezeichnenden PPen für wichtig: „Zur ’holen/nehmen’-Lesart tritt dann eine ’bringen’- Semantik, die in resultativen Verbindungen […] mit der Bedeutung ’jemanden/etwas an einen bestimmten Ort bringen oder in einen Zustand versetzen’ auftritt.” mit Belegen ab 1470.

Während in der ersteren die PP fakultativ für die Bedeutung ’holen’ ist, muss sie in der letzteren auftreten, um ein Zielort anzugeben. Für die Ausweitung der syntaktischen Kombinationsmöglichkeiten über Adverbien, Partikeln, partizipiale Adjektive und weitere Partizipien verwendet Lenz den Begriff „type coercion”. In dem untersuchten Korpus tritt der Erstbeleg für die niederdeutsche Resultativkonstruktion 1853 auf. Die Herausbildung des RP verlaufe in einem der Resultativkonstruktion parallelen Grammatikalisierungskanal.

„Angesichts der geringen Belegzahl der beiden „kriegen + Partizip II”-Konstruktionen bedarf es aber weiterer Korpusanalysen, um den Beginn der beiden Konstruktionsvarianten genauer zu datieren.” (Lenz 2009a: 83)

1.1.5. Zusammenfassung

Wenn die in der Fachliteratur allgemein vertretene Ansicht, das RP erscheine am frühesten in der kriegen-Form auf, zutreffend ist, sollte die Vorbedingung für dessen Entwicklung (im Sinne der Koprädikativ-Hypothese), also das Vorhandensein der ’bekommen’-Semantik, zuerst in den niederdeutschen Gebieten erfüllt sein und sich von dort aus allmählich in Richtung Süden ausgebreitet haben. (Im Hochdeutschen scheint sie selbst in der frühneuhochdeutschen Zeit nicht dominant zu sein.) Besonders interessant in diesem Zusammenhang ist die von Hildebrand angedeutete Kürzung aus erkrîgen mit der entsprechenden Semantik, welche in den niederrheinisch-niederländischen Gebieten erfolgt sei. Nach Lenz ist der niederdeutsche Erstbeleg für das RP 1652 anzusetzen. Offen bleibt vorerst die Frage nach dem Zusammenhang des RP mit der resultativen Bedeutung. Die agentive Verwendung bildet den Ausgangspunkt für alle weiteren Bedeutungen (somit auch für die ’bekommen’-Lesart), sie ist also von Anfang an vorhanden, und selbst in der Rezipienten-Lesart kann das Moment ’willentlich’ mitschwingen. Eine resultative Verwendung in der Form kriegen + PP/(ADVP)/Partikel ist nach Auskunft der nd. Belege bei Lenz (spätestens) ab 1500, passiv-experientielles kriegen mit ADJP ab 1470 möglich. Die Resultativkonstruktion erscheint im Niederdeutschen 1853 (Korpus bei Lenz);

1.2. bekommen

Der Wortartikel bekommen von Jacob Grimm enthält keine dem Vorigen vergleichbar detaillierte Ausführungen zur Bedeutungsentwicklung, bietet aber einige Hinweise.51 Die primäre, schon ahd. belegte Bedeutung ist ’wachsen’, ’gedeihen’, ’hervorkommen’, später geht diese unter und wird durch fortkommen, herauskommen ersetzt. Auf dieses Wachstum geht die Verwendung als ’gedeihen’, ’anschlagen’ zurück (mit Dativ der Person): etwas bekommt jm. Dieser Bedeutung steht eine weitere als ’geziemen’, ’zukommen’, ’zustehen’

nahe. Bekommen als ’begegnen’ tritt in erster Linie in Bezug auf Personen auf, aber auch personifizierte Abstrakta sind schon mhd. möglich. „auch diese bedeutung von bekommen ist im 18 jh. ausgestorben.” (Grimm 1854: Sp.1426) Die Verwendung mit dem Genitiv der Sache (mit oder ohne sich) im Sinne von „zu einer sache kommen” ähnelt dem transitiven bekommen, welches mit seiner weit aufgefächerten Bedeutung das produktivste ist, doch erst nach dem Mhd. belegt:

51 Die Neubearbeitung des DWB für bekommen ist noch nicht erschienen.

man darf es also deuten bei etwas, zu etwas kommen, einem beikommen wie das zweite, dritte und vierte bekommen [’gedeihen’, ’geziemen’ und ’begegnen’] ebenfalls persönlichen dat. neben sich hatten; das verbum drehte sich hier ganz dem acc. zu. entsprang aber bekommen aus bei einen, bei etwas kommen, so zeugt es laut für die nothwendigkeit, den acc. neben bei zuzulassen […]. Zumal auffallend ist nun der völlige abgang dieses transitiven bekommen im mhd., und während es uns heute vorherscht, die intransitiven bedeutungen, mit ausnahme der zweiten, erloschen sind, gelten mhd. nur diese und auch keine spur zeigt sich der transition [mit Ausnahme einer besonderen Verwendung im Ahd.]. (ebd.:

Sp. 1426f)

Bedeutung von bekommen

Bedeutungsangaben im Grimmschen Wörterbuch gedeihen 1) bekommen, wachsen, gedeihen,

hervorkommen, fortkommen

der imber bekumpt auch fast schon alda;disz volk pflanzet und handlet nicht, geneuszt was im selbs bekumpt (von selbst, wild wächst) zuträglich sein 2) bekommen mit dat. der person ein gedeihen,

anschlagen, welche beiden wörter wieder auf den wachsthum zurückgehn

die speise, das futter, die arznei bekommt nicht; wol bekomms! es soll euch übel bekommen! die luchse sind eines sehr schnellen laufs, so ihnen zum einholen ihrer beute wol bekommt.

geziemen 3) geziemen, behagen, zukommen, zustehn, anstehn: das bekompt nu sonderlich der heiligen mutter der kirchen, die ist ein rechte hausmutter und die braut Christi; dis spital bekommet allein den rechten armen, als widwen, waisen, gesten und andern verlassen leuten.

begegnen 4) begegnen

und wenn es sich begab, das sie einander bekamen, so gieng ie einer ein andere straszen erreichen 6) transitives bekommen, mit acc. der sache,

etwas erlangen, erreichen, etwas kriegen f) einen bekommen, fangen, erwischen, einen gefangen bekommen; zu greifen, zu packen bekommen, in die hände, in die gewalt bekomme; bekam einen kerl, der mir brennete; ich wil ein paar gute freunde bekommen g) bekommen mit adjectiven als praedicat: einen lieb, satt, los, frei bekommen: er bekam (gewann) das mädchen lieb; er kann nicht satt bekommen; ich kann den nagel nicht los bekommen, das holz nicht klein.

h) bekommen mit partikeln: etwas weg bekommen (eines inne werden), heraus, wieder, zurück bekommen; ich kann die stiefel nicht an oder ab, den hut nicht auf bekommen

bekommen 5) das seltne bekommen mit dem gen. der sache und der bedeutung zu einer sache kommen nähert sich der folgenden transitiven.

darmit ein jeder tagloner seines taglons bekomme; got wart mit groszer langmütigkeit auf des menschen willen, ob er seines werks in im bekommen möcht;

mit sich verbunden: da bekême sich got alles des sinen.

6) transitives bekommen, mit acc. der sache,

etwas erlangen, erreichen, etwas kriegen a) bekommen das was wächst:

kind; der baum b. viel äpfel;

zahn; bart; hunger; lust; angst;

neue kraft

b) eine krankheit, ein übel bekommen: sie bekam zahnweh, husten; schon früh graues haar c) schläge, prügel, ohrfeige;

rüge; zank, streit; erlasz, nachlasz, ablasz; freuntschaft d) speise, wein, trank ( > es heiszt aber lieber zu essen, zu trinken bekommen etc. s. unter zu + Inf.), raum, luft bekommen; der schuh, der strumpf hat ein loch

bekommen; die mauer bekommt einen risz. die frau bekommt morgen eine neue magd. ich bekomme noch zehn thaler; er kann nichts von ihm bekommen.

e) wir werden heute schönes wetter, regen, schnee, ein gewitter bekommen = es wird geben; bei diesem wirt ist guter wein zu bekommen = gibt es guten wein; bei dir bekomme ich rechten trost; ich bekam keine antwort; er bekommt einen titel, einen namen

zu + Inf. d) (> speise, wein, trank s. oben

bei ’bekommen’) es heiszt aber lieber zu essen, zu trinken bekommen, wie da kann man etwas zu sehen, zu hören bekommen.

RP g) bekommen mit adjectiven als

praedicat > mit partic. ausgezahlt, ersetzt, vergütet bekommen.

Tabelle 11: Die Bedeutungen von bekommen (in Anlehnung an das Grimmsche Wörterbuch)