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IV. Empirische Analysen 86

3. Historische Quellenanalysen 122

3.2 Historische Quellenanalyse 2: Wörterbücher und Grammatiken 141

3.2.1. Die Wörterbücher 142

Insgesamt wurden zehn Wörterbücher ausgewertet, bei einigen mehrere Auflagen. Belege für die Konstruktion fanden sich in fünf von ihnen: im Grimmschen Wörterbuch, in Sanders großem Wörterbuch, Heynes und Pauls Deutschen Wörterbüchern sowie in der Hand- und

Schulausgabe des Muret-Sanders Deutsch-Englischen Wörterbuchs. Nun sollen diese einzeln besprochen werden.

Grimm, Jacob; Wilhelm Grimm. Deutsches Wörterbuch. Band I. a-biermolke (1854).

Band III. e-forsche (1862). Band V. k (1873).

Das Erscheinen des ersten Bandes des „Grimm” (1854) fällt zwar ziemlich weit von dem untersuchten Zeitraum, seine Bedeutung u.a. für die späteren lexikographischen Werke kann es aber nicht unberücksichtigt lassen. Vielfach tauchen auch die hier verzeichneten Belege für die Konstruktion in anderen Wörterbüchern bzw. sprachwissenschaftlichen Werken auf. Unter dem Stichwort bekommen “bekommen mit adjectiven als praedicat” finden sich die Beispiele

“mit partic. ausgezahlt, ersetzt, vergütet bekommen”. Bei erhalten steht zwar “häufig mit adjectivischem praedicat”, Partizipien werden dort aber nicht verzeichnet. Die meisten Belege, insgesamt zehn95 finden sich unter kriegen “mit einem part. pass. als zweitem object”, einerseits “mit object und part.” z.B. “ich kriege meine mühe redlich bezahlt. Rabener 2, 22596” andererseits “aber auch mit dem bloszen part. pass. sie sollen auch beschert kriegen, wenn sie recht geschickt sind, ein wachsstöckchen und noch was. Göthe 16, 15797”. Es sind fast ohne Ausnahme literarische Belege.

Daniel Sanders (1860/1876): Wörterbuch der deutschen Sprache Bd. 1. A-K.

Sanders Wörterbuch unterscheidet sich in wesentlichen Punkten vom Grimmschen Wörterbuch, vor allem stehen bei ihm die Gegenwartssprache und “die Frageinteressen des Bürgertums” im Mittelpunkt (Haß-Zumkehr 2001: 157). Als Quellen stützte er sich auf die deutschen Klassiker und angesehene “Sach- und Fachprosaschriftsteller des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts”, mitunter (zum ersten Mal in der Lexikographiegeschichte) auf systematisch und umfangreich ausgewertete Zeitungen und Zeitschriften (ebd.: 150). Seine

“Orientierungshilfen” für den Sprachbenutzer leitet er aus der Beobachtung und Beschreibung

95 Den ersten Beleg “seht zu, dasz ihrs heut abend gethan kriget, endeavour to get it done by night” rechne ich nicht zur Konstruktion, denn hierbei handelt es sich um eine resultative Verwendung von kriegen (siehe Fußnote 1). In Anschluss an diesen Beleg steht die Bemerkung: “das engl. to get deckt sich vielfach mit kriegen”.

96 Rabener, Gottlieb Wilhelm (1745). “Hinkmars von Repgow Noten ohne Text”. In: Neue Beyträge zum Vergnügen des Verstandes und Witzes. 2.4: 263-306.

97 Weitere Angaben folgen: “Werther 1775 181, 1787 225”.

des Sprachgebrauchs und des Systems ab und diese Sprachform “bezog sich auf die Gebildeten in der Gesellschaft und den zeitgemäßen Gebrauch sprachlicher Mittel” (ebd.:

152). Dabei ist er in seinen Bewertungen zurückhaltend: der Wörterbuchschreiber kann “nicht misstrauisch genug gegen sich und sein vielleicht aus zu einseitigem und zu engem Gesichtspunkt gefasstes Urteil sein” (Sanders zit. n. Haß-Zumkehr, ebd.: 152).98 Zusammenfassend urteilt Haß-Zumkehr: Sanders “schrieb das einzige deutsche Wörterbuch des Jahrhunderts, das in Umfang und Ausführlichkeit mit dem Grimm’schen konkurrieren konnte […] und es dabei in punkto Gegenwartsbezug und praktischer Brauchbarkeit übertraf”

(ebd. 147).

Auch für die in Frage stehende Konstruktion liefert das Sanderssche unter den Wörterbüchern die meisten Beispiele und Belege, insgesamt 19 und “übertrifft” damit den Grimm mit seinen 16 auch in diesem Punkt.99 Seine Angaben werden hier aber nur auszugsweise wiedergegeben.

Bei der transitiven Verwendung von bekommen vermerkt Sanders die Verbindung mit dem Partizip Perfekt:

z.B. gw.: Etwas geschenkt [als, zum Geschenk], geliehen, geborgt, geschickt, geliefert b.; Ich bekomme die Bücher zugeschickt, sie werden mir zugeschickt u. danach bei Einigen auch (zunächst als Anglizcism) allgemeiner, wo der Begriff des B-s mehr zurücktritt, als Ersatz des Passivs […].

Und hier folgt eine Reihe literarischer Belege, in den meisten Fällen mit einer Übersetzung ins werden-Passiv, wie auch unter den Stichwörtern erhalten und kriegen. Von einer Ausnahme abgesehen gibt es keine Überschneidung mit den Belegen des Grimmschen Wörterbuchs, auch dieses eine Zitat aus Goethes Werther ist zuerst bei Sanders im Druck erschienen. Seine Belege beinhalten Beispiele für Verben des Gebens im weiteren Sinne, auch in Verbindung mit abstrakten Objekten: Worte wiedererzählt bekommen, verboten erhalten zu kommen, Aufenthalt gekündigt erhalten, Dienst aufgesagt kriegen, ein Verb ohne Akkusativobjekt: geholfen bekommen und sogar die so sehr getadelte Fügung mit Verben des Nehmens: abgenommen bekommen. Es ist interessant zu sehen, dass Sanders im obigen Zitat eigentlich ganz nüchtern die Verbreitung der Konstruktion nachzeichnet mit dem Vermerk

98 Siehe auch Fußnote 6.

99 Siehe die Belege auch bei Eroms (1978)

(wie schon bei seinem Sprachratgeber erwähnt) ‘Anglizismus’.100 In seinem Handwörterbuch, das eine Kürzung dieser großen Ausgabe darstellt, führt er keine Belege für die Konstruktion an.

Heyne, Moritz. Deutsches Wörterbuch. Band. 1. A-G. (1890). Band. 2. H-Q. (1892).

Heyne war in die Arbeiten am Grimmschen Wörterbuch eingebunden, als er den Entschluss gefasst hatte, dessen ursprünglichen Leitgedanken, “das Wörterbuch zum Hausbedarf” in einem eigenen Wörterbuch zu verwirklichen. Danach folgten zehn Jahre Belegsammlung (zusammen mit seiner Frau):

“Wir haben die Schriftwerke unserer Litteratur planmäßig durchgelesen und das Wortmaterial daraus […] verzeichnet, und sind hierbei gern auch auf die bedeutenden Schriftsteller der Gegenwart eingegangen, weil ich vor allem auch der heutigen Schriftsprache gerecht werden wollte.” (Heyne 1890:

VII)

Dazu kamen Wortaufzeichnungen von Schülern und Freunden, u.a. aus Quellen des 16. und 17. Jahrhundert. Die Belege entstammen somit „allen Jahrhunderten” (ebd.: VIII).

Heyne gibt in seinem Wörterbuch bei allen drei Verben Verwendungsbeispiele für die Konstruktion.101 Unter bekommen mit dem Vermerk “mit Adjektiven als Prädikat” führt er auch die partizipiale Konstruktion an: ich habe es geschenkt bekommen, bei erhalten und kriegen mit dem Hinweis “in erweiterter Fügung”: etwas zugeschickt, übersendet erhalten sowie etwas geschenkt kriegen. Daneben findet sich bei kriegen auch ein Beleg aus der Literatur – eigentlich fragwürdig eingereiht – unter den Fügungen “mit prädicativem Adj., wo der Begriff des Erreichens oft auf eine bloße Entwickelung sich hinausspielt”: „dasz .. man aufgesagt kriegt (den Dienst) Immermann Münchh. 4, 7102”.

Hermann Paul (1897, 21908): Deutsches Wörterbuch

100 Siehe auch Fußnote 9.

101 Siehe auch Eroms (1978)

102 Immermann, Karl: Münchausen. (Erstdruck 1838/39).“‘Es ist aber unrecht, daß wenn man den besten Willen hat zur Lustbarkeit und dafür sorgen will, daß alles recht schön wird, man aufgesagt kriegt’, antwortete der Rothaarige.”

In Pauls Wörterbuch, das sich für das Belegmaterial ausdrücklich auf seine Vorgänger (u.a.

Grimm, Sanders, Heyne) stützt, gibt es nur unter kriegen Belege für die Konstruktion: etwas bezahlt, geschenkt k. ohne weitere Ausführung und auch in der Neuauflage kommen keine weiteren Belege dazu.103

Muret, Eduard; Baumann, Heinrich (1910): Muret-Sanders Enzyklopädisches englisch- deutsches und deutsch-englisches Wörterbuch. Hand- und Schulausgabe. Teil II:

Deutsch-Englisch.

In diesem Wörterbuch erscheint die Konstruktion unter bekommen “mit p.p.: ich habe es geborgt ~ I had it lent me ich bekomme sie zugeschickt I have them sent (on) to me” und erhalten “(bekommen) […] ich habe es zugeschickt ~ I had it sent on to me

Der Grimm und Heyne führen die Konstruktion unter “Adjektiv als Prädikat” an, die etwas lockere Bezeichnung “Verbindung mit Partizip” bzw. “in erweiterter Fügung” tauchen bei Sanders, Heyne und im Muret-Sanders auf, wobei Sanders als einziger explizit “Ersatz des Passivs” hinzufügt und seine Belege fast durchgehend mit dem werden-Passiv paraphrasiert.

Die Belege für die Konstruktion in diesen Wörterbüchern spiegeln eine eindeutige Dominanz der geben-Verben. Am häufigsten werden unter ihnen zugeschicken und schenken angeführt.

Wenn man die Verwendungsbeispiele und die literarischen Belege voneinander trennt, zeigt sich außerdem, dass die (wahrscheinlich den zeitgenössischen Gebrauch wiederspiegelnden Beispiele) fast ausnahmslos typische geben-Verben sind (weitere sind übersenden, bezahlen, liefern etc.), die weniger typischen erscheinen nur im Grimm: ersetzen, vergüten sowie der Ausnahmefall mit abstraktem Objekt [die Wahrheit] gesagt kriegen. Die literarischen Belege bieten dafür recht viele nicht-prototypische geben-Verben: [den Hof] machen, [die Hand]

drücken, helfen, [den Dienst] aufsagen, verbieten [zu kommen], kündigen etc. und ein Nehmen-Verb: abnehmen. Die Belege für diese beiden letztgenannten Gruppen sind alle bei Sanders angeführt (eine Ausnahme ist das auch bei Heyne verzeichnete Zitat von Immermann aufsagen) und stammen neben dem Humboldt-Beleg (1820) überliefert erhalten sämtlich aus Texten aus der Zeit zwischen 1838-1859 und zwar von nur vier Autoren: Immermann, Kinkel, Gutzkow und Presber. Es ist noch zu untersuchen, wie weit diese Autoren in Bezug auf die

103 Eroms bezieht sich auch die 7. Auflage 1976 und schreibt: “[Paul/Betz] verweisen auf bekommen und führen nur wenige Gebrauchsweisen an” (Fußnote, 1978: 361).

hier in Frage stehende Konstruktion die für ihre Zeit typische Sprachverwendung repräsentieren.

Die weiteren gesichteten Wörterbücher, die “Deutschen Wörterbücher” von Tetzner (1894), Detter (1897) und Weigand (51909), sowie das “Neue Handwörterbuch der deutschen Sprache” von Windekilde (1896) führen keine Belege für die Konstruktion auf, wie auch das schon erwähnte Handwörterbuch von Sanders (1883) nicht. Dies scheint vor allem mit der Anlage und dem Umfang der Wörterbücher zusammenzuhängen, denn sie sind mit Ausnahme von Weigands Wörterbuch keine Belegwörterbücher bzw. sind Hand- und Taschenausgaben.

Beim Weigand könnte das Fehlen der Konstruktion eventuell auf seine Tradition zurückgeführt werden.104