• Nenhum resultado encontrado

6. D ARSTELLUNG DER F ORSCHUNGSERGEBNISSE

6.7. Herausforderungen seitens der Fachkräfte

83 der jeweiligen Klientin zu kommunizieren. Auch wenn das in der Praxis „Kommunikation mit Händen und Füßen“ bedeutet. Zudem spielt Vermittlungs- und Wahrnehmungsfähigkeit eine wesentliche Rolle für die weitere Zusammenarbeit mit den Klientinnen. Denn man soll oftmals ein Gefühl in Worte übersetzen. Dies kann etwa wichtig sein, wenn man Klientinnen die Wichtigkeit von Prinzipien wie etwa Partizipation und Verantwortungsübernahme vermitteln möchte. Diese Fähigkeit stellt dann häufig den Erfolgsschlüssel dar.

„Kommunikationsfähigkeit. Man muss mit Hande und Füße kommunizieren können als Koordinatorin, als Betreuerin, als Beraterin ein bisschi weniger, aber schon. Und man muss die Fähigkeit haben Wörter zu geben zu Gefühle. Weil die Frauen sehr oft kommen mit Gefühle, die aber sich nicht äußern können und diese Analysefähigkeit ist super wichtig.“ (IP5 1144-1148)

Schließlich soll man sich emotionell von dem Leid der Klientinnen abgrenzen, damit man professionell handelt und die Klientinnen nicht viktimisiert. Es stellt ein untrennbares Prinzip jeder tätigen Person in LEFÖ – (IBF) dar, Klientinnen nicht die Opferrolle beizumessen. Ihrer Ansicht nach kann man Fachkenntnisse durch Bildungsmöglichkeiten erwerben. Eigene Eigenschaften kann man auch entwickeln, aber es ist von großem Vorteil, wenn man diese bereits besitzt.

84 den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung mit den Klientinnen und folglich die konstruktive Arbeit mit ihnen behindert:

„Das finde ich wirklich sehr wünschenswert und möglicherweise auch wie das organisiert ist mit den Betreuerinnen eben das ist so viel verschiedene gibt, die teilweise nur wirklich wenige Stunden machen, könnte ich mir vorstellen, dass es vielleicht für die Klientinnen gewinnbringend da sein könnte, wenn´s weniger Betreuerinnen gibt, die dafür mehr Stunden angestellt sind, weil dann hat man eben ganz andere Möglichkeiten. Man kann engere Beziehungen zu den Klientinnen aufbauen ahmm, kennt sie besser“ (IP2 802-807)

„Eine Basisvertrauen aufzubauen ist schon eine Herausforderung. So die Frauen werden uns nicht gleich und sofort vertrauen. Das müssen wir wirklich... […] Als Personen aber auch als Organisation. Ich glaube, es braucht immer ein bisschl Zeit bis die Frauen sich an uns verlassen. Ahmm ja, das würde ich als besondere Schwierigkeiten nennen.“ (IP6 576-582)

Aber die Betreuerinnen sind auch mit weiteren Schwierigkeiten bzw. Frustrationsgefühlen konfrontiert, wie etwa dem Bearbeiten von vielen und gleichzeitigen Aufgaben, die Demotivation einiger Klientinnen über bereits organisierte gemeinsame Aktivitäten und kulturelle Veranstaltungen sowie die Sprachbarrieren, der Widerstand der Klientinnen gegenüber den Wohnungsregeln und die enorm eskalierten Konflikte in den Schutzwohnungen, die auch zu verbaler und manchmal körperlicher Gewalt führen können.

Andererseits sind Beraterinnen besonders mit administrativen Sachen konfrontiert. Aus Gesprächen der Interviewpartnerinnen lässt sich herleiten, dass die nichtausreichende kooperative Haltung einiger Behörden, welche für den Ablauf von Asylfällen zuständig sind - wie beispielsweise das BFA und die Fremdenpolizei - ihre Arbeit massiv erschwert. Es wurde mehrmals berichtet, dass die Zusammenarbeit mit diesen Behörden aufgrund der aktuellen politischen Situation komplexer und frustrierender geworden ist und wichtige Zeit wegen bürokratischer Hemmnisse verschwendet wird, die in Beratungen mit Klientinnen besser investiert wäre.

Besonders schwierig scheint außerdem die Verantwortungsübernahme und die damit verbundenen Konsequenzen aufseiten der Beraterinnen und der Wohnungskoordinatorinnen für jene Klientinnen zu sein, die unter leichten Störungen leiden oder psychisch bzw. physisch noch nicht bereit sind, selbst Entscheidungen zu

85 treffen. Der Grad dieser Verantwortungsübernahme steigt, wenn man unter Bereitschaft6 steht und sich relativ schnell entschließen soll, ob z. B. eine Klientin operiert werden muss oder nicht. Hierbei spielen die Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit sowie das Selbstbewusstsein eine wesentliche Rolle, insbesondere wenn eine Klientin in Gefahr oder in Schubhaft ist oder wenn sie vor der Abschiebung aus Österreich steht. Zusätzlich soll man eine gute Begründung für jede Entscheidung haben, da die Fachkräfte nicht nur eigenständig, sondern auch kollektiv arbeiten. In dieser Arbeit steht man immer wieder vor unerwarteten Dingen und Notfällen, obwohl man sich mit rechtlichen Sachen und Vereinbarungen gut auskennt. Bei solchen Situationen sollte man ehrlich mit sich selbst sein und um Unterstützung bitten, falls es nötig ist.

Die Interviews mit den Expertinnen verdeutlichten auch, dass die Mehrheit der Klientinnen als schwer erreichbar charakterisiert werden könnten. Von einer Expertin wurde deutlich, dass Klientinnen, die extern bleiben und noch kaum selbstständig sind, eine große Herausforderung darstellen. Die Tatsache, dass sie der deutschen sowie häufig auch der englischen Sprache nicht genug kundig sind und sich außerdem innerhalb des Wiener Gesundheits- und Sozialsystems nicht auskennen, erschwert die Unterstützung seitens der zuständigen Beraterin. Denn diese versucht klarerweise nachzuvollziehen, was die Klientin braucht. Neben den externen Klientinnen gibt es aber jene Frauen, die lügen, weil sie nicht bereit sind, mit der Wahrheit der Prostitution umzugehen bzw. sich als Betroffene selbst zu identifizieren. Häufig ist man dann mit der Verweigerung, dem Widerstand und den falschen Erwartungen der Klientin konfrontiert. Als problematisch und zugleich frustrierend sind für viele Expertinnen Klientinnen, die Potenzial haben und nach gewisser Zeit wichtige Fortschritte verzeichnen, diese jedoch selbst sabotieren, weil sie bisher nicht erfahren haben, wie sie mit Erfolg umgehen können. Laut den Aussagen der Fachkräfte zählen jene Personen zu den herausfordernden Klientinnen, die noch Kontakt mit den Täter*innen haben oder Klientinnen, die selbst von Frauenhandel betroffen waren, aber in dieser Zeit auch eine andere Frau ausgebeutet haben. In solchen Fällen stoßen Fachkräfte häufig an ihre eigenen Grenzen.

Schließlich werden von den Fachkräften auch eingeschränkte Ressourcen als problematisch angesehen. Es gibt Fälle, bei denen identifiziert wird, dass Klientinnen nicht von Frauenhandel betroffen sind und LEFÖ – IBF demnach nicht dafür zuständig ist.

Hierbei wird versucht, die Frauen an geeignete Stellen zu vermitteln. Trotzdem werden sie

6 24stündiges Mobiltelefon, das außerhalb der Öffnungszeiten der Beratungsstelle LEFÖ – IBF zur Verfügung steht. Dieses richtet sich an Frauen, die in den Schutzwohnungen betreut werden, aber auch an Frauen, die nicht in den Schutzwohnungen untergebracht sind, aber vom LEFÖ – IBF betreut werden. Die Telefonnummer ist für die Polizei bundesweit erreichbar.

86 oft von den entsprechenden Organisationen wegen Zeit-, Platz- oder Kompetenzmangel nicht übernommen.

„Aber wenn wir Sachen übernehmen, die nicht unsere Kompetenz sind, dann es ist schwierig. Aber gleichzeitig werden wir die Frauen nicht alleine lassen. Und dann es ist immer, das ist.. diese Herausforderung auch. Wenn die anderen Organisationen nicht Ressourcen haben, nicht die Kompetenz haben, nicht die Zeit haben, was machen wir?

Wir werden nie eine Frau alleine lassen. Nie. Aber dann übernehmen wir Sachen, die nicht unseren Bereich betreffen. Und dann es ist.. es ist ja.“ (IP7 1168-1173)

In diesem Fall versucht LEFÖ auch solche Klientinnen zu übernehmen. Dieser Umstand ist jedoch für die Klientinnen selbst und ihre persönliche Entwicklung nicht immer hilfreich.

Die Organisation versucht aber durch Vernetzungsarbeit und soziale Unterstützung trotzdem zur Seite zu stehen:

„Wir müssen auch unsere Grenzen erkennen, wirklich. Aber so wir können nicht einen Suizidversuch vermeiden. Wir können nicht. Es ist nicht unsere Rolle. Es ist ganz schwierig zu verstehen. Auch für Bereitschaft. Also, wenn du eine Frau hast, […] die wirklich Medikamente braucht, kann das nicht machen. Ich will auch das nicht. Ich bin keine Psychologin, ich bin keine Therapeutin und für uns es ist diese psychosoziale Umfeld abzudecken, aber es ist nicht die Rolle von anderen Professionen zu übernehmen. Da es gibt „Hemayat“, die gut Erfahrung mit traumatisierten Menschen hat, es gibt „PSD“, […] wir müssen auch lernen, dass wir mehr vermitteln sollen als wir im Moment vermitteln. Aber solche Sachen, solche klare Geschichten wie Suizidversuch können wir überhaupt nicht übernehmen. Natürlich. Weil es ist auch für die Frau gefährlich, das bringt nicht. Wir sind keine Experten, wir haben diese Kenntnis nicht. Wir können das nicht. […] nicht solche... tiefe Geschichten“ (IP7 740-759) Im vorliegenden Kapitel wurde der Zustand der Betroffenen sowohl zu Beginn als auch deren Veränderung im Verlauf der Betreuung umfassend dargestellt. Des Weiteren wurden etwaige Herausforderungen sowie notwendige Kompetenzen seitens der in dem Bereich tätigen Fachkräfte herausgearbeitet. Im Folgenden sollen diese Erkenntnisse in Hinblick auf die Theorie diskutiert und die Forschungsfrage beantwortet werden.