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Aerobe und anaerobe Oxidation durch Mikroorganismen

1.1 Methan: einfachster Vertreter der Kohlenwasserstoffe

1.1.4 Aerobe und anaerobe Oxidation durch Mikroorganismen

Methylotrophie definiert alle Mikroorganismen − Bakterien und Hefen −, welche fakul- tativ oder obligat C1-Verbindungen (Methan, Methanol, methylierte Amine, Dimethyl- ether, Formaldehyd, Formiat) als alleinige Kohlenstoff- und Energiequelle nutzen.

Obligat Methylotrophe (z. B. Methylococcus, Methylomonas) können dabei nur auf C1- Verbindungen wachsen, fakultative Spezies (z. B. Pseudomonas spec., Rhodotorula spec.) hingegen auch auf Komponenten mit C−C-Bindungen wie Kohlenhydraten. Me- than und Kohlenstoffmonoxid (→ Carboxidobakterien) werden nur von wenigen Spe- zialisten als Substrat verwertet, Kohlenstoffdioxid von der großen Gruppe der

chemolithoautotrophen sowie photosynthetisierenden Organismen. Die Energiegewin- nung erfolgt bei methylotrophen Bakterien durch abhängige Oxidation von Methan (→ Methan-Monooxygenase) oder von Methanol (→ Pyrrolochinolinchinon-abhängige Methanol-Dehydrogenase), bei Pilzen durch eine NAD+-abhängige Methanol-Dehy- drogenase. Allgemein laufen Prozesse zur Einzellerprotein-Gewinnung auf der Basis von Methanol mikrobiell und verfahrenstechnisch vorteilhafter ab. Zur Assimilation von C1-Körpern wird Formaldehyd in Bakterien durch Ribose-5-phosphat (→ Ribosemono- phosphat-Zyklus) oder Glycin (→ Serin-Weg) fixiert, in Hefen jedoch mit Xylose-5- phosphat zu Glycerinaldehyd-3-phosphat und Dihydroxyaceton umgesetzt. Einzig Me- thanbakterien verfügen über einen Mechanismus zur CO2-Assimilation über den reduktiven Acetyl-CoA-Weg, in dessen Verlauf chemisch gebundenes Kohlenstoff- dioxid auf die Stufe des Methanols reduziert wird. Nach Carbonylierung von CH3−X zu Acetyl-CoA erfolgt letztendlich eine reduktive Carboxylierung zu Pyruvat als Aus- gangssubstanz anaboler Stoffwechselwege (vgl. Deckwer et al., 2008).

Betrachtet man die Redoxpotentiale (E0‘) der Spezies CO2/CH4 (−0.24 V), CH3SH/

CH4+H2S (+0.03 V), CH3OH/CH4 (+0.17 V), NO3/NO2 (+0.43 V) und ferner von CH3/ CH4 (+2.10 V), so wird klar, daß die Anaerobe Oxidation von Methan (AOM) zu Me- thanol durch Nitrat thermodynamisch ohne weiteres möglich ist. Der inerte Charakter dieses Kohlenwasserstoffs bedingt jedoch, daß ionische Umsetzungen nur in wasser- freien Medien unter drastischen Bedingungen (Supersäuren / Metallkomplexe) ablau- fen. Für biologische Systeme liegen folglich radikalische Mechanismen nahe.

Allerdings besitzt CH4 die höchste bekannte C(sp3)−H-Bindungsdissoziationsenergie (Gasphase: 440 kJ mol−1), so daß unter Standardbedingungen nur OH (Gasphase:

497 kJ mol−1) mit Methan exergon reagiert. In aeroben methanotrophen Bakterien er- folgt die CH4-Aktivierung jedoch nicht über freie Hydroxyl-Radikale, sondern vielmehr durch hochvalente Metall-Oxo-Spezies in entsprechenden Enzymen. Aus diesen Er- wägungen heraus hat man AOM-Prozessen über viele Jahre hinweg nur wenig Beach- tung geschenkt, obgleich aus chemisch-mechanistischer wie technischer Sicht eine physiologische Alkan-Funktionalisierung in Abwesenheit von Sauerstoff höchstes In- teresse verdient (vgl. Thauer and Shima, 2008: 158 f.).

Nach gegenwärtigem Stand der Kenntnis wird ein Großteil (> 80 %) des weltweit produzierten Methans in marinen Sedimenten unter Ausschluß von Sauerstoff zu CO2 oxidiert, gekoppelt an dissimilatorische SO42-Reduktion. Abbildung I-5 illustriert ver-

schiedenartig strukturierte Konsortien aus methanoxidierenden Archaea und sulfatre- duzierenden Bakterien, welche durch Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) mit Farbstoff-gekoppelten 16S-rRNA-Sonden identifiziert werden konnten. Häufig trifft man in Methanhydrat-reichen Ablagerungen mit hohen Raten Sulfat-basierender Me- thanoxidation auf Ökotypi, bei denen die Sulfatreduzierer dichte Aggregate aus etwa 100 Archaea-Zellen (2-3 µm Durchmesser) schichtförmig umgeben. Methan-Umsatz- raten von > 5 mM d−1 lassen sich in Sedimenten am Hydrate Ridge berechnen, worin die Methankonzentration bei 4 °C und 80 bar Druck Werte von bis zu 80 mM erreicht.

Die sulfatreduzierenden Symbionten gehören zu den δ-Proteobakterien in enger Ver-

Abb. I-5. Verschiedene Ökotypi von ANME-Zellaggregaten aus Sedimenten im Schwarzen Meer (a), im Golf von Mexiko (b), am cascadischen Kontinentalrand (c), im Wattenmeer (d); Archaea in Rot, Sulfat-reduzierende Bakterien in Grün (Visualisierung mit FISH).

a

c d

b

wandtschaft zu den Genera Desulfosarcina/Desulfococcus, die zentralen Archaea zu den Clustern ANME-1/ANME-2/ANME-3, welche phylogenetisch am engsten mit Me- thanogenen der Ordnung Methanosarcinales korrelieren. Inwieweit diese Archaea auch selbst zur Sulfatreduktion befähigt sind, bedarf noch intensiver Forschung. Bis- lang wurde nur von wenigen prokaryontischen Symbiosen basierend auf metaboli- scher Wechselwirkung über direkten Zellkontakt berichtet, so beispielsweise über das Paar Nitrosomonas/Nitrobacter. Die niedrige δ13C-Signatur der SRB-Lipide kann am besten damit erklärt werden, daß die reverse Methanogenese zu einem organi- schen Zwischenprodukt führt, welches nicht nur gegenüber Sulfat als Elektronendonor fungiert, sondern auch eine zelluläre C-Quelle darstellt (vgl. Boetius et al., 2000; Hin- richs et al., 1999; Thauer and Shima, 2008: 160).

Durch Kombination von Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung mit Sekundärionen- Massenspektrometrie (FISH-SIMS) gelang es Orphan et al. (2001), die 13C-Werte Me- than-oxidierender Zellaggregate aus dem Eel River Basin (Kalifornien) in Abhängigkeit von der Penetrationstiefe des Cs+-Strahls zu bestimmen. Hochgradig 13C-abgereicher- te Archaea (δ13C ≤ −96 ‰) im Inneren werden dabei von einer Schale sulfatreduzieren- der Bakterien (δ13C ≈ −70 ‰) umhüllt. Zusätzlich zu den syntrophen ANME-2/Desulfo- sarcina-Desulfococcus-Konsortien beobachtete man auch solitäre ANME-2-Archaea mit sehr niedrigen δ13C-Werten. Nähere Untersuchungen in Folge ergaben eindeutig, daß sowohl ANME-1- als auch ANME-2-Zellen monospezifische Aggregate bilden, wobei mögliche Quellen für Isolierungsartefakte (Ultraschallbehandlung etc.) ausge- schlossen wurden. Erstere scheinen dabei von Symbiosepartnern unabhängiger zu sein und auch tiefere δ13C-Signaturen aufzuweisen. Im Gegensatz zum Archaeon Archaeoglobus fulgidus, welches den Hauptteil seines Energiegewinnung durch Sul- fatreduktion bestreitet und in der Wachstumsphase kleinere Mengen an Methan pro- duziert, konnten die homologen Gene für dissimilatorische Sulfatreduktion in den ANME-Stämmen bislang nicht nachgewiesen werden (vgl. Orphan et al., 2002: 7667).

Auch schlugen sämtliche Versuche fehl, die ANME-assoziierten Sulfatreduzierer axe- nisch zu kultivieren. Eventuell benötigen diese Organismen komplexe Kohlenhydrat- mischungen, entstanden aus Oxidationsprodukten der Archaea-Glycocalix (vgl. Thau- er and Shima, 2008: 161).

Nauhaus et al. (2002) demonstrierten mit Hilfe einer speziellen Druckapparatur, daß Sedimentproben aus dem Hydrate-Ridge-Gebiet (Nordostpazifik) unter strikt

anoxischen Bedingungen und definierter Salinität bei Zufuhr von Methan Sulfat zu Sul- fid reduzieren und daß das molare Verhältnis von gelöstem CH4 zu gebildetem HS annähernd 1:1 beträgt. Für die Suche nach freien extrazellulären Intermediaten zwi- schen Methanoxidierern und Sulfatreduzierern wurden H2, Formiat, Acetat oder Metha- nol zugegeben. Dabei kam in Abwesenheit von Methan die Sulfatreduktion weitgehend zum Erliegen, während unter Methanzufuhr die SO42−-Reduktionsrate praktisch keine Änderung aufwies. In energetischer Hinsicht ist zu beachten, daß ∆G0‘ für methano- gene Archaea mindestens −10 kJ mol−1 und für Sulfatreduzierer mindestens −19 kJ mol−1 betragen muß, um ihren Stoffwechsel in situ aufrechtzuerhalten. Bezüglich einer Syntrophie zwischen Archaea und Bakterien bestünde auch die Möglichkeit, den Elek- tronentransfer extrazellulär über „Nanodrähte“ zu bewerkstelligen, was jedoch physi- schen Zell-Zell-Kontakt erfordert. Später konnten im Rahmen von Langzeitexperi- menten anoxische Hydrat-Ridge-Sedimente aus einer Wassertiefe von 780 m über ei- nen Zeitraum von 24 Monaten inkubiert werden. Innerhalb dieser Frist stieg die AOM- Rate von 20 auf 230 µmol Sulfid pro Tag und Gramm Sediment (Trockengewicht), und die nachgewachsenen Konsortien verfügten über dieselbe Morphologie aus zentralen Archaea und peripheren Sulfatreduzierern. Unter den gegebenen Bedingungen betrug die Verdopplungszeit der Assoziate rund sieben Monate, mit einer molaren AOM-Aus- beute von 0.6 g Zelltrockengewicht pro oxidiertem Mol Methan, so daß nur 1 % des ver- zehrten CH4 zur Synthese von Mikroben-Biomasse diente. Innerhalb des getesteten Bereichs (bis zu 14 bar) verhielt sich die Wachstumsrate annähernd linear zum Me- than-Partialdruck, was einen apparenten KM-Wert für Methan von über 10 mM anzeigt.

Bei diesem Druck betrug die spezifische AOM-Rate 10 nmol CH4 pro min und mg Zel- len (Trockengewicht). Die Konzentrationen der für ANME-2-Archaea (Archaeol, Croce- tan, Pentamethyleicosatrien) sowie Desulfosarcina-artigen Bakterien (11-Hexadecen- säure) charakteristischen Biomarker nahmen ebenfalls zeitabhängig stark zu (vgl.

Nauhaus et al., 2007).

In Laboransätzen metabolisieren AOM-aktive Mikrobenmatten aus dem Schwarzen Meer das Substrat Methan (Partialdruck: 1 bar) bei einer spezifischen Rate von 1 nmol (min × mg Protein)−1, wohingegen die Methanogenese aus H2/CO2, Formiat, Methanol, Methylaminen und/oder Acetat bei spezifischen Raten von < 0.01 mU pro min und mg Protein abläuft. Somit liegt nahe, daß diese mikrobiellen Assoziate eher auf AOM aus- gerichtet sind, obgleich man von simultaner Methan-Erzeugung und -Oxidation auch

im Zusammenhang mit kalten Methanquellen im Golf von Mexiko Kenntnis besitzt (vgl.

Thauer and Shima, 2008: 161). Anhand genetischer Analyse ganzer Konsortien wurde gezeigt, daß methanotrophe Archaea homologe Sequenzen der Methyl-Coenzym-M- Reductase (MCR) und anderer Schlüsselenzyme der Methanogenese enthalten (vgl.

Hallam et al., 2004). Auch ist die hemmende Wirkung von 2-Bromethansulfonat − eines klassischen Inhibitors der MCR − auf die AOM bekannt. Allerdings muß dieses Ergeb- nis relativiert werden, da 2-Bromethansulfonat zum einen auch Enzyme außerhalb der Methan-Metabolisierung hemmt und zum anderen einigen Methanogenen Coenzym- M-Transporter in der Zellmembran fehlen, so daß der Inhibitor mit der cytoplasmati- schen MCR nicht reagieren kann. Bis zu 10 % der extrahierten löslichen Proteine in den beschriebenen Mikrobenmatten setzen sich aus zwei Nickel-haltigen Proteinen mit einem für Cofaktor F430 typischen UV/VIS-Absorptionsspektrum zusammen, und zwar aus 7 % Protein I (F430-Variante) und 3 % Protein II (F430) (vgl. Krüger et al., 2003; Shima and Thauer, 2005). Über die N-terminalen Aminosäuresequenzen der drei Untereinheiten ließen sich die kodierenden Gene in einer Metagenom-Bibliothek der Matten identifizieren. Codon Usage und Tetranucleotid-Signatur der drei Gene im Cluster mcrBGA legten offen, daß Protein I durch das Genom des ANME-1-Archaeons kodiert wird, Protein II durch dasjenige des ANME-2-Archaeons. Außerdem ergab eine Immunogold-Markierung der Mikrobenmatten mit einem spezifischen Antikörper, daß beide ANME-Stämme das Enzym MCR auf hohem Niveau exprimieren (vgl. Thauer and Shima, 2008: 161 f.).

Bislang kennt man in der Natur nur einen einzigen AOM-Prozeß, welcher mit einem zu Sulfat alternativen Elektronenakzeptor abläuft, und zwar die denitrifizierende Methanoxidation in Sedimenten aus dem Tweentekanaal (Niederlande), metabolisch gekoppelt an die Reduktion von Nitrat oder Nitrit zu N2:

CH4 + SO42− HCO3 + HS + H2O (Gl. I-7)

∆G0‘ = −21 kJ/mol

5 CH4 + 8 NO3 + 8 H+ 5 CO2 + 4 N2 + 14 H2O (Gl. I-8)

∆G0‘ = −765 kJ/mol CH4

3 CH4 + 8 NO2 + 8 H+ 3 CO2 + 4 N2 + 10 H2O (Gl. I-9).

∆G0‘ = −928 kJ/mol CH4

Die Isolate bestanden zu 10 % aus methanotrophen Archaea des ANME-Clusters und zu 90 % aus Bakterien eines noch nicht beschriebenen Stammes. Bei einer Verdopp- lungszeit von > 100 Tagen oxidierten diese Methan mit einer spezifischen Rate von rund 2 nmol (min × mg Protein)−1 mit einem apparenten KM für CH4 von < 1 µM. Somit liegt die katalytische Effizienz (kcat/KM) der AOM mit Nitrat um einen Faktor > 10000 über dem entsprechenden Wert für die AOM mit Sulfat (KMapp > 10 mM). Markierungs- versuche mit 13CH4 ergaben jedoch, daß 13C nur in die Bakterienlipide, nicht aber in Membranbestandteile der Archaea eingebaut wird und daß die ANME-Population in- nerhalb von 3-6 Tagen nicht proliferiert. Somit scheint eine Beteiligung der MCR an der denitrifizierenden AOM ausgeschlossen. Gegenwärtig ist immer noch die Frage zu klä- ren, wie eine Alkan-Aktivierung durch N-haltige Elektronenakzeptoren mechanistisch abläuft, zumal die Redoxpotentiale (E0‘) der Paare NO/N2O (+1.17 V) und N2O/N2 (+ 1.36 V) deutlich unterhalb des Wertes für CH3/CH4 (+2.10 V) liegen. In nichtwäßri- gen Lösungsmitteln sind zwar elektrophile Substitutions- und Insertionsreaktionen von NO+ und NO2+ mit CH4 bekannt, für den Fall der denitrifizierenden AOM geht man je- doch von einem Glycyl-Radikal-Enzym aus, welches via Thiyl-Radikal dem Alkan ein H-Atom entreißt. Nach Reaktion mit Fumarat wird das entstandene Alkylsuccinat-Ra- dikal mit einem Cystein-Rest abgesättigt, woraus sich Thiyl- und schließlich Glycyl-Ra- dikal regenerieren. Die denitrifizierende AOM metabolisiert auch die Substrate Ethan, Propan und Butan, wobei die C−H-Bindungsdissoziationsenergie für sekundäre C-Ato- me mit ≈ 410 kJ mol−1 etwa 60 kJ mol−1 über dem Wert für die C−H-Bindung im Glycin- Rest der Alkylsuccinat-Synthetase liegt. Diese Differenz kann durch die Stabilisierung im Übergangszustand des Enzyms wettgemacht werden, erreicht aber bezogen auf Methan einen kritischen Bereich von ≈ 90 kJ mol−1. Daß Glycyl-Radikal-Enzyme eben- so wie die MCR funktionelle Dimere mit Halbseitenreaktivität darstellen und somit endergone mit exergonen Reaktionsschritten unmittelbar verknüpfen können (siehe Kapitel II 1.3), bietet die Möglichkeit, derart große Energiebeträge katalytisch zu über- brücken (vgl. Thauer and Shima, 2008: 160, 165 f.).

Wie in Kapitel II 1.3 ausführlich besprochen wird, ist die MCR nur in ihrem Ni(I)-Zu- stand aktiv, mit einem Redoxpotential betragsmäßig rund 200 mV unter demjenigen der Wasserstoffelektrode bei pH 7.0. Da sich der Cofaktor F430 elektrochemisch vom umgebenden Medium nicht völlig isolieren läßt und selbst unter streng anoxischen Be- dingungen langsam in seine Ni(II)-Form übergeht, erkennt man klar, weshalb die MCR

für AOM-Prozesse unter Beteiligung von Elektronenakzeptoren mit E0‘ > 0 V nicht ge- eignet ist. Dazu gehören Fe(III)/Fe(II) (+0.2 V), NO2/NO (+0.34 V), Mn(IV)/Mn(II) (+0.41 V), NO3/NO2 (+0.43 V), NO/N2O (+1.17 V) sowie N2O/N2 (+ 1.36 V). Redox- chemisch plausibel sind hingegen unter anderem die Paare S0/H2S (−0.27 V) und SO42−/HS (−0.22 V) (vgl. Thauer and Shima, 2008: 159, 167 f.).

Ethan, Propan und Butan als unmittelbare Folgeglieder in der homologen Alkanreihe zählen zu den Nebenkomponenten im Erdgas und sind in der Regel thermogenen Ur- sprungs (siehe Kapitel I 1.1.1), wobei Ethan und Propan auch aus mikrobiellen Prozes- sen hervorgehen können. Neben der aeroben Funktionalisierung kurzkettiger Kohlenwasserstoffe sind inzwischen auch sulfatreduzierende Bakterien aus Methan- reichen Tiefsee-Arealen bekannt, welche sich mit Propan (Phylotypus: Desulfotoma- culum) oder n-Butan (Phylotypi: Desulfosarcina/Desulfococcus) als alleinige Substra- te bei 12/28/60 °C anreichern lassen. Ethan ermöglichte nur eine sehr langsame Sulfatreduktion, Isobutan hingegen kein Wachstum. Zu den detektierbaren Metaboliten des Propans gehören Iso- und n-Propylsuccinat, was eine Aktivierung dieses Alkans zentral und terminal unter Beteiligung von Fumarat nahelegt, analog zum vorgeschla- genen Mechanismus für die denitrifizierende AOM (vgl. Kniemeyer et al., 2007).

Anoxische Meereszonen treten typischerweise in Tiefen von 200 m bis zu 1000 m auf, wo Sauerstoffmangel-Areale ([O2] < 0.5 mL L−1) die Kontinentalränder schneiden.

In diesen Ökosystemen existieren abhängig von der Methankonzentration und den AOM-Raten weitere Organismengruppen, wie vor allem Matten der sulfidoxidierenden Bakteriengattung Beggiatoa sowie Muscheln der Gattungen Calyptogena und Acha- rax, deren Metabolismus auf kommensalen sulfidoxidierenden Bakterien im Kiemen- gewebe basiert (vgl. Reeburgh, 2007: 505). Darüber hinaus berichteten Fisher et al.

(2000) von Gashydraten im Golf von Mexiko mit Erdöl-haltigen Zonen, deren Oberflä- che von der bislang unbekannten Polychaeten-Spezies Hesiocaeca methanicola (2500 Individuen pro m2) besiedelt wird. Gewebeproben aus diesen 2-4 cm langen, rosafarbigen und Anoxie-toleranten „Methaneis-Würmern“ weisen auf chemoauto- trophe Nahrungsquellen hin, unter anderem in Form von Sulfid-und Methan-kolonisie- renden Bakterien. Es liegt nahe, daß diese wurmartigen Organismen mit ihren Parapodien lokale Wasserströmungen induzieren und damit zum Wachstum aerober chemoautotropher Bakterien sowie zur mechanischen Zersetzung der Methanhydrate beitragen.

Die im Rahmen dieser Dissertation bearbeiteten Mikrobenmatten stammen von ei- ner Tauchexpedition im Schwarzen Meer. Dieser weltweit größte anoxische Wasser- körper (41-47° N, 28-42° O) mit einer Fläche von 4.23 × 105 km2 und einer maximalen Tiefe von 2200 m stellt ein Binnenmeer zwischen Osteuropa und Vorderasien dar, im Norden durch die Halbinsel Krim vom Asowschen Meer getrennt, im Süden über Bos- porus, Marmarameer und die Dardanellen mit dem Ägäischen Meer verbunden. Das planktonreiche Wasser wird vor allem von den großen Flußsystemen Don, Dnjepr und Donau gespeist. Gemäß aktuellen geophysikalischen Daten führen tektonische Bewe- gungen gegenwärtig zu einer Verringerung der Nord-Süd-Ausdehnung. Während des Pleisto- und frühen Holozäns − vor ca. 10000 a − war das Schwarze Meer ein stabiles limnisches System mit oxygeniertem Süß- oder Brackwasser. Im Verlauf der holozä- nen Transgressionen strömte dann sintflutartig Salzwasser des Mittelmeeres über den Bosporus in das Schwarze Meer, was mit einer Wasserspiegelanhebung von mehr als 100 Metern in kurzer Zeit einherging. Dabei bildete sich eine stabile horizontale Schichtung mit stark salzhaltigem Tiefenwasser aus, welche durch den ständigen Ein- trag an organischer Substanz ohne vertikale Sauerstoffzufuhr vor etwa 7500 Jahren die Basis für die heutigen anoxischen Verhältnisse legte. Das spezifisch schwerere Mit- telmeerwasser mit einer Salinität von etwa 35 ‰ wirkt dabei quasi als Tiefsee-Heizung, so daß die Wassertemperatur an der Oberfläche (jahreszeitabhängig −2 °C bis 30 °C) in 60-80 m Tiefe auf ein Minimum (6 °C) sinkt, um am Meeresgrund einen Wert von 9- 10 °C zu erreichen. Die Salinität des Oberflächenwassers beträgt 18 ‰ und steigt in der Tiefsee bis auf 22.4 ‰, der pH-Wert sinkt im gleichen Verlauf von 8.45 auf 7.90.

Der Sauerstoffgehalt von 5-6 mL/L an der Oberfläche erreicht sein Maximum in einer Tiefe von 20-30 m und geht dann ab 125-150 m rasch gegen Null, während die Schwe- felwasserstoff-Konzentration von 0.47 mL/L bei 200 m auf 5.80 mL/L in 2000 m Tiefe steigt. Durch Diffusion in höhere Schichten gelangtes H2S wird rasch zu Sulfat oxidiert (vgl. Karababa, 1964: 6-8; Kessler et al., 2006).

Abbildung I-6 zeigt das Tauchboot JAGO für die Hauptexkursion in 230 m Tiefe auf dem Ukrainischen Festlandsockel. Die roten Punkte in der topographischen Wiederga- be des Schwarzen Meeres stehen für Zonen mit austretendem Erdgas, wobei die CH4-Geochemie durch den Eintrag fossilen − das heißt 14C-freien − Methans dominiert wird und die CH4-Konzentration im Wasserkörper von der Tiefenverteilung ausperlen- den Methans sowie von der AOM als offenem System im Fließgleichgewicht abhängt

(vgl. Kessler et al., 2006). Um die unter diesen Bedingungen herrschende Methankon- zentration abzuschätzen, hat sich das von Duan und Mao (2006) entwickelte thermo- dynamische Modell bestens bewährt, welches für die Parameter Temperatur (282 K), Druck (20 bar) und Salinität (21 Gew.‰) eine CH4-Molarität von ≈ 33 mM ergibt. Im Verlauf mehrerer Tauchgänge entdeckte man im anoxischen Tiefenwasser ein Riff aus bis zu 4 m hohen und 1 m breiten mikrobiellen Strukturen, aufgebaut aus bis zu 10 cm dicken und im Inneren durch Carbonat-Ausfällungen stabilisierten Mikrobenmatten (siehe Abb. I-7 a). Aus feinen Öffnungen strömen dabei fortwährend Gasblasen in das umgebende Wasser, welche zu 95 % aus Methan mit δ13C-Werten von −62.4 ‰ bis

−68.3 ‰ bestehen. Somit liegt ein biogener Ursprung mit sukzessiver Freisetzung aus tiefergelegenen Sedimenten nahe. Der Querschnitt in Abbildung I-7 b läßt zwei weiche Außenschichten aus grauschwarzen und bräunlich-pinkfarbigen Assoziaten erkennen, gestützt durch einen festen Kern aus porösen Carbonatgesteinen (Aragonit und Calcit mit bis zu 14 % MgCO3). Der Großteil dieser Strukturen besteht aus untereinander ver- bundenen, unregelmäßig verteilten Kavernen und Kanälen, gefüllt mit Meerwasser und

Hauptexkursion (Tiefe: 230 m)

100 m

220 240 260

200

280 180

JAGO

Abb. I-6. Bemanntes Tauchboot JAGO: Expedition 2004 zu Methanquellen im Schwarzen Meer (R/V POSEIDON, Fahrt POS 317-2).

Gasen. Offensichtlich wachsen die Mikroorganismen nicht auf vorgeformten Carbona- ten, sondern induzieren vielmehr deren Bildung über metabolische Alkalisierung des umgebenden Mediums und dadurch erleichterte Präzipitation von Erdalkalimetall- Salzen. Je nach Datierungsmethode wurde das Alter dieser Carbonate zu 700-2900 a ermittelt, wobei die 13C-Signaturen zwischen −25.5 ‰ und −32.2 ‰ liegen. Im Vergleich mit den entsprechenden Werten für gelösten anorganischen Kohlenstoff im Schwarzen Meer (−6.3 ‰ bis +0.8 ‰) spricht dies zweifelsohne für eine Carbonat-Bildung mehr- heitlich aus der anaeroben Oxidation von Methan. Diesbezüglich ist noch zu bemer- ken, daß die aerobe Oxidation von CH4 gemäß

CH4 + 2 O2 CO2 + 2 H2O (Gl. I-10)

hingegen zu einer Acidifizierung des umgebenden Mediums führt und somit die Auf- lösung von Carbonaten begünstigen würde (vgl. Reeburgh, 2007: 503).

Abb. I-7. Expedition 2001 GHOSTDABS (R/V PROFESSOR LOGACHEV): a) Carbonat-Krusten ne- ben ausperlendem Methan; b) Querschnitt durch Stalagmiten-artige Kalk-Bakterien-Konglome- rate mit schwarzen (Sulfide) und pink (Cytochrome) Assoziaten.

a b

20 cm

Anaerobe Oxidation von Methan (AOM):

direkte metabolische Kopplung methanotropher Archaea mit sulfatreduzierenden Bakterien (SRB)

CH4 + SO42 HCO3 + HS + H2O (Sulfide , CaCO3 )

Innerhalb der beschriebenen Stalagmiten-artigen Gebilde unterscheiden sich schwarze und pinkfarbige Zonen insofern, als Erstere von ANME-2-Archaea dominiert werden, Letztere aber von ANME-1-Stämmen. Außerdem findet man den Diglycerol- ether sn-2-Hydroxyarchaeol fast ausschließlich in den schwarzen Matten. Markie- rungsexperimente mit 14CH4 und 35SO42− an Mattenproben im Labor bestätigten die 1:1- Stöchiometrie zwischen AOM und Sulfatreduktion. Bei Inkubationsversuchen mittels

13CH4 wiederum nahm δ13C von 2,6,10,15,19-Pentamethyleicosan mit steigendem Sät- tigungsgrad rapide ab, so daß die Biosynthese offenbar von mehrfach ungesättigten zu gesättigten Derivaten dieser Verbindung läuft. Gesamt gesehen machen Archaea des ANME-1-Clusters mindestens 70 % der Mikrobenmatten-Biomasse aus, wobei kokkoide Sulfatreduzierer der Desulfosarcina/Desulfococcus-Gruppe den Großteil der Bakterienpopulationen stellen. ANME-1-Zellen sind von zylindrischer Gestalt und ste- chen im UV-Licht durch Autofluoreszenz hervor, verursacht durch ihren Gehalt an Co- faktor F420. Sogar unter dem in 230 m Tiefe herrschenden Methan-Partialdruck von

≤ 20 bar wird ∆G der Sulfat-gekoppelten AOM einen Wert von −40 kJ mol−1 nicht über- schreiten, so daß die zum Strukturerhalt der Matten oxidierte Methan-Menge diejenige des assimilierten Kohlenstoffs um mehr als eine Größenordnung übersteigen dürfte (vgl. Michaelis et al., 2002).