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Danksagung

2. Ökolinguistik: Eine aufstrebende Disziplin

2.9 Die ökolinguistische Dimension des Gebrauchs von Fremdsprachen Wie aus dem Literaturüberblick ersichtlich wurde, wird zwar auf Studien, die sich

2.9.3 Emergenz

Angelehnt an der oben beschriebenen Gedankenweise über die Schichten der Historizität und ihr willkürliches sowie unwillkürliches Hervortreten im Diskurs bringt Kramsch (2008) das Konzept des Emergentismus in ihrem Rahmen der ökologischen Annäherung des Fremdsprachenlernens und -gebrauchs ein.

Emergentismus 81 weist nach Kramsch (2008) auf die non-lineare Natur des Fremdsprachenlernens hin. Ihre Hypothese darüber basiert Kramsch (2008) auf Byrnes (1997) Behauptung, dass „der Erwerb einer Fremdsprache ‘grundsätzlich evolutionär und historisch’ (Byrne 1997: 2) ist“82 (Kramsch 2008: 392) und vergleicht sogar diese non-linearen Prozesse des Fremdspracherwerbs mit den Prozessen

81 Emergentismus, eine hauptsächlich philosophische Position, populär in den Bereichen der Philosophie des Geistes und der Sprache, wurde später von der Soziologie, der Angewandten Psychologie und der Theoretischen sowie Angewandten Linguistik adoptiert. „... Emergenz bezieht sich auf Eigenschaften von komplexen Systemen. ... Eigenschaften, die sich aus den Eigenschaften der Bestandteile eines Systems und davon, wie es zusammengesetzt ist, ergeben (resultante, additive oder mikrodeterminierte Eigenschaften) und solche Eigenschaften, die die Eigenschaften der Bestandteile irgendwie übersteigen und über sie hinausgehen (emergente Eigenschaften). ... Eine Eigenschaft eines komplexen Systems ist emergent, wenn sie in Bezug auf die Eigenschaften der Bestandteile neuartig, oder nicht ableitbar, nicht vorhersagbar, nicht reduzierbar, nicht explizit definierbar ist. ... Manchmal spricht man auch von einem emergenten System ... mit mindestens einer emergenten Eigenschaft.

Auch von Gesetzen und Kräften wird bisweilen gesagt, dass sie emergent sein können“ (Heidelberger 1993: 1-2).

82 „... the acquisition of a second language (is) ‘inherently evolutionary and historical’ (Byrne 1997:

2)“ (Kramsch 2008: 392) (übers. von E. V.).

47 komplexer Systeme. „Emergentismus in der linguistischen Forschung fokussiert hauptsächlich auf die Frage, wie Sprache erworben wird“83 (O'Grady 2010: 275) oder, besser gesagt, wo Sprache erworben wird. Das Emergenzkonzept setzt sich der Kernbehauptung des Nativismus bzw. des repräsentativen Nativismus wider, der besagt, dass Erfahrung dem sprachlichen Wissen unterbestimmt ist; angeborene identische Kategorisierungen und die daraus folgenden Beschränkungen stehen im Vordergrund. Darauf basierend kritisiert Kramsch (2008) die Konstruktion von Fremdsprachencurricula und -syllabi, die es auf sich nehmen, den Erwerb einer fremden Sprache als einen linearen Prozess zu präsentieren. „Der Sinn neuer Kenntnisse ergibt sich nicht anhand des Syllabus, sondern anhand der Zusammenhänge, die der Lerner aufgrund seinem eigenen Vorwissen und seinen Erfahrungen zieht“84 (Kramsch 2008: 392). Dies könnte auch als indirekte Kritik an dem GERfS bzw. an einer jeden Skalierung fremdsprachlichen Wissens interpretiert werden, besonders was den Zweit-/Fremdsprachenerwerb auf fast (sic) muttersprachliches Niveau angeht. Eine lineare Abbildung des Fremdsprachenerwerbs verbirgt den Einfluss der nativistischen Richtung, d.h. der unbewussten Sprachkenntnis, die ein native speaker besitzt. Die im GERfS beschriebene lineare Progression der Sprachniveaus auf allen linguistischen und soziolinguistischen Ebenen mag dadurch einschränkend erscheinen. Die Erwerbsprozesse einer fremden Sprache, die sich nach Kramsch (2008: 392) „aus der reinen Zeiträumendynamik ergeben“85, als emergente Systeme zu betrachten, führt uns auch zu Gedanken über die im GERfS vorgeschlagene Kategorisierung des C2-Niveaus und dessen Wahrnehmung als ‚annähernd muttersprachliches Niveau‘ vonseiten der ExpertenInnen, LehrerInnen und Lernern, sowie über das Idealbild des native speaker in einer multikulturellen Makro- und Mikroökologie, wie eine Prüfungssituation, und über die Effekte einer integrierten emergentistischen Annäherung auf die Evaluation des mündlichen Ausdrucks. Durch eine emergentistische, ökolinguistische

83 „... emergentist work within linguistics has focused most strongly on the question of how language is acquired“ (O'Grady 2010: 275) (übers. von E. V.).

84 „The meaning of a new piece of knowledge will emerge not from the syllabus, but from the connections the learner will make with his/her own prior knowledge and experience“ (Kramsch 2008:

392) (übers. von E. V.).

85 „... (learning) emerges from the seamless dynamic of timescales“ (Kramsch 2008: 392) (übers. von E. V.).

48 Annäherung könnte man sich als PrüferIn vom Idealbild eines C2-Kandidaten als die schlecht verschleierte Imitation eines Muttersprachlers befreien und sich einem weniger generischen Modell widmen.

In ihrer Einführung des Emergentismus in der ökolinguistischen Diskussion bezieht sich Kramsch (2008) zum ersten und einzigen Mal in ihrem ganzen Werk auf das Testen fremdsprachlicher Kompetenzen und kritisiert dabei Sprachtests wegen ihrer linearen Konzeption. „Wenn wir das Lernen und Lehren von Fremdsprachen als ein komplexes System mit emergenten Eigenschaften verstehen, dann können wir nicht mehr nach Ursache und Wirkung auf die allzu einfache lineare Weise suchen, die Kompetenztests auf kurze Sicht vorschlagen“ 86 (Kramsch 2008: 392). Die Feststellung, dass Curricula, Syllabi, Lehrpläne und andere Vorgaben, deren Gestaltung heutzutage zu den zentralen Aufgaben der Fremdsprachendidaktik gehört, die Prozesse der Sinnerzeugung beim Erlernen einer Fremdsprache unpräzise widerspiegeln, zeigt vielleicht auf mögliche Fehlstellen hin, warum es manchmal Testentwicklern und folglich auch Prüfern schwerfällt, sprachliche Strukturen den verschiedenen Testkonstrukten effektiv einzuordnen oder zu evaluieren. Dies bringt dann Auswirkungen auf die Lerner bzw. Kandidaten und Lehrer mit sich. Es handelt sich hier nicht um mangelnde Reliabilität eines jeglichen Testkonstrukts, denn Tests erfüllen das Ziel, das Erlernte bzw. das, was in den Vorgaben als Erlernte gilt, zu messen. Vielmehr handelt es sich um ein Hiatus zwischen der Dynamik der Sprache und der linearen, generischen Weise, auf der Fremdsprachen im (schulischen) Bildungskontext präsentiert werden, besonders was den mündlichen Ausdruck betrifft. Im Bereich fremdsprachlicher Evaluation mündlicher Kompetenz, die Gegenstand der vorliegenden Dissertation ist, könnte sich das wie folgt widerspiegeln: Bei niedrigeren Sprachniveaus ist dieser Hiatus semiotischer Simultaneität (Blommaert 2005: 126) nicht direkt zu verspüren, denn die Prüfer- bzw.

Kandidatenäußerungen folgen den Mustern der pädagogisch-didaktischen Prozessen, nach denen auch in den fremdsprachlichen Klassenräumen gearbeitet wird. Nicht nur sind Sinnesgehalte einfacher in niedrigeren Niveaus und erheben deshalb weniger

86 „If we consider language learning and teaching as a complex system with emergent properties, we can no longer look for cause and effect in the simplistic linear fashion proposed by short-term proficiency tests“ (Kramsch 2008: 392) (übers. von E. V.).

49 Konnotationen, sondern auch semiotische Kontexte sind fest bestimmt. Es ist diese Normativität der zu erlernten Sprache, die evaluiert wird, und dies erfüllt den Zweck des jeglichen Sprachtests, das im Klassenzimmer Gelehrte und Gelernte zu evaluieren und somit Reliabilität zu bewahren, sowie auch den bildungspolitischen Zweck, Curricula und weitere Vorgaben indirekt durch die Macht der Sprachtests in der Gesellschaft zu validieren. Bei höheren Sprachniveaus, deren Inhalte, zumindest am Beispiel Griechenlands, zur außerschulischen Bildung gehören, ist der Faktor fest bestimmter semiotischer Kontexte nicht mehr anwesend; komplexere Sinnesgehalte in nicht-festen Kontexten sind in mündlichen Sprachprüfungen zu erwarten, auch wenn thematische/situative Domäne bzw. Äußerungsstimuli gesichert sind. Semiotische Simultaneität zwischen Kandidaten- und Prüferäußerung bzw. zwischen Kandidatenäußerung und Stimulus könnte dann beeinträchtigt werden, was natürlich die Sinneserzeugung zum Scheitern führen würde. Die Frage, wie man mit emergenten diskursiven Eigenschaften im Rahmen mündlicher Evaluationsprozesse umgehen könnte, wäre vielleicht mithilfe einer beide mikro- und makroskopischen Betrachtung mündlicher Daten souveräner zu untersuchen, was auch eine ökolinguistische Annäherungsweise erlauben würde.