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Neudefinition Symbolischer Kompetenz - Diskurs als symbolisches System

Danksagung

3. Zum Stellenwert Symbolischer Kompetenz in der Fremdsprachenlehr-/lern- und Evaluationsforschung

3.3 Neudefinition Symbolischer Kompetenz - Diskurs als symbolisches System

In Kramsch' (2011) Versuch, die symbolische Kompetenz neu zu definieren, werden weitere poststrukturalistische Annäherungen zur diskursiven Realitätskonstruktion im oben erwähnten Kontext ausgedrückt. Desweiteren folgt Kramsch' Kategorisierung (2011) hinsichtlich der Bedeutung des Diskurses als symbolisches System118 sowie eine diesbezügliche kurze Auseinandersetzung:

 „Diskurs als symbolische Repräsentation denotiert und konnotiert eine stabile Realität durch lexikalische und grammatische Strukturen (e.g.

Saussure 1916/1959; Benveniste 1966). Diese Strukturen sind als konzeptuelle Kategorien zu sehen, als idealisierte kognitive Modelle der Realität, die den Prototypen und Stereotypen korrespondieren, wodurch wir uns selbst und die Anderen begreifen (e.g. Lakoff 1987; Fauconnier &

Turner 2002). Diskurs als symbolische Repräsentation fokussiert darauf, was Wörter besagen und was dies über den Verstand zeigt.

116 „Symbolic universes constitute the fourth level of legitimation. These are bodies of theoretical tradition that integrate different provinces of meaning and encompass the institutional order in a symbolic totality. [...] symbolic processes are processes of signification that refer to realities other than those of everyday experience“ (Berger/Luckmann 1966: 113) (übers. von E. V.).

117 „[...] the different agents’ linguistic strategies are strictly dependent on their positions in the structure of the distribution of linguistic capital“ (Bourdieu 1991: 64) (übers. von E. V.).

118 Zitat ist zwar extensiv aber erforderlich.

66

Diskurs als symbolisches Handeln fokussiert durch seine performative Äußerungen, seine Sprechakte, seine Sprechtypen 119 , Facework- Strategien120 und Rituale symbolischer Interaktion (e.g. Austin 1962;

Goffman 1967) darauf, was Wörter machen und was diese über die menschlichen Absichten zeigen121.

Diskurs als symbolische Macht (e.g. Weedon 1987; Bourdieu 1991;

Butler 1997) fokussiert durch die davon gebildeten intertextuellen Relationen mit anderen Diskursen, durch die davon ausgedrückten Moralwerte und durch die davon konstruierten Subjektivitäten und historischen Kontinuitäten bzw. Diskontinuitäten darauf, was Wörter nachweisen und was sie über soziale Identitäten, individuelle und kollektive Erinnerungen, Gefühle und Ansprüche aufzeigen“122 (Kramsch 2011: 357).

Die obige Formulierung der Kategorien von Diskurs als symbolisches System stützt Kramsch (2011) auf die Sprechakttheorie, auf Kommunikationsethnographie, auf

119 Speech genres (Bakhtin 1986).

120 Goffmans (1967) Gesicht-Konzept.

121 Heracleous (2012) stellt eine ähnliche Kategorisierung bzw. vier Schätze zur Interpretation der Konstruktion diskursiver Realität dar, die den Diskurs als situatives symbolisches Handeln präsentieren.

122 „As a symbolic system, discourse is at once:

SYMBOLIC REPRESENTATION. It denotes and connotes a stable reality through lexical and grammatical structures (e.g. Saussure 1916/1959; Benveniste 1966). These structures are to be seen as conceptual categories, idealized cognitive models of reality that correspond to prototypes and stereotypes through which we apprehend ourselves and others (e.g. Lakoff 1987; Fauconnier &

Turner 2002). Discourse as symbolic representation focuses on what words say and what they reveal about the mind.

SYMBOLIC ACTION. Through its performatives, its speech acts, speech genres, facework strategies and symbolic interaction rituals (e.g. Austin 1962; Goffman 1967) discourse as symbolic action focuses on what words do and what they reveal about human intentions.

SYMBOLIC POWER. Through the intertextual relations it establishes with other discourses, the moral values it expresses, the subjectivities and historical continuities (or discontinuities) it constructs, discourse as symbolic power (e.g. Weedon 1987; Bourdieu 1991; Butler 1997) focuses on what words index and what they reveal about social identities, individual and collective memories, emotions and aspirations“ (Kramsch 2011: 357) (übers. von E. V.).

67 Sozialpsychologie bzw. auf Prinzipien des sozialen Konstruktionismus (Berger/Luckmann 1966), wie oben erwähnt, auf den symbolischen Interaktionismus (Krappmann 1973; Krotz 2008), auf Rhetorik (Charland 1987; Gronbeck 1973;

Gill/Whedbee 1997) und schließlich die Kritische Diskursanalyse (Fairclough 2003, 2012; Gee 2010; Mumby/Stohl 1991; Rogers 2011; van Dijk 1985, 1993, 1997;

Weiss/Wodak 2003), und geht den Weg quasi von der Mikro- zur Makroebene. Auf der Mikroebene steht die Wechselkonstituierung von Kognition und Diskurs im Mittelpunkt, während auf der Mesoebene das Verfolgen eines jeden Akteurs von gewissen kommunikativen Handlungen, in der Absicht bestimmte Ziele zu erfüllen.

Auf der Makroebene wird die Institutionsperspektive und die Interrelationen zwischen verschiedenen diskursiven Praktiken eingeführt. Anhand der obigen Kategorisierung wird in Bezug auf die Interpretation des Diskurses als symbolisches System festgestellt, dass Diskurs und nicht Kultur unsere soziale und organisatorische Realität konstruiert und dass Kultur zwar zur Konstruktion mentaler Bilder beiträgt, die aber durch den Diskurs die Realität (re-)konstruieren. Daraus geht also eindeutig hervor, dass die in der Fremdsprachendidaktik tief verwurzelte Dualität von Sprache und Kultur für globalisierte Gesellschaften nicht mehr zutrifft und dass „Sprache (eher) als lebender Diskurs“123 (Kramsch 2014a) verstanden und untersucht werden soll.

Die erste Kategorisierungsbene, nämlich die Bestimmung des Diskurses als symbolische Repräsentation, lässt Bedenken aufkommen, da Symbole bzw. Wörter nicht selten den Anderen unterschiedliche Konnotationen hervorrufen, als das, was sie eigentlich für uns repräsentieren124 (Bateson 1972: 139). Evans (2015: 5) formuliert die Frage wie folgt: „Wenn Symbole abstrakt sind, d.h. anders als die interozeptiven Wahrnehmungszuständen, die sie repräsentieren, dann wie genau lassen sie sich mit diesen Zuständen identifizieren, die sie eigentlich repräsentieren sollen?“125 Der

123 „[...] language and living discourse“ (Kramsch 2014a: 253) (übers. von E. V.).

124 In Anlehnung an Bateson (1972: 139): „[...] I am concerned with what important psychic information is in the art object quite apart from what it may 'represent'. [...] But representationalism as such is relevant. [...] It is the very rules of the transformation that are of interest to me - not the message, but the code“.

125 „[...] if symbols are abstract, which is to say, unlike the perceptual and interoceptive mental states they represent, how do they relate to the states they are supposed to be representative of?“ (Evans 2015: 5) (übers. von E. V.).

68 Diskurs repräsentiert zwar, was in unserer Gesinnung herrscht, doch ist dies erheblich subjektiv und demzufolge individuell. Was nicht individuell ist, nämlich das was Kramsch (2011: 357) oben als „idealisierte kognitive Modelle“ bezeichnet, sind nicht die Inhalte unserer Gesinnung sondern die Gesinnungsmuster bzw. -modelle, denen wir folgen. „Idealisiert“ deutet auf die Hoffnung einer Generalisierung hin, dass alle Menschen dieselben neuropsychologischen Muster besitzen. Doch das Folgen solcher Muster könnte auch als eine Art Gedächtnis126 interpretiert werden, das unsere Einstellungen und unser Verhalten bestimmt. In seinen Méditations Pascaliennes kommt Bourdieu (2001) zu einer vergleichbaren Beobachtung:

„Die Welt ist erfassbar, unmittelbar sinnerfüllt, weil der Körper, der dank seiner Sinne und seines Gehirns fähig ist, auch außerhalb seiner selbst in der Welt gegenwärtig zu sein, von ihr Eindrücke zu empfangen und sich durch sie dauerhaft verändern zu lassen, über lange Zeit hinweg (seit seinem Ursprung) ihrem regelmäßigen Einwirken ausgesetzt war.

Infolgedessen hat er ein mit diesen Regelmäßigkeiten harmonisierendes System von Dispositionen erworben und ist geneigt und fähig, sie in Verhaltensweisen praktisch vorweg zu nehmen, die eine ein praktischen Erfassen der Welt sichernde körperliche Erkenntnis einschließen - ein Erfassen, das von dem gewöhnlich mit der Vorstellung des Erfassens verbundenen, bewussten Entziffern völlig verschieden ist“ (Bourdieu 2001: 174).

Die zweite Kategorisierungsebene, nämlich die Bestimmung des Diskurses als symbolisches Handeln, beruht für Kramsch (2011) vorerst auf Austin's (1962) Sprechakttheorie, die der Sprache außer ihrer repräsentativen, strukturierenden Funktion auch eine Funktion des Handelns verleiht. Genau diese strukturierende Funktion der Sprache, wie sie auch der Begründer der Sozialphänomenologie Alfred Schütz (1959) bestimmt, wirkt als ein Mittel für die Aufrechthaltung der intersubjektiven Verständigung zwischen Menschen. Austin interpretierte das wie folgt: Etwas zu sagen bedeutet soviel wie etwas zu tun (1962: 12)127. In dieser

126 „Gedächtnis ist die Kapazität des Nervensystems von Erfahrung zu profitieren“ (Markowitsch 2002:

141).

127 „We were to consider [...] some cases and senses [...] in which to say something is to do something;

or on which by saying or in saying something we are doing something“ (Austin 1962: 12).

69 Richtung werden in seiner Theorie der Illokutionen drei Dimensionen unterschieden.

Wenn man etwas sagt, dann vollzieht man gleichzeitig folgende Akte: Lokutionäre, illokutionäre und perlokutionäre128. Sprechakte können laut Austin (1962) mittels explizit performativer Äußerungen realisiert werden. Searle (1975) entwickelte weitere Typologien illokutionärer Akte, bestimmte genauer ihre Gelingensbedingungen und führte das Konzept der indirekten Sprechakte ein, wobei sich der intendierte Sprechakt vom Geäußerten unterscheidet. Der Zusammenhang zwischen beabsichtigtem Sinngehalt und Äußerung ist unübersichtlich und setzt so einen gewissen Grad von Subjektivität voraus. Sprache aber transformiert subjektive Sinngehalte in Realitätsfragmente und teilt diese in „semantische Felder oder Sinneszonen“129 (Berger/Luckmann 1966: 55) ein. Semantische Felder bestehen nach Berger/Luckmann aus der Summe linguistischer Objektivierungen, die alle Alltagsereignisse sinnentsprechend ordnen. „Innerhalb semantischer Felder könnte auch jenes biographische und historische Erlebnis objektiviert, bewahrt und aufgespeichert werden. [...] Dieser Aufspeicherung zufolge wird ein sozialer Wissensschatz gebildet, der von Generation zu Generation übermittelt wird. [...] Meine Interaktion mit anderen im Alltag ist [...] ständig von unserer gegenseitigen Teilnahme am vorhandenen sozialen Wissensschatz beeinflusst“130 (Berger/Luckmann 1966: 56).

Diese gegenseitige Teilnahme an einem gemeinsamen bzw. gemeinschaftlichen sozialen Wissensschatz „setzt die gegenseitige Akzeptanz vonseiten der Akteure voraus, die als Basisstruktur der Interaktion dient, besonders der vis-à-vis Interaktion“

128 „Dass man einen lokutionären Akt vollzieht, heißt, dass man mit den wohlgeformten Ausdrücken einer Sprache über etwas spricht und über das, worüber man spricht, etwas Bestimmtes sagt (Austin 1962: 94). [...] Dass man mit einer Äußerung einen illokutionären Akt vollzieht, heißt, dass man mit dem lokutionären Akt Gesagte eine bestimmte kommunikative Funktion erhält, z.B. als ein Versprechen, eine Behauptung, eine Bitte (1962: 98-99). [...] Einen perlokutionären Akt vollzieht man, wenn man eine Bestimmte Wirkung beim Hörer dadurch erzielt, dass man mit dem lokutionären Akt Gesagte mit einer bestimmten illokutionären Kraft äußert (1962: 101-102)“ (Röska-Hardy 1997: 149- 150).

129 „semantic fields or zones of meaning“ (Berger/Luckmann 1966: 55) (übers. von E. V.).

130 „Within the semantic fields thus built up it is possible for both biographical and historical experience to be objectified, retained and accumulated. [...] By virtue of this accumulation a social stock of knowledge is constituted, which is transmitted from generation to generation [...]. My interaction with others in everyday life is, [...] constantly affected by our common participation in the available social stock of knowledge“ (Berger/Luckmann 1966: 56).

70 (Goffman 1967: 11)131. Kramsch (2011) versucht also in ihrer obigen Definition des Diskurses als symbolisches Handeln von Austins (1962) micro-Analyse über van Dijk's (1977) macro-Sprechakte132 und schließlich zu Berger/Luckmann (1966) und Goffman (1967), den sozialen Aspekt der Interaktion im Vordergrund zu bringen.

Die dritte Kategorisierungsebene, nämlich die Bestimmung des Diskurses als symbolische Macht, sei in erster Linie auf Bourdieus (1991) Konzept der symbolischen Macht und dessen Relation zur Sprache zurückzuführen. „[...] symbolische Macht weist auf [...] denjenigen Aspekt hin, den alle Formen der Macht aufweisen, so wie sie routinemäßig im sozialen Leben eingesetzt sind. Denn in der Alltagsroutine wird Macht selten als sichtlich körperliche Gewalt ausgeübt: Stattdessen ist Macht in einer symbolischen Form verwandelt, und dadurch mit einer Art von Legitimierung ausgestattet, die sie anderenfalls nicht haben würde. […] symbolische Macht ist eine

‘unbesiegbare’ Kraft, die als solche ‘verkannt’ bleibt und demzufolge als legitim

‘anerkannt’“133 (Bourdieu 1991: 23). In seiner Definition wirft Bourdieu Licht auf die Konzepte der Legitimierung, worüber schon im vorliegenden Kapitel diskutiert wurde, und des sozialen Kontextes. Über die soziohistorischen Bedingungen, die den Diskurs in multikulturellen Umfeldern prägen, über Bourdieu's Auffassung des Begriffes Kompetenz, über die Produktion und Reproduktion valider sprachlicher Äußerungen und über die Interrelationen zwischen Sprache und symbolischer Macht wird in der Analyse (Kapitel 6) diskutiert.

131 „This kind of mutual acceptance seems to be a basic structural feature of interaction, especially the interaction of face-to-face talk“ (Goffman 1967: 11) (übers. von E. V.).

132 „The global speech act performed by the utterance of a whole discourse, and executed by a sequence or possibly different speech acts. (van Dijk 1977: 232) The concept of the macro-speech act is concerned with the overall structure of communicative interaction. Speech act sequences, on the other hand, centre around the linear structure of speech-acts (i.e., their macro-pragmatics)“ (Mbisike 2008:

71).

133 „[…] symbolic power refers to […] an aspect of most forms of power as they are routinely deployed in social life. For in the routine flow of day-to-day life, power is seldom exercised as overt physical force: instead, it is transmuted into a symbolic form, and thereby endowed with a kind of legitimacy that it would not otherwise have. […] symbolic power is an ‘invincible’ power which is

‘misrecognized’ as such and thereby ‘recognized’ as legitimate“ (Bourdieu 1991: 23) (übers. von E.

V.).

71 3.4 Exkurs I: Symbolische Repräsentation - eine psychologische Annäherung

Obwohl sich Kramsch' Definition (2011) der symbolischen Repräsentation als Eigenschaft und Funktion des Diskurses auf sprachliche bzw. semantische Repräsentation fokussiert und ihre Verknüpfung zu Kognition und konzeptuellem Wissen darstellt, lässt sich auch schon vom Fachterminus her die Anlehnung an psychologische bzw. psychoanalytische Konzepte absehen.

Symbol und Identität sind eng zusammenbezogen; Aus dem Griechischen σύμβολον wurde das Wort Symbol von Mitgliedern der Frühchristlichen Kirche während Zeiten der Verfolgung benutzt, um ihre Identität als Gleichgesinnte sicherzustellen und authentifizieren. Das Wort denotierte ein Objekt aus zwei Teilen; Als Erkennungszeichen des Trägers diente die Kombination dieser beiden Teile. Ein Symbol hat also eine performative Rolle; es wirkt als Aufruf zum Handeln für diejenigen, die dem Symbol Sinn verleihen. Ein Symbol widerspiegelt ein subjektives Geschehnis, in dem Sinne, dass es eine Erfahrung repräsentiert, was in ihrer Natur nur subjektiv sein kann. Symbole, dazu gehören auch sprachliche Symbole, sind verdichtete, metaphorische Bedeutungsträger, die wie Rituale wirken: Die Entstehung eines Symbols bedeutet zunächst Entfremdung aus üblichen soziokulturellen Praktiken, Verwandlung in einen neuen Zustand und schließlich Wiederaufnahme in die Gesellschaft bzw. in den Diskurs und Akzeptanz in neuer Identität134. In Einklang mit der obigen Denkweise ermöglichen symbolische Repräsentationen im Diskurs die Transformation bzw. Rekonstruktion der Identität.

In ihrer Definition reißt Kramsch (2011) die psychologische Perspektive an, wie subjektive mentale Repräsentationen, hier um der Kategorisierung willen als

„idealisierte kognitive Modelle der Realität“ bezeichnet, durch die Sprache Ausdruck finden und wie sie von Individuen und Gruppen von Individuen benutzt werden. Wie schon erwähnt, zeigt dieser Aspekt die ganze Problematik in Bezug auf multikulturelle Diskurse auf psychologische Ebene135 auf. Mentale Konzepte und deren Denotationen und Konnotationen stimmen zwar im allerbesten Fall bei

134 In Anlehnung an Fischer-Lichte (2004).

135 Auf kognitiver Ebene wird dies im Weiteren diskutiert.

72 Gleichsprachigen mit gemeinsamen Kategorien überein, im interlingualen/interkulturellen Diskurs aber können Sprecher mit gemeinsamen, objektiven Kategorien nicht rechnen. In seinen elementarsten Zügen deutet dies auf die philosophische Frage hin, wie man die Realität in ihrem objektiven Sinne begreift.

In Bezug auf die vorliegende Arbeit prägten die obigen Gedanken folgende Hauptfragestellung: Sind im Rahmen von Prüfungsinteraktionen Lakunen zwischen Prüfer und Prüfling unterschiedlicher L1/C1 zu beobachten? Und inwiefern könnte dies den Evaluationsprozess, von der Durchführung bis zur Notenverleihung, beeinträchtigen (siehe Kapitel 5 und 6)? Das Verfahren, mit symbolischen Repräsentationen in der Fremdsprache umgehen zu können, ist nicht rein kognitiv, sondern zugleich affektiv. Ob dies im Prüfungsdiskurs ersichtlich wird, ist es eine Frage der Datenanalyse, die im Weiteren vorkommt.

3.5 Exkurs II: Symbolische Repräsentation - eine ökologische Annäherung Mentale Repräsentationen von Kategorien bzw. kategorischen Strukturen werden durch die Ökologie des Subjektes definiert. In Hinsicht auf Rosch's Experimente, z.B.

bezüglich der Kategorie ‘Vogel’ (Rosch 1978 in Lakoff 1987: 44): Die Subjekte betrachteten Rotkehlchen und Sperlinge als die höchstreffenden Beispiele für ‘Vogel’, Eulen und Adler nehmen einen niedrigeren Rang ein, während Sträuße, Emus und Pinguine die Kategorie ‘Vogel’ am niedrigsten repräsentieren. Lakoff (1987: 44) und auch Rosch in ihrer späteren Forschung (1981) behaupten auf keinen Fall, dass die Zugehörigkeit der verschiedenen mentaler Repräsentationen zur Kategorie ‘Vogel’

abgestuft ist und dass Emus und Pinguine der Kategorie weniger zugehören, sondern dass jede Kategorie genau definiert ist, dass alle Repräsentationen einer Kategorie in gleichem Maße hinzugehören und dass die Kategorie selbst über interne Strukturen verfügt, die treffende bzw. weniger treffende Grade zur Folge haben. „[...] die internen Strukturen einer Kategorie sind Teil unserer konzeptuellen Auffassung eines Vogels [...]“136 (Lakoff 1987: 45). Gerade dieses Beispiel der ‘Vogel’-Kategorie zeigt, dass unser konzeptuelles Kenntnissystem bzw. unsere Auffassung eines Prototypen von der (hier natürlichen) Ökologie diktiert: Pinguine wären prototypische Elemente

136 „[...] that internal structure must be part of our concept of what a bird is [...]“ (Lakoff 1987: 45) (übers. von E. V.).

73 der ‘Vogel’-Kategorie z.B. für Eskimos oder für diejenigen Subjekte, deren Auffassung von Pinguinen mehr die biologischen Eigenschaften eines Vogels und weniger die menschennahen Eigenschaften eines Tiers, das steht und geht, konnotieren würde. Die Aussage „Unsere ‘Wirklichkeit’ ist also keineswegs so etwas wie eine ‘objektive’ Realität, vielmehr wird sie durch unsere Kategorisierung, unsere Wahrnehmung, unser Wissen, unsere Einstellung, kurz durch unsere menschliche Erfahrung bestimmt“ (Pörings/Schmitz 1999: 15) reflektiert die halbe Wahrheit;

Ökolinguistik begründete seit der späteren 90er Jahren die Struktur unserer Kategorisierung und den Einfluss der Ökologie der Sprache auf unsere kognitiven Anhaltspunkte.

Im Hinblick auf die Definition des Diskurses als symbolische Repräsentation (Kramsch 2011) (siehe Unterkapitel 3.3) bedeutet die obige Feststellung, dass die Denotation bzw. Konnotation der Realität durch konzeptuelle und daher in Sprache niedergelegte Kategorien von ökologischen bzw. ökolinguistischen Konventionen diktiert wird. Dies bedeutet, dass kategorisches Denken nicht an feste Hierarchien gebunden ist, sondern vielmehr an Polyhierarchien (Schich 2009: 149), die ökologiebestimmt sind. Schicht (2009) beschreibt zufälligerweise doch am präzisesten die epistemologische Lücke, die der ökologische bzw. ökolinguistische Ansatz und das Konzept der symbolischen Kompetenz aufgrund ihrer holistischen Annäherungsweise zu überbrücken versuchen: „Es lässt sich hier nicht genauer eingrenzen, ob der Hang zur hierarchischen Untergliederung von physiologischen Gegebenheiten unseres Wahrnehmungsapparats abhängt, von kategorischen Strukturen unseres Gedächtnisses oder schlicht von der eindimensionalen Weitergabe unserer Sprache“ (Schicht 2009: 149). Die dem reduktionistischen, unnatürlichen Einblick der Kognitionswissenschaften, inbegriffen Chomsky's Kognitiven Linguistik, entgegenstehende Theorie des Enaktivismus (siehe Kap. 2.9.4), stützend auf Varela/Thompson/Rosch (1991) und Lakoff/Johnson (1999) Verkörpertes Denken 137 -Hypothese, ist in der Definition des Diskurses als symbolische Repräsentation bzw. symbolische Kompetenz (Kramsch 2011) genau zu sehen, da Kramsch (2011) darin behauptet, dass interne, symbolische Repräsentationen im Gehirn/ Geist eng mit den schon vorhandenen, externen Objekten, Eigenschaften und

137 Embodied mind (Varela/Thompson/Rosch 1991; Lakoff/Johnson 1999).

74 Ereignissen verbunden sind: „[...] idealisierte kognitive Modelle der Realität, die den Prototypen und Stereotypen korrespondieren, wodurch wir uns selbst und die Anderen begreifen“ (Kramsch 2011: 357).

Die obigen Exkurse geben zwar einen Einblick, wie sich symbolische Repräsentationen im Diskurs manifestieren. Genauere Schlussfolgerungen sind anhand der Datenanalyse zu ziehen.

3.6 Grundkonzepte zur näheren Erläuterung der Symbolischen