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Kernprinzipien konversationsanalytischer Forschung

Danksagung

4. Zur Methodologie der Untersuchung

4.1 Methodologische Konzepte

4.1.1 Konversationsanalyse

4.1.1.1 Kernprinzipien konversationsanalytischer Forschung

Zunächst werden Kernaspekte präsentiert, die für alle konversationsanalytische Verfahren von Wichtigkeit sind. Dies dient auch dazu, wichtige Prinzipien konversationsanalytischer Forschung zu klären, die dann bei der Untersuchung symbolischer Kompetenz in der Analyse bestimmter Gesprächs- bzw.

Transkriptionsausschnitte als roter Faden dienen werden.

Da die Konversationsanalyse die „Konstitutionseigenschaften von Gesprächen als methodologische Leitlinie“ (Deppermann 2000: 97) benutzt, werden diese auch zugleich zu ihren Prinzipien. Auf dieser Basis listen Deppermann (2000, 2008) und Seedhouse (2004) die Prinzipien der Konversationsanalyse auf, indem es sich im ersten Fall um eine präzisere Präsentation folgender Prinzipien handelt:

Sprechakttheorie in der Konversationsanalyse übertragen worden sind (Hagemann/Rolf 2001), ist Sprechakttheorie vielmehr satzzentriert und kontextfrei, da die Hörerseite vernachlässigt wird (Galinski 2004: 17), während Konversationsanalysten sprachliches Handeln als Sprecher-Hörer-Interaktion verstehen.

254 Schicho (o.J.) bezeichnet Diskurs- und Konversationsanalyse als ungleiche Zwillinge. Der wesentlichste Unterschied zwischen Diskurs- und Konversationsanalyse ist, dass die Diskursanalyse sich auf die Untersuchung wiederkehrenden Mustern sowohl in gesprochenen als auch in geschriebenen Texten konzentriert. Fairclough/Wodak (1997), beide Vertreter der Kritischen Diskursanalyse, betrachten Diskurs als eine Form sozialen Handelns. Dies deutet auf die Wechselwirkung zwischen einer spezifischen diskursiven bzw. dialektischen Praxis und den sozialen Strukturen hin, die sie prägen. Im Bereich der Evaluation von Fremdsprachen z.B. würde eine diskursanalytische Annäherung Licht darauf werfen, wie soziale Akteure (z.B. Kandidaten, Prüfer, Lehrer, das Publikum, usw.) über das Testen sprechen, wie dies ihre sozialen Identitäten und die Verhältnisse unter denen beeinträchtigt, usw. unf.. Anlehnend an den Gebrauch des Begriffes Diskurs von griechischen Philosophen (Διαλεκτική in Zenon von Elea und Platon), deutschen Philosophen (Kant, Hegel), und philosophisch-politischen Figuren wie Marx und Foucault bringt heutzutage der Begriff politische Assoziationen mit sich, von denen prominente Diskursforscher wie Wodak und Fairclough stark beeinflusst wurden. Bei vielen Autoren wird aber trotzdem der Begriff in einem eher freieren Kontext benutzt, deutet aber immerhin auf das gesprochene Wort und wird dabei als akzeptabel angesehen.

129 Handlungscharakter, Methodizität, Sequenzialität, Interaktivität und Reflexivität (Deppermann 2000: 98). Seedhouse (2004) unterstützt folgende Kategorisierung:

Indexicality, Documentary Method of Interpretation, Reciprocity of Perspectives, Normative Accountability und Reflexivity. In Übereinstimmung mit beiden obigen Kategorisierungen wurde versucht, diejenigen konversationsanalytischen Prinzipien darzustellen, anhand deren die vorliegende Datenanalyse durchgeführt wurde.

4.1.1.1.1 Sequenzialität

Die Rekonstruktion des Zusammenhangs zwischen der Form eines Gesprächs und deren Funktion auf die Äußerungen der Interaktanten ist vorerst eine Frage der sequentiellen bzw. zeitlichen Ordnung eines Gesprächs. Schegloff/Sacks (1973) und Schegloff (1990) fassen die Wichtigkeit des Sequenzialitätsprinzips für die gesprächsanalytische Forschung in der Frage zusammen, ‚warum das jetzt?‘255 bzw.

warum ein jeweiliges Element in einem jeweiligen Punkt der Interaktion vorkommt.

Sequenzialität meint zunächst einmal, dass Gespräche zeitlich strukturiert sind und dadurch aufeinander folgende Beiträge entstehen“ (Deppermann 2008: 49). Nach Deppermann ist Zeitlichkeit „keine dem Gespräch äußerliche Eigenschaft, sondern sie ist unhintergehbare Bedingung und Ressource für die Gestaltung von Äußerungen, die Herstellung von Kontexten und Bedeutung sowie für die Entstehung von Intersubjektivität (Heritage 1995: 398, 1997: 162f)“ (Deppermann 2008: 49).

Als Sequenzialität darf einerseits die Organisation eines Gesprächsschrittes256 (engl.

one conversational turn) oder turn-interner Strukturen und andererseits die Organisation komplexerer Einheiten, die sich aus mehreren turns257 bestehen,

255 Zusammen mit Erving Goffmans (1974) fundamentale Frage ‚what is going on here?‘ haben Schegloff/Sacks (1973) und Schegloff (1990) mit der Frage ‚why that now?‘ den Rahmen zeitgenössischer diskursanalytischer Forschung definiert. Diese Beobachtungen repräsentieren zwar unterschiedliche Perspektiven, da sie anhand unterschiedlicher Beobachtungsmethoden zugrunde gelegt worden sind (gedächtnis- und intuitionsbasierte vs. Tonbandaufnahme-basierte Beobachtungen), deuten aber deutlich auf die feinen Aspekte der internen Logik eines Gesprächs als System hin.

256 In Anlehnung an die Übersetzung des Begriffes turn-taking als Gesprächsschrittwechsel nach Henne/Rehbock (1982: 23). In der nachkommenden Bibliographie wird eher der Begriff Sprecherwechsel benutzt, den auch die vorliegende Dissertation adoptiert. In der deutschsprachigen Literatur werden die Begriffe turn-taking und turn oft im Original übernommen (Turn).

257 multi-unit turns (Sacks et all. 1974 in Selting 2000: 478).

130 verstanden werden, nämlich die Distribution von turns bzw. die Distribution von Sequenzialitätsphänomenen oder Superstrukturen (van Dijk 2008: 209), die sich aus identifizierbaren Fragmenten bestehen. Wie auch Deppermann (2008) notiert, lassen sich Turn-Sequenzen nicht nur anhand zeitlicher Beschränkungen sondern auch anhand kontextueller Bedingungen definieren. „Jede institutionelle, interaktionelle Aktivität oder Gattung ist also (auch) strukturiert und sequenziert anhand

‚funktionaler‘ Einheiten oder Kategorien, die ihre Bedeutungen und Interaktion insgesamt organisieren, z.B. in mehreren Arten ‚vor-allokierter‘ turns, Turn- Sequenzen, Turn-Längen usw.“258 (Ten Have 2001 in van Dijk 2008: 210).

Interaktionsrelevante, syntaktisch und semantisch vollendete linguistische Einheiten, die die Macht haben Bedeutungen zu organisieren, können nur kontextgebunden sein259.

Die kontextuellen Bedingungen, die die Sequentialität und die dadurch generierte Bedeutung beeinflussen, orientieren sich an Eigenschaften, wie „... Alter, Geschlecht, Rang, Status oder Macht“260 (van Dijk 2008: 207) oder, im Falle formeller, institutioneller Interaktionssituationen, an den kontextuellen Eigenschaften der kommunikativen Situation bzw. Gattung, wie die Zeitparameter in z.B.

Firmensitzungen, schulischen Unterrichtsstunden, Vorlesungen oder sogar auch Prüfungssituationen. Im Gegensatz zu informellen Interaktionen, wo kontextuelle Bedingungen mehr oder weniger streng einwirken, sind institutionelle Interaktionen eher streng vom Kontext bedingt. In gerichtlichen Verfahren darf nur der Richter entscheiden, d.h. die Schlusssequenz initiieren. Aber auch in diesem Fall können weniger strenge Bedingungen gelten, in dem Sinne, dass die Äußerungen des

258 „Each institution, interaction activity or genre is thus (also) structured and sequenced by ‚functional‘

units or categories that organize its overall meanings and interaction, for instance, in various kinds of

‚pre-allocated‘ turns, turn sequences, turn lengths and so on“ (Ten Have 2001 in van Dijk 2008: 210) (übers. von E. V.).

259 „The notion of Turn-Constructional Unit (TCU) in Conversation Analysis ... is defined as the smallest interactionally relevant complete linguistic unit, in a given context, that is constructed with syntactic and prosodic resources within their semantic, pragmatic, activity-type-specific, and sequential conversational context. ... Although the notion of TCU as introduced by Sacks, Schegloff, &

Jefferson 1974 is now widely accepted, the details of its interpretation are far from clear“ (Selting 2000: 477).

260 „... age, gender, rank, status or power“ (van Dijk 2008: 207) (übers. von E. V.).

131 Gesprächspartners dem Interaktanten, der die Macht der Turn-Distribution hält, schließlich diktieren, wie er die Turn-Distribution steuert. In mündlichen Prüfungsdiskursen ist der Sprecherwechsel von expliziten Regeln festgelegt, die der Prüfer in bestimmten vorgeschriebenen Zeitpunkten durchführen muss; trotzdem kann von der vorangehenden Äußerung des Kandidaten, z.B. beim Schweigen, bei zu knappen oder zu langen Antworten usw., einigermaßen diktiert werden, wann der Prüfer die nächste Sequenz einführt, welchen Sprechakt er dabei einsetzt, welche kontextuelle Bedingungen dies erzwingen usw.

4.1.1.1.2 Interaktivität

Genauso wie Sequenzialität, relativiert das Prinzip der Interaktivität „die übliche Unterscheidung zwischen Sprecher und Hörer, als davon ausgegangen wird, dass am Zustandekommen von Äußerungen grundsätzlich auch die Gesprächspartner Anteil haben, die gerade nicht sprechen“ (Gülich/Mondada 2008: 6). Dies deutet auf das Prinzip der Co-Konstruktion (Jacoby/Ochs 1995) hin, wobei es sich um den Bezug handelt, den Gesprächsteilnehmer aufeinander nehmen, um Strukturen herzustellen und Bedeutungen zu determinieren. Dieses Element wird auch zum Hauptelement konversationsanalytischer Forschung. Ein Beispiel für Interaktivität im Kontext der vorliegenden Dissertation wären Reparaturen. Reparaturen sind interaktiv ausgehandelt: „In ... Reparaturen erfolgt eine gemeinsame Bearbeitung des Referenzproblems“ (Stukenbrock 2015: 82). Interaktivität bedeutet also, dass

„Äußerungen ... a) als spezifisch zugeschnittene Entwürfe (sie sind adressaten-, kontext- und gesprächspositionsspezifisch) und b) als miteinander zu koordinierende Aktivitäten (sie werden nicht einfach produziert, sondern in reziproken Prozesse261 etabliert) zu begreifen sind“ (Schmidt 1997: 57). Dies bringt mit sich, dass die Positionierung jenes Sprechers auch interaktiv bzw. reflexiv gelingt, da die Interaktanten in jedem Turn „markieren, wie sie die Situation verstehen und wie sie verstanden werden sollen“ (Meer/Fetzer i.E.).

4.1.1.1.3 Reflexivität

Interaktivität ist eng mit dem Prinzip der Reflexivität zusammenverbunden.

Deppermann (2000) definiert Reflexivität wie folgt: „Interaktionsteilnehmer

261 Deutet auf das Prinzip der Reciprocity of Perspectives (Seedhouse 2004) hin.

132 dokumentieren mit ihrem Handeln, in welchen (sozialen oder kognitiven) Kontext dieses Handeln selbst zu verstehen ist, und realisieren und bestätigen damit stets aufs Neue die Wirklichkeit und Gültigkeit der betreffenden Kontexte; entsprechend muss in der Analyse rekonstruiert werden, wie welche Kontexte im Handeln enaktiert werden“ (Deppermann 2000: 98). Das Prinzip der Reflexivität könnte uns Einblicke in die zweite Facette symbolischer Kompetenz gewähren, nämlich das symbolische Handeln, da sich Akteure durch ihre performativen Äußerungen, durch ihre Sprechakte, durch ihre Rituale usw. Kontexte wiedergeben oder neue Kontexte schaffen, anhand denen ein jegliches Gespräch organisiert ist. Durch die Wiedergabe oder das Schaffen von Kontexten wird die Positionierung der Sprecher innerhalb einer Interaktion lokalisiert. Die Interaktanten lassen auf dieser Weise einander informieren, welcher ihr Stand ist und welche ihre Absichten sind. Fairclough (2001) und Müller (2008) erklären dies in Bezug auf Semiose: „Der (soziale) Sinn einzelner Elemente des Handelns ist nicht als eine Art Wörterbucheintrag abgespeichert. Der Sinn schließt vielmehr eine Semiose ein, einen Prozess der zeichengelenkten Zuordnung von Konzeptionen. Im Verlauf der Semiose wägt der Interaktionsteilnehmer die ihm bekannten Sinn-Alternativen ab und verknüpft die Elemente der Kommunikation mit dem vorhandenen Wissen“ (Müller 2008: 31).

„Semiose ... figuriert als ein Teil sozialer Aktivität innerhalb einer bestimmten Praxis. ... Zweitens, Semiose figuriert in Repräsentationen. Soziale Akteure innerhalb einer Praxis produzieren Repräsentationen anderer Praktiken sowie auch reflexive Repräsentationen ihrer eigenen Praxis, im Verlauf ihrer Aktivität innerhalb der Praxis. ... Drittens, Semiose figuriert ... in der Konstitution von Identitäten“262 (Fairclough 2001: 28). Obwohl Reflexivität besonders für die Analyse von Diskursen gedacht ist, könnte sie in der Mikro-ebene bei der Analyse institutioneller Gespräche, die Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind, eine Rolle spielen. Dadurch könnten wir z.B. überprüfen, ob eine spezifische Prüferäußerung eine vom Prüfling erkennbare

262 „Semiosis ... figures as a part of the social activity within a practice. ... Secondly, semiosis figures in representations. Social actors within any practice produce representations of other practices, as well as reflexive representations of their own practice, in the course of their activity within the practice. ... Third, semiosis figures ... in the constitution of identities“ (Fairclough 2001: 28) (übers.

von E. V.).

133 Prüferhandlung performiert oder nicht und ob dies die Intelligibilität der Äußerung und die reflexive Beziehung zwischen den Äußerungen bewahrt oder behindert.

4.1.1.1.4 Exkurs: Das Co-Konstruktionsprinzip und sein Bezug auf Prüfungsinteraktionen

Die oben erwähnten Prinzipien der Organisation von Gesprächen deuten zweifellos auf das kollaborative Verfahren der Co-Konstruktion. In früheren Arbeiten unterstützt Kramsch (1986, 1987) die kollaborative Natur von Interaktionen, indem sie direkte Kritik auf die ACTFL Richtlinien263 ausübte264. Kramsch (1987) argumentierte, dass Performanz auf eine Palette von Kontexten, Interaktanten, Inhalten und kommunikativen Absichten evaluiert werden sollte und nicht anhand eines einzigen Ereignisses, nämlich eines face-to-face Interviews wie eine mündliche Prüfung, aus dem Grund, dass „das Interview-Format eine ungleiche Machtrelation zwischen Prüfer und Prüfling instanziiert, da es das Recht, die Interaktion zu lenken (z.B. ein Gesprächsthema auszuwählen und zu präsentieren, Informationen zu entlocken, dem Prüfer zu unterbrechen usw.) beraubt“265 (Liskin-Gasparro 2003: 486). Im Hinblick dessen bringt Kramsch (1986) die interaktionelle Kompetenz in die Diskussion hinein, die für Scarino (2017: 14) zusammen mit der kommunikativen Kompetenz, als die Vorform symbolischer Kompetenz verstanden werden 266.

Die sozialen und kognitiven Komponenten der Interaktion sind also innerhalb des Rahmens der Co-Produktion und Co-Konstruktion untrennbar verbunden.

Jacoby/Ochs (1995: 177) definieren Co-Konstruktion als die „... verteilte

263 ACTFL (American Council on the Teaching of Foreign Languages) Proficiency Guidelines for the assessment of Speaking, Writing, Listening and Reading (Stand 1986).

264 Die Kommentare von Clifford (1978), Clark (1988), Kramsch (1986, 1987), Lantolf/Frawley (1985) und Savignon (1985) gaben Anlass zu dem sogenannten proficiency movement (Green 2012: 44ff.).

265 „... the interview format in fact instantiates an unequal power relationship between interviewer and interviewee, in which the rules of interview discourse constrain the right to such discourse management moves as nominating topics, eliciting information, and interrupting“ (Liskin-Gasparro 2003: 486) (übers. von E. V.).

266 Auf keinen Fall ist die von Kramsch später vorgeschlagene symbolische Kompetenz besonders für Prüfungssituationen gedacht, aber ihre Kritik (Kramsch 1986, 1987) wirkte als Leitfaden für die nähere Untersuchung symbolischer Kompetenz in mündlichen Prüfungen.

134 Verantwortung zwischen Gesprächspartnern für das Schaffen von sequentieller Kohärenz, Identitäten, Sinn und Ereignissen“267 (Jacoby/Ochs 1995: 177).

Außer der Identitäten, die in Prüfungsinteraktionen auftreten, d.h. Prüfer, Beisitzer und Prüfling(e)268 , sollten auch weitere Mächte im Sinne von Identität und symbolischer Kraft mitberücksichtigt werden, nämlich die Mächte hinter den Kulissen. Die erforderliche Berücksichtigung solcher Mächte, die einen Effekt auf die Prüfungsinteraktion haben könnten, führt zur Erforschung sowohl text- bzw.

konversationsbezogener als auch menschenbezogener Parameter269, wie auch die Definition der symbolischen Kompetenz besagt. Es folgt eine Darlegung dessen sowie ein Versuch, text- und konversationsbezogene Relationen im Licht des Selbst und des Fremden zu betrachten.

4.1.1.1.4.1 Sekundäre Agenten der Co-Konstruktion: Die Rolle der Testentwickler

Wie oben erwähnt, sind Prüfer bzw. Beisitzer und Prüflinge zwar die Einzigen, die an der eigentlichen Prüfungsinteraktion teilnehmen, sind aber nicht die Einzigen, deren Stimmen in der Konversation durchgewoben sind. Auf die Rolle der Testentwickler270 sollte in Bezug auf die Mehrstimmigkeit innerhalb einer Prüfungsinteraktion nicht verzichtet werden. Die exogenen271 Eigenschaften der Testentwickler prägen den

267 „... distributed responsibility among interlocutors for the creation of sequential coherence, identities, meaning and events“ (Jacoby/Ochs 1995: 177) (übers. von E. V.).

268 Im Falle einer Paarprüfung.

269 „Menschenbezogene Parameter“ weisen an dieser Stelle auf den Einfluss gewisser Eigenschaften der Testentwickler hin, die als Vermittler zwischen Prüfungskonstrukten, wie Prüfungsstimuli (Text, Bild etc.), Anweisungen, ausgewählte Prüfungstypologie, usw. und Prüfer/Prüfling wirken. Dazu könnten auch die Testanbieter als Entscheidungsträger gehören. Da aber eine nähere Ausführung dieses Punktes den Rahmen der vorliegenden Dissertation überschreiten würde, sind nur manche erforderliche Anmerkungen gemacht.

270 gemeint sind die Testautoren bzw. Item-Schreiber.

271 „Die Lernervariablen [...] bestehen einerseits aus den exogenen Faktoren des Lernumfeldes und umfassen damit kollektive und individuelle Aspekte der Umgebung. Dazu gehören kulturelle, moralische, rechtliche, religiöse und andere Werte, Normen und Gewohnheiten [...]. Andererseits bestehen sie aus endogenen Voraussetzungen der individuellen Lernerpersönlichkeit, zum Beispiel ihren Einstellungen, Erfahrungen, Präferenzen, ihrer Risikobereitschaft oder Toleranzfähigkeit“ (Roche

135 Prüfungsinhalt und somit auch die Prüfungsinteraktion in dem Maße, dass sie im gleichen Verhältnis zu den Eigenschaften der Prüfer stehen, da Testentwickler und Prüfer die Pflicht zu erfüllen haben, Entscheidungen zu treffen. Ob entweder Testentwickler oder Prüfer die Prüfungsinteraktion in Bezug auf den Prüfungsinhalt durch ihre kulturbedingten Entscheidungen am stärksten lenken, ist vorerst anhand der Rahmenrichtlinien für Testentwickler zu bestimmen272. Gibt es mangelnde Testentwicklerschulung oder mangelndes Feedback bezüglich der Itemanalyse, dann birgt dies die Gefahr, dass Testentwickler mehrere als erforderlich oder/und unpräzise oder/und dem getesteten Niveau nicht entsprechende Fragen etc. formulieren. Um dann Schwerfällen zu vermeiden, liegt es an den Prüfer, die passenden Fragen auszuwählen, was auch offensichtlich wegen kulturgeprägter Biases den Teufelskreis fortsetzen könnte. Auch wenn die Schulung der Testentwickler und Prüfer in dieser Hinsicht gesichert ist, kann es in Prüfungsinteraktionen zu Schwerfällen kommen, wobei der Prüfer z.B. beim Stocken des Prüflings noch weitere Fragen stellen sollte oder die gestellte Frage umzuformen versucht, was die Testentwickler bei der Itemkonstruktion nicht mitberücksichtigen haben können, denn alle Prüflinge verfügen nicht über dieselben Traits bzw. Persönlichkeitsmerkmale (psychologische, emotionelle, haltungsprägende usw.) 273 und alle Prüfungen haben trotz festgelegter Prüfungsordnung nicht denselben Verlauf. Man kann also sagen, dass Testentwickler zwar den Diskurs in seinem formallen Detail prägen, indem sie den Prüfungsinhalt und die Prüfungsdurchführung bestimmen. Das Endresultat hängt aber eher von den Entscheidungen der Prüfer ab; er lenkt die Interaktion und damit die Bewertung der Prüflinge. Dennoch ist der Einfluss der Identität der Testentwickler auf den Interaktionsverlauf unbestritten und ihre symbolische Kraft sollte neben der symbolischen Kraft der Prüfer untersucht werden.

2008: 32). In Anlehnung an die oben beschriebenen Termini wird im Kontext der Dissertation auf die Eigenschaften der Prüfer und Testentwickler hingewiesen. Ihre Differenzierung erfolgt an denselben Prinzipien.

272 „It is not clear [...] that further guidance to item writers was not relevant to their tests, unless they meant to emphasize that it is up to the oral examiners rather than the item writers to decide what questions to ask“ (Alderson/Clapham/Wall 1995: 35).

273 Als latente Variablen.

136 4.1.1.1.4.2 Sekundäre Agenten der Co-Konstruktion: Die Rolle des Prüfungsmaterials

Sowohl die Natur der Prüfungsinteraktion als auch das Prüferprofil, in Bezug auf die hervortretende symbolische Kraft, bringen die Frage auf, bis zu welchem Grade der Prüfer die Teilnahme des Prüflings in der Interaktion prägt, fördert oder hindert (Brown 2003 & 2005, Chalhoub-Deville 2003, Leung/Lewkowicz 2006, Leung/Mohan 2004, McNamara 1997, 2001). Im Hinblick darauf führt Norton (2013) den Begriff des Co-Konstruktionsprinzips neu ein. Norton (2013) argumentiert auf der Basis der Definition von Jacoby & Ochs (1995: 171)274, dass Prüfer und Prüfling mit einander anhand des Prüfungsmaterials (d.h. Prüfungstexte, Aufgabenstellungen, multimodale Stimuli, Prüfungsfragen, Bewertungsraster usw.), des Schulungsmaterials (sowohl der Prüfer als auch der Testentwickler), und der Prüfungsordnung interagieren275. Der Prüfungstext erfüllt also nur dadurch seine Funktion, indem er den linguistischen, sozialen und kulturellen Kontext bestimmt, innerhalb dessen sich die Identitäten des Prüfers und des Prüflings, und die interaktionalen Beziehungen zueinander, neudefiniert werden. Betrachtet unter diesem Aspekt, eignet sich das Prinzip der Co-Konstruktion der ökolinguistischen Annäherung, indem es sich um die Wechselwirkung von Kräften zwischen den oben erwähnten Parametern handelt. Erforscht man das Material mündlicher Prüfungen, dann sind Schlussfolgerungen darüber zu ziehen, wie die verschiedenen Identitäten während der Prüfungsinteraktion geformt werden und wie die Prüfungsinteraktion diejenigen Facetten der Prüfer-/Testentwickleridentität prägt, mit denen die Prüflinge konfrontiert werden. Dies deutet nämlich auf die Konzepte der Intertextualität276 und

274 „Co-construction is commonly defined in the testing literature as "the joint creation of a form, interpretation, stance, action, activity, identity, institution, skill, ideology, emotion, or other culturally meaningful reality (Jacoby & Ochs 1995: 171)“ (Norton 2013: 310).

275 „[...] the way interviewers and candidates interpret and interact with the test materials (interlocutor frames, tasks, and visual materials, such as photographs and drawings), and not just with each other, appears to be an aspect of co-construction that has previously been overlooked in the testing literature“

(Norton 2013: 310).

276 Intertextualität beschreibt die Art und Weise, wie sich Texte überschneiden lassen bzw. aufeinander verweisen. Beispiele dafür wären z.B. Literaturquellen und multimodale Texte, die oft Elemente anderer Texte beinhalten.

137 der Interdiskursivität 277 als Aspekte des Co-Konstruktionsprinzips hin (siehe Unterkapitel 4.1.1.1.4.3), die zugunsten wirksamer Reflexion parallel zu betrachten sind278.

4.1.1.1.4.3 Intertextualität/Interdiskursivität als Kernaspekte der Co- Konstruktion

Was die intertextuellen Beziehungen angeht, die die Prüfungsinteraktion prägen, lassen sich zwischen dem von den Testentwicklern kodierten Prüfungsitem279, der vom Prüfer dekodierten Aufgabenstellung (Aufgabenstellung als geschriebener Text), der vom Prüfer wieder kodierten Aufgabenstellung (Aufgabenstellung als gesprochener Text) und schließlich der vom Prüfling dekodierten Aufgabenstellung (Aufgabenstellung als gehörter Text) entfalten. Obwohl also der Prüfungstext mit demselben Inhalt doch in verschiedener Form erscheint und von verschiedenen Rezipienten wahrgenommen und wiedergegeben wird, gewinnt er an neue Bedeutungen, die vielmehr durch den soziokulturellen Parametern des Prüfungskontextes als durch die semantische Bedeutung der Äußerung geprägt werden. Besonders bei Prüfungssituationen, wobei Prüfer, Prüfling und getestete Sprache unterschiedlichen kulturellen Normen folgen, werden die intertextuellen Relationen zwischen den verschiedenen Äußerungen problematisch. Sei der Testentwickler unterschiedlichen sozialen und besonders kulturellen Hintergrundes als der Prüfer und/oder die getestete Sprache, wird die Intertextualität gestört, da „das primäre Medium, innerhalb dessen die verschiedenen Identitäten geschaffen und als solche validiert werden, ist nicht nur sprachlich sondern auch textuell: Personen sind anhand ihres Engagements im eigenen oder im fremden Diskurs Identitäten zugerechnet‟ 280 (Shotter/Gergen 1989: ix). Das Vorhandensein einer

277Interdiscursivity refers to the mixing of diverse genres, discourses, or styles associated with institutional and social meanings in a single text“ (Wu 2001: 95).

278 Mehr über die verschiedenen Differenzierungsebenen zwischen Intertextualität und Interdiskursivität sind in Wu (2001: 97-98) zu lesen.

279 Prüfungsitem deutet an dieser Stelle an Aufgabenstellung, Frage(n), visuelle Begleitmittel und alle weiteren Stimuli, die zur mündlichen Produktion und Interaktion benutzt werden. Im Rahmen der Analyse intertextueller Beziehungen wird jenes Prüfungsitem als Text charakterisiert.

280 „[...] the primary medium within which identities are created and have their currency is not just linguistic but textual: persons are largely ascribed identities according to the manner of their