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Exkurs: Politische Auswirkungen einer nicht-nachhaltigen Evaluationspraxis

Danksagung

2. Ökolinguistik: Eine aufstrebende Disziplin

2.11 Exkurs: Politische Auswirkungen einer nicht-nachhaltigen Evaluationspraxis

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 die emergente Natur des Diskurses und die daraus ergebenden Folgen auf die Evaluationsprozesse zu erforschen,

 den Einfluss komplexer Sinnesgehalte auf die semiotische Simultaneität zu untersuchen,

fraktale diskursive Elemente herauszusuchen,

 den Grad der Enträumlichung in Mikroökologien, wie Prüfungsinteraktionen, zu bestimmen,

 engere Zusammenhänge zwischen den wesentlichen Komponenten des Sprache-Individuum-sozialer Kontext-Triptychons zu knüpfen,

 daraus engere Zusammenhänge zwischen Fremdsprache-Kandidat- Prüfungskultur abzuleiten,

 Prüfungsdiskurse aus einer Mikro- und Makroperspektive näher zu erforschen,

 die Art und Weise, wie man über das Testen fremdsprachlicher Kompetenz spricht, neu einzuschätzen,

 die Fraktalität der Prüfungssituation selbst als soziales Konstrukt zu überprüfen, d.h. ob Fremdsprachenlerner ihre Erfahrung als Kandidaten in dem breiteren sozialen Kontext der Mutter- bzw. Zielsprache und des Heimat- bzw. des Ziellandes übertragen,

 die Möglichkeit einer nachhaltigeren Prüfungskultur anzudeuten.

2.11 Exkurs: Politische Auswirkungen einer nicht-nachhaltigen

59 Maße entsprechen weltweit getestete Sprachen dem Machtstand prestigeträchtigen, privilegierten Ländern, was immerhin als eine Art verzerrter Monolingualismus betrachtet werden kann, wobei Sprecher gewisser L1 nur zur Zertifizierung bestimmter L2, L3 usw. verpflichtet sind. Griechische Fremdsprachenlerner z.B.

können von mehreren weltweit akkreditierten Zertifizierungsinstitutionen vorwiegend in folgenden Sprachen zertifiziert werden: Englisch, Französisch und Deutsch, während Sprachprüfungen in Italienisch, Spanisch, Türkisch und Russisch von den Bildungsinstituten der jeweiligen Ländern angeboten werden, mit der Ausnahme der KPg-Prüfung, die zur Zertifizierung griechischer Lerner in allen oben erwähnten Sprachen außer Russisch führt. Prima vista erscheint das obige Angebot an Sprachprüfungen eher divers, doch erzielt dies die Ausdehnung eines Europäischen Kontextes, ohne nebenbei an dem Lokalen oder dem Globalen zu arbeiten, ohne die Diversität der Bevölkerung zu respektieren.

Fremdsprachliche Zertifizierung in Griechenland korrespondiert also nicht den Umständen und Bedürfnissen der Bevölkerung, sondern pflegt eher die Machtrelationen zwischen über- und untergeordneten Ländern. Dies wurde auch aufgrund der extensiven Einwanderung in den letzten Jahrzehnten aus Albanien, Pakistan, Afrika, Afghanistan, aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion, und schließlich aus Syrien und der breiteren Kriegsregion usw. verstärkt;

Zertifizierungsmöglichkeiten besonders privater Träger in Griechenland haben sich der Einwanderung nicht angepasst und bieten vorwiegend dieselben Sprachen wie in den 80er Jahren, nämlich Englisch, Französisch und Deutsch. Obwohl KPg als nationaler Zertifizierungsträger, unabhängig aber vom fremdsprachlichen Bildungskontext, Sprachtests in weiteren Sprachen außer den üblichen bietet und einen breiteren kulturellen Kontext zu umfassen versucht, beweist sein Angebot eine hegemonische linguistische Konstruktion, in deren ideologischen Rahmen die europäische linguistische und politische Macht bewahrt und bekräftigt wird.

Bevor Bespiele hegemonialen Sprachtestdiskurses vorgestellt werden, sei hier die Bemerkung notwendig, dass der GERfS unter Leitung des Europarats zustande gekommen ist, dass alle Arbeitsgruppen bzw. Autorengruppen zu den Mitgliedsländern gehören und dass es als Nachschlagewerk für die Entwicklung sprachlicher Handlungsfähigkeit und kultureller Sensibilisierung innerhalb der

60 europäischen Grenzen europäische Bürger dient, was zum soziohistorischen Zeitpunkt der ersten Auseinandersetzung damit 1971 und dessen Erscheinung 2001 im Geiste der Kooperation der EU-Staaten als sinnvoll und legitim erschien. „[...] dass sich der Europarat zur Aufgabe gemacht hat, die Qualität der Kommunikation unter Europäern mit unterschiedlichem sprachlichen und kulturellen Hintergrund zu verbessern. Dies geschieht, weil eine verbesserte Kommunikation zu größerer Mobilität führt und zu vermehrten direkten Kontakten, was wiederum zu einem besseren Verständnis und zu besserer Zusammenarbeit führt“ (Trim/North/Coste 2001: 8). Schon in der obigen Aussage aber zeigt sich der Diskurs aufgrund von Begriffen wie ‚Qualität‘,

‚Mobilität‘ und ‚Zusammenarbeit‘ als hegemonial und unternehmerisch auf, in dem Sinne, dass nicht die Bedürfnisse der Bevölkerungen, sondern des Marktes angestrebt werden. Schon im Vorwort lässt sich eine Kategorisierung und ein Vergleich von Eigenschaften ergeben, die einfach auf die Kategorisierung sozialer Schichten hindeuten könnten. „Außerdem werden die zahlreichen Abschlüsse, Kursstufen und Prüfungsniveaus in Europa aufgeführt und miteinander verglichen“

(Trim/North/Coste 2001: 3). In ungleichen Gesellschaften wie die heutigen preist soziale Mobilität die Unterschiede unter den Menschen anhand neoliberalen Zwangsvorstellungen von Talent und Wertigkeit und verstärkt so Meritokratie statt Egalitarismus. Für die Bildung innerhalb Europas und besonders in Griechenland, eines der ‚schwächsten‘ Mitgliedsländer, bedeutet dies: Die neue Arbeiterklasse, d.h.

vor allem Migranten erster und zweiter Generation, muss eine erheblich höhere Leiter zum schulischen und sozialen Erfolg emporsteigen, während die mittlere Schicht der Bevölkerung darauf fixiert ist, den Weg zum Erfolg, nämlich hochrangige Schulen und Universitäten, zu monopolisieren. ‚Bessere Zusammenarbeit‘ ist dann entweder eine Utopie oder erfolgt nur unter zertifizierten, qualifizierten Menschengruppen.

Dementsprechend sei Ziel der Zertifizierung fremdsprachlicher Kompetenzen in der ungleichen neoliberalen Gesellschaftsordnung, immerhin nicht die Sprecher einer ständig wachsenden Sprachenanzahl zu akkommodieren, sondern kontroverse Richtlinien einzuführen, die den Bedarf einer Kompetenz auf nationaler Ebene aufzwingen und Kulturbewusstsein als Voraussetzung für einen triftigen Eintritt im Arbeitsmarkt fordern. Eine Erforschung anhand ökolinguistischen Prinzipien, wie die Funktion von Sprachtests auf die betroffenen Gruppen bzw. auf die Gesellschaft genau wirkt und wie diese Gruppen die Macht von Sprachtests wahrnehmen und sie in ihren alltäglichen Diskursen zum Ausdruck bringen, könnte uns wertvolle

61 Einblicke verleihen, einen positiven Einfluss auf unsere Bildungspraxis haben und Diversität schätzen. „Die stärksten Ökosysteme sind diejenigen, die am diversesten sind. Diversität ist eng mit Stabilität verknüpft; Varietät ist wichtig für nachhaltiges Überleben. ... Demnach maximiert sprachliche und kulturelle Diversität die Chancen für menschlichen Erfolg und Adaptabilität“107 (Baker 2001: 281).

107 „... the strongest ecosystems are those that are the most diverse. Diversity is directly related to stability; variety is important for long-term survival. ... Thus language and cultural diversity maximizes chances of human success and adaptability“ (Baker 2001: 281).

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3. Zum Stellenwert Symbolischer Kompetenz in der